Ob Spanner auch zusammen spannen? — Neue Schweizer Lieblingswörter
(reload vom 15.05.07)
Ein „Spanner“ ist eine Vorrichtung zum Spannen, erklärt uns unser Duden:
Spạnner, der; -s, -:
1. a) Vorrichtung zum Spannen von etw.: den Tennisschläger in den Spanner stecken;
b) kurz für Hosenspanner;
c) kurz für Schuhspanner.
Das Verb „spannen“ kann in der Schweizer weitere spannende Bedeutungen bekommen, denn hier wird ständig gespannt, und zwar zusammen und in Gemeinschaft:
So hörten wir in der Sendung 10 vor 10:
„Die UBS spannt zusammen mit dem WEF“
Und lasen im Tages-Anzeiger:
Vergangenes Jahr lehnte es beispielsweise das reiche Brugg in einer Volksabstimmung ab, mit dem verschuldeten Windisch zusammenzuspannen.
(Quelle: Tages-Anzeiger 10.03.07 S. 5)
Die hochindustrialisierte Eidgenossenschaft, in der gern mal das „Heu auf der gleichen Bühne gelagert“ wird, oder so mancher „sauber überm Nierenstück“ ist, pflegt auch im 21. Jahrhundert das Zusammenspannen:
Es spannt die Binnenwirtschaft zusammen
(Quelle: www.sbv-usp.ch)
Die SBB mit dem SRK (Schweizer Roten Kreuz) (Quelle: redcross.ch), und sogar der japanische Mischkonzern Sanyo mit Telion.
Unser Duden erklärt:
zusạmmenspannen :
1. als ein Gespann einspannen: vier Pferde z.; Ü einen alten und einen jungen Mann z.
2. (schweiz.) sich mit jmdm. zusammentun, zusammenschließen: sie spannte mit ihrer Nachbarin zusammen.
(Quelle duden.de)
Eindeutig ein helvetisches Erbe in der gemeinsamen Deutschen Sprache! Die belegen zusätzlich die 33.500 Fundstellen bei Google-CH für „spannt zusammen“. Deutlich erkennen wir die Sprache der ehemaligen Pferdebesitzer. Vom anfänglich erwähnten Spanner, der sein privates Hobby des Spannens gern allein und nicht zusammen ausübt, ist leider nirgends mehr die Rede. Doch unser Duden kennt auch ihn:
3. (salopp) a) Voyeur: er ist ein alter Spanner;
b) jmd., der bei unerlaubten, ungesetzlichen Handlungen die Aufgabe hat, aufzupassen u. zu warnen, wenn Gefahr besteht, entdeckt zu werden.
(Quelle: duden.de)
Die zweite Bedeutung unter b) kannten wir nicht. Das war bisher jemand, der „Schmiere steht“. Aber man lernt ja nie aus. Den Schmetterling namens „Spanner“ haben wir auch unerwähnt gelassen. Wo gibt es denn noch Schmetterlinge, ausser im Papilorama bei Kerzers?
Echter Spanner
(Quelle Foto: rotholl.at)
Mai 11th, 2011 at 17:25
Spanner ist hierzulande bekannt, jedoch eher nicht gebräuchlich. Bevorzugt wird Voyeur. Im Dialekt: Glüschteler.
Im Dialekt bedeutet „spanne“ soviel wie merken, vermuten, wobei zumeist Scharfsinn im Spiel ist.
3b) Habe ich auch nicht gekannt. Ob es wohl einen Zusammenhang mit dem Verb „spanyfle“ in der Bedeutung spähen, scharf hinschauen, aufpassen (Berndeutsches Wörterbuch) gibt?
Mit Schmier ist hierzulande die Polizei gemeint. Der Dialektausdruck kommt aus der Gaunersprache, ursprünglich jedoch aus dem Jiddischen. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für das fast gleichlautende Wort in der in der Redendung „Schmiere stehen“.
Apropos Schmetterlinge: Es gibt sie z.B. noch auf der Lötschberg-Südrampe
Mai 15th, 2011 at 11:24
@Brenno
Zu Pos. 3 b. ein Lösungsansatz.
Bitte den Artikel durchlesen und das letzte Bild am Textende genauer anschauen. (Artikel: http://www.plattpartu.de/gott/erinn/schott.htm )
Dort kann man einen Mann erkennen, der mit einem schärpenartig umgelegten Band (linke Schulter – rechte Hüfte) eine sog. „Spann- bzw. Zugvorrichtung“ nutzend nebst einem heftenden Hund den Karren zieht.
Denn mit solchen Karren, im Bild ein sog. „Schotten-Karren“, wurden Lasten, Baumaterial, Werkmaterial und Werkzeuge transportiert. Als Zugtiere wurden u. a. Esel, Hunde (schweiz. Milch-Karren) verwendet. Aber auch Menschen haben diese Karren gezogen.
Wenn nun Diebe zum Raubzug gingen, war für größere Beute solch ein Wagen vorgesehen. Der Dieb / die Diebe gingen zum Bruch und der eingespannte Mensch an der Spannvorrichtung am Wagen blieb als Beobachter, Seher, Späher, Warner und Signalgeber weiterhin eingespannt am Karren. Er musste auch schnell mit dem Karren den Tatort verlassen können. Er konnte und musste die anderen Diebeskollegen warnen können, durch Zurufe, Pfiffe oder auch durch Lärmen beim Verlassen des Standortes.
Er war der sog. „Spanner“ und musste das Umfeld beobachten, er „spannte“ also. Der Hauptbegriff Spanner meint also Beobachtung und richtig Interpretation des Umfeldes zum Schutz vor dem Besitzer oder der Polizei.
Wenn der besagte „Voyeur“ und der olle „Spanner“ sprachlich und sinninhaltlich untersucht werden, sind beide Figuren auch nur „Seher“! Den „Glüschteler“ kann man über das alem. „gluscht“ für nhd. „gelüstig / lüstern“ indirekt über den gelüstig, lüstig oder lüstern zuschauenden Spanner auch noch einarbeiten.
Mai 16th, 2011 at 14:49
@AnFra
Gut möglich. Ein Beispiel also aus dem niederdeutschen Sprachbereich.
Das Schweizerische Idiotikon bietet eine Fülle von Belegen für die verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes. Interessant ist z. B. diese Variante:
Span(n)er, Spän(n)er: Auf- und Ablader der Frachtwagen, eines Fuhrwerks überhaupt, speziell [aber] als Angestellter in einem städtischen Kaufhaus, an einer Zollstätte oder dergleichen.
„Item söllent die Karrenzieher, Spanner und Schiffmeister in Ladung der Wahren uff die Wägen oder Schiff dem Waagmeiser die Zeichen, Zahl und Gewicht der Stucken fleißig anzeigen … Dann söllent die Spanner und Karrenzieher keine Röhrli oder Fäßli noch andere Kauffmannsgüeter oder Läst die Stägen ab ohne Handanlegen nit laufen lassen.“ (Zürcher Zollordnung 1640/1725)
Bemerkenswert an diesem Beispiel ist die Unterscheidung zwischen dem Spanner und dem Karrenzieher. Die beiden konnten aber, wie das Beispiel zeigt, bei Gelegenheit das Gleiche tun.
Mai 18th, 2011 at 9:38
@Brenno
Die Beschreibung mit dem „Schottischen Wagen“ habe ich nicht als ein exemplarisches Beispiel des Niederdeutschen gewählt, sondern weil dort ein schönes Bild „Spanner und mitziehender Hund“ gut sichtbar ist.
Einen all zu großen sinninhaltlichen Unterschied zwischen der ober- und niederdeutschen Sprache bezüglich spannen würde ich da nicht sehen wollen. Zum sog. „urgermanischen / vordeutschen“ Unterschied würde man sagen können, die oberdeutsche Sprache hat sich vom Ursprung weiter als die niederdeutsche Sprache entwickelt.
Bei den Gevattern Grimm gibt es eine spannende Stelle zu „spannen“: …. ausgehend von der alten bedeutung des knüpfens, heftens, zusammenbindens u. s. w.,…, …. innerhalb des indogerm. besteht wol verwandtschaft mit gr. (für) ziehen; lat. spes;…..
Der Hauptbezug scheint zunächst auf binden, knüpfen, schirren uam. zu sein. Der schöne Vergleich mit der zür. Zollordnung nimmt wohl Bezug auf Karrenzieher (welche die Karren mit der zu be- und entladenden Frachten ziehen) und den Spannern (welche die Frachten auf und vom Schiff bringen UND dort ver- und Entzurren). Der Begriff Spanner dürfte sicher die ältere Tätigkeitsbezeichnung sein.
Aber auch hier hat sich wohl der Begriff „Spanner“ auf sinninhaltliche Wanderschaft gemacht und ist über den späteren „Karrenzieher“ und sehenden, warnenden Beteiligten als „Spanner“ bei Diebesbanden bis sogar zum affengeilen Zuseher „Spanner“ im Gestrüpp / Nachbarschaft vorgedrungen. Eine logische Ableitung ist sichtbar.
Was sagen die listig-lustigen Sauschwobe: „Wir kennen alles, außer Hochdeutsch“
Da kringeln sich einem die Sauborsten.