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Durch den Schweizer Grand Canyon in die Surselva

(reload vom 18.4.07)

  • Mit dem Rad von Disentis/Muster nach Illanz
  • Wir wollten von Chur aus mit den Rädern ins Bündner Oberland, in die „Surselva“, was auf Deutsch „ob dem Wald“ heisst. Mit extrem fantasievoller und origineller Namenswahl haben es die Schweizer nicht so, wir erinnern uns, dass auch ein Kanton „Obwalden“ heisst.

  • Warum heissen Berge oft ähnlich?
  • Auch die Namen von Berggipfel sind häufig nicht einzigartig sondern finden sich mehrfach auf den Wanderkarten, suchen Sie mal „Hohenfluh“! Bergnamen sind oft nicht besonders alt. Erst sehr spät in der Menschheitsgeschichte fühlten sich die Menschen dazu berufen, den Bergen um sich herum Namen zu geben, und meistens geschah dies nach dem Aussehen des Gipfels. Im Mittelalter hatte man Besseres zu tun, als sich die Namen von grossen Steinhaufen und Erhebungen zu merken. Das Leben war anstrengend genug und Lesen oder Schreiben konnten die wenigsten. Eine hübsche Erklärung von Bergnamen findet sich hier.

  • In der Surselva
  • Das Gebiet dieser „Surselva“ umfasst das Einzugsgebiet des vorderen Rheins von der Quelle am Tomasee bis zum vorgeschichtlichen Bergsturz bei Flims, sowie die Seitentäler Val Medel, Val Sumvitg, Lugnez und das Valsertal, bekannt durch das clever vermarktete Naturgut „Valser-Wasser“.

    Steine und Wasser, wie üblich die Schätze der Schweiz (vgl. Blogwiese). Doch neben der Naturschönheit ist die Surselva auch reich an intakten Dorfbildern, Kunst und Kulturschätzen. Wer in die Surselva will, muss in Chur umsteigen, und das ziemlich zackig, denn lange wartet der Anschlusszug der Rhätischen Bahn nicht. Mit mehreren Rädern aus dem einen Zug raus, in den Fahrstuhl hinein, auf das andere Gleis, sorry, den „Perron“ hinab zu kommen in nur 5 Minuten ist unmöglich. Aber keine Angst, wie überall in der Schweiz gibt es einen stündlichen Anschluss, kann man also noch ein bisschen durch Chur bummeln bis dahin.

  • Im Grand Canyon der Schweiz
  • Der Zug fährt bergan durch die „Ruinaulta“, dem „Grand Canyon“ der Schweiz. Diese wilde Schlucht des Vorderrheins ist nur per River-Rafting oder mit der Bahn zu durchqueren.
    In der Ruinaulta
    (Quelle für das Foto, und weitere Fotos hier)

    Wir lesen in unserem Veloland-Reiseführer:

    In die enormen Trümmermassen des Flimser Bergsturzes – dieser grösste Bergsturz Europas ereignete sich vor rund 14 000 Jahren – hat sich der Rhein im Laufe der Zeit tief eingegraben. Imposante Steilwände von bis zu 400 Meter Höhe umrahmen sein gewundenes Bett. Die bizarren Formen des fein geriebenen und hart gepressten Trümmergesteins mit seinen Säulen und Pfeilern schaffen je nach Lichteinfall eine fast mystische Atmosphäre.
    (Quelle: Band 2 Veloland Schweiz Rhein-Route, S. 23)

  • Monsieur le déserteur
  • Im Ort Disentis (rätoromanisch „Mustér“) steigen wir aus. Der Name kommt von „Desertina“, weil sich hier um 700 der fränkische Eremit Sigisbert zurückzog und auf seinem Gabmal 750 vom Churer Bischof ein Kloster gegründet wurde. Er ging also quasi freiwillig in die Einsamkeit und desertierte somit von der Welt. Das rätoromanische „Mustér“ geht wie „Münster“ auf Lateinisch „Monasterium“ = Kloster zurück.

  • Der Ahornbaum im Museum
  • Es geht mit den Rädern rasant bergab, wir sind auf der Velolandroute 2 unterwegs, „La Ruta dal Rain“, die den Rhein von der Quelle bis nach Basel quer durch die Schweiz folgt. Wir kommen am Ort Trun vorbei, wo 1424 unter einem Ahornbaum der „Graue Bund“ gegründet wurde, daher der Name „Graubünden“.

    Unter ihm wurde am 16. Mai 1424 der obere oder graue Bund geschworen. 1750 hatte der Baum einen Gesamtumfang von 16 m. 1824 standen von den ehemals drei Stämmen noch zwei. Als 1870 der beinahe 500-jährige Ahorn durch einen Sturm umgeworfen wurde, wurde an derselben Stelle aus einem Samen des alten ein junger Berg-Ahorn gepflanzt. Der Nachfolger ist heute bereits über 100 Jahre alt. 1890 wurde der Wurzelstock des alten Baumes anlässlich eines Sängerfestes in feierlichem Zuge in den Sitzungssaal des großen Bundes überführt. Noch heute kann er im Museum Sursilvan im Orte Trun besichtigt werden.
    (Quelle: Wikipedia)

    Geschichtlich wichtige Bäume gehören ins Museum in der Schweiz, so ist es richtig! Gibt es nicht irgendwo noch einen Apfelbaum der aus den Kernen des Apfels von Tells Sohn gepflanzt wurde?

  • Vegnis vus a regenerar il tgierp ed il spért
  • Der Ort Trun ist im Internet zweisprachig präsent, auf Deutsch und auf Rätoromanisch:

    Beinvegni ella Surselva.
    En nossa val vegnis
    Vus a regenerar il
    tgierp ed il spért.
    La natira muossa ei a Vus.

    Willkommen in der Surselva.
    Im beschaulichen Tal
    werden Sie auftanken
    Körper und Geist
    regenerieren.
    Die Natur machts vor

    Die Übersetzung in die anderen vier rätoromanischen Sprachen haben wir jetzt aus Platzgründen weggelassen.

    Beschauliches Tal, Körper und Geist regenerieren, die Natur machts vor„… was die Menschen vor 14 000 Jahren wohl dachten, als in diesem beschaulichen Tal plötzlich der Berg zu stürzen begann? (Neuromat wird sicher noch irgendwo eine Original-Tonbandaufzeichung eines zeitgenössischen Gesprächs verschriftet auftreiben.)

    (zweiter Teil morgen: Warum kommen so viele Japaner nach Trun?)

    

    2 Responses to “Durch den Schweizer Grand Canyon in die Surselva”

    1. Brenno Says:

      Die Namen von Berggipfeln sind in der Tat nicht seit jeher in Stein gemeisselt, und hie und da gibt es dazu sogar etwas Neues zu vermelden: Diese Namen müssen nämlich in der Schweiz politisch korrekt sein (!). Möglicherweise haben wir den Österreichern in dieser Beziehung etwas voraus:

      http://www.news.ch/Kuenstlerin+will+Agassizhorn+umbenennen/316823/detail.htm

    2. Steven Says:

      Ist zwar schon älter der Artikel, aber ich poste es trotzdem mal: Wenn man von Zürich aus den IR um :12 nach Chur nimmt, hat man dort 10 Minuten mehr Zeit für auf den RE in die Surselva. Diese IR haben für Velos in der Regel auch Gepäckwagen, dann muss man die normalen Waggons nicht damit zustellen.. 😉