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Beim Ausstich der Kandidierenden

  • Ausstich in Aesch
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 16.02.06 über die Gemeinderatswahl in Aesch:

    „Gemeindepräsident Jakob Hofstetter begrüsst die rund vierzig anwesenden Aescherinnen und Aescher und die zum Ausstich erschienenen Kandidierenden Ruth Hofstetter (parteilos) und Roland Helfenberger (SVP), die bei den Gemeinderatswahlen dieselbe Stimmenzahl erreichten.“

    Das aus Aesch nur Aescherinnen und Aescher kommen, klingt logisch und nachvollziehbar, aber was ein „Ausstich“ ist, da müssen wir erst scharf drüber nachdenken.

  • Was ist ein „Ausstich“?
  • In München auf dem Oktoberfest gibt es den „Anstich“, wenn der Bürgermeister das Oktoberfest mit einem lauten „Oozapft iis“ eröffnet. Im Sommer essen wir gern frischen „Bienenstich“, ohne uns dabei von Bienen stechen zu lassen, die sich beim Konditor gern in die süsse Auslage verirren. Beim Skatspielen versucht jeder Spieler einen „Stich zu machen“, und so hiess auch ein Tennisspieler aus Deutschland, Michael Stich, der es 1991 im Wimbledonfinale nicht gegen Boris Becker schaffte, zu einer Zeit, als Roger Federer sich noch nicht einmal richtig für diese Sportart entschieden hatte und lieber Fussball spielte (siehe hier).

    Beim Sport hingegen kann es auch zu einem „Stechen“ kommen, wenn in einem Wettkampf nur noch zwei übrig sind. Ob das Stechen in der Schweiz ein „Ausstich“ ist? Oder ob wir dabei an eifrige Kinder denken müssen, die mit „Ausstecherle“ der Mutti beim Plätzchenbacken helfen wollen?

    Der Duden klärt uns auf:

    Aus|stich, der; -s, -e [zu ausstechen (3)]:
    a) (schweiz.) sportlicher Entscheidungskampf:
    hat der Sieger dieses „Ausstichs“ gleich fünf Begegnungen … auszutragen (NZZ 29. 4. 83, 37); zu einem Ausstich antreten;
    Übertragung: Für die zweite Linie kam es auf dem Parteitag zu einem Ausstich, den der … Gewerbetreibende Ulrich Beutel (57) für sich gewann (NZZ 19. 1. 83, 28);
    b) (bes. schweiz.) das Beste, Schönste seiner Art:
    dieser Wein ist der Ausstich

    Ehrlich gesagt: Die zweite Bedeutung klingt irgendwie verlockender. Bring mir doch noch ne Flasche Ausstich von der Migros mit! Aber das hatten wir ja schon..

  • Kandiert oder kandidierend?
  • In Aesch waren es auch zwei, die da gegeneinander antraten. Wohl mit Puderzucker oder besser Kandiszucker verfeinerte kandierte Früchte, die zwei „Kandidierenden“. Warum die da nicht einfach „Kandidaten“ zu sagen, ist uns schleierhaft.
    Kandieren ist laut Duden:

    kan|die|ren (sw. V.; hat) [frz. candir = einzuckern < ital. candire, zu: candi, Kandis]: mit einer Zuckerlösung überziehen u. dadurch haltbar machen: Zitronenscheiben kandieren; kandierte Früchte.

    und

    kan|di|die|ren (sw. V.; hat):
    sich um etw. bewerben, sich zur Wahl stellen:

    Was hat das alles mit einem Kandidaten zu tun?
    Ganz einfach: candidus heisst „weiss“, wie der weisse Zucker. Und so sah einst auch ein Kandidat aus:

    Kan|di|dat, der; -en, -en [lat. candidatus = weiß Gekleideter (Amtsbewerber, der sich dem Volk in der toga candida, der glänzend weißen Toga, vorstellte), zu: candidus = glänzend, weiß]:

    Dann wurde er mit Fragen bombardiert, manchmal auch mit anderen Sachen, bis die weisse Weste nicht mehr weiss war. Bis ein „Tolgen im Reinheft“ gefunden wurde.

    Was das nun wieder Schönes ist, das klären wir morgen!

    

    5 Responses to “Beim Ausstich der Kandidierenden”

    1. Phipu Says:

      Lieber Jens,
      Wenn es so weiter geht, wie heute, kann ich dir gratulieren. Du beherrschst bald das gesamte schweizerdeutsche Sondervokabular. Die oben erwähnten Wörter scheinen mir nämlich überhaupt nicht besonders schweizerisch zu sein. Google bestätigt meine Annahme; mit der Einschränkung, dass das Substantiv „Ausstich“ in DE lediglich Weinkennern und Handwerkern aller Art vorbehalten ist.
      http://www.google.de/search?hl=de&q=ausstich&btnG=Google-Suche&meta=cr%3DcountryDE (Google.de, Seiten aus DE)

      Beim Sport, in der Wirtschaft und in der Politik kommt es nicht nur zu einem „stechen“ sondern auch zum „ausstechen“, wovon das Nomen ja nicht „Ausstich“ nicht weit entfernt ist. http://www.google.de/search?hl=de&cr=countryDE&q=ausstechen&spell=1 (Google.de, Seiten aus DE). Es sei denn, dies habe etwas mit dem Weisswurstäquator zu tun.

      „Kandidierende“ ist nach meiner Ansicht einfach die moderne, politisch korrekte Art, Damen und Herren einzuschliessen. (z.B. „Lernende“ für „Lehrtöchter und Lehrlinge“ etc.) „KandidatInnen“, „Kandidat(innen)“, „Kandidat-innen“ oder „Kandidatinnen und Kandidaten“ ist einfach zu umständlich. Google findet dieses Wort auch in DE. http://www.google.de/search?hl=de&q=kandidierender&btnG=Google-Suche&meta=cr%3DcountryDE Ich werde also im ganzen deutschen Sprachraum „Kandidierende“ gebrauchen, im Gegensatz zu „tönt“ oder „im Fall“.

      Allerdings freue ich mich auf den angekündigten morgigen Eintrag. Der klingt wieder richtig typisch.
      Gruss Phipu

    2. Sascha Says:

      Entschuldigung bitte, aber „Oazapft isch“ ist einfach falsch. Wenn man schon einen Dialekt zitiert – dann bitte richtig. Es heisst „Oozapft iis“.
      Viele Grüße

    3. Administrator Says:

      @Sascha
      Danke für den Hinweis. Jetzt melden sich auch die Bayern zu Wort, wenn es um korrekte Verschriftung ihres Dialekts geht.
      Ich hatte mir das von einem halben Bayern / halben Schwaben verschriften lassen, heraus kam die halb Schwäbisch/Bayrische Variante. Immerhin haben die Schweizer es nicht bemerkt 😉
      Gruss, Jens

    4. Gizmo Says:

      wie auch, die sind zu sehr mit sich selber beschäftigt… hehe… 😉

    5. Fabian Says:

      Der Grund, „Die Kandidierenden“ anstatt „Die Kandidaten“ zu verwenden ist keine schweizer Eigenheit, sondern Folge der Verstümmelung der deutschen Sprache durch feministische Gruppierungen. Um zu verhindern, immer „Die Kandidaten und Kandidatinnen“ schreiben zu müssen, wird eben ein politisch korrektes „Die Kandidierenden“ verwendet.
      In der Berufsbildung ist es das selbe. So „darf“ nicht mehr „die Lerhlinge“ verwendet werden, da dies ja die „Lehrtöchter“ ausschliesst. Jetzt heisst es, auch ganz politisch Korrekt, „Die Lernenden“.
      Die Zuhörer sind die Zuhörenden, aber ich glaube, die Zuschauer gibt es noch.