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Wenn Hochdeutsch dann doch zu anstrengend ist

  • Hochdeutsch ist zu anstrengend
  • Wir sahen auf SF zwei am Samstag, 14.01.06 die spannende Sendung
    SonntagsBlick Standpunkte
    Thema der Sendung:

    Die Fax-Affäre – das Leck
    Was ist nun wichtiger: Ob es im Schweizer Geheimdienst ein Leck gibt, oder ob unser Bundesrat die Sache mit den CIA-Gefängnissen nicht so ganz ernst genommen hat? Die „Fax- Affäre“ bewegt die Schweiz.

  • Vier Schweizer und ein Deutscher
  • Bernhard Weissberg, Leiter der Blick-Gruppe diskutiert das heisse Eisen mit fünf Experten: Paul Günter (Nationalrat SP), Peter Regli (Ex-Geheimdienstchef), Erich Schmidt-Eenboom (Deutscher Geheimdienstexperte), Daniele Ganser (Forschungsstelle Sicherheitspolitik ETH Zürich) und Christoph Grenacher (Chefredaktor SonntagsBlick).

  • Alle können prima Hochdeutsch
  • Wir sind zunächst positiv überrascht: Alle Gesprächsteilnehmer sprechen Hochdeutsch über dieses diffizile Thema, und das im Schweizer Fernsehen! Warum? Nun, da sitzt ein Deutscher mit im Studio, der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom (Jahrgang 1953), Autor von „Geheimdienst, Politik und Medien“ aus dem Kai Homilius Verlag. Der Mann wurde in Ostfriesland geboren und lebt heute in Weilheim, also ist nicht davon auszugehen, dass er perfekt Schweizerdeutsch versteht. (Quelle:). (Wir wir später erfuhren: Er verstand es doch und es wurde am Anfang der Sendung extra darauf hingewiesen).

  • Emotionen nur auf Schweizerdeutsch
  • Doch dann wird es kritisch. Ungefähr nach der Hälfte der Sendung kippt die Stimmung, es werden nun persönliche Vorhaltungen und Anschuldigungen gemacht. Plötzlich wird auf Schweizerdeutsch umgeschaltet, es geht nicht anders. Wenn sie emotional werden, die Schweizer, dann müssen sie auf Schweizerdeutsch reden. Wir sind gespannt, wie sich die Lage weiterentwickelt? Werden die Spezialisten, die eben noch gekonnt Hochdeutsch argumentierten, auf den Deutschen Experten Rücksicht nehmen? Doch es bleibt beim Schweizerdeutsch. Selbst Daniele Ganser, der bisher in seinem gekonnten hochdeutschen Statements jede Menge Englische Redewendungen einfliessen liess, als ob er sich im Amerikanischen Fernsehen wähnt, schwätzt nun locker auf Schweizerdeutsch weiter.

  • Es geht schneller auf Schweizerdeutsch
  • Der Redefluss ist bei allen schneller, im Dialekt argumentiert es sich rascher. Hochdeutsch ist auf Dauer doch wohl zu anstrengend. Wir denken einmal mehr an die armen Zuschauer aus der Französischen Schweiz und aus dem Tessin. Hochdeutsch hätten sie verstanden, aber als nicht Deutsch-Schweizer braucht es schon ein gutes Gehör und Training, um noch inhaltlich alles verstehen zu können.

    Wie sollen die Lehrer in der Primarschule und Kantonsschule von den Kindern verlangen können, im Deutschunterricht Hochdeutsch zu reden, wenn sich selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Politiker und Experten nicht daran halten.

    Wer es live noch mal sehen möchte, wie von Hochdeutsch auf Schweizerdeutsch umgeschaltet wurde: Die Sendung wird heute, am 15.01.06 um auf SF zwei von 18:00 – 19:00 Uhr wiederholt. Faszinierend.

    

    16 Responses to “Wenn Hochdeutsch dann doch zu anstrengend ist”

    1. HalbCH/HalbD Says:

      Sobald Emotionen ins Spiel kommen, spricht man seine Muttersprache. Das geschieht automatisch. Man fängt dann an, einfach das zu sagen, was man denkt und denken tun die meisten in ihrer Muttersprache.

      Es wird gesagt, wir Schweizer seien langsam, aber unser Mundwerd ist es nicht, vor allem wenn wir Dialekt sprechen.

      Noch was (Weil meine Bezirksschuldeutschlehrerin uns das so eingeschärft hatte): Es heisst Kantonsschule, die Schule des Kantones-oder so;-)

    2. kblog Says:

      Stimmt absolut, Deine Beobachtung. Ich glaube, wenn es emotional würde, würde ich vermutlich ebenfalls auf Schweizerdeutsch „umschalten“.

      Aber das ist nicht der Grund, warum ich hier eine Antwort hinterlasse. Der Grund ist, dass das letzte Wort einfach wie eine Faust auf das Auge passt und ich plötzlich das Bild von Mr. Spock vor mir hatte (nein, ich bin kein Star-Trek-Fan…). 🙂

    3. HalbCH/HalbD Says:

      Ein „Stimmt absolut“ zurück, das Wort ist wirklich perfekt.

    4. Mikki Studer Says:

      @Jens: Ui, da ist dir aber ein heftiger Patzer unterlaufen;-). Ich habe die Sendung auch gesehen und zu Beginn explizit wurde darauf hingewiesen, dass Herr Schmidt-Eenboom schweizerdeutsch verstehe und deshalb WÜNSCHE, dass schweizerdeutsch gesprochen werde. Es war deshalb vielmehr das umgekehrte Phänomen zu beobachten: Sobald jemand in der Runde hochdeutsch spricht, stellen viele Schweizer automatisch auch auf hochdeutsch um. Ich halte das für das typisch schweizerische Phänomen, sich anpassen zu wollen.

    5. Administrator Says:

      @Mikki
      Danke für die formidable Ergänzung! So kann es gehen, wenn man nicht alles von Anfang an sieht.

      Ich hatte erst nach ein paar Minuten zugeschaltet und da sprachen alle perfekt Hochdeutsch, bis zu diesem Streit zwischen dem SP Mann und dem Geheimdienstverantwortlichen, da wurde es emotional. Die sprachen zunächst Hochdeutsch, weil es offizieller ist, weil es der Sache angemessen scheint, und aus Höflichkeit gegenüber dem Gast, würde ich meinen.

      Mich erstaunt dennoch, wenn so ein wichtiges Thema zwischen hochkarätigen Leuten nicht auf Hochdeutsch behandelt wird, wo doch die armen Welschen und Tessiner auch gern was verstehen würden, ganz abgesehen von den 200.000 Deutschen im Land und sonstigen Ausländern, die Schweizerdeutsch eventuell nicht verstehen.

      Die Vita von Herrn Schmidt-Eenboom liess nicht den Schluss zu, dass er perfekt Schweizerdeutsch versteht, also sorry für den Fehler.

      Gruss, Jens

    6. Urs Müller Says:

      Jens, ich denke nicht, dass viele Welsche SF2 gucken.
      Meine welschen Kollegen kennen häufig nicht mal die Namen der regelmässigen Sendungen auf SF1.
      Die schauen sich eher Sendungen aus dem „eigenen Kulturkreis“, dh Fernsehen der Romandie oder aus Frankreich an.
      Für die Tessiner möchte ich nicht sprechen, deren Fernsehgewohnheiten sind mir zu unbekannt.

    7. räulfi Says:

      Also der allergrösste Verlust für die armenarmen Romands ist meiner Meinung nach, dass sie Sendungen wie ‚al dente‘ wohl kaum verstehen dürften… und die werden im Gegensatz zu Sendungen wie ‚Sprechstunde Gesundheit‘ auch nicht mal nachträglich mit Untertiteln ausgestrahlt!!:-)
      Nein, im Ernst: die Romands die ich kenne können nur ansatzweise (Hoch-) Deutsch, so dass eine Unterhaltung meistens auf Englisch stattfindet, weil das für beide Seiten einfacher ist. Urs Müller hat sicherlich recht. Sowenig wie Deutschschweizer TSR/TSI schauen, dürften auch die Romands/Tessiner SF schauen. Viel verpassen tun sie da ja eh nicht, zumindest TSI ist nämlich (was Filme und Serien anbelangt) Meilen besser. Für Info-Sendungen wie Tagesschau halte ich mich sowieso an deutsche Sender, da SF zu schlecht ist, was Aktualität und Sauberkeit der Recherche anbelangt. Und auf das Niveau von z.B. Eingangs erwähnter Sendung werde ich jetzt besser gar nicht eingehen…:-)

    8. Branitar Says:

      Mikki Studer schrieb:
      „Sobald jemand in der Runde hochdeutsch spricht, stellen viele Schweizer automatisch auch auf hochdeutsch um. Ich halte das für das typisch schweizerische Phänomen, sich anpassen zu wollen.“

      Nicht immer. Wenn ich bei meinen Freunden in der Schweiz weile, sprechen die untereinenander meistens Schweizerdeutsch, mit mir dann aber immer Hochdeutsch. Es kommt also mehr darauf an, wen sie adressieren (und ich nehme es ihnen nicht übel, da ich durchaus gewillt bin, zu lernen). Als Norddeutscher bin ich immer etwas gehandicapt, da schon die südlichen deutschen Dialekte meinem „natürlichen“ Dialekt nicht mehr nahe kommen. In der Schweiz verstehe ich dann in der Regel nur noch etwa ein Drittel dessen, was gesagt wird, und das auch nur, wenn ich mich sehr konzentriere und mir den Rest denke. Auch an Tankstellen und Supermarktkassen muss ich oft explizit darauf hinweisen, dass mein Verständnis des Schweizerdeutschen nicht ausreicht, auch, wenn ich bereits mit meinem Gegenüber Hochdeutsch geredet habe (und man mir wohl recht stark anhört, das ich aus dem Norden komme).

    9. Yhoko Says:

      Hinweis zur Rechtschreibung, ich finde da mehrmals „Schweitzer“ im Text…

    10. Administrator Says:

      @Yhoko
      danke… schon korrigiert. Das kam daher, weil ich in einer ersten Fassung selbst „Schwiitzerdütsch“ geschrieben hatte, statt „Schweizerdeutsch“.

      Eigentlich ist das Wort „Schweizerdeutsch“ ein Krampf, aber immer „Mundart“ oder „Dialekt“ will ich auch nicht schreiben, das klingt noch blöder. Also deutsche ich „Schwiitzerdütsch“ oder „Schwiizerdüütsch“ oder was auch immer ein zu „Schweizerdeutsch“.
      Gruss, Jens

    11. Harry.R Says:

      Mir fällt auf, dass viele Schweizer, vor allem aus der jüngeren Generation, immer seltener auf Hochdeutsch umstellen, auch wenn sie genau hören, dass ich des Schweizerdeutschen nicht mächtig bin. Ich bin geschäftlich seit Jahren viel in der Schweiz unterwegs, dabei fällt mir doch auf, wie viel Schweizerdeutsch im Fernsehen auch bei Diskussionsendungen gesprochen wird. Leider versteht man als Nicht-Schweizer dann eine Menge nicht.

    12. Dan Says:

      Harry,

      das hast Du schnell raus. Ich habe die nächtliche Wiederholung der Nachrichtensendung 10vor10 (mit deutschen Untertiteln) zum Verstehen Lernen benutzt. Der Rest ist Praxis.

    13. Marc Says:

      wie stehts eigentlich mit deinen schweizerdeutsch kenntnissen? ich kenne ein paar dutzend deutsche die in der schweiz leben und arbeiten und bloss einer hat sich die mühe gemacht. schon schade 🙁

    14. Administrator Says:

      @Marc
      Wenn meinst Du mit „deinen“? Den Dan? Den Harry? Oder meine Wenigkeit?

      Und was meinst Du mit „schweizerdeutsch kenntnissen“?
      a) Hören können
      b) Verstehen können
      c) Hören und verstehen können?
      d) Hören, verstehen und auch begreifen können?
      e) Sprechen können
      f) Sprechen können und dafür nicht wegen Sprachverhunzung des Landes verwiesen werden
      g) all of the above
      e) none of the above

      Für meinen bescheidenen Teil muss ich sagen:
      Auch nach 5 Jahren in der Schweiz, nach 160 Artikel Blogwiese zum Thema Schweizerdeutsch, Übersetzung, Erklärung, Deutung, Interpretation und Anwendung….
      hab mir leider auch keine Mühe gemacht und verstehe immer noch kein Wort… So sind die Deutschen, einfach nicht lernfähig…

      Gruss, Jens

    15. An Ad Says:

      Hall o Jens
      Ich als Pessimist gegenüber Deutschen, sage dir jetzt nicht du sollt weniger vorm PC rumhocken aber das was du hier eben geschrieben hast ist schon ganz schön bitter…………..bitter!!!

    16. Margrit Says:

      To the Administrator

      Wärest Du schon so lange in Italien*, könntest Du dann nicht auch schon perfekt Italienisch?

      Margrit

      „Italien und Italienisch“ kann durch irgend ein Land / eine Sprache ersetzt werden.