Baut Zugbrücken und sperrt die Rheinbrücken — Neue Ideen im Flughafenstreit
Am 2. August 2006 forderten wir auf der Blogwiese: Stoppt die Deutschen aus dem Norden! Baut wieder Zugbrücken!
Nun hat uns die Realität eingeholt. Unsere damaligen Forderungen sind hoffähig geworden. Der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber wandte sich in ganzseitigen Inseraten in grossen süddeutschen Zeitungen an die Deutschen und brachte eine ganze Reihe von Argumenten zum Fluglärmstreit auf den Tisch. Ausserdem einige kreative Vorschläge zur Frage, welche „Gegenmassnahmen“ möglich seien:
„Ich höre wöchentlich Leute“, schreibt er, „die immer drängender fordern, man müsse doch endlich Gegenmassnahmen ergreifen.“ Und erwähnt als Beispiel, man könnte doch die Rheinbrücken aus Lärmschutzgründen in denselben Stunden sperren, in denen die Nordanflüge untersagt sind. (…) man müsse Angestellten aus dem Schwarzwald am Flughafen kündigen. Oder man solle die Gäste aus dem Schwarzwald, die vom Flughafen Zürich abfliegen oder dort ankommen, „diskriminieren oder gar aussperren“.
(Quelle: Tages-Anzeiger vom 05.02.07)
Endlich kommt Bewegung in die Sache! Endlich passiert wirklich etwas. Aber leider noch nicht genug! Gehen wir mal die sonstigen Hauptargumente Ledergerbers im Brief durch und schauen wir, was da noch hinsichtlich optimaler Wirkung rauszuholen ist:
Auf dem Flughafen arbeiten 1‘000 Deutsche, 600 aus dem Südschwarzwald.
Hier empfehlen wir den sofortigen Entzug der Arbeitsbewilligung. Es muss nicht jeder McDonalds von 8:00 bis 22:00 Uhr bedient sein, auch die Parfümerien und anderen Geschäfte in der Shopping Zone des Airports könnten eine frühere Schliessung gut vertragen. Und womöglich nehmen diese Deutschen beim Sicherheitsdienst oder beim Check-In eine wichtige Funktion ein? Endlich lohnt sich wieder das Warten am Flughafenschalter, denn nun werden wir ausschliesslich von Nicht-Deutschen bedient, am besten aus der Innerschweiz, und alles wird gut. Auch beim Einbehalten der 1‘000 Mal Quellsteuer durch das Klotener Finanzamt wäre dann weniger Aufwand von Nöten.
8 Prozent aller Passagiere in Kloten (1.5 Millionen Personen) sind Deutsche, knapp ein Viertel aller Flüge verbinden Zürich mit deutschen Flughäfen.
Ja braucht es denn überhaupt irgendwelche Verbindungen nach Deutschland? Wenn diese 1.5 Millionen Passagiere ausgesperrt würden, dann hätten wir doch automatisch eine Verminderung von Fluglärm um 8 Prozent! 1.5 Millionen weniger Personen machen auch weniger Schmutz, bezahlen weniger Flughafengebühr, machen weniger Arbeit etc. etc. Warum sind wir darauf nicht schon früher gekommen?
Täglich fahren weit über 30 000 Menschen aus dem Südschwarzwald zur Arbeit in die Schweiz.
Wenn wir das endlich abstellen könnten, dann ginge es doch allen viel besser. Die Innerschweizer-Migration bekäme neue Impulse, der Konkurrenzdruck unter Job-Anbietern würde die Gehälter für die Arbeitnehmer nach oben treiben, die Gewerkschaften hätten auch etwas davon und und.
Jeden Werktag überqueren mehr als 3‘000 deutsche Lastwagen die Grenze zur Schweiz. Die Lärmbelästigung eines solchen Lastwagens ist deutlich höher als diejenige eines Landeanflugs über Hohentengen.
Die Frage ist nur, was wollen die Lastwagen hier eigentlich. Spazierenfahren? Einen Ausflug zum Vierwaldstätter See mit dem 7.5 Tonner unternehmen? Nein, sie bringen und holen Ware, Import- und Exportgüter der Schweizer und Deutschen.
Wenn das auf der Strasse nicht geht oder zu viel Krach macht, empfehlen wir die Wiederbelebung der Flösserei auf dem Rhein. Vielleicht wird dann endlich auch eine Schleuse am Rheinfall gebaut, um von Holland bis zum Altrhein wieder Lasten auf Stocherkähnen flussaufwärts und über den Bodensee transportieren zu können.
(Quelle Foto: aarburg.ch)
Garantiert ohne Lärm und Abgase! Damit haben die gut ausgebildeten Schweizer Pontonniere wieder eine sinnvolle Aufgabe in Friedenszeiten und das Transportgewerbe auf allen Seen und Flüssen würde florieren.
(Quelle Foto: naturparkschwarzwald.de)
100‘000 Übernachtungen von Schweizer Touristen pro Jahr verzeichnen allein die Landkreise von Waldshut und Konstanz. Viele Schweizer kaufen zudem im Südschwarzwald ein.
Es wird Zeit, dass das verboten wird. Auch im Mittelland und im Zürcher Unterland gibt es hübsche Ziele für Schweizer Touristen, was wollen die denn in Deutschland? Und dass der Einkaufstourismus zur Belebung der Binnennachfrage radikal unterbunden werden sollte, darüber sind wir uns schon lange einig. Kauft vermehrt die hohe Schweizer Qualität, übernachtet im Inland!
Februar 10th, 2007 at 16:21
Warum gibt es eigentlich keinen solchen Streit um Fluglärm im Raum Genf oder um Basel-Mulouse. Da leiden die Franzosen sicher auch unter Fluglärm. Sind die Franzosen die friedlicheren Nachbarn als die Deutschen? Ertragen die mehr Leid, weil sie sich auch bewusst sind, dass sie mehr Arbeitsplätze in den jeweiligen Flughäfen belegen, als die Deutschen in Kloten?
Erstaunlicherweise stehen alle grossen Flughäfen der Schweiz in Grenznähe. Das hätte nicht sein müssen. Ich habe mich zwar nicht entsprechend dokumentiert, aber mir wurde erzählt, es seien in der Planungsphase zum Flughafen Kloten zwei Orte zur Auswahl gestanden. Eben Kloten und Utzenstorf (nahe Burgdorf, Kt. BE). Läge nun dieser Flughafen an den Toren des Emmentals, gäbe es dieses Gezank mit Süddeutschland gar nicht. Niemand kann sich wohl vorstellen, welche anderen unerfreulichen Erscheinungen damit zusammenhängen würden.
Februar 11th, 2007 at 13:43
Eine sehr schöne Diskussion über einen Nachbarschaftsstreit.
Viele haben einfach vergessen/ausgeblendet, warum diese Situation um den Flughafen Zürich solche Aussmasse angenommen hat. Zur Erinnerung: Süddeutschland hat es geschaft, Dank Wahlkampf in Deutschland, dass der Bundesverkehrsminister sich mit seinem Schweizer Kollegen Leuenberger an einen Tisch setzt, um den Flugverkehr Kloten gleichmässig auf alle Anrainer zu verteilen und zwar mit einem Zeithorizont 2015 mit bis dahin prognoszierten Steigerung der Fugbewegungen (An/Abflüge).
Leider wurde Leuenberger von seinen Landsleuten als „Waschlappen“ und der politische Druck wuchs, da man gerade dabei war die Swissair Pleite zu verarbeiten (auch finanziell) und man war gezwungen das neue Terminal am Flughafen Kloten auf Eis zu legen. Finanziell betraf dies vor allem den Kanton Zürich, die Investionen in den Flughafen drohten den Bach runterzugehen.
Also was macht man: Man lehnt den Staatsvertrag einseitig von Schweizer Seiter her ab, mit dem kalkulierten Wissen, das es in naher Zukunft zu verschärften Regelungen kommt, d.h. die deutsche Seite kann über ihren Luftraum selber bestimmen, leider war dies dann auch nicht im Sinne der Schweizer. Dabei war das erklärte Ziel der Süddeutschen, den Fluglärm gleichmässig zu verteilen. Also eskalierte dieses kalkulierte Szenario bis heute und man hatte sehr einen Schuldigen gefunden, die arroganten Süddeutschen.
Meine Frage ist nun, wie Sie sich gegenüber ihrem Nachbar verhalten würden, um zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zu kommen? Umziehen können Sie nicht und profitieren wollen Sie ja auch, die Schweizer über die finanziellen Einnahmen (sie brauchen nämlich Fluggäste, auch die aus Süddeutschland), die Süddeutschen über die Anbindung an einen internationalen Flughafen und die Arbeitsplätze.
Also, was würden Sie machen? Sich beschimpfen/anklagen oder aufeinander zugehen.
Februar 11th, 2007 at 14:28
Auszug aus einem offenen Brief vom Landrat Herrn Gwinner an Herrn Ledergerber vom 06. Feb. 07
„Die Lektüre Ihres Schreibens veranlasst mich zunächst zu der Feststellung, dass die Flugverkehrsbelastungen durch den Flughafen Zürich ein sensibles Thema sind, dessen Behandlung viel Feingefühl erfordert, mehr jedenfalls als in Ihrem Offenen Brief zum Ausdruck kommt.
Bereits in der Vergangenheit wurde daher diesseits und jenseits
der deutsch-schweizerischen Grenze die Wichtigkeit eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses betont, an dem wir auch heute festhalten wollen.
Nicht nur sensibel, sondern hochkomplex ist die Thematik um den Flughafen Zürich. Es erscheint aus unserer Sicht daher – gelinde gesagt – wenig sachgerecht, diese mit anderen Themen zu vermengen.
Die Situation des Flughafens stellen Sie als einmalig dar. Die Einmaligkeit der Situation ergibt sich aber weniger aus der durchaus gängigen Tatsache, dass der Luftraum eines fremden Staates nicht ohne Beschränkungen für Landeanflüge zur Verfügung steht. Einmalig ist vielmehr, dass beim Flughafen Zürich die Schweiz ihren Flughafen mit einer Ausrichtung auf fremdes Staatsgebiet geplant hat, ohne über entsprechende Rechte zur Nutzung des fremden Luftraums zu verfügen und ohne dass dies mit
Deutschland vereinbart worden wäre. Gutachten haben überdies gezeigt, dass eine weitaus stärkere Abwicklung der Flüge über Schweizer Staatsgebiet, als bisher praktiziert wird, möglich wäre. Nicht die deutsche DVO, sondern eine souveräne Schweizer Entscheidung ist Grund für die Flüge in der südlichen Anflugschneise. Die deutsche DVO schreibt nicht vor, wie über dem Schweizer Hoheitsgebiet die Flüge geführt werden. Dies sieht auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg so (Urteil vom Januar 2006 über die Klage u. a. von Kloten und Zürich).
Sollte ein innerschweizerischer Beschluss über eine Begrenzung der Flugbewegungen („Plafonierung“) gefasst werden, so ist dies nicht Folge der deutschen Rechtsverordnung. Die deutsche DVO macht keine Vorgaben zur Zahl der Überflüge, sondern sieht im Wesentlichen Ruhezeiten und Mindestflughöhen vor.
Es ist aus unserer Sicht kein Grund ersichtlich, weshalb gerade die Flugverkehrsbewegungen in einer sensiblen Tageszeit exportiert werden sollten. Wenn von einer fairen und gerechten Lastenverteilung gesprochen werden soll, so kann auch der wirtschaftliche Nutzen nicht außer Betracht bleiben. Aber gerade dieser Aspekt erfordert es nicht, noch mehr Flugbewegungen nach Deutschland zu exportieren.“
Dem wäre erstmal nichts mehr hinzuzufügen.
Februar 11th, 2007 at 20:36
http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,465058,00.html