Über die sprachliche Kreativität militärischer Kreise
Wenn in der Schweiz oder in Deutschland junge Menschen dazu abkommandiert werden, sich in der Landesverteidigung ausbilden zu lassen, dann geschieht das in der Regel im zarten Alter von 18-20, in Deutschland meist ein wenig später als in der Schweiz, denn die Schullaufbahn dauerte länger bzw. ist die Berufsausbildung ein willkommener Anlass, die Pflichtdienstzeit von neun Monaten etwas später anzutreten. Ein Alter, in dem nicht nur die Testosteron Produktion auf Hochtouren läuft, sondern in dem auch die sprachliche Kreativität der jungen Menschen eine Blütezeit erlebt.
So fanden wir bei Wikipedia eine äusserst lehrreiche und unterhaltsame seitenlange Auflistung von Spezialausdrücken der Bundeswehr, von denen einige echte poetische Meisterwerke sind. Hier ein paar Auszüge:
Ackerschnacker: Feldtelefon (Reichweite reicht knapp über den „Acker“, ca. 1,8 km)
Biwak: Bezeichnung für Übung mit Aufenthalt und Übernachtung auf einem Truppenübungsplatz, meist im Zelt, scherzhaft deshalb auch Bundeswehr im Wald außer Kontrolle oder auch Besonders im Winter arschkalt
Bilder stellen: Das Vortäuschen von Aktivität, wenn eine Führungsperson eintrifft, um das Fehlen einer Aufgabe zu vertuschen
Boden-Luft-Verbindungsoffizier: Militärpfarrer
Bumsknochen: Gewehr
Büchsenöffner: Panzerfaust
EPA: Abgeleitet von „Einmann-Packung“; Bezeichnung für Verpflegungspaket aus stark konservierten Lebensmitteln, die angeblich bis zu 100 Jahre haltbar sein sollen. Scherzhaft genannt Erbrochenes Pikant Aufbereitet, da der Inhalt eines EPA aufgrund des oft als sehr schlecht empfundenen Geschmacks mit Erbrochenem verglichen wird.
Kampferdbeere: Soldat, der im Feld zur sonst perfekten Tarnung das rote Barett trägt.
Legogewehr: Scherzhafte Bezeichnung für das Sturmgewehr G36, da es bis auf Lauf, Verschluss, Federn und einige Kleinteile völlig aus Kunststoffen gefertigt ist (siehe auch Tupperteil, Plastepengpeng).
Stetten am kalten Arsch: Albkaserne bei Stetten am kalten Markt auf der schwäbischen Alb. Gerüchteweise ist dort im Sommer mal eine Ziege erfroren. Ironischerweise auch „Stetten am karibischen Meer“ genannt.
ZMAS: Befehl, Kurzform für „Zu mir, aber schnell!“
ZMZZ: Befehl, Kurzform für „Zu mir, Ziemlich zügig!“
ZMZZSPMDA: Befehl, Kurzform für „Zu mir, ziemlich zügig, sonst platzt mir der Arsch!“
(Quelle: Auszüge aus Wikipedia)
Auch das Schweizer Militär ist in dieser Liste vertreten. Hier eine kleine Auswahl unserer Lieblingsausdrücke:
Arschlochbarriere: schwarze Armeeschokolade
Bundesferien: (auch Pfadilager) alljährlicher, dreiwöchiger Wiederholungskurs WK
Bundesrocker: Motorradfahrer
Bundesziegel: Armeekekse
Bürogummi: Ursprünglich abschätzige Bezeichnung für Verwaltungssoldaten wie Fouriergehilfen
BWS: „Beid Wäg Seckle“ – im Laufschritt hin und zurück
Chettefigg: (Kettenfick) 24 stündiges Mittragen der Schneeketten im Rucksack als Strafe für einen fehlbaren Motorfahrer
Chettele: (Ketteln) drillmässiges montieren resp. demontieren der Schneeketten (besonders beliebt im Sommer)
Chinesebeton: Reisgericht
Chuchitiger: (Küchentiger) Truppenkoch
Fisch fassen: auch fischen, Zusammenschiss erhalten (von „Fiche“?). Die Heftigkeit des Zusammenschisses wurde in der Grösse des Fisches angegeben, wobei man die Arme zur Hilfe nahm. Reichte des nicht mehr aus, so wurde nur noch der Augenabstand des vermeintlichen Fisches gezeigt.
Hä-si-be: Hält sich bereit (klingt besser als: „hat nichts zu tun“); auch Hä-si-ra-be (Hält sich rauchend bereit)
Inschter: Instruktionsunteroffizier oder -offizier; aufgrund der starken Miliztradition oft mit Vorurteilen behaftet (ist Dein Leben dunkel und finster, komm zu uns und werde Inster)
Ist so, weil ist so. Allgemeine Antwort auf Fragen nach dem Sinn von Übungen etc.
Ist so, weil ist so. Bleibt so, weil war so. Entsprechende Steigerungsform (auch: Ist so, weil war so. Bleibt so, weil gut so.)
Liegestuhl Soldat: Scherzhafte Bezeichnung eines Soldaten der mittleren Fliegerabwehrtruppen (genauer: Operateur des Feuerleitgeräts Skyguard). Das Truppengattungsabzeichen ähnelt einem von der Sonne bestrahlten Liegestuhl; richtigerweise wird eine Radarschüssel mit Abstrahlung dargestellt.
lisme: (CH für stricken) Stacheldraht verlegen
NATO-Hindernis: Erstes Hindernis auf der Hiba (=Hindernisbahn), welches aus unerfindlichen Gründen stets ausgelassen wird (nicht aber bei der Infanterie)
Naturbremse: Fahrrad Ordonnanz 05, welches aufgrund des Alters oder schlechter Wartung sogar bei der Abwärtsfahrt langsamer wird.
(Quelle: Auszüge aus Wikipedia)
Was lernen wir daraus? Kreativität entsteht offensichtlich besonders unter einem gewissen Leidensdruck, mit Wut im Bauch, in Kombination mit Frust und/oder Langeweile. Sprachliche Kreativität hat hier die Funktion, auf elegante Weise Dampf ablassen zu können, ohne dafür bestraft zu werden. Einfach genial.
Auffallend ist auch, dass unter ähnlichen Bedingungen dennoch sehr anderslautende Abkürzungen entstehen, anderseits aber auch Ausdrücke grenzübergreifend existieren. Aus Platzgründen mussten wir auf die wundervollen Sprachschöpfungen aus Österreich und aus der ehemaligen DDR verzichten. Sie finden sich ebenfalls am angegebenen Ort.
November 27th, 2006 at 10:37
🙂 – Gar nicht gewusst dass ich en „Liegestuhl Soldat“ (gewesen) bin…
November 27th, 2006 at 10:40
Föhn (urspr. Bleiföhn): Gewehr
John Wayne: Büchsengulasch
Brättlitschingg: abschätzig für Sappeur
Übermüeder: abschätzig für Übermittler
Rösslispiel: hohe Offiziere
SBG (wie früher Schweizerische Bankgesellschaft): suchen bis gefunden
Bö Fei: Böser Feind
Chüelschränk: Ordonnanzschuhe
Kadi (arabisch!): Kompaniekommandant http://de.wikipedia.org/wiki/Kadi
Atombrot: in Alkohol konserviertes Brot
Penntüte: Schlafsack
Zwipf: Zwischenverpflegung
und noch mehr: http://zuri.net/slang -> Tätigkeiten -> Militär
November 27th, 2006 at 10:55
Das ‚Atombrot‘ fehlt in der ansonsten durchaus gut sortierten Liste.
Und nicht zu verachten ist die ‚Kopfwehgamelle‘
November 27th, 2006 at 11:20
zu SBG gibts noch eine Steigerungsform: SBG – SKA* : Suchen bis gefunden, sonst kein Ausgang. ( SBG: Früherer Name der UBS (Schweiz. bankgesellschaft) ; SKA: Früherer Name der Credit Suisse (schweiz. Kreditanstalt) )
und eine steigerung zu „Bundesferien“: Verlängerung eingeben (Weitermachen)
KFOR: Krasse Ferien ohne Rechnung
SWS: Seckle – Warte – Seckle
Gruss
Stefan
November 27th, 2006 at 11:34
Bürogummi ist eher harmlos gegen das deutsche „GeZi-Schlampe“
November 27th, 2006 at 12:04
Penntüte? Nie gehört… Furzsack heisst das Teil!
Oft vergessen: KüChe –> Küchenchef
Panzerchäs: Büchsenkäse
SchuMa: Schutzmaske (Gasmaske, in D auch bekannt als Gummifotze)
Binom: nix da mit höherer Algebra, ist bei den Grenis das Zweimannteam dass immer zusammen agiert. Auf Holländisch auch Slapie (Schlafkumpel) genannt, weil da teilen sie sogar das Etagenbett.
November 27th, 2006 at 12:23
Grenadisli : Grenadiere
Spiker: Kanoniere (12er und 8.1er)
Füselwätter: Regen und Matsch
Rohrkrepierer: Fettschuss oder ein Schuss welcher im Lauf stecken bleibt
KS: Kampfstiefel oder ganz anders Kameradenschwein (Verräter)
sächsehalber (Richtig: Form 6.5): Meldeformular für „alle“ Meldungen (!keine Notizen!) wird auch von oben genannten Verrätern benutzt.
Sanitröter: Sanitäter (aufgrund des sehr oft lausigen Anziehens)
Tenufigg (Tenüfigg): oft Umziehen (mit oder ohne Gründe)
Antibock: Das vorhandensein von Hormonhemmern im Frühstück – Müsli (ist natürlich ein Gerücht, wird aber jedem weis gemacht)
Frü-flo: Frühstücksflocken (werden für die Bereitung des Müsli verwendet)
Grues SZ
November 27th, 2006 at 16:00
weitere Bezeichnungen für das G36: Tupperteil, Plastik-peng-peng
Panzerfaust: Dosenöffner
Bayonett: Sauspieß
oder meines wissens aus dem BW Feldhandbuch
Schubkarre (Robarr’n): ein Achs- zwei Griff- dreiseiten Kippgerät
[Anmerkung Admin: Dosenöffner und Plastik-peng-peng werden im Artikel erwähnt. Lesen hilft! 🙂 ]
November 27th, 2006 at 16:45
Die CH-Armee ist auch im Video-Bereich äusserst Kreativ:
http://plusquamperfekt77.blogspot.com/2006/11/happy-swiss-army.html
November 27th, 2006 at 17:18
Armee: Sämu Schmids Trachtengruppe
Leitspruch der Fliegerabwehr: Sie schauten gen Himmel und fürchteten sich sehr.
Gruss: Pesche
November 27th, 2006 at 21:16
Armee: Schmids Kummerbuben (Nach einem alten schweizer Film; die sechs Kummerbuben, erschienen 1968, mit Ruedi Walter, Margrit Rainer)
Leitspruch der Infanterie: Sie kleideten sich in Lumpen und irrten in der Gegend umher.
November 27th, 2006 at 21:25
@ Admin
Ach man soll den Artikel lesen bevor man seinen Senf dazu gibt.
Wusst ich’s doch das ich was vergessen habe.
November 27th, 2006 at 22:49
…und dann gabs bei den Luftsäcken (vergl. auch Seesäcke und Drecksäcke) den Job des LRB: Liegen – Ruhen – Bräunen (eigentlich: LuftRaumBeobachter)
November 28th, 2006 at 10:13
Ergänzung zu Pesches Anlehnung an ein Bibelzitat:
Googelnd habe ich festgestellt, dass in Deutschland wie auch in der Schweiz das hartnäckige Gerücht zirkuliert, dass die Armee/Bundeswehr schon im Alten Testament erwähnt sei: „ …und sie hüllten sich in seltsame Gewänder und irrten ziellos umher…“.
Vielleicht gibt es ja doch jemanden, diesen abgedroschenen Spruch noch nicht kannte.
November 28th, 2006 at 15:56
Armee= Trachtenverein
Chinesebeton kommt daher, dass Risotto in den Speiseträgern (=Warmhaltebehälter um das Essen zu verschieben, sprich zu transportieren) zusammensackt und fest wird.
Kasernegärtner = Edelweissträger = Rang des Brigadier, Divisionär oder Korpskommandanten
November 28th, 2006 at 18:15
noch ein weiterer „rangtitel“:
Adidas = Oberst, Obergefreiter oder (am häufigsten) Hauptmann
Dezember 1st, 2006 at 10:52
Die Gradabzeichen für Offiziere werden auch in Esswaren angegeben (wichtiger Unterschied zu DE: der Oberbegriff „Pasta“ heisst in CH „Teigwaren“ (und nicht „Nudelgerichte“). „Nudeln“ sind lediglich breite Bänder aus Eierteig; viel breiter als Spaghetti).
z.B.
„einer mit zwei Spaghetti“ = einer mit zwei dünnen Streifen, also ein Oberleutnant.
„Der XY, der hat seit letzten Frühling drei Nudeln“ = drei breite Streifen, also wurde er Oberst.
Dezember 1st, 2006 at 22:32
Schoggibuebe = Soldaten der Militärspiele (Orchester) ;o)