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Trägt ein Sprengkandidat eigentlich einen Dynamit-Gürtel um den Bauch?

  • Am Mittwoch kann es knallen
  • Von einem Leser der Blogwiese wurden wir auf dieses hübsche Beispiel original Schweizer Politiksprache aufmerksam gemacht:

    Der Sprengkandidat

    CVP-Chef Christophe Darbellay bietet sich als Sprengkandidat gegen SVP-Bundesrat Christoph Blocher an. Im Interview mit der «SonntagsZeitung» sagt Darbellay, er sei zwar nicht offizieller Kandidat, eine Wahl werde er aber nicht ausschlagen.
    (Quelle: 20min)

    Ein „Sprengkandidat“, der hat nicht die Taschen voller Munition, den die Taschenmunition muss man ja im „Zeughaus“ abliefern, damit einem niemand was ans Zeug flicken kann in der Schweiz. Ein solcher Sprengkandidat findet sich nicht im Duden, aber 566 bei Google-CH im Gegensatz zu mageren 28 Stellen bei Google-DE, aber die werden auch bald gesprengt.

    Ob dieses Wort wirklich passend mit „Überraschungskandidat“ ins Standarddeutsche übertragen werden kann? Klingt mehr wie ein Überraschungsei mit süsser Aussenhülle, und erinnert weniger an das Wort „Sprengen“. Ja, man kann auch „Rasen sprengen“, ganz ohne Dynamit, und „versprengte Truppen“ sind meist zu Pferde unterwegs, die munter springen, nicht sprengen.
    Unsere Quelle meint dazu:

    In Bern sagt man ja oft „Nume nid gsprängt“ (Nur keine Hast). Was für mein modernes Sprachverständnis auf Pferde hindeutet, die nicht gesprengt werden müssen, also nicht zum gehetzten Galoppieren gebracht werden sollen. Siehe dazu Grimms Wörterbuch unter I (transitiv) verstehen wir heute fast nur noch Sinn 3) „Gegenstand zum Auseinanderspringen bringen„. Die anderen Sinne sind uns etwas verloren gegangen.
    (Quelle: Private E-Mail)

    Beim oben erwähnten Sprengkandidaten geht es um die um die Bundesratswahlen 2007. Wie, die waren doch gerade erst, oder haben wir da was verpasst. Nein, aber wir können gleich noch ein fantastisches Wort lernen:

    Gesamterneuerungswahl

    Gesamterneuerungswahl des Bundesrats vom 12. Dezember 2007

    Ob man in Bern am Wahlabend mit 3-4 Gläsern Wein intus dieses Wörtchen immer noch fehlerfrei über die Lippen bringt. Die Gesamterneuerungswahl mit dem Sprengkandidaten. Wir werden es testen.

    

    14 Responses to “Trägt ein Sprengkandidat eigentlich einen Dynamit-Gürtel um den Bauch?”

    1. Ami-Schlitte Says:

      „Nume nid gsprängt, aber gäng e chli hü!“

      Überraschungskandidat ist wohl wirklich falsch, denn der Sprengkandidat soll das geschlossene Kandiatenfeld aufsprengen und neue Moeglichkeiten bieten. Weiter soll er auch noch eine ernstzunehmende Chance auf einen Sieg haben. Darum hat wohl auch die CVP ihren Angriff abgeblassen und die Schlacht um den zweiten Sitz auf ein anderes Datum verschoben.

    2. Tellerrand Says:

      Das Polititik-Vokabular in der Schweiz ist mir persönlich eine Spur zu martialisch. Hat Ähnlichkeiten mit dem Sportreporter-Vokabular im österreichischen Fernsehen 😉

    3. dampfnudle Says:

      Huhui! Nicht ein Sprengkandidat, sondern eine Sprengkandidatin hat den Blocher weggesprengt! Wahrlich Politdynamit. Wenn sie die Wahl wirklich annimmt, sitzen zusammen mit der neuen Bundeskanzlerin künftig je hälftig Frauen und Männer in den Bundesratssitzungen. Das sprengt alles hierzulande bisher mannhaft verteidigte Dagewesene.

    4. trevi Says:

      Genau gesagt sprengt ein Nicht-SVP-Kandidat die Konkordanz.

    5. Tellerrand Says:

      Habe die Bundesratwahlen in der Vergangenheit eher am Rande verfolgt – die Spannung hielt sich in engen Grenzen.

      Diesmal ist Dynamit drin und zwar weniger wegen eines Spengkandidaten, sondern weil vom Volk gewählte Parlamentarier einen Kandidaten für nicht wählbar hielten und damit ganz demokratisch ein halboffizielles Konkordanzprinzip mit integrierter Zauberformel ins Wanken bringen, dessen demokratische Legitimierung zumindest ein wenig schräg ist.

      OK, das war jetzt vielleicht ein wenig provokant formuliert, aber es könnte durchaus sein, dass zukünftig die Schweizer Regierung ein bisschen mehr so gebildet wird wie anderswo.

    6. DaniDo Says:

      Die Sprengung hat geklappt, judihui! Irgendwann hat man zuviel schwarze Schafe gezeigt, zuviel König gespielt und zuviel Beleidigungen und Verleumdungen verbreitet um von der Mehrheit noch geduldet zu werden. Hoffen wir auf etwas Konstruktivität auf eine neue Schweiz!

    7. Brun(o)egg Says:

      Es wird gar nichts gesprengt, schon gar nicht die Konkordanz. Die Zusammensetzung ist nach wie vor 2 SVP 2 SP 2 FDP 1 CVP.

      @ trevi
      Damals als Stich statt Uchtenhagen gewählt wurde sprach kein Mensch von einer Sprengung der Konkordanz. Auch nicht die Nichtgewählte und deren Partei. Aber bei der SVP ist’s natürlich ganz anders. Da ist gleich die Demokratie in Gefahr.
      Wenn Schlumpf morgen Nein sagt, Blocher noch mal antritt und die linke Mitte auf die unsägliche Idee kommt Schwaller von der CVP zu portieren, dann ist die Konkordanz in Gefahr.

      @ DaniDo
      Ich wäre vorsichtig mit Judihui. Das kann für die nächsten 4 Jahre ein mühsames Regieren werden. Und wir rennen jedes Wochenende an die Urnen weil sich die SVP querstellt.

    8. Tellerrand Says:

      @ DaniDo

      Eine Politik, die weniger auf die Populisten vom rechten Rand achten muss, würde es wohl auch ohne eine Regierungsbeteiligung der SVP nicht geben. Dadurch dürfte im Zeifel blos die Zahl der Referenden in die Höhe getrieben werden.

    9. Fiona Says:

      So ein Eklat!! Und wenn die SVP in die Opposition geht, was denn (theoretisch?).

    10. Schnägge Says:

      Ich hätte nie gedacht, dass Schweizer Politik so spannend sein kann.
      Allein die Schlagzeile: „Schlumpf schlägt Blocher“ ist klasse. 🙂

    11. Neuromat Says:

      Ein kleines Land braucht eine Schlumpfine.

      Wer weiss vielleicht sind die Landesfarben dann auch bald blau weiss – oder die Schlümpfe werden umlackiert.

    12. Tellerrand Says:

      Vielleicht läuft, wenn Frau Schlumpf in das Bundeshaus einzieht, das Lied der Schlümpfe…

      Habe mich fast nicht mehr halten können vor lachen, als ich mal spät abends zufällig bei einem Kampf des deutsch-russischen Boxers Abraham gelandet bin. Als der in den Ring einzog lief genau dieses Lied. Was für ein KOntrast zum üblichen Rocky-Theme oder Eye of the Tiger der Kontrahenten 😉

    13. Brun(o)egg Says:

      @ Tellerrand

      Ziemlich schlechter Kommentar, das Lied der Schlümpfe wenn Frau Schlumpf in den Bundesrat einzieht. Erinnert stark an den Politik Stil der SVP.

    14. Tellerrand Says:

      @ Brun(o)egg

      Schlechte Kommentare rutschen jedem Mal raus…

      Wenn meiner schlecht gewesen sein sollte (was ich nicht finde – ich wollte sagen, dass es manchmal wohltuend ist, wenn man sich und die Welt nicht immer so furchtbar ernst und wichtig nimmt, aber wahrscheinlich konntest Du wegen vermuteter Schweizfeindlichkeit den zweitel Teil schon gar nicht mehr lesen), was ist dann Deiner?

      Es ist ungeheuer stilvoll, Menschen in die Nähe der SVP zu rücken. Glückwunsch. Schlage diesen Kommentar zum Kommentar des Monats vor.