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Wer hat Angst vor Deutschland-Deutsch? — Aktueller Beitrag auf NZZVotum

  • Anglizismen und Teutonismen
  • Auch heute gibt es auf NZZVotum einen neuen Beitrag zum Thema „Wer hat Angst vor Deutschland-Deutsch„.

    Die deutsche Sprache in Deutschland und in der Schweiz hat ein gemeinsames Problem. Sie wird von Anglizismen überrannt und durchdrungen. Das deutsche „Handy“ als pseudo-englisches Wort brauchten die Schweizer sich nicht zu eigen machen, sie hatten ja ihr „Natel“, aber „das macht Sinn“ an Stelle von „das ergibt Sinn“ wird auch von Schweizern kaum noch als Anglizismus wahrgenommen.

    Die Schweizer haben neben den Anglizismen noch eine weitere sprachliche Gefahr entdeckt, die es bis aufs Messer zu bekämpfen gilt: „Deutschland-Deutsch“, gern auch als „Teutonismen“ bezeichnete Wörter der Deutschen Sprache, die aktiv nur in Deutschland verwendet werden, und die der gemeine Schweizer höchstens passivisch aus dem Fernsehen kennt.

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    21 Responses to “Wer hat Angst vor Deutschland-Deutsch? — Aktueller Beitrag auf NZZVotum”

    1. Hunk Says:

      Das „Sinn machen“ nicht als Anglizismus zu verstehen ist doch ein Vorteil.
      Es ist einfach keiner: http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/10/08/sinnesfreuden-ii/

    2. DaniDo Says:

      Ob mir wohl der ausgebildete Sprachwissenschaftler Jens den Sinn des Worts passivisch im Unterschied zu passiv erklären kann?

      Ist das Gegenteil das aktivische Kennen aus der Schule?

      [Anmerkung Admin: Mach ich doch gern
      pas|si|visch [auch: – – -] (Sprachw.): das Passiv betreffend; im Passiv stehend (Quelle: duden.de) ]

    3. DaniDo Says:

      Das Kommentieren bei Kaywa ist mir zu mühsam. Daher hier meine Frage: Wer bitte sagt in der Schweiz, das Essen sei „fiin“?

      Bei uns sagt man „fiin“ z.B. für ein feines Gewebe und „fein“ für das Essen. Das ist doch ein Unterschied!

      [Anmerkung Admin: Ausführliche Erklärung zum „feinen Essen“ siehe hier]

    4. Marroni Says:

      ICH GESTEHE! Manchmal hab ich tatsächlich ein wenig Angst. Dies, weil ich der Meinung bin, dass manchmal die Schweizer feiner und genauer sind. Beispiel Bus, Omnibus, öffentlicher Personentransport. Wenn wir in der Schweiz den „Bus nehmen“, so benutzen wir ein öffentliches Verkehrsmittel. Wenn wir aber „mit dem Car reisen“ („Gehen!“ lustiger Audruck, oder? ) Ist das ein Ausflug an einen bestimmten Ort. Diese Asdrücke versteht hier jeder, in Deutschland gibts da keinen Unterschied.

      [Anmerkung Admin: Interessante Möglichkeit der Bedeutungsunterscheidung in der Schweiz, in der Tat. Ich denke, in Deutschland würde man die doppelte Bedeutung von Bus anders umschreiben, um differenzieren zu können: „Wir machen dann eine Busreise“ an Stelle von „wir fahren mit dem Bus“. oder „wir fahren mit dem Reisebus“.]

    5. Simone Says:

      @Marroni:
      Deiner Meinung nach sind die Schweizer sprachlich feiner und genauer? Das erinnert mich an Neuromats Spezialfreundin…

    6. Oranje Says:

      Ich als Zürcherin hab ja keine Ahnung wie’s im Rest der Schweiz aussieht, aber bei uns sagt man nie das Essen sei „fiin“, sondern „fäin“. —>“Fiin griibenä Parmesan schmöckt fäin“.

    7. Simone Says:

      In der NZZ von heute gibt es eine Reihe an Leserbriefen, die Bezug zum Artikel „Easy Swiss – oder Man spricht Deutsch“, nimmt. Ein Viktor Schobinger beschwert sich über die „enntrheinische Aussprache“ in den Trams: „Deutsche in Zürich wissen ja, dass sie nicht in Berlin sind. Und uns missfällt allzu deutsches Deutsch.“ Lieber Herr Schobinger, wie kann Deutsch denn anders sein als deutsch? Mich irritiert so etwas.
      Deutlich sympathischer erscheint mir Bernadette Fülscher aus Zürich. Ihrer Meinung ist folgende: „Bei der salonfähig gewordenen, lächerlichen und zudem sehr gefährlichen Pseudo-Diskussion der Medien rund um „die Deutschen“ in der Schweiz würde ich der NZZ grössere Zurückhaltung empfehlen.“ So zu lesen im Leserbrief von Frau Fülscher heute, in der NZZ. Hut ab, Frau Fülscher! Ich lese die NZZ auch „nur“ im Büro…

      [Anmerkung Admin: nicht „entrheinischt“, aber ennet-rheinisch, wobei „ennet“ = „auf der anderen Seite“ bedeutet. Klingt sonst wo wie „ent-nazifiziert“]

    8. neuromat Says:

      ein Schweizer ohne Angst, das ist wie die Sahara ohne Sand. Also, alles macht einem hier immer ein wenig Angst. Allein die Vorstellung sprachlich nicht mehr zwischen Car und Bus differenzieren zu können treibt einem die Schweissperlen auf die Stirn. Nicht so wichtig dabei: wann, wer, wohin mit wem – denn viel zu direkt.

      Es dürft kein Zweifel sein: der Wortschatz ist geringer, die Grammatik spärlicher, wenn überhaupt existent, gelehrt wird diese Sprache nicht in der Zentralschweiz heisst es Buure-düütsch … Standardvarianten existieren in allen Sprachregionen …

      nur wer kommt da wieder auf die Idee „mit echlifiner“…? Frau Fülscher, die oben erwähnt wird, ja tatsächlich „chapeau“ …diese Position erfordert glaube ich tatsächlich Mut; denn auch auf der Blogwiese bleibt eine differenzierte und kleine aber feine Distanzierung aus.

      Und damit sind wir bei der Neuen deutschen Welle … die, liebe NZZ, gab es nämlich schon einmal im 11/2005 damals brachte die Weltwoche genau das Gleiche. Und damals wurde von Schweizern geschrieben, dass die Schweizer tatsächlich aus Gründen der Identifikation Standardsprache künstlich etwas radebrechen und dass dies sprachliche Identifikation auf die blutrünstigen Söldner der Eidgenossen zurückzuführen seien … die waren nämlich echlifiner… was die Dame echlifiner anbetrifft so warten wir bei der feinen und superben sprachlichen Kompetenz noch heute auf die Antwort auf die in der besagten Fernsehsendung gestellten Frage.

      Könnte es sein, dass wir da bei der NZZ etwas stehen K.O. sind, dass wir gar nicht mehr recherchieren? Brauchen wir ja auch nicht … wir veranstalten Blogs, identifizieren Leser und belästigen diese anschliessend mit Abonnementangeboten – na wenn das nicht wieder mal typisch echlifiner ist…

      Was für ein Glück, das die Mehrheit der Schweizer, die ich persönlich kenne die Meinung von Frau Fülscher vertritt

    9. Thomas Says:

      @Simone: „wie kann Deutsch denn anders sein als deutsch“.

      Das ist eigentlich eine gute Frage. Und irgendwie doch.. in Hamburg hörte sich das für meine Ohren anders an als in Berlin oder in München.
      Hast du schon mal die deuteschen Tramchauffeure Örlikon oder so aussprechen hören? So süss. Sie geben sich echt Mühe! Trotzdem muss ich immer ein wenig auf den Stockzähnen schmunzeln, weil es sich halt anders anhört. Obwohl es gleich ist.

    10. neuromat Says:

      @ Thomas

      da stand ja auch zu deutsches Deutsch, die zu schweizerische Schweiz ist manchmal auch ein wenig zu mühsam, irgendwie doch, dann lieber polnisches Polen, aber die Pizza, die nehmen wir weiter beim Italjenner, aber ist der Jenner nicht ein Berg bei Berchtesgaden.

      Was Simone einfach dargestelt hat ist, dass die Aesserung von diesem Viktor Schobinger nicht gerade vor Weltoffenheit strotzte. Man kann es auch anders formulieren, selbst wenn es anders tönt und klingt – dann bleibt es eben doch deutsch. Ja, soll ich mir jedes Mal vor Lachen in die Hose pinkeln wenn die Nachrichten von einer irgendwie Mara auf Radio Pilatus vorgesungen werden. Ist doch Kinderkram. Und irgendwie auch ein bisschen ärmlich. Menschen mit Behinderungen sprechen nämlich auch anders – und dann hört der Spass einfach auf.

      Also Simone hat für einmal Recht mit der Feststellung, deutsch kann nicht japanisch sein.

      Der Schweizer, der die Schweizer als Japaner Europas bezeichnet im NZZ Votum könnte da schon eher die Zweifel auf sich ziehen

    11. Simone Says:

      @Thomas:
      Schon klar, aber ich bin über diesen Satz gestolpert, weil ich ihn so super dämlich fand…

    12. Andreas Kyriacou Says:

      @neuromat
      „Es dürft kein Zweifel sein: der Wortschatz ist geringer, die Grammatik spärlicher“

      Das ist, mit Verlaub, Hafenkäse.

      Natürlich, es gibt sie, die Wortschatzlücken im Schweizerdeutschen. So können die Helvetier beispielsweise nicht anständig zwischen Töpfen und Pfannen unterscheiden – was allerdings wohl nur begrenzt stört. Man verständigt sich, genauso wie wenn man im Standarddeutschen (und im Dialekt) bei den Antonymen „to share“ und „to divide“ in beiden Fällen auf „teilen“ zurückgreifen muss.

      Dann gibt es Konzepte, bei denen im Schweizerdeutschen andere Begriffe verwendet werden als beim Standarddeutschen („luege“ anstelle von „sehen“). Hier gibt es Wortschatzunterschiede, ohne dass Dialekt oder Standardsprache facettenreicher wären.

      Im Weiteren gibt es Fälle, bei denen im Schweizerdeutschen romanisch- und germanischstämmige Begriffe nebeneinander existieren (‚Couvert‘ sowie ‚Umschlag‘), währenddem in der Standardsprache nur ein Begriff zur Verfügung steht.

      Und es gibt sehr wohl Begriffsbereiche, bei denen die Mundart feinere Unterscheidungen zu erlauben scheint als die Standardsprache, „göisse“ ist nerviger als „schreie“, „abhocke“ etwas ungehobelter als „absitze“.

      Ähnlich verhält es sich bei der Grammatik: Der Genetiv ist in den meisten Dialektvarianten ausser in ein paar Redewendungen nicht mehr zu finden, Akkusativ- und Nominativformen sind zumeist identisch, ebenso die drei Pluralformen (mir, ihr, sie). Also alles nur vereinfacht, vielleicht gar ein wenig defekt?

      Mitnichten. Es gibt auch im Regelwerk der Sprache Bereiche, bei denen die Mundarten mehr Komplexität aufweisen als die Standardsprache. Das Schweizerdeutsche unterscheidet beispielsweise Artikel und Zahlpronomen. Was auf englisch mit „a man“ und „one man“ auseinander gehalten wird, ist auch auf schweizerdeutsch nicht identisch: „en Maa“ / „ein Maa“.

      Der Artikel kann sich im Schweizerdeutschen sogar unterscheiden, je nachdem ob er vor einem Adjektiv oder einem Substantiv steht: „ere Frau“ aber „enere nette Frau“ („einer Frau“ vs. „einer netten Frau“).

      Das Variieren von Artikeln in Kombination mit weiteren Satzteilen scheint den Schweizern ohnehin Spaß zu bereiten: Statt „in einem“ heißt es hier „imene“, analog auch „amene“ und „vomene“. Berndeutsch Sprechende pflegen auch heute noch die Zahl zwei geschlechtsspezifisch zu verwenden: „zwe Manne“, „zwo Froue“, „zwoi/zwener Chind“.

      Auch beim Lautwortschatz weist das Schweizerdeutsche in Teilbereichen Differenzierungen auf, welche das Standarddeutsche nicht hat. So gibt es drei Übergänge von /b/ zu /p/ und von /d/ zu /t/. Im Labor kann man die Zeit zwischen dem anfänglichen Plosivlaut (also z.B. /b/), mit dem die Luft schnell ausgestoßen wird, und einem nachfolgenden Vokal künstlich variieren. Zu jeder Sprache, die stimmhafte (b) und stimmlose (p) Varianten unterscheidet, lässt sich experimentell die sprachtypische „voice onset time“ einfach bestimmen, indem man Personen verschieden variierte Lautfolgen vorspielt und sie dann bittet, den jeweils gehörten Laut aufzuschreiben. Das funktioniert wunderprächtig, wenn man in seiner Sprache nur zwei Laute unterscheidet. Hat man aber, wie im Schweizerdeutschen, drei (aber nur zwei Schriftzeichen), kommt kein einheitliches Bild raus. Spielt man einem Schweizer „de“- und „te“-Laute vor, weiss er in den Grenzbereichen nicht, ob ein gehörtes ‚de‘ ein „D“ sein soll wie in „dèèt“ („dort“) oder en „t“ wie in „Teckel“ („Deckel“). Zweiteres klingt immer noch weicher als ein „t’he“ wie in „Tèè“ („Tee“).

      Im Vergleich zur Standardsprache zusätzliche Regeln kennen die Dialekte auch bei Lautassimilationen. Beliebt sind in der Schweiz Konsonanteneinschübe: z.B. Manndli, faltsch.

      Dies sind ganz normale Vorgänge in gelebten Sprachen, Vereinfachungen gehen mit Komplexitätssteigerungen einher. Gleiches lässt sich auch bei anderen Sprachvarianten beobachten, sehr wohl auch ausserhalb des deutschen Sprachraums. ‚Black Vernacular English‘, das Englisch vieler Afroamerikaner, hat in einigen Bereichen die Standardsprache weiter entschlackt, in anderen Bereichen aber neue Regeln entwickelt.

      Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass Dialekte keineswegs ’spärlicher‘ oder ‚geringer‘ sind, sie entwickeln sich einfach anders als ihre nächsten sprachlichen Nachbarn.

    13. Neuromat Says:

      lieber Andreas jettzt darfst Du mir Deinen ganzen schönen Beitrag noch einmal im Dialekt schreiben .. und anschliessend schreibts Du mir eine Geschichte in drei Zeitebenen

      das wäre dann eine echte Leistung

    14. Neuromat Says:

      Lieber Andreas,

      jetzt mal ernsthaft…zunächst fängst Du damit an, die „Wortschatzlücken“ zuzugestehen, verwendest jedoch ein untaugliches Beispiel, da nicht nur Schweizer sondern Männer im allgemeinen nicht zwischen Pfannen und Töpfen unterscheiden können. Das ist in patriarchalischen Gesellschaften, in denen das weibliche Geschlecht nicht viel zu melden hat und auch sprachlich gerne als das „es“ bezeichnet wird tatsächlich von untergeordneter Bedeutung.

      Dann gibt es da Konzepte. Konzepte bei denen im Schweizerdeutschen andere Begriffe verwendet werden als im Standarddeutschen. Konzeptdeutsch sagt der Standarddeutsche „sehen“ und der schweizerdeutsche Deutschschweizer „luege“.

      Könnte es hier nicht eine Frage des Blickwinkels wie die Standarddeutsche Sprache einem ins Blickfeld kommt, wie wir beobachten, sichten, spähen, ja erspähen, anschauen, beäugen, gewahr werden, dass wir selber nur gucken, gaffen, glotzen und linsen, vielleicht auch lugen; denn auch lugen darf sich zum deutschen Wortschatz zählen, wo wir doch visieren, mustern, ins Auge fassen wollen, unser gesamtes Sehvermögen einsetzen, den Durchblick zu bekommen und nicht nur auf die Wörter starren, den Satz betrachten, die eigene Sehkraft anzweifelnd, um dann zu spannen, dass visuell wurde, also sichtbar, dass der Standarddeutsche tatsächlich „sehen“ sagt, ….

      natürlich nach Konzept. Rezept, das hatten wir weiter oben. Bei den Pfannen und Töpfen, bei den Behältnissen, den Behältern für meistens Flüssiges.

      Das Feste kommt in die Schatulle, den Kasten, die Kiste, die Truhe, die Hülle, den Umschlag, den Briefumschlag, auch in das Kuvert. Kuvert, habe ich da Kuvert gehört. Ja eindeutig Kuvert. Sehr interessant im übrigen, dass wahrscheinlich labortechnisch der Rheinländer hier zu einem harten K neigen dürfte mit extrem kurzer voice onset time während der Sachse hier zum weichen G neigen dürfte, gewissermassen zum Guvär – aber rein theoretisch. Spielt auch keine Rolle, denn niemand würde hier bei den tumben Teutonen einen Solözismus vermuten.

      Herzlichen Dank für Deine Ausführungen zur Schallspektrographie, Du musst wissen, von solch komplizierten naturwissenschaftlichen Dingen habe ich gar keine Ahnung. Da wäre ich froh drum, etwas mehr zu den Frikativen zu erfahren, gibt es hierzulande nicht die Konsonanten dieser Art, die ungeordnete Schallenergie nutzen. Wie passt dies zur Ordnungsliebe und hat jemand mal den stimmlosen uvularen Frikativ mit abschliessender nasal-gutturaler Variante untersucht – aber wahrscheinlich braucht es dafür wasserfeste Geräte.

      In diesem Zusammenhang ist mir allerdings der Begriff „Lautwortschatz“ nicht so ganz klar geworden. Lautwort…Wortlaut, das sagt mir ungebildetem Cheib natürlich schon mehr. Oder wird das anders ausgesprochen Lord Waut, einer von die Zwei, wo die Nächte schwärzer sind als des Lordschafts Füsse. Lautsymbolismus, damit liesse sich etwas anfangen. Schliesslich sind wir da in der Schweiz, da assoziieren wir von Sprachlauten direkt die Eigenschaften der Umwelt. Ist das eigentlich mal untersucht worden? Führt die Wahrnehmung fremder Laute zu Aktivierung eines „Vorsicht-Feind-notfalls-Krieg-da sind-wir-Gruene-mit-der-SVP-völlig-eins“ Zentrums?

      Nein, das muss ich zugeben. Für das Lautwort bin ich zu blöd. Ich stiess auf einen Google Link ausgerechnet zu Rudolf Steiner: „Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit“: „Die atlantische Zeit ist daher auch diejenige, in welcher die Sprache ihre Entwickelung fand. Und mit der Sprache war ein Band hervorgebracht zwischen der menschlichen Seele und den Dingen außer dem Menschen. Dieser erzeugte das Lautwort in seinem Innern; und dieses Lautwort gehörte zu den Gegenständen der Außenwelt. Und auch ein neues Band entsteht zwischen Mensch und Mensch durch die Mitteilung auf dem Wege der Sprache.“ Wie auch immer jetzt mal raus mit dem ganzen Lautwortschatz, an dem wollen wir auch teilhaben. Darum sind wir schliesslich da. Frauen, zu denen wir nicht „es“ sagen, haben wir selber mitgebracht.

      Gut gefallen hat mir das „mitnichten“. Wie die ganzen Ausführungen zum unbestimmten Artikel. Auch dieser Hinweis auf die Numeralen, die geschlechtsspezifisch gebraucht werden, von gleichen Sprechern die „es“ zu ihren weiblichen Gefährten sagen. Nur das mit unbestimmten Artikel wird jetzt wieder von Ludwig Fischer auf Seite 187 seiner Luzerndeutschen Grammatik ganz anders erläutert. Wem soll ich da glauben?

      Der Höhepunkt ist aber ganz sicher: „Dies sind ganz normale Vorgänge in gelebten Sprachen, Vereinfachungen gehen mit Komplexitätssteigerungen einher.“ Ganz klar um so einfacher, um so komplexer. Schon das Wort Komplexitätssteigerung ist eine klare Vereinfachung, ein ganz normaler Vorgang. Meine Güte wie blöde war ich bisher: Ich dachte immer, dass Komplexität so ein Gegenteil von Einfachheit war.

      Jetzt dürfte man wahrscheinlich mit Fug und Recht sagen: Mit Verlaub. So ein Hafenkäse. Man könnte es dabei bewenden lassen aber am Arsch die Räuber (so sagen die kinderfressenden Germanen mitnichten) es ging noch weiter:

      Dialekte heisst es dann, entwickeln sich einfach anders als ihre nächsten sprachlichen Nachbarn.

      Also, der nächste sprachliche Nachbar des Dialekts, ich wiederhole das noch mal ganz langsam für meine unterbelichtete Denkmurmel. Man soll da genau hinschauen steht da, – wieso eigentlich schauen, „sehen“ ist doch das Konzept – und wieso entwickeln sich Schweizerdeutsche Dialekte, kommt da nicht des Deutschschweizers „Reinheitsgebot“ in Gefahr. Und wieso „anders“? Und was ist mit dem mühevoll angelernten linguistischen Rüstzeug, den „universellen strukturellen Prinzipien jeder menschlichen Sprache“ – gut, wird weggeschmissen.

      Gilt nämlich nicht – läuft alles unter „Sonderfall“. Da wird dann doch ein Konzept sichtbar. Oder sollte man schon sagen ein Zwang. Der zum Besonderen – „einfach anders“. Jetzt sind wir aber mitten in der sozialanalytischen Soziolinguistik.

      Und da ist die Komplexibilitaet dann doch zu einfach. 😉

      Mit complectarischen Grüssen

    15. Simone Says:

      @Lieber Andreas,

      bitte nicht „mündlich“ und „schriftlich“ miteinander verwechseln und berücksichtigen, dass es neben einer Standardsprache auch noch die Umgangssprache und Soziolekte zu berücksichtigen gilt. Sie scheinen einen sehr reichhaltigen Wortschatz in diversen Dialekten zur Verfügung zu haben, halten sich in verschriftlicher Form aber betont zurück (Beispiel „sehen“, siehe Beitrag des Vorredners). Natürlich kann ich mir jederzeit eine Reihe an Neuschöpfungen für sämtliche Begriffe ausdenken und darauf hoffen, dass meine Ansprechpartner mich verstehen. Innerhalb derselben sozialen Gruppe ist dies möglich. Meine Kollegen und ich benutzen alle dieselben Abkürzungen im Büro, ohne, dass diese Insiderinformationen in die Standardsprache gehören.
      Ein Beispiel:
      Wenn ein besonders hipper Jugendlicher Sie fragt: „Na, alles frisch im Schritt?“ müssen Sie nicht erschrecken. Er will nur wissen, ob es Ihnen gut geht. In verschriftlichter Form kommt es hier jedoch zu Irritationen.
      Noch ein Tipp: Vorsicht mit Töpfen und Pfannen. In Töpfen brät es sich nicht ganz so gut und Suppe würde ich auch nicht in der (Brat-)Pfanne zubereiten. Ganz gefährlich wird es, wenn Sie das mit Berufsgruppen aus dem Pflegebereich diskutieren, denn da gibt es noch (Nacht-)-Töpfe und (Bett-)Pfannen, welche sich nicht zur Zubereitung von Nahrung eignen. Also vorsicht.

    16. Tellerrand Says:

      @ neuromat

      Chapeau! Oder soll ich sagen Stahlhelm, die deutscheste aller Kopfbedeckungen? Ich sag lieber: Chapeau!

    17. Marroni Says:

      Hier noch eine kleine Geschichte zur „fiinä“ Unterscheidung. Zwei alte Zürcher sitzen zusammen, sagt der eine zum andern: “ Häsch au scho mal Rockmusig ghöört?“ Sagt der andere „Ghöört schoo, aber nöd gloset“. Bitte auf Hoch oder Schriftdeutsch übersetzen.

    18. Marroni Says:

      Hier noch einer: Wer kann „efäng“ einfacher als ich übersetzen? Meine Version: Nun geh doch schon mal vor, ich komm dann gleich nach.

    19. Ostwestfale Says:

      @Marroni

      Bin mir nicht sicher, ob es das ist was ich vermute, aber wenn
      „gloset“ hier im Sinn von „aufmerksam/genussvoll zuhören“ verwandt wurde wären dies meine Übersetzungen:

      Die gewitzte:
      „Hast Du auch schon mal Rockmusik gehört?“ – „Gehört schon, aber nicht gelauscht.“

      Die nüchterne:
      „Hast Du auch schon mal Rockmusik gehört?“ – „Gehört schon, aber nicht genossen.“

      Zum Luegen:
      Hier in Norddeutschland hör ich es hin und wieder und sage es auch selbst, dass irgendwohin hinein gelugt oder gelukt wird (jeweils mit langem U). Allzu unbekannt ist „luegen“ und seine Variationen also nicht.

    20. neuromat Says:

      @ marroni

      das Beispiel gefällt mir sehr gut. Zwei greisenhafte Zürcher, die schon einmal etwas von Rockmusik gehört haben. Das erinnert mich an meinen Lehrer, der uns in die Sportferien begleitete und zu seiner Verlobten sagte: Du, lausch einmal die Kesselpauke. Der hörte offensichtlich keine Rockmusik. Nein, den feinen Unterschied zwischen to hear and to listen, ghöre und losse sowie hören und lauschen, den kennen wir nicht.

      Wo wir gerade bei den Unterschieden sind. Kennst Du den Unterschied zwischen einem Zürcher und einem Münchner am Strand von Mallorca?

      Ghöre erinnert mich in der Situation auch ei wenig an Gehörn. Damit wären wir wieder bei obigem Beispiel. Ja Herr, Landr…, viel Interesse für die Darbietungen klassischer Musik hatte Ihre Begleitung damals nicht, dafür fand sie einen anderen Zeitvertreib, während sie der Kesselpauke lauschten, das hatte wiederum etwas mit Gehörn zu tun, welches Ihnen so aufgesetzt wurde – da das jetzt über 30 Jahre her ist, wollte ich es mal offiziell mitteilen. Sie hätten besser die Ohren gespitzt, was da so über den Gang schallte …

      Efäng – sagt das der Schweizer zu seinem „es“ vor der Landpartie. Mir ist nicht klar, was daran „ehlifyner“ sein soll. Vor Monaten hatten wir hier „mpf“ (Zitat Schnägge) als kurzeste Grussformel für Guten Tag, wie geht’s und hast Du etwas zu trinken mitgebracht, dann setz Dich. „mpf“ ist kürzer als „efäng“ – nur was soll das Ganze. Was verstehst Du eigentlich unter „ehchlifyner“ – so eine anständige, feine, sittsame, einfühlsame Lebensart, wie sie sich in in der öffentlich geführte Beschimpfung seiner nördlichen Nachbarn ausdrückt?

      Was ist das überhaupt für eine Kehrtwendung: Der Dialekt der Schweizer Söldner soll früher dazu gedient haben sich keineswegs als „echlifyner“ sondern als besonders blutrünstig und martialisch darzustellen, jetzt ist es die zartere, lieblichere Form der Rede?

      Diese Beispiele – wozu dienen die eigentlich. Das hat für mich etwas von der Frage was ist „pensch“. Ja, was ist „pensch“.?

    21. Marroni Says:

      @ostwestfahle: Danke. ich denke, “ gelauscht “ passt, wobei “ lauschen“ für mich “ leise “ hinhören, horchen heisst, wird aber auch für “ genau, bewusst “ hinhören verwendet.
      @ Neuromat: Könnte für mich heissen “ Schläfst Du? “ ( Pennst )