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Dann war da eine Pause — Erlebnisse an der Deutschen Serviceline

  • Die Schweizer Telefon-Codes sind rasch gelernt
  • Schweizerische Telefonkommunikation läuft nach einem ganz bestimmen Schema ab, das man als Deutscher in der Schweiz tunlichst bald erlernt und verinnerlicht. Es sind spezifische „codes“, die es zu lernen gilt, um nicht unangenehm aufzufallen. Angenommen Sie möchten von Ihrer Schweizer Krankenversicherung eine Auskunft. Also rufen Sie dort an und geraten nach einigen Minuten in der Warteschleife an eine freundliche Serviceperson. Sie hören z. B.: „Mein Name ist Regula Mayer, wie kann ich ihnen helfen?“ Sie antworten: „Grüezi Frau Mayer, mein Name ist XY“. Dann machen Sie eine Pause und warten, dass Frau Mayer von der Serviceline ebenfalls „Grüezi“ zu Ihnen sagt, bevor Sie langsam auf den Punkt kommen und Ihr Anliegen vortragen.

    In einem vergleichbaren „Kunden-Lieferanten“ Gespräch, bei denen sich beide Seiten vielleicht schon von früheren Anlässen her kennen, wäre noch ein Smalltalk über das Wetter oder das allgemeine Befinden angebracht, bevor es zur Sache geht.

  • Immer schön die Pause beachten
  • Die Abfolge bei der Gesprächseröffnung inclusive der wichtigen Pause ist leicht erlernbar und auch als neu zugezogene Deutsche werden rasch gar nicht mehr anders können, als so am Telefon zu kommunizieren. Die „codes“ werden also bald Teil des Alltags und sie nehmen sie kaum mehr bewusst wahr.

  • In der Pause trat eine Pause ein
  • Vor kurzem musste ich mit diversen Versicherungen und Banken in Deutschland telefonieren. Auch hier waren stets trainierte Service-Mitarbeiter an der Leitung, auch hier wurde Hilfsbereitschaft und der Servicegedanke gross geschrieben. Und doch liefen diese Gespräche anders ab, denn ich tappte stets in die gleiche merkwürdige Pause. Ein Mitarbeiter sagt: „Guten Tag, mein Name ist Peter Müller, was kann ich für Sie tun?“. Ich antwortet: „Mein Name ist Jens Wiese“ und wartete. Pause. Nichts, kein Gegengruss, kein „Guten Tag Herr Wiese“. Erstauntes Warten und Harren darauf, dass ich zum Ausdruck bringe, was den mein Anliegen sei.

    Die Franzosen sagen dann „un ange passe“ = „ein Engel geht durch den Raum“, wenn die Gesprächspause besonders peinlich ist. Das passierte mir einmal, es passierte mir mit einer anderen Versicherung ein zweites Mal, und beim dritten Gespräch mit einer freundlichen Bankangestellten erkannte ich: Du musst schneller zur Sache kommen! Die Schweizer Kommunkations-Codes gelten hier nicht. Doch so schnell konnte ich die auch nicht wieder ablegen.

  • Das freundliche Ende hinterlässt glückliche Mitarbeiter
  • Die rituelle Verabschiedung im Gespräch, das Bedanken für die erhaltene Auskunft, das freundliche „Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag“ Äussern, all das gilt in der Schweiz als selbstverständlich und wird überhaupt nur wahrgenommen, wenn es fehlen sollte. Bei den deutschen Serviceline-Mitarbeitern meine ich in dieser Situation ein erstauntes Lächeln durch das Telefon gesehen zu haben. Soviel Dankbarkeit und Nettigkeit ist nicht alltäglich und wird nicht erwartet. Andere Codes, andere Effizienz, andere Präsenz.

    Nachtrag: Gerade hatte ich ein Gespräch mit einer Bank in Stuttgart. Ich meinte an einen Schweizer geraten zu sein, aber es war ein waschechter Schwabe. Alle codes wurden perfekt eingehalten, auch die Verabschiedung ging nach den Regeln kommunikativer Höflichkeit. Was lernen wir daraus? Verallgemeinere niemals drei Erfahrungen zu einer Gesetzmässigkeit!

    

    21 Responses to “Dann war da eine Pause — Erlebnisse an der Deutschen Serviceline”

    1. Johnny Says:

      Gibt es eigentlich keinen Studiengang für Suisseologie an der Uni Züri? Ich meine Ägyptologie gibt es auch. In Deutschland könntest Du jetzt eine Ich-AG ähh Ich-Fakultät gründen.

    2. Hotti Says:

      Was auch immer schön ist, ist die Floskel „Sid Ihr no doo“ wenn man z. B. kurz das Telephongespräch verlassen musste.

    3. myl Says:

      Melden sich eigentlich nur „Deutsch-Europäer“, oder vielleicht nur Schweizer mit Namen am Telefon?

      Ich „rege“ mich z.B. im romanischen Sprachraum immer auf, wenn ich nur „allo“ oder „pronto“ zu hören kriege, und ich immer nachfragen muss, ob ich richtig bin…

    4. Ingo Says:

      Auch auf die Gefahr hin, dass mich hier jeder für verrückt erklärt: Ich habe mir die Pause in der Schweiz erst mehr oder weniger abgewöhnt! Bis ich vor 2 Jahren in die Schweiz zog, hielt ich das obige Verfahren (also mit Pause nach der eigenen Vorstellung) in Deutschland für ein Gebot der Höflichkeit.
      In der Schweiz habe ich dann zu häufig die Erfahrung der „Engel-geht.durch.den-Raum“-Pause gemacht, so dass ich mittlerweile meist mein Anliegen direkt an die Vorstellung anschliesse. Vielleicht liegt es ja an besonders gut geschulten Mitarbeitern, die bei meinem Hochdeutsch sofort auf „Deutscher-am-anderen-Ende-der-Leitung“ umschalten und mir deshalb entgegenkommen wollen durch Auslassung der Begrüßung. Mittlerweile warte ich meist einfach ein bisschen länger und erzwinge damit die üblichen Schweizer Reflexe…

      Zum Thema „Sind Sie noch da?“ muss ich auch mal noch was sagen: Ich habe in Deutschland nie etwas anderes erlebt, es immer selber so gemacht und auch in Gesprächen mit anderen Deutschen immer nur Kopfschütteln geerntet ob der Vorstellung, irgendjemand würde diese Frage nach kurzer Abwesenheit am Telefon _nicht_ stellen! Ich möchte mal wissen, aus welcher Gegend Deutschlands die Leute kommen, die dieses Verhalten erstaunt; für mich ist es eher ein Fall von „ob Deutschland, ob Schweiz, im Prinzip überall gleich“.

      Und zu guter Letzt: Wer ein Telefongespräch nicht mit einem „Schönen Tag noch“ o.ä. beendet ist in meinen Augen weder Deutscher noch Schweizer, sondern einfach unhöflich. Egal wo. Habe das auch in Deutschland selten erlebt und wenn, dann eben als schlechte Erziehung des Gegenübers wahrgenommen. Aber eben auch in Deutschland nur sehr selten, weshalb ich es immer wieder verwunderlich finde, warum dies in diesem Blog immer wieder als Schweizer Eigenart thematisiert wird. Ich habe langsam das Gefühl, dass es in Deutschland Gegenden gibt, in denen alles sehr viel unöflicher als in meiner Heimat (Südwestfalen) zugeht.

    5. Chimaera Says:

      Tja, so is halt der schwäbisch allemannische Raum *g*. Ganz anders als der Pott. Aber mal ehrlich. Auf die erste Pause könnte ich auch reinfallen. Die „nett-freundliche“ Verabschiedung am Ende mit guten Wünschen gehört dagegen aber irgendwie schon dazu…

    6. Gina Says:

      Genau! Aber das Interessante an der Sache finde ich eben, dass man sich wirklich verpflichtet fühlt, das selbst auch zu sagen… Ist bei mir zumindest so.
      Ich hatte letzthin auch mal so ein Erlebnis am Telefon. Ich hatte angerufen, die andere Person hat sich gemeldet, und ich so „Grüezi, do isch …..“ und dann sagte ich nichts mehr. Die andere Person auch nicht, und für etwa eine Sekunde war es totenstill in der Leitung 🙂 Das ist schon unangenehm. Aber diese andere Person war übrigens ein Schweizer… 🙂

    7. Brun(o)egg Says:

      @ myl

      Machs wie ich: wenn ich bei Anruf pronto, allo, oder ja? höre, sage ich auch pronto, allo oder ja?.
      Schweigen!!! oder der Hörer wird aufgeknallt! Meistens.

      Auch die Verkäuferin am Kiosk, die Serviertochter in der Beiz, die Pöstlerin hinter dem Schalter und das arme nervende Schwein, das Abends um 20h noch telefonisch akquirieren muss, hat einen besseren Tag, wenn man ihm/ihr einen guten Tag wünscht.

      Wir machen das immer und konsequent. Der Dank ist meistens ein Lächeln oder ein Gruss retour.
      Ist doch ganz einfach. Und macht alles leichter.

    8. aquado Says:

      Ein deutsches (Alltags-) Telefonat (Bestellhotline):

      Es klingelt; Guten Tag, Schneider (der Anrufer), eine Bestellung; ich geb Ihnen die Kundennummer….
      Ja, bitte… (der Angerufene)
      Kundennummer: 08/15 7 2, Bestellnummer: 08/15 7 1 2 3; einmal; das war´s!
      Vielen Dank, Artikel ist auf Lager, die Bestellung geht morgen raus.
      Danke, Tschüß (oder Auf Wiederhören)
      Tschüß (oder Auf Wiederhören)
      Telefonat Ende.

      So ist´s! Schmunzel. 😉 😉 (und kein „Teutone“ fühlt sich dabei schroff behandelt)

    9. Phipu Says:

      Was ich schon lange mal fragen wollte – auch wenn es hier leicht am Sujet vorbei geht: Ist eigentlich die „Derrick-Formel“ bei der Begrüssung an der Tür in Deutschland auch normal? Mir fiel in diesen Serien immer auf, wie der feinfühlige, psychologisch geschulte Inspektor, auch im noch ruhigen Anfangsstadium der Folge, mit „Kriminalpolizei! Ist Ihr Mann zu hause?“ oder „Frau X? Kriminalpolizei! Wir suchen Ihren Mann.“ die meist nicht involvierten Angehörigen überrumpelte. Mir als Schweizer Zuschauer fehlte immer das „Guten Tag“ oder „Guten Tag, Frau X“. Ich hoffte immer vergebens, eine Schauspielerin der Serie würde die Polizisten, einmal nur, betont höflich mit „Wunderschönen guten Morgen, die Herren“ empfangen, um sie auf das Fehlen der Grussformel aufmerksam zu machen (das nennt man schulmeistern). Aber ich hoffte immer vergebens.

      Ist das in der deutschen Wirklichkeit auch so, oder ist diese Begrüssung nur wegen der eingeschränkten Sendezeit so „barsch“? Ist das typisch Polizei? Wer hat damit Erfahrungen?

    10. neuromat Says:

      Das mit der Pause kann ich kaum noch bemerken. In der Regel sind die Telefonate freundlich und speditiv. Mittlerweile herrscht jedoch leider auch bei Schweizern dort, wo wahrscheinlich der (wirtschaftliche?) Druck grösser wird, eine gewisse Unfreundlichkeit bis manchmal auch Frechheit (die absoluten Ausnahmen – aber es gibt sie schon).

      @ Brun(o)egg
      wahrscheinlich ist Euch das nicht bewusst. Aber je nachdem wie noch „ein guter Tag gewünscht“ wird, kann das in deutschen Ohren unhöflich klingen. Vielleicht schwer vorstellbar – ist aber so, wenn der Gegenüber den Eindruck hat, dass auf diese Art die Kommunikation abgebrochen wird.

    11. aquado Says:

      @ Phipu

      Es wird kein guter Tag, wenn die Polizei einen sucht!

    12. Anna Says:

      Die Pause hat mich auch sehr irritiert, als ich zum ersten Mal „geschäftlich“ mit diversen Deutschen Institutionen telefoniert habe. Nett fand ich, dass die meisten Leute ihre Redegeschwindigkeit massiv runtergeschraubt haben als Reaktion auf meinen Schweizer Akzent 🙂

    13. neuromat Says:

      @ Phipu

      es gibt verschiedene Erklärungen:
      – Derrick kennt jeder, der braucht sich nicht mehr vorzustellen. Bei einer Fortsetzung der Serie, hätte er wahrscheinlich gar nichts mehr zu sagen gehabt: Ah der Herr Derrick, Sie suchen wahrscheinlich meinen Mann.
      – Derrick sagt zu Harry: Harry sag mal Guten Tag und dass wir von der Polizei kommen. Das wird dann jeweils rausgeschnitten
      – Derrick ist tatsächlich so feinfühlig und psychologisch geschult und vor allem charismatisch, also gruss-charismatisch, dass er unsichtbar und unhörbar aber doch wahrnehmbar und empathisch grüsst, durch seinen Blick, ein feines Nicken, seine Haltung lässt ihn sich zurücknehmen er deutet an – nonverbal – das er wiederum spürt, dass er stört … und al das in der kurzen Sendezeit.

      grundsätzlich darf man aber davon ausgehen, dass keine der in diesen Sendungen geführten Unterhaltungen jemals tatsächlich so geführt werden. Noch schlimmer war nur : Der Kommissar.

    14. Luke Says:

      Also, meine persönliche Erfahrung, sowohl als Anrufer wie auch vor einigen Jahren als Teilzeit CCA (Call-Center-Agent) in Deutschland sagt mir was anderes: Die nette Doppelbegrüssung („Guten Tag Herr Wiese“) gehört zu den Sachen, die man in einem guten Callcenter am ersten Tag lernen sollte. Zumindest der grosse (ehemals staatliche ) Telekommunikation-Mobilfunkanbieter in Deutschland hat vor einigen Jahren noch dort Aufträge verteilt, wie das die Banken handhaben im Schwabenland kann ich leider nicht sagen.

      Grüsse aus Basel

      Luke

    15. franz Says:

      Jaja ihr lieben Teutonen, ihr habt noch viel zu lernen aber wir haben ja enorme Nachsicht mit euch.
      Da geht ihr 15 Jahre in die Schule und nochmals 10 an die Uni und trotzdem lernt ihr die einfachsten Regeln nicht die sowohl hüben wie drüben gelten.

    16. neuromat Says:

      @franz

      ja, ja, was fränzchen nicht lernt, lernt franz nimmermehr.

      Damit Sie auch noch etwas Gelegenheit haben dazu zu lernen und dies nicht nur uns unqualifizierten Teutonen vorbehalten bleibt, die hier in der Schweiz die qualifizierten Jobs wegstibizen noch ein Literaturhinweis:

      Die Schweizer – pauschal, von Paul Bilton, Engländer.

      Englisch ist ja in der Schweiz fünfte Landessprache also dürfte dioe Originalausgabe The Xenophbe’s Guide to The Swiss auch kein Problem sein. Um Sie ein wenig gluschtig zu machen eine Kostprobe, gewissermassen ein Leckerli (das hatten wir vor kurzem das Thema):

      „Die Schweiz …. das Erziehungswesen trägt auch nicht viel dazu bei, die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern. Nimmt man noch die bei Gebirgsvölkern überall anzutreffende Eigenbrötelei hinzu, so wird klar, warum den Schweizern jeder verdächtig erscheint, der sich selbstbewusst in der Öffentlichkeit zu artikulieren versteht. Die Bodenbeschaffenheit der Schweiz färbt deutlich auf die Gemüter und Gesinnung ihrer Bewohner ab – hohe Berge überragen die Landschaft und die schweizerische Denkart. Für Gedankenaustausch ist diese geistige Geographie der isolierten Täler nicht geschaffen. Gleichzeitig beschäftigen sich die Schweizer in ihrem jeweils eigenen Gedankental voller Bangen damit, wie es im Nachbartal aussehen und ob das Gras dort vielleicht grüner sein könnte.“

    17. Stefan Says:

      Der Schwabe war einfach gut ausgebildet 😉

    18. Christian Says:

      Eine lustige Bemerkung am Rande: Jensens „Regula Mayer“ ist kaum eine Einheimische, denn Leute, die sich so schreiben – Mayer mit – sind praktisch alle aus dem schwäbischen oder österreichischen Raum eingewandert. In der Schweiz heißt man „Meier“ oder „Meyer“ 😉

      [Anmerkung Admin: Neulich noch bei CLUB der Schweizer Redaktor hiess Mayer mit a-y. Bis Du sicher mit dieser Beobachtung?]

    19. Christian Says:

      @Jens: Insofern als es in den 1960er Jahren (gemäß Familiennamenbuch der Schweiz) nur ca. 5 Familien mit Namen „Mayer“ gab, die auch seit alter Zeit in der Schweiz das Bürgerrecht besaßen. Alle anderen Schweizer dieses Namens waren im 20. Jahrhundert eingebürgert worden. Die Maier/Mayer, die ich kenne, mussten diesen Sachverhalt denn auch einräumen: Sie sind, wie die schöne Vokabel lautet, Papierlischwiizer (die also nach jüngsten Gesetzesvorschlägen wieder ausgebürgert werden können sollen, wenn sie sich schlimm verhalten, so wie seinerzeit Biermann).

    20. Thomas W. Says:

      @phipu:
      Hier in München (und hier ist Derrick ja zu Hause) wurde ich schon mit „Herr Werner? Grüß Gott, Kriminalpolizei! Wir hätten da noch ein paar Fragen“ begrüßt, als Polizisten an meiner Wohnungstür läuteten. Zuvor hatte ich telefonisch eine Schlägerei gemeldet, die vor einer russischen Kneipe in meiner Nachbarschaft stattfand. Ob es das „Grüß Gott!“ gebraucht hätte, weiß ich nicht. Wir Deutschen kommen sicher auch mit einem routinierten „Herr Werner? Kriminalpolizei, wir hätten da noch ein paar Fragen“ klar, ohne das jetzt wirklich unhöflich zu finden, wenn der Ton okay ist, in dem das gesagt wird. Hier ist es halt lockerer als in der Schweiz – wo quasi die Japaner des deutschen Sprachraums leben.

    21. Nicole Says:

      also ganz ehrlich, ich sage auch nur „hallo“ wenn ich anruf entgegennehme. hatte mal telefonterror und seit dem bin ich vorsichtig geworden. und ich finde es auch unhöflich, anzurufen und nicht seinen namen zu nennen, sondern zu fragen: wer ist da??
      ich frage dann immer, WER denn MICH anruft!!!
      so…das war das wort zum montag 🙂