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Codename „Zurigo“ — Die geheimen militärischen Rituale der Schweizer beim Brandschutz

(reload vom 26.09.05)

  • Codewort „Zurigo“: Was tun, wenn es im Einkaufszentrum brennt?
  • Ein paar Jahre lang arbeitete ich im Glatt, dem grössten Einkaufszentrum der Schweiz. Es wurde mir dort mit dem Arbeitsvertrag die geheime Notstandsordnung überreicht, und ich musste den Erhalt abzeichnen. Dort ist verzeichnet, was man im Falle eines Notfalles im Haus zu tun hat. Wenn es z. B. brennt, und eine Etage geräumt werden muss, wird dies den eingeweihten Mitarbeitern über das geheime Codewort „Zurigo-Zurigo-Zurigo“ via Lautsprecher kundgetan. Es gilt dann, die Schäfchen über die Treppe in Sicherheit zu bringen, keine Panik zu verbreiten, und das Wissen darüber, dass es brennt, zwecks Vermeidung einer Panik nicht preiszugeben.

    Was tut man aber, wenn der Einsatzleiter die Codewörter verwechselt und z. B. das Wort „Monaco-Monaco-Monaco“ aus dem Lautsprecher schalt? Gar nichts. Keine Arme, keine Kekse, und ohne echtes Codewort kein echtes Feuer, vermute ich mal. Die Schweiz ist halt doch sehr militärisch geprägt, und der Leiter der Feuerwehr sicherlich ein Hauptmann der Reserve.

  • Merkwürdige Lautsprecherdurchsagen
  • „Uff der Glatt isch’s glatt, drum kömmet alle ins Glatt. Uff der Glatt isch’s glatt, drum kömmet alle ins Glatt. Uff der Glatt isch’s glatt, drum kömmet alle ins Glatt“.
    Jetzt fragt sich jeder, was dieser dreimal wiederholte weise Ausspruch wohl zu bedeuten hat? Zumal man ihn morgens um 11.00 Uhr in voller Lautstärke in allen Räumen des Glattzentrums zu hören bekam, sogar auf dem Klo und natürlich in allen Büroräumen. Es handelt sich um den Geheimsatz für einen Krisenstab. Nein, es werden damit keine Schläfer geweckt zu geheimen Tätigkeiten (ausser den Schläfern im Büro), sondern es tagt der Krisenstab im Glatt.

    Endlich heisst es über Lautsprecher: „Die Krisenübung ist beendet“. Die Krise auch?

  • Die Nasslöschstelle
  • Was das wohl ist? Ich frage die Schweizer in meiner Firma, wir rätseln gemeinsam. Entdeckt habe ich dieses Wort beim aufmerksamen Studium des Notfallplans unserer Firma, auf dem die Fluchtwege etc. eingezeichnet sind. Dort ist sie eingetragen, leider an einer unzugänglichen Stelle, hinter der Not-Treppenhaus-Tür, die beim Öffnen Feueralarm auslöst (Alarm ist, wie wir uns erinnern, wenn über Lautsprecher dreimal „Zurigo, Zurigo, Zurigo“ ausgerufen wird, nicht „Monaco“ und auch nicht „Flamingo“).

    Vermutet wird hinter der „Nasslöschstelle“ entweder
    a) ein Eimer mit Wasser (nass),
    b) ein Feuerlöscher,
    c) eine Dusche, für die nasse Löschung von brennenden Personen,
    c) ein Schlauch mit Hydrantenanschluss. Ob man den vor Benutzung ganz abrollen muss?

    Ich konnte es nie ganz rauskriegen, denn sonst hätte ich den Feueralarm ausgelöst.

  • Besammlung und nicht Besamung
  • Ertönt wirklich einmal der Alarm, gilt es, sich in kurzer Zeit vor dem Gebäude auf einem speziell markierten Gebiet zu „besammeln“ (nicht zu besamen). Der „Besammlungsort“ ist das, was wir Deutsche als „Versammlungsort“ kennen. Dieser Ort ist nicht der Haupteingang, und man soll nicht dort stehen bleiben um zuzuschauen, was die anrückende Feuerwehr nun macht.

  • Franz Hohlers Roman „Der neue Berg“: Als der Glatt-Tower plötzlich kippt
  • Der Schweizer Autor Franz Hohler hat einen wunderbaren Roman geschrieben über das Zürcher Unterland, die Gegend von Dübendorf – Wallisellen und Kloten, in dem er dort mitten in der „Agglo“ (Kurzform für „Agglomeration Zürich“, das zersiedelte Land drumherum) plötzlich die Erde erbeben lässt, sich ein Vulkan auftut und die Katastrophe gemanaged werden muss. Wird sie natürlich nicht, sie wird totgeschwiegen von den zuständigen Behörden bis zum geht nicht mehr, und am Ende bleibt der Glatt-Tower als neuer Turm vom Pisa schief stehen. Absolut lesenswert und als Taschenbuch immer noch erhältlich.
    Franz Hohler: Der neue Berg

    

    6 Responses to “Codename „Zurigo“ — Die geheimen militärischen Rituale der Schweizer beim Brandschutz”

    1. Rosie Says:

      ähm, Franz Hohler ein „Zürcher Autor“??? Aber, aber, Herr Wiese, nun sind Sie uns schon so ans Herz gewachsen und jetzt leisten sich sooooo einen Bock. Es gibt kaum einen solothurnerischen Schriftsteller als Franz Hohler es ist. Geboren zwar in Biel, das wäre dann Bern…. Aber Zürich?? Mein Gott!!!

      [Anmerkung Admin: Für was so ein Reload nicht alles gut ist! Stimmt, habe es gleich korrigiert. Habe mich damals dadurch täuschen lassen, dass Hohler in Zürich lebt und hier auch viel auftritt. Text ist angepasst. ]

    2. Tellerrand Says:

      @ Rosie

      Ich nehme an, Ihr Einwand ist korrekt. Aber was bitte zeichnet einen solothurnischen Schriftsteller aus? An sich und in Abgrenzung zum Zürcher?

      Als Deutscher, der sich vor allem in seiner Sprache zuhause fühlt, kann ich derartige Äusserungen einfach nicht nachvollziehen. Literatur hat eine Menge mit Erzähltalent und Sprachgefühl zu tun, sicher auch mit Haltung, Erfahrungen und Beobachtungsgabe. Aber mit der regionalen Herkunft und dem – so vorhandenen – Dialekt des Autors? Macht das den Schriftsteller aus?

    3. Rosie Says:

      @Tellerrand
      Nun, es ist so, dass Franz Hohler in der Schweiz vorallem als Kaberettist bekannt ist („s’Totemügerli). Wahrscheinlich gibt es nicht allzuviele, nur ein kleinwenig kulturell angehauchte Schweizer, die diese Kabarett-Nummer nicht kennen. Und da verrät er halt klar seine Herkunft, somit wären wir bei Ihrer Vermutung „Dialekt“.
      Logisch dass sein Buch ihn da nicht verrät.

    4. Otto-vonhintenwievonvorn Says:

      An Frau Rosie,

      mir ist allerdings auch schon zu Ohren gekommen wie Mitglieder Ihrer Fussballnationalmannschaft zum Beispiel Blaise N’Kufo, Boris Smiljanić und andere oder auch andere Sportlerplötzlich zum „jungen Berner, Basler oder Zürcher“ wurden, schauen Sie doch einmal, wo die geboren wurden.

      Damit wären wir dann eher beim Thema „Dialektik“ und der in Ihrem Lande alles bestimmenden Frage: Wer hat schon gerne ein Nummernschild aus dem Aargau an seinem Fahrzeug?

    5. tamo(g)ruen Says:

      Die Krise endet nie, sie wird nur unterbrochen durch gelegentliche Krisenübungen. Was ist dagegen einzuwenden? Menschen werden immer älter, aber sie bleiben auch immer länger jung. Kein Wunder also wenn in dem Land Europas mit einer besonders hohen Lebenserwartung das Erwachsenwerden etwas länger auf sich warten lässt. Manchmal findet es auch nie statt – alles bleibt eine Übung.

      Zurigo – Alpha – Jetset – Bravo. Wir werden begrüsst zur neuen Woche. Das ist gut, da weiss man, es ist Montag, bevor die Traktandenliste verlesen wird, natürlich nicht ohne dass zuvor Herrn Wiese zur einjährigen Betriebsangehörigkeit gratuliert wird. Der bedankt sich, die Notfallübung zögert sich etwas hinaus, und lädt zum Apéro im Anschluss, falls es dieses Mal nicht wirklich brennt. Die Bemerkung erntet nicht unbedingt ausgelassene Heiterkeit, schon eher den Hinweis, dass man dies ernst nehme.

      Der Kollege Bucher wird gebeten, das Brandmanöver der letzten Woche zusammenzufassen und man sieht deutlich eine Rauchspur an seinen Spezialschuhen. Bucher verkündet sorgfältig, er dürfe sicher feststellen, dass auch die 183igste Brandübung mit Einsatz der weiblichen Besatzung der Küchenwehr eindrücklich unter Beweis gestellt habe, dass man gerüstet sei für den Fall der tatsächlichen Krise. Der Zusammenhalt sei in beeindruckender Weise demonstriert worden. Hier werde gute Arbeit geleistet, und darauf sei man stolz und dies wohl auch zurecht. Er dürfe an dieser Stelle seine Uniform erklären, aber es sei nun so, er dürfe zur Wehrübung und bedaure auch an der 185igsten und 186igsten Brandübung nicht teilnehmen zu können, er sei geehrt in aller Form den Brandstaffelübungsstab an seinen Stellvertreter den Urs Hofer überreichen zu dürfen.

      Urs Hofer erhebt sich bedanken, als zusammen mit einem Sirenenanlage die Sprinkleranlage beginnt ihren Dienst zu tun. Die Sitzung findet ihren Antrag zum kurzen Unterbruch, der allseits begrüsst wird. Als neuer Punkt der Traktandenliste wird die Wahl externen Alarmüberprüfungszuständigen und seiner drei Stellvertreter eingefügt. Namensvorschläge für dieses Gremium und Terminabsprachen für die allfällige Einsitznahme mit Apéro werden entgegengenommen. Einstweilen wird das deutsche Urviech Wiese losgeschickt zu erkunden, warum sich die Sprinkleranlage nicht abstellen lasse. Der Wiese rennt los, kommt zwei Sekunden später wieder zur Tür rein und entschuldigt sich, sorry, er habe vergessen, sich für die ihm übertragene Verantwortung zu bedanken, Er gehe davon aus, dass seine Mission ein Erfolg werde.

      Erleichtert kann zur Traktandenliste zurückgekehrt werden. Es geht um den Vorschlag von Reto Meier, die Brandschutzverordnung für das Nasswasserreservoir anzupassen. Die Texte seien eins zu eins von der Filiale aus dem Kanton Baselland übernommen worden, das träfe hier in Solothurn nicht so zu. Erwartet werde eine mehrwöchige Phase der Beschlussbe-fähigungsprüfung. Dieses Wort kenne keiner. Das mache nichts, er habe es selber erfunden, verkündet Reto Meier, als die Tür aufspringt, Wiese reinstürmt, die Haare angesengt, die Kleidung durchnässt und seinen Apéro absagen muss. Hauptgebäude und Turm stünden unrettbar in Flammen, der Küchentrakt werde gerade geflutet, ein Wiederaufbau bis zum Abend sei eher unwahrscheinlich.

      Vom Vorsitz wird Wiese sein Einsatz verdankt. Die Sitzungsleitung versäumt nicht die eigene kluge Wahl des Sitzungsortes, den feuerfesten Bunker zu erwähnen. Es sei wieder einmal eindrücklich und mit allem Nachhalt unter Beweis gestellt worden, wie entschlossen man den Krisen entgegen treten könne. Nun müsse man aber gerade zurück ins Büro, da einem einfalle, dass man dort die morgendliche Cohiba noch habe brennen lassen.

    6. Psalmist Says:

      @Otto

      Ich kenne auch eine Dame, die freute sich beim Rück-Umzug in den Aargau aufs Nummernschild – endlich wieder Narrenfreiheit… 🙂