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Sag zum Abschied leise Servus — wenn die Botschaft verabschiedet wird

  • Der Botschafter Thomas Borer ging von selbst
  • Der ersten Botschafter der Schweiz, den wir als Deutsche über das Fernsehen kennenlernten, war Thomas Borer. Wiki schreibt:

    Thomas Borer wurde als Botschafter in Berlin am 31. März 1999 von der schweizerischen Regierung ernannt und trat sein Amt am 21. September an. Wie nur wenige andere Diplomaten stand er während seiner Amtszeit oft im Licht der Öffentlichkeit. Dies ist einerseits durch seinen offenen und eher lässig wirkenden Stil begründet, anderseits durch seine Ehefrau Shawne Borer Fielding (…), eine ehemalige Schönheitskönigin und Filmschauspielerin. Ihnen haftete eher das Image von Partylöwen an, denn dasjenige von Diplomaten. Das Ehepaar war in Berlin populär. Er wurde für seinen Humor und seine Menschlichkeit mit dem Aachener Orden Wider den tierischen Ernst ausgezeichnet und hatte auch einen Auftritt in Wetten dass..?.

    Soviel Öffentlichkeit, soviel Beliebtheit, soviel unschweizerisches Hinauslehnen und als populäre Persönlichkeit Auftreten, das passte dem Schweizer Boulevardjournalismus nicht in den Kram, und so kam es zum fingierten Skandal:

    Aufsehen erregte vor allem, dass die Schweizer Boulevardzeitung SonntagsBlick im März 2002 behauptete, das Nacktmodell Djamila Rowe habe Thomas Borer in Abwesenheit seiner Frau besucht. Als „Beweis“ wurde Rowe vor der Botschaft fotografiert. Djamila Rowe hat gegenüber dieser Zeitung für ein Honorar von 10.000 Euro auch dementsprechende Aussagen gemacht, widerrief diese aber später. Nach einer wochenlangen „Schlammschlacht“ in den Medien in der Schweiz und in Deutschland rief Außenminister Joseph Deiss Borer nach Bern zurück. Dieser legte daraufhin sein Amt nieder. Michael Ringier, der Verleger des Blick, entschuldigte sich im Juli 2002 öffentlich beim Ehepaar Borer und Chefredaktor Mathias Nolte trat zurück. Blick musste nach einem aussergerichtlichen Vergleich Schmerzensgeld zahlen.
    (Quelle: Wikipedia)

  • Bitte keine manipulierten Fotos mehr
  • Thomas Borer ging freiwillig, bevor er als Botschafter verabschiedet wurde. Eine Schweizer Pressefotografin erzählte uns in diesem Zusammenhang, dass seit dem fingierten Foto von Thomas Borer und Djamila Rowe jede Art von Bildmanipulation in der Schweiz besonders verpönt und für Fotografen verboten ist. Ob sich deswegen jetzt wirklich alle immer dran halten?

    Thomas Borer wurde nicht verabschiedet, aber relativ regelmässig werden in der Schweiz ganze Botschaften „verabschiedet“. Im Land der Eidgenossen, in dem man neben den vier Landessprachen und 26 Dialektvarianten auch fliessend „Geld spricht“, werden auch „Botschaften verabschiedet“. So lasen wir im Tages-Anzeiger:

    Der Bundesrat plant eine Revision des Geldwäschereigesetzes. Die Botschaft wird demnächst verabschiedet.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 04.06.07, S. 27)

  • Botschaften verabschieden in der Schweiz
  • In der Schweiz ist eine Botschaft mehr als eine Nachricht oder der Sitz des Botschafters. Sie fanden wir im Duden:

    Botschaft
    1. a) Benachrichtigung, Bestellung, Mitteilung, Nachricht, Verkündigung; (geh. veraltend): Kunde; (veraltet): Kundschaft, Post. b) Bulletin, Erklärung, Grußadresse, Grußbotschaft, Grußschreiben, Grußwort, Statement, Stellungnahme, Verlautbarung; (schweiz.): Vernehmlassung; (bildungsspr.): Adresse.
    (Quelle: duden.de)

    Meistens ist es Job des Bundesrates, diese Botschaften zu verabschieden, denn die Kombination aus „Bundesrat“, „Botschaft“ und „verabschiedet“ findet sich bei Google-CH knapp 171.000 Mal.
    Bei so vielen Abschieden im Jahr schauen wir staunend zu und haben erneut einen echten Helvetismus gelernt.

    

    13 Responses to “Sag zum Abschied leise Servus — wenn die Botschaft verabschiedet wird”

    1. neuromat Says:

      Mathias Nolte: Einer der wenigen, die ihre Autobiographie im Voraus schrieben. Jahre vor seinem Sonntagsblick Engagement schrieb er den Bestseller „Großkotz“. Die Hauptfigur im Roman ist ein Deutscher, der von einem Schulfreund zu einer Züricher Wochenzeitschrift geholt wird und dort als korrupter Chefredakteur endet.

      Mit den Fotos hat es nach meinem Wissen einen anderen Hintergrund. Die wurden wohl von Alexandra Würzbach, die Berliner Korrespondentin von Ringier und Autorin des ersten Berichtes über die angebliche Sexaffäre widerrechtlich unter dem Vorwand, für eine Reportage über Ostdeutschland zu recherchieren, von der Zeitschrift “ Super-Illu“ gekauft. Die Bilder stammten von 1992.

      Der „Blick“ hatte dann Chefredakteur Jürg Lehman den Schweizer Außenminister Joseph Deiss, in einem Kommentar dazu aufgerufen, Borer zu demissionieren.

      Vor seiner 6 monatigen Tätigkeit als Chefredaktor beim Sonntagsblick (in Deutschland ist dies gerade die übliche Probezeit) war Nolte „Berater“ bei der Zeitung. Nach seiner Demissio wurde Borer „Berater“, der neue „Berater“ im Ringier Verlag wurde angeblich von Putin ausgeliehen. Was Joseph Deiss im Augenblick macht, weiss ich nicht, aber wahrscheinlich ist er „Berater“.

      Ob die obigen Einzelheiten so stimmen, habe ich nicht selbst recherchiert. Was können wir für heute daraus lernen: Hübsch alles glauben, was in den Medien „steht“ –man sieht es ja mit den eigenen Augen.

    2. neuromat Says:

      ach ja, ganz vergessen, was macht Djamila Rowe, „das Luder, die Ex-Visagistin aus dem KaDeWe, Lichtenberger Geschöpf bemitleidenswert zerrütteter Verhältnisse. Es hat seitdem ihrem Ruf nicht genützt, dass sie im Big-Brother-Container lebte, ihre Brustimplantate für 610 Euro bei eBay versteigerte und im Internet strippte…“ Vielleicht braucht sie ja einfach nur einen besseren Berater. In Russland gibt es jetzt jemand, der sich auf Luder Beratung spezialisiert hat. Vielleicht wäre das auch ein Geschäftsmodell für die Schweiz – mal Herrn Ringier fragen.

    3. Jeckmann Says:

      Natürlich geht aber der Hauptdrahtzieher der Borer-Affaire vergessen: Der rührselige und selbstgerechte Boulvard-Pfaffe Frank A. Meier. Nach dem Auffliegen der Affaire hat er sich ein paar Monate zurückgezogen und ist seitdem wieder in den Medien präsent als wäre nichts geschehen. Würzbach und Nolte sind Gehilfen, das Hirn (?) hinter der Angelegenheit war Meier.
      Uebrigens Berater: Der Schrödi ist ja auch Berater, wenn er sich nicht um dubiose russiche Gasfirmen kümmert. Der hat ja ein Büro bei Ringier, gleich neben dem Ominösen Frank A. Meier. Zufall? Wir glauben nicht!

    4. DaniDo Says:

      Aber jetzt mal im Ernst: Wird in Deutschland ein Gesetz nicht verabschiedet??? Wow, dann sind wir ja echt ein bisschen speziell in der Schweiz.

      Ich habe die Ehre, die Duden-Redaktion auf einen Fehler aufmerksam zu machen: Die Botschaft ist in keiner Weise die Vernehmlassung! Die Botschaft ist das Dokument, das der Bundesrat ans Parlament schickt, wenn er vom Parlament einen Beschluss, eine Gesetzesänderung etc. will. Wenn der Bundesrat eine Botschaft verabschiedet, ist die Vernehmlassung bereits geschehen. (die Vernehmlassung geschieht zwischen den Stufen Vorentwurf und Botschaft, und sie heisst ganz einfach Vernehmlassung, auf französisch procédure de consultation) Entsprechend findet sich dann auch in jeder Botschaft ein Kapitel, das die Ergebnisse der Vernehmlassung zusammenfasst, und erläutert, in welcher Weise diese Forderungen in das Gesetzesprojekt eingeflossen sind.

      sorry, ich weiss, das war jetzt Staatskunde für Fortgeschrittene… 🙂

      [Anmerkung Admin: Du hast Recht, Gesetze werden in Deutschland auch verabschiedet. Botschaften nicht, die werden geschickt oder gesandt]

    5. Nessi Says:

      ist wieder einmal ein sehr typisches beispiel wie glaubwürdig „unser schandblatt“ Blick ist. jede minute darin lesen ist reine zeitverschwendung!
      aber bedenklicher weise ist die leserschaft sehr gross, und dass die leute diesen mist auch noch glauben, gibt schon sehr zu denken!!

    6. DaniDo Says:

      @Nessi

      Blick ist im Ganzen gesehen nicht so schlimm. Wenn man ihn mit anderen Blättern dieses Genres im Ausland vergleicht, dann können wir nur dankbar sein, dass wir den Blick haben! Im Gegensatz zu Springer mit Bild versucht Blick nämlich keine Rechtskonservative Volksverdummung durchzuführen.

    7. mirach Says:

      Ob „die Leute“ glauben, was im Blick steht ist in meinen Augen nicht so relevant.

      Relevant ist: Borers Karriere wurde vorsätzlich ruiniert – und „man“ hat sich danach entschuldigt.

      An was mich das alles erinnert … ich mag gar nicht dran denken

    8. neuromat Says:

      Hoi Danido,
      möchtest Du etwas Leben in die Bude bringen? Natürlich kann man so nicht argumentieren. Wenn Prinz August von Hannover vor den türkischen Pavillon pullert kann er auch nicht sagen, dass andernorts noch viel mehr gestrullert wird, also kann er schon, aber was soll das an seinem Verhalten besser machen. Und war es nicht die rechtsradikale Springerpresse, die dann das hoheitliche Urinieren ungeschönt auf’s Titelblatt brachte, woraufhin der Prinz erst richtig seine Blase entleerte, nämlich seine aufgepustete Hirnblase und einer Redakteurin der Bildzeitung sein gesamtes sexual chauvinistisches Vokabular in gewohnter hannoveranischer Manier darlegte. Wen es interessiert, wie sich Adlige in Deutschland unterhalten darf es nachlesen: http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2000/t_cid-2940506_.html

      Den Unterschied Bild – Blick hatte Nolte mal dahin definiert, dass in D die Berichterstattung „aggressiver“ ist. Sprich: Sollst Du Medienopfer werden, dann wirst Du es. Hätte man die Story also in der Bild fingiert, wäre es „anders zur Sache“ gegangen. Nicht so langweilig, dass die Botschaftergattin gerade ausser Haus war, und alles ganz heimlich – das ist doch fast noch anständig (kommt in den besten Familien vor). Nein, da wäre die Gattin zuhause gewesen, zu einer flotten Orgie mit pikanter Schilderung einiger kleiner körperlicher Details, dem plötzlichen Erscheinen eines englischen Fussballstars in volltrunkenem Zustand, einem holländischen Masseur und dessen ärztlichen Attest, aus dem sich allerlei ungewöhnliche Praktiken ablesen liessen …

      Interessant, dass dann ausgerechnet in der Schweiz ein Psychiater namens Gmür (Mario, glaube ich) sich mit Opfern der Medien befasst. Ganz lesenswertes Buch. Ach ja, im Fall Medienopfer, Aeschbacher hat mich immer noch nicht eingeladen.

    9. Jeckmann Says:

      @nessi
      Mit Blick ist es so wie mit Gerüchten: Tolle Unterhaltung aber nichts für die Wissensvemehrung. Dafür gibt’s andere Schriften.
      Was mich bei Blick jeweils ärgert, ist, dass immer von „Wir“ oder „Die Schweiz“ oder „Die Schweizer“ in den Schlagzeilen geschrieben wird, obwohl ich nicht gefragt werde, ob auch ich solchen Aussagen zustimme.
      Ausserdem ist „Blick“ die täglich gedruckte Doppelmoral. Da gibt’s Riesenskandalartikel über sexuelle Uebergriffe an Schulen (was auch iim Wahrheitsfalle skandalös ist). In der gleichen Zeitung im Sportteil gibt’s jene Inserate für pornografische Artikel und Dienstleistungen. Dann gibt’s wieder die schlüpfrigen Umfragen, wer wo wie lange mit wievielen poppt usw. Und dann haben wir noch den bigotten Frank A., der den kulturellen Segen über dieses Schrifterzeugnis (was für die Sprachpuristen 🙂 ) gibt.

    10. Kreis7 Says:

      @neuromat
      Mit Absicht „züricher“ geschrieben? Sonst graust es mir!

      @mirach
      Borer’s Botschafterkarriere war tatsächlich futsch, jedoch kann ich mir gut vorstellen, dass er sich sehr wohl auf Viktor Vekselberg’s Salärliste fühlt.

    11. neuromat Says:

      Das ist eine Frage der Sichtweise. In diesem Fall ging es um einen deutschen Roman eines deutschen Journalisten, der beschreibt wie ein deutscher Journalist nach Zuerich geholt wird …da halte ich mich einfach an die Vorlage. Möglicherweise auch interessant der Link der NZZ, einmal über theworldpress einmal NZZOnline

      neue züricher zeitung http://www.theworldpress.com/press/worldpress/switzerlandpress/neue.htm – 1k –
      NZZ Online (Neue Zürcher Zeitung) Ist Frieden lernbar? Ist Frieden lernbar? …
      http://www.nzz.ch/index.html;jsessionid=crjni1sx1ips – 75k – 4. Juni 2007 –

    12. Christian (der Andere) Says:

      @neuromat: Sexualchauvinismus? Ist das etwa ein neues Synonym für die EMMA?
      Aber im Ernst, dass dem Prügelprinzen bei einer Zeitungsschnepfe dieser Sorte (Bildzeitung), seine offensichtlich permanent losen Sicherungen durchbrannten, kann man ihm nicht vollends verübeln; und das gerade für einen solchen Aufreißer (Titelschlagzeile).

    13. giacometti Says:

      Ja, die sogenannte Borer-Affäre ist der unrühmliche Klassiker des Schweizer Kampagnen-Journalismus. Eigentlich müsste sie Meyer-Affäre heissen. Der Deutschland-geile Meyer war einfach nur zutiefst neidisch auf den umtriebigen Borer, der ihm in Berlin die Show stahl. Und er hat ja im Prinzip sein Ziel erreicht. Borer musste gehen. Auch Muschg ist weg. Jetzt fühlt sich Meyer wieder als „bedeutendster Schweizer Intellektueller in Berlin“.