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Lebensmüde benutzen bitte den Zebrastreifen — Die Schweizer im Verkehr

(reload vom 12-10-05)

  • Gefährliche Zebrastreifen
  • Wenn Sie als Deutscher in der Schweiz zum ersten Mal zu Fuss unterwegs sind, dann hüten Sie sich vor der Benutzung eines Zebrastreifens. Sie sind in der Schweiz gelb und nicht weiss wie in Deutschland, und es gibt einen weiteren grossen Unterschied zu Deutschland: Die Autos haben immer Vorfahrt. So kommt es einem jedenfalls vor, wenn man hoffnungsvoll am Strassenrand steht und darauf wartet, dass mal jemand anhält. Die Zebrastreifen erfüllen in der Schweiz drei Funktionen:

    1. Sie sind die Lösung für das Überalterungsproblem.

    2. Sie helfen mit, die Pensionskassen zu entlasten.

    3. Sie sind Auslöser von Auffahrunfällen, falls ein Deutscher Autofahrer (Schweizerdeutsch: „Der Lenker“) mal wieder auf die abstruse Idee kommen sollte, hier einfach anzuhalten um die Fussgänger hinüber zu lassen.

  • Zebrastreifen in Deutschland
  • Deutsche Schulkinder bekommen in der 1. Grundschulklasse (Schweizerdeutsch: „Primarschulklasse“) in der Verkehrserziehung von einem freundlichen Polizisten drei Dinge beigebracht:

    1. Die Polizei ist Dein Freund und Helfer (für Schweizer Leser: Kein Witz, das lernt man wirklich so in Deutschland).

    2. Auf einem Zebrastreifen kannst Du unbesorgt die Strasse überqueren, die Autos halten immer an.

    3. Falls 2 nicht funktioniert, rufe 1 herbei. Die Nummer lautet 110 (polizeilicher Notruf in Deutschland, und nicht 117 wie in der Schweiz)

    Autos haben immer Vorfahrt hier

    In der Fahrschule in Deutschland kriegt man vom Fahrlehrer eingetrichtert: „Wenn Du an einem Zebrastreifen nicht anhältst, bist Du den Lappen sofort wieder los“. Stoppzeichen, Rote Ampel und Zebrastreifen sind die drei Orte, an denen man immer stehen bleiben muss, sonst ist man in der Fahrprüfung sofort durchgefallen. Denn überall wartet die Polizei (dein Freund und Helfer), die nur darauf lauert, dir eine Strafe (Schweizerdeutsch: „Busse“) und ein paar Punkte in Flensburg, der zentralen Verkehrssünderdatei der Deutschen, aufzubrummen.

  • Halten Sie am Zebrastreifen und erleben Sie echte Dankbarkeit
  • Also bleibt der Deutsche lieber einmal zu viel als einmal zu wenig am Zebrastreifen stehen und fällt damit in der Schweiz permanent negativ auf. Dem deutschen „Lenker“ (das ist der Mann am Steuer, nicht am Lenker) fällt gleichzeitig auf, wie überglücklich und dankbar die Fussgänger auf Schweizer Zebrastreifen reagieren, wenn man anhält und sie über Strasse gehen lässt. Sie rechnen nicht mit soviel Freundlichkeit. Es ist ein antrainiertes Verhalten bei den Deutschen, jahrelange Kampagnen des ADACs (Deutscher Automobilclub) und der Polizei mit dem Slogan „Hallo Partner! Danke Schön!“ zeigen hier Wirkung.

  • Warum halten so wenig Schweizer am Zebrastreifen?
  • Ganz einfach: Bis vor ca. 6 Jahren war es keine Pflicht für die Autofahrer, hier zu halten, sondern nur ein Gebot der Höflichkeit. Danach wurden die Bestimmungen geändert (Schweizerdeutsch: „sie änderten„, das Wörtchen „sich“ muss bei der Überquerung des Rheins verloren gegangen sein. In der Schweizer ändert sich folglich nie etwas, hier ändern die Dinge selbst). Aber erst die Fahranfänger aus den letzten 6 Jahren habe diese neue Regelung wirklich lernen müssen.

    Aber was schreibe ich hier eigentlich die ganze Zeit über von „Zebrastreifen“, wenn die Dinger in der Schweiz doch einfach „Fussgängerstreifen“ heissen. Warum eigentlich? Wahrscheinlich fallen die Zebras in der Schweiz unter den Artenschutz, anders als die Fussgänger, mit denen darf man offensichtlich alles machen, auch in Streifen zerlegen.

    

    14 Responses to “Lebensmüde benutzen bitte den Zebrastreifen — Die Schweizer im Verkehr”

    1. Tellerrand Says:

      Mein sechsjähriger Sohn wurde vor ein paar Tagen beinahe von einem Geländewagen an einen Zebrastreifen überfahren. Der Fahrer des Wagens sah sich trotz dreier wartenendes Kleinkinder nicht beflissen, sein Tempo zu drosseln, geschweige denn anzuhalten.

      Der Einfluss des Verhaltens Schweizer Lenker an Fussgängerstreifen auf die Sozialkassen dürfte also neutral sein, da mindestens soviele Kinder wie AHV-Bezüger zu Schaden kommen…

    2. Simone Says:

      Tja ja, mit den Zebrastreifen und den Kreiseln haben die lieben Schweizer auch in Deutschland so ihre Probleme und kennen häufig die Bedeutung nicht. Sie fahren immer als erste in die Kreisel und bleiben vor den Streifen nicht stehen. Vielleicht haben sie einfach Angst vor den Fussgängern?

    3. Ingo Says:

      Ist der Beitrag neu? Kommt mir so bekannt vor, es steht aber nix von Reload drunter…

      Ausserdem kommt er mir irgendwie out-of-date vor. Als ich vor zwei Jahren in die Schweiz kam, merkte ich keine Unterschiede zum Verhalten deutscher Autofahrer am Zebrastreifen. Eher noch im positiven Sinne. Speziell in Zürich, wo an den ganzen Tramhaltestellen meist am Anfang und Ende ein Streifen ist, kommen die Autofahrer eh kaum zum beschleunigen, daher wird meist schön höflich gehalten.
      Nur Kreisverkehre sind kritisch – aber das liegt wahrscheinlich daran, dass viele Autofahrer möglichst schnell durchfahren, um sich vor den vielen von rechts kommenden Autos zu schützen, die nicht kapieren, dass sie keine Vorfahrt haben… 😉

      [Anmerkung Admin: nein, ist ein reload. Danke für den Hinweis, hatte den Zusatz vergessen, ist jetzt korrgiert]

    4. solanna Says:

      Früher lernten die Kinder beim Polizisten, der einmal im Kindergarten und einmal in der ersten Klasse für einen halben Tag in den Unterricht kam: Lose, luege, laufe!

      Das bedeutet: lauschen, ob ein sich nähernder Motor sich nähert, schauen, ob sich ein Vehikel nähert, vielleicht auch ein fast lautloses Fahrrad, und dann losgehen (laufen bedeutet in der Schweiz gehen, während das deutsche Laufen hier je nach gesitteter Umgebung, Gesprächspartnern oder Region ränne/rönne, sible oder seckle heisst).

    5. solanna Says:

      Ich habe am Beispiel etlicher Gemeinden, die an kritischen Punkten Fussgängerstreifen beantragten, erfahren, dass sehr viele Bedingungen erfüllt sein müssen, ehe das sehr autozentrierte Schweizer Gesetzeswesen einen solchen zulassen. Denn sonst könnte ja die automobilistische Freiheit tangiert werden, etwas vom Schlimmstvorstellbaren für viele Schweizer.

      „Stoppzeichen, Rote Ampel und Zebrastreifen sind die drei Orte, an denen man immer stehen bleiben muss“, finde ich sehr eingängig, für Schweizer aber kaum so hart verinnerlicht. Und zudem gilt die Regel ja nur, wenn jemand beim Streifen mutmasslich die Strasse überqueren möchte. Auch ich ertappe mich manchmal als Automobilistin, dass ich jemanden dort übersehe, aber in der Schweiz warten zum Glück die meisten, bis ihnen die starken AutofahrerInnen mit „Handzeichen geben Klarheit“ die Erlaubnis zum Überqueren gegeben haben. Oder mindestens mit einer gönnerhaften Kopfbewegung.

      [Anmerkung Admin: Wenn Du mit einem Fahrschulauto unterwegs bist in Deutschland, wirst Du dort auch halten, wenn niemand in Sicht ist. Könnte ja jemand kommen. In der Fahrprüfung sowieso. ]

    6. wilma Says:

      Der deutsche Zebrastreifen wäre in der gleichen Tieranalogie ein Tigerstreifen in der Schweiz. Oder hat schon mal jemand Zebras in gelb gesehen?

    7. Barbarella Says:

      Hm … Zebras sind doch auch nicht gelb gestreift – vielleicht daher kein Zebrastreifen, sondern ein Fußgängerstreifen?! *überleg*

      [Anmerkung Admin: Deutsche Zebrastreifen sind grau-weiss gestreift]

    8. vertbeau Says:

      Aha, jetzt hat sich Herr Wiese noch an die „Zürich“ verkauft. Da sowieso keine neue Beiträge mehr kommen, lasse ich mir das reingucken hier nun entgültig. Vielen Dank für die Unterhaltung über die fast 2 Jahre.

      [Anmerkung Admin: Nachdem Herr Wiese fast 2 Jahre täglich 2-3 Stunden seine Seele an diesen Blog verkauft hat, sei es ihm nun vergönnt, in kurzer Zeit Multimillionär durch Online-Werbung zu werden, was sonst… ]

    9. ch.atzefrey Says:

      Lieber Vertbeau

      Schade, dass Du dies hier nie zu Gesicht bekommen wirst, weil Du ja entengültig nie mehr reinguckst.

      Herr Wiese beschränkt sich zwar auf das tägliche Aufschalten der Reloads und mehrmals täglich der Kommentare, aber Letztere sind neu. Wie auch Dein Aufscheinen, lieber Vertbeau. Und Spass dabei haben immer noch viele regel- und unregelmässige Blogwieseler. Also, lass das Meckern und trage was Konstruktives bei, danke.

    10. Rainer aus Krefeld Says:

      Zum Thema Schweiz gibt es einen interessanten Thread in einem deutschen Forum, das sich hauptsächlich mit juristischen (!) Themen beschäftigt. Ab der zweiten Seite kommt auch der „Zebrastreifen“ vor. Ich schreibe dort unter dem Namen Rainer2401; in Post #28 zitiere ich die Blogwiese (und bin damit ein wenig auf die Nase gefallen)…

      Wer mag, kann mal reinschauen. Aber Vorsicht, es wird – neben interessanten Postings – auch viel rumgeblödelt.

      Der Link: http://forum.jurathek.de/showthread.php?t=49391

    11. Flaneur Says:

      Also ich merke immer deutlich den Unterschied zwischen Schweiz und Deutschland.
      In Deutschland halten die Automobilisten geradezu präventiv vorausschauend immer schon längst bevor ich mich dem Zebrastreifen. In der Schweiz bleiben die auf dem Gas, bis sie ganz, ganz sicher sind, dass ich tatsächlich auf dem Fussgängerstreifen mich befinde. (Ausnahmen bestätigen die Regel – aber tendentiell meine Erfahrung)

      Meinte ein deutscher Freund bei der Durchreise durch die Schweiz mal zu mir:
      „Das mit den Zebrastreifen ist so tierisch nervig in der Schweiz… die Fussgänger latschen einfach alle auf den Streifen ohne zu gucken“.

      Kein Wunder – wenn man nicht beherzt drauflosläuft hält eh keiner…

    12. Phipu Says:

      Von wegen Tiernamen, der zur Farbe passt, wäre ich für „Wespenstreifen“.

      Nun, zwar, da überlege ich gerade: Da Autofahrer die Gewohnheit haben, Wespen einfach an ihr Scheinwerferglas oder die Windschutzscheibe klatschen zu lassen, und sie dann am Samstag, beim wöchentlichen Autowasch, wieder abkratzen oder abspritzen, ist der Vergleich zu Fussgängern wohl nicht so ideal. Bleiben wir lieber bei „Fussgänger“, dafür sind die Markierungen ja gedacht. In Deutschland würde ich natürlich schon eher einmal zuviel anhalten. Man weiss ja nie, ob nicht vielleicht doch ein Zebra (vielleicht als ganze Herde) die Strasse überqueren will. Da hätte ich auch Respekt davor, das am Samstag sogar mit dem Hochdruckreiniger nicht mehr spurenfrei wegzukriegen. Und allzu geschnetzelte Zebrahüftsteaks kann man auch nicht so leicht verkaufen: http://www.blogwiese.ch/archives/145

    13. Barbarella Says:

      Es gibt ja auch schwarz-weiße und grau-weiße Zebras 😉

      … ist mir gar nicht weiters aufgefallen, bis ich mal ne Wilhelma-Führung mitgemacht hab und das erklärt bekam .. die Zebrastreifen-Unterschiede (an den Tieren, nicht an schweizerischen und deutschen Fußgängerüberwegen *zwinker*)

    14. Oreg Says:

      Merkwuerdig, mir ging es in sieben Jahren Zuerich genau anders herum: Ich habe mich immer gewundert, dass die Autofahrer schon anhalten, wenn es im Umkreis von zehn Metern eines Fussgaengerstreifens einen Menschen gibt, der sich eventuell entscheiden koennte, sich in Richtung Strasse zu bewegen.

      Aus meiner Sicht sind die deutschen Autofahrer viel weniger ruecksichtsvoll.

      [Anmerkung Admin: Nur als Erklärungsversuch: 22 000 Deutsche Führerscheinbesitzer sind extrem vorsichtig unterwegs in der umbekannten Schweiz und fürchten nichts mehr als „gebüsst“ zu werden]