Wie ticken eigentlich die Schweizer? — Gar nicht, sie schwingen
(nein, heute kein reload)
Im Forum des Szene-Newsletters „Ronorp“ wurde in den letzten Wochen intensiv das Thema „Die Deutschen in der Schweiz“ unter dem Stichwort „Ausländerfrage“ diskutiert. Dabei fiel eine Aussage, die wir in den letzten Jahren als Deutsche in der Schweiz häufiger zu hören bekamen und die es uns durchaus wert scheint, etwas näher betrachtet zu werden. Eine besonders wichtige Tätigkeit der Schweizer, dem traditionellen Land der Uhrenindustrie, in dem die Frage „Was watsch?“ mit einem lässigen „Swatch watch!!“ zu beantworten ist, besteht im „Ticken“
Genau das ist es, was wir ständig zu hören bekommen: „Die Schweizer ticken anders“. Wir horchen dann auf genau hin, „lose“ was das Zeug hält, mit kurzem „o“, wie in „luege, lose, laufe“ gelernt, dem Schweizer Merkspruch für die Überquerung einer Kantonsstrasse. Wir „losen“ also mit beiden Ohren, ob wir das „Ticken der Schweizer“ zu hören bekommen, und hören einfach nichts. Da ist auch nichts zu hören, denn Ticken tun die Schweiz schon lange nicht mehr. Höchstens Schwingen. Seit der Erfindung der Quarzuhr wurde das Ticken hinfällig, es gab nichts mehr, was tickte, denn Quarzuhren ticken nicht, sondern sie Schwingen.
Damit es dennoch ein „Tickgeräusch“ zu hören gibt, wird ein spezieller Quarz in die Uhr eingebaut, der beim sekündlichen Stromdurchleiten ein schönes Knackgeräusch von sich gibt, welches in ungeübten Ohren dann als „Ticken“ wahrgenommen wird. Die Aussage „die Schweizer ticken anders“ sollte also revidiert werden zu „die Schweizer knacken anders“, um zeitgemäss zu bleiben. Leider ist „knacken“ in meiner Heimat ein Synonym für das entspannte Matrazenhorchen, also bedarf auch die revidierte Fassung eine Erklärung für Deutsche Zuhörer.
Die menschliche Wahrnehmung will einfach bei technischen Geräten betrogen werden. Amerikaner kaufen keine Handys, die nicht mit einer hübschen Stummelantenne ausgerüstet sind, noch besser einem ausziehbaren Modell. Denn Handys ohne Antenne können bekanntlich nicht funktionieren, diese Weisheit ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Demzufolge müssen Quarzuhren ticken bzw. knacken und Fotohandys geben beim Fotografieren die wunderbarsten Geräusche von mechanischen Blendenverschlüssen und transportierten Filmen von sich, dass es nur so eine Freude ist. Sie könnten ja auch bei jedem Foto ein Muhen oder ein Pupsgeräusch von sich geben, würde sicher auch die Freude am technischen Detail und den Besitzerstolz enorm erhöhen. In einer speziellen Schweizeredition wäre vielleicht noch das Geräusch eines Schusses durch ein Sturmgewehr erfolgversprechend. Bei jedem (Foto-)Schuss ein Überschallknall, ganz ohne Schiessplatz. Wow!
Doch zurück zum Ticken. Es ist rundweg falsch zu behaupten, „die Schweizer ticken anders“. Sie ticken überhaupt nicht, sondern sie schwingen. Ganz deutlich wird das vom 24-26.08.2007 beim grossen „Eidgenössischen Schwingfest“, dass kein „Schwingertreffen“ ist, um sich von den vielen auch existierenden „Schwinger-Clubs“ zu distanzieren. Nein, es ist dingfest, das „Schwingfest“, in Aarau.
Genau genommen ist es ein „Schwing- und Älplerfest“, also wenn sie nicht genügend Schwung haben oder keine Alp bewohnen, brauchen Sie gar nicht erst vorbeikommen. Sie könnten Sie wohlmöglich dort noch an einem 83.50 KG schweren Stein stossen oder ein Horn ussen (Schweizerisch für „draussen“, vgl. den Werbespruch für das Casino in Schaffhausen: „Kommet uff Schaffhusse usse“) erleben. Dass der schweizerische Nationalsport „Hornussen“, der in Südafrika als „Swiss Golf“ gespielt wird, aus dem Aargau stammt liegt nahe, denn es gibt dort sogar eine Aktiengesellschaft mit gleichem Namen, die „Hornussen AG“.
August 22nd, 2007 at 0:24
Die Uhren müssen ticken, um richtige Uhren zu sein, die Handys müssen eine Antenne haben, um richtige Handys zu sein und die Dosenananas müssen einen Büchsengeschmack haben, damit sie richtige Büchsenananas sind. Früher bekamen sie diesen Beigeschmack von selbst vom Blech der Büchse. Aber seit die Dosen innen beschichtet sind, muss dieser Metallgeschmack künstlich beigefügt werden. Weiss jemand etwas Näheres, wer den Blechgeschmack herstellt und damit handelt?
Wäre eigentlich eine lukrative Sache. z.B. eine Blechtonne mit Ananassaft füllen, bei gelegentlichem Umrühren stehen lassen bis dieser extrem „büchselet“ und dann abkochen. Den Saft mit intensivem Blechgeschmack als Sirup an DelMonte etc. verkaufen.
Weil das die Lebensmittelprüfer nicht goutieren würden, muss es irgendwie anders gemacht werden, aber wie?
August 22nd, 2007 at 9:00
Manche Schweizer glauben, dass wer nicht wie sie tickt, nicht ganz richtig tickt, also auch wir Deutschen. Schweizer setzen Masstäbe. Keine relativen, sondern absolute und die eben auch in der Frage des Tickens. Oder so… 😉
August 22nd, 2007 at 10:24
Sagen sie mal, Herr Wiese, ticken sie nicht ganz richtig? Oder veräppeln sie uns? Hornussen AG ist eine Ortschaft im Aargau. Und der Hornuss kommt von Hornisse. Sirrendes Geräusch beim fliegen.
Übrigens lasen sich dieses Wochenende im Aargau und in Zürich hervorragende Studien der Eidgenossen betreiben. Verhalten und so…
Aarau Schwingfest, Baden Badenfahrt, Zürich Thetarespektakel.
[Antwort Admin: Ja]
August 22nd, 2007 at 13:00
Juhu, ein neuer Blog-Artikel!
Und ich habe mal wieder laut gelacht. Meine Uhr tickt übrigens nicht, und sie kommt, auch wenn „Geneva“ draufsteht, schändlicherweise aus Amiland…
August 22nd, 2007 at 14:06
@Brunoegg
Und in Hornussen AG sirrt die Luft besonders stark? merkwürdig merkwürdig. Ich könnte schwören, der Sport wurde dort erfunden. AG ist echt nicht „AktienGesellschaft“? staun…
August 22nd, 2007 at 15:28
Hahaha – Hornussen Aktiengesellschaft…..
Und da gibt’s immernoch Schweizer, welche den „Wiese-Humor“ nicht erkennen!
(Das ischt denn nicht eine Aktiengesellschaft sondern der Kanton Aargau – im Fall!)
Kicher!
Sorry Brun(o)egg! Nicht böse gemeint!
August 22nd, 2007 at 15:31
Oh – und übrigens: Vielen Dank Herr Wiese für den neuen Artikel. Geniesse jedoch auch die reloads!
Gruss, Roland
August 22nd, 2007 at 15:48
Warum – Warum heute kein reload? Ich schaffe mich hier rund und habe gerade zwei Minuten…Der „Ronorp“ Link ist wirklich vergnüglich (den kannte ich diesmal schon).
Ich war gerade zwei Wochen in Friesland in den Ferien. Weshalb ich da hingefahren bin? Weil ich da immer hinfahre, weil es da geng gliech ist und weil die Friesen genau wie die Schweizer sind, denn die Friesen sind keine Schwaben. Es ist wie mit einem gemischten Salat, da gibt es nur marginale Unterschiede, also sagen wir mal die Friesen sind wie die Schweizer nur ohne die Tomaten und vielleicht auch keine Oliven, vielleicht auch kein Blatt- sondern Frisee Salat, eben Friesen aber ansonsten genau gleich – demnächst mehr davon, bei passender Gelegenheit. Was wollte ich denn eigentlich schreiben? Ach ja, der Ronorp: Es fällt auf, Schweizer haben nicht nur Vorstellungen von Deutschen, sondern eben auch von Schweizern, und Deutsche nicht nur Vorstellungen von Schweizern sondern auch von Deutschen – die pasen aber alle nicht zusammen. Der Trick ist: Es gilt jeweils die Vorstellungen von sich selbst gegen die eigene Vorstellung von den anderen auszutauschen. Dann passt die ganze Geschichte wieder. Wer es psychologischer mag, darf auch statt Vorstellung Repräsentanz sagen und das dies biologisch funktioniert habe früher in der viertägigen „Ingomar König Schlacht“ an Säuen und Kühen bewiesen.
Ach ja, was ist denn mit den Fotos vom Wiesetreffen?
[Antwort Admin: Danke für den „reminder“, wird so bald wie möglich erledigt. Vielleicht schon heute abend]
August 22nd, 2007 at 19:51
ich leihe dir gerne meine Swatch von 1985/86 aus. DU kannst sie dann auf den Balkon stellen und im Schlafzimmer darüber sinnieren, ob das schwingen,ticken,knacksen oder einfach ohrenbetäubender Lärm ist 🙂
August 23rd, 2007 at 9:34
Hallo Jens,
Schön, dass wir in den letzten Tagen wieder auf neue Artikel Anrecht haben. Du machst uns aber Angst. Ich denke nun gerade an Zeitbomben Hat jemand Erfahrung damit? Wie kann man heute diese Maschinerien entdecken, wenn die Auslösung durch quartzgesteuerte Digitaltimer verzögert wird, oder einfach eine Verbindung aus Kondensatoren und Transistoren verwendet? Da hört man ja auch nichts! Im Film kann man immerhin noch darauf gehen, dass synchron mit der rückwärts zählenden 7-Segment-Anzeige ein vermutlich auch quartzgesteuertes Piepsen (Tastenklick) ertönt. (Siehe dazu auch: http://www.blogwiese.ch/archives/241 )
Wie es der Zufall will, hörte ich gerade gestern Abend eine Radiosendung auf RSR la 1ère, in der von Harald Cropt, einem welschen (!) Schwinger die Rede war. Doch doch, „la lutte-suisse“ (anderes „lutte“ müsste man mit „Ringen“ übersetzen) wird auch in dem Halbausland da neben dem Röschtigraben praktiziert. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch ein Bild einfügen, denn, auch wenn es nicht so aussieht, und man „erst noch“ französisch spricht, sind doch alles Schweizer, die hier schwingen. (auf Siegerfoto: Harald Cropt: 3. von links) http://www.afls.ch/pages/fetes/classements/class2006/lausanne06/claslausanne06.htm
Hier kann man zusammenfassend sagen, dass die Schweizer nicht nur anders ticken, sondern auch anders schwingen. Sonst müsste man nicht ausdrücklich „lutte-suisse“ präzisieren.
An Dampfnudle
Für dein Bedürfnis nach Blech- und vielen anderen Gerüchen/Aromen kann ich dir wärmstens die Firmen Givaudan oder Firmenich empfehlen. Ich bin sicher, die haben bereits jetzt ein solches Aroma im Angebot. http://de.wikipedia.org/wiki/Givaudan http://de.wikipedia.org/wiki/Firmenich .
Beide Buden sind übrigens in der Schweiz, im Raum Genf ansässig. Die Luft in dieser Region riecht dort je nach Wetterlage ziemlich … vielfältig (think positive, ich hätte auch „stinken“ schreiben können).
August 26th, 2007 at 23:38
@Phipu
Als altem Solothurner kann Dir doch kein Geruch aus einer Produktionsstätte was ausmachen. Du musst doch geeicht sein: Je nach Wetterlage und vor allem natürlich was gerade produziert wird in der Vorstadt, überströmt aus derselben (!) Firma entweder stechender Essiggeruch die Stadt – oder man glaubt, Oetterli habe den Kaffee verbrannt statt geröstet .