Dem Grenzer lieber keine Fragen stellen — Erlebnisse an der Deutsch-Schweizer Grenze
(reload vom 25.09.05)
„Der Grenzer grenzt ein, der Grenzer grenzt aus, ich grinse dem Grenzer ins begrenzte Gesicht…“
Diese Textzeile aus einem alten Mike Krüger Song fällt mir ein, wenn ich an die Grenzer denke. Wir lieben sie, diese letzte Bastion zwischen der glücklichen Schweiz und dem gefährlichen Europa, die Grenze bei Lottstetten, Tag und Nacht von Deutschen und Schweizer Grenzern scharf bewacht, die aufpassen, dass nicht mehr als 2 Liter Alkohol pro Person eingeführt werden (3 Weinflaschen = 3 x 0.7 = 2.1 Liter, also Obacht!), und die bei 503 Gramm Hackfleisch die Nase rümpfen, denn das sind 3 Gramm zu viel!
Gelegentlich fordere ich die fundierte, 3jährige Ausbildung der deutschen Grenzbeamten heraus, in dem ich mich erdreiste, ihnen Fragen zu stellen:
„Wo kann ich mein Auto ummelden, wenn es schon verzollt ist. Geht das hier bei Ihnen, oder muss ich dazu nach Schaffhausen?“
Die Antwort weiss der Grenzer nicht, aber dafür wird jetzt erst mal mein Fahrzeug kontrolliert, sprich durch den Computer gejagt. Ich möchte die Wartezeit nutzen, und die Schweizer Kollegen befragen: „Bleiben Sie bitte neben dem Wagen stehen, solange dieser überprüft wird!!!“ werde ich energisch aufgefordert. Na klar, schon verstanden, könnte ja sein, dass die Karre ohne mich wegfährt während der Überprüfung.
Oder dann, als wir endlich Pässe mit Schweizer Wohnsitzeintrag haben, meine Frage, wie das denn nun mit den Bundestagswahlen funktioniert. Ob ich dazu zum Konsulat muss, oder ob das auch per Briefwahl geht? Fragen, die ein in der Schweiz lebender Deutscher einen deutschen Grenzbeamten zu fragen wagt. Antwort: „Darüber kann ich ihnen keine Auskunft geben, fragen sie doch mal die Schweizer Kollegen“. Klar, die werden sicher bessere Kenntnisse in deutschem Auslandswahlrecht haben als der deutsche Grenzschützer.
Ich finde diese Information dann auf der Homepage des Deutschen Konsulats in Genf: Wir können uns in der letzten Gemeinde, in der wir in Deutschland gemeldet waren, ins Wahlverzeichnis eintragen lassen, und dann per Briefwahl dort wählen.
Wir fahren nach Deutschland zum Einkaufen. Auf der Rückfahrt fragt der Schweizer Grenzbeamte: „Hen Sie d’Impfisswiss dibii?“ Welche deklarationspflichtige Ware er damit wohl meint? Ein paar Missverständnisse später ist es klar: Gefragt ist der Impf-Ausweis für unseren Hund. Der darf nicht ohne Tollwutimpfung ein- oder ausreisen, auch wenn die Tollwut in beiden Nachbarländern seit langem ausgerottet ist.
Als wir einmal mit einem gemieteten Transporter alte Möbel nach Stuttgart fahren wollen, um sie dort auf einem Garagen-Flohmarkt verkaufen zu lassen, wird der Deutsche Grenzer bei der Einreise aufmerksam: „Dann ist das ja sozusagen Handelsgut! Wir schätzen dass auf einen Wert von EUR 100,–, das macht dann also 16 EUR Mehrwertsteuer.“
Er beteuert, dass wir besser nix von dem Garagen-Verkauf erzählt hätten, jetzt muss er das wohl verzollen. Kurz schiesst mir der Gedanke durch den Kopf: „Hoffentlich macht er jetzt einen richtigen grossen Tanz um das Zeug, mit viel Papierkram und stundenlangem Aufenthalt, dann kann ich das wenigstens für meinen Blog verwenden…“, da klärt sich die Angelegenheit plötzlich ganz schnell: Da wir keine Euro dabei haben, und die nächste Wechselstelle geschlossen ist, wird ihm das alles doch zu mühsam. So lässt er uns ziehen und „schenkt“ uns die 16 Euro Zoll für 3 alte Korbsessel, ein paar kaputte Holzstühle, eine Kiste mit gebrauchtem Porzellan etc.
Auf der Rückfahrt führten wir dann geerbte Möbelstücke von Deutschland in die Schweiz ein. Zum Glück hatten wir uns eine genaue Aufstellung der Möbel incl. Wertangabe und einer Bestätigung, dass es sich um ein Erbe handelt, in Deutschland anfertigen lassen. Möbel bis max. 2000 CHF Wert darf man so kostenlos einführen. Alles geht gut, wir lassen uns den Import bescheinigen und werden dann, wie immer, von den Schweizern ohne Kontrolle durchgewunken.
Manchmal bin ich versucht, meine „Fragen an die Grenzer“ zu sammeln und an unser Aussenministerium zu schicken. Vielleicht kann man da eine Unterrichtseinheit für die 3jährige Ausbildung draus machen? Sie sehen, ich denke immer methodisch-didaktisch-praktisch.
Einmal fahre ich allein zum Einkaufen nach Deutschland, und kaufe absichtlich mehr Milch und Fleisch ein, als eine einzige Person eigentlich zollfrei einführen darf. Ich beabsichtige die Übermenge ganz regulär zu verzollen. Mit soviel freiwilliger Bereitschaft zum Zoll entrichten werde ich an der Grenze misstrauisch rausgewunken, und die eingeführten Mengen werden genaustens inspiziert. Man fragt mich, ob ich mit einer provisorischen Schätzung des Warengewichts einverstanden bin, oder auf ein genaues Wiegen bestehe. Ich will sehen, wie der Mann schätzen kann, und lasse mich auf Ersteres ein:
„Nun, sie haben da 2 Kästen Mineralwasser, das sind schon mal 12 KG…“, so geht das weiter. Jetzt wird also auch das Wasser verzollt. Mit sage und schreibe 14 CHF Zoll werde ich zur Kasse gebeten. Was tun wir nicht alles um die Aussenhandelsbilanz der Schweiz zu verbessern!
P.S.: Wir haben in den späteren Jahren viele sehr nette und kompetente Zöllner und Grenzer kennengelernt, sowohl Deutsche als auch Schweizer. Aber viele Fragen zu stellen haben wir uns definitiv nicht mehr getraut.
Juli 25th, 2007 at 8:50
Ich kann zwar nicht behaupten, irgendwann positive Erfahrungen mit den Grenztruppen irgendeines Landes gemacht zu haben. Dennoch habe ich eine gewissen Respekt für Menschen entwickelt, die für einen äusserst bescheidenen Lohn einen ziemlich beschissenen Job machen, der ihnen sogar das Leben kosten kann, wenn wieder mal ein bewaffneter Krimineller meint, sich den Weg freischiessen zu müssen.
Das Lohn und Arbeitsbedingungen des Grenzerjobs keine Hochbegabten anlocken, dürfte eigentlich jedem klar sein. Also gehen wir doch ein bisschen gelassener mit diesen Menschen um, die Gesetze und Regeln umsetzen müssen, die manchmal bar jeder Vernunft und nicht von den Grenzern gemacht worden sind.
Juli 25th, 2007 at 9:43
Zweimal Korinthenkackerei:
– Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz heisst es offiziell immer noch „mehr als“ und nicht „mehr wie“
– Eine Krankheit (wie die Tollwut) kann man zwar vielleicht ausrotten, da sie aber kein Lebewesen ist, kann sie auch nicht aussterben…
Schöne Grüsse an den pensionierten Blogger!
[Anmerkung Admin:
Danke für die Grüsse!
Das mit „mehr als“ und „mehr wie“ ist meines Wissens bereits seit einigen Jahren durch den deskriptiven Duden abgesegnet worden, aber ich kann es gern ändern. Eindeutig zu lange in Süddeutschland gelebt.
Tollwut ist laut Wikipedia eine Virusinfektion. Sagen wir also, dass der „Tollwutvirus“ ausgestorben ist. ]
Juli 25th, 2007 at 11:00
@Admin: Mit deinem Rettungsversuch kommst du erst recht in Teufels Küche :-): Erstens ist das Wort „Virus“ neutrum. Zweitens sind Viren keine Lebewesen. Was nie gelebt hat, kann auch nicht sterben bzw. aussterben. Das ist vielleicht biologische Spitzfindigkeit, aber Viren bestehen nicht aus Zellen (haben keine Doppelmembranen) und können sich nicht ohne Hilfe fremder Zellen fortpflanzen. Deshalb sind sie keine Lebewesen. Allerdings sind sie auch nicht völlig unbelebt, da sie immerhin Erbgut haben und sich fortpflanzen. Sie sind also ein etwas zwischen Lebewesen und toter Materie – also sozusagen Untote… Können Untote sterben bzw. aussterben?
Beide Probleme relativieren sich aber gleich wieder. Virus wird im Volksmund häufig als maskulin gebraucht – wahrscheinlich wertet das der Duden auch richtig (kann ich leider nicht nachprüfen, weil ich keinen besitze und er im Netz nicht frei zugänglich ist). Und spricht man nicht auch von ausgestorbenen Sprachen, Wörtern und Bräuchen, obwohl die ebenfalls nicht aus Zellen bestehen und nicht einmal Erbgut haben? Also, fassen wir den Begriff „Leben“ etwas weiter, und alles stimmt wieder. Worin Ingo allerdings Recht hat: Medizinisch ist deine Aussage nicht korrekt.
Juli 25th, 2007 at 16:20
Sozusagen, „der Existenz beraubte Virus.“ Man geht weder „an“ (schweizerisch) , noch „auf“ die Universität (in Deutschland üblich), sondern besucht sie lediglich.
Juli 25th, 2007 at 17:35
Solche und ähnliche Geschichten hab ich an der Deutsch-Schweizer Grenze auch schon zur Genüge erlebt.
Am (unfreiwillig) komischsten ist es, wenn Grenzer bis zur Sinnlosigkeit in ihrem Trott gefangen sind:
(Grenzübertritt mit damals noch deutschem Kennzeichen von der Schweiz nach Deutschland, angehalten vom deutschen Grenzer)
„Guten Tag, Ausweis und Führerschein bitte.“ (Beides wird gereicht und mit geschult-kritischem Blick beäugt -und vermutlich kaum wahr genommen)
„Wohin soll es denn gehen?“
„Ich fahre nach Hause.“
„Zweck Ihres Aufenthalts?“
…äääähhhhh…????
(vorsichtig) „Nunja, zu Hause sein?“
(Papiere werden reaktions- und kommentarlos zurück gereicht) „Gute Weiterfahrt.“
Glücklicherweise war ich erst 5 Minuten später entspannt genug, um mich tot zu lachen.
Juli 25th, 2007 at 18:58
Von der Schweizer Grenze zum Virus: Noch „off-topic“er gehts kaum noch… Aber wenn wir schon dabei sind: Sowohl sächlich als auch männlich ist laut Duden erlaubt – wobei es eine ganz klare Abgrenzung gibt. DAS Virus gibt es in der Medizin. DER Virus raubt Computeranwendern manchmal den letzten Nerv.
Juli 25th, 2007 at 21:09
Ich fahre ja auch öfters über die schweizer Grenze. Meistens nach Deutschland oder Österreich. Ich hatte bis anhin nie Probleme mit den Zöllnern, ausser einmal bei einer co2-patrone für meine Rettungsweste, aber dass hat sich dann innerhalb von sekunden Erklärt.
Doch vor 5 Wochen bin ich mit der Bahn von der Schweiz nach Nürnberg über Singen gefahren, und ich weiss nicht warum ich an diesem Tag so besonders kontrolliert wurde. Ich vermutete im nachhinein dass mein Erscheinungsbild dem deutschen Grenzer nicht gefallen hat. Am Vortag habe ich noch eine lange und wilde Abschiedsparty gefeiert und sah dementsprechend aus, um mich ein bisschen wach zu halten hatte ich schon ein Redbull geöffnet und ein paar schlücke davon getrunken. Dann hatte ich gleich nach der Abfahrt schon mein Laptop ausgepackt weil ich unbedingt meine neue Video2Brain-Dvd schauen wollte… Dies wahr wohl eine ziemlich explosive Mischung – gut ich könnte ja auch ein Drogendealer sein…
Auf jedenfall kam dann der Zöllner und sah sich meinen Ausweis an und meinte nichts, erst der Zweite wollte dann meine ganzen Sachen durchsuchen. Nunja, wahr nicht so ne schöne Erfahrung und ich hoffe die kommt nicht all zu schnell wieder vor.
in dem Sinne, Lukas
PS. Aber am schlimmsten sind die Passkontrollen in Budapes / Ungarn im Personenschiff-hafen, da ist man locker mal 2-3 Stunden beschäftigt und muss die Zöllner und Hafenpolizisten richtig bestechen… 😉
Juli 26th, 2007 at 12:36
Nachtzug Amsterdam – Zürich. Ein schweizer Grenzbeamter fragt einen Typ der wohl schon aufgrund seines Äusseren Anlass zum Misstrauen gab:
„Von wo nach wo fahren Sie?
Reisender: „Ich komme aus Amsterdam und fahre nach Zürich.“
B. „Wie lange waren Sie in Amsterdam?“
R. „Einen Tag.“
B. stutzt, dann: „Ist das ihre Tasche? Machen Sie die doch mal bitte auf!“
Keine 2 min später wird der Reisende freundlich aus dem Zug geleitet… 😉
Juli 27th, 2007 at 22:09
– Eine Krankheit (wie die Tollwut) kann man zwar vielleicht ausrotten, da sie aber kein Lebewesen ist, kann sie auch nicht aussterben…
Die übrigens nicht ausgerottet oder ausgestorben ist.. sonst mach ich dich gerne mit dem Kant. Tiervetrinär von einem Kanton der Schweiz bekannt, der dir das bestätigen wird
Juli 30th, 2007 at 8:11
Genau, die Krankheit ist doch gar nicht „weg“, um allen Sprachproblemen auszuweichen. Es gibt auch in D noch unzählige Gebiete mit Tollwutgefahr.
Ist Tiervetrinär nicht doppeltgemoppelt?
MfG