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Trinkgeld ist in Deutschland nicht üblich — Was die Schweizer alles über die Deutschen wissen

(reload vom 23.02.07)

  • Die Deutschen kommen in die Fachzeitschrift
  • Die Fachzeitschrift „Der Arbeitsmarkt“ wird in der Schweiz bei den „RAVs“, den „Regionalen ArbeitsVermittlungen“ in einer Auflage von 4‘500 Exemplare verteilt und ausgelegt. In ihrer Ausgabe 1/2_2007 ging es um das Schwerpunktthema „Die Deutschen in der Schweiz“. Es fanden sich einige äusserst interessante und gut recherchierte Artikel zum Thema, z. B. der von Daniel Suter mit dem Titel „So nah und doch so fern“, aber auch dies hier, unter der Überschrift „Was Deutsche in der Schweiz irritiert“ lasen wir, tatsächlich etwas irritiert:

    „Trinkgeld ist in Deutschland nicht üblich“

    Trinkgeld ist in Deutschland nicht üblich

    Nun, die Zeitschrift erzählt nicht die ganze Wahrheit über die Deutschen. Fakt ist, dass ein Volk, das kleine Kinder frisst und laut „Ich kriege noch ein Bier, aber Zack-Zack“ durch die Kneipe brüllt, natürlich auch keine Zeit und Lust zum Trinkgelder bezahlen hat. Das wollen wir der Vollständigkeit halber an dieser Stelle anmerken.

  • Bei einer roten Ampel erstarrt jeder Deutsche
  • Doch es geht noch weiter. Auf der gleichen Seite wird erwähnt, dass die Deutschen darüber erstaunt sind, wenn Schweizer auch bei Rot über eine Fussängerampel gehen.

    „Schweizer überqueren die Strasse auch bei Rot“

    Schweizer überqueren die Strasse auch bei Rot

    Geht das denn überhaupt, rein technisch? Fährt dann nicht sofort ein Blitz und Donner vom Himmel hernieder?

    Über eine rote Fussgängerampel geht nämlich in Deutschland grundsätzlich niemand. Das liegt einfach daran, dass hinter jeder Deutschen Ampel ein Deutscher Schutzmann steht und mit einem Deutschen Strafmandat über 50 Deutschmark Euro droht, sowie mit 3 Punkten in der Deutschen Verkehrssünderkartei zu Flensburg (wo das leckere Bier von Werner herkommt), weswegen alle Deutsche bei jeder roten Fussgängerampel wie angewachsen stehen bleiben und warten, dass sie wieder grün wird oder ihnen der Himmel auf den Kopf fällt oder sich ein Spalt in der Erde auftut, in dem sie versinken und direktemang zur Hölle fahren mögen, falls sie doch diese rote Ampel ignorieren.

  • Nur saubere Zeitungsstapel kriegen die Deutschen nicht hin
  • Wir sind eben ein extrem ängstliches Völkchen, wir Deutschen. So tolldreiste Taten, wie eine rote Ampel zu überqueren, würden wir uns doch nie getrauen. Das müssen wir erst den Schweizern abgucken. Die haben es von den schneidigen und wagemutigen Franzosen gelernt, vermuten wir.

    Nur nicht so ordentlich wie die Schweizer sind wir, was das saubere Verknoten von gebrauchten Zeitungspapierstapeln angeht. Als wir noch in Deutschland weilten, verwendeten wir für diesen Behufe Plastiktüten, in die man 20-30 cm dicke Stapel von alten Zeitungen packte, oder alte Waschmittelkartons, mit duftem Persil-Aroma, vor allem wenn sie im Regen langsam aufweichten. Darin liess sich dann auch die heimlich gekaufte Bildzeitung oder ein Pornoheftchen verstecken, ohne dass diese abgelegte Lektüre vom Nachbarn am Strassenrand interessiert zur Kenntnis genommen werden konnte.

    Auf den Trick mit den Bindfäden sind wir damals nicht gekommen, dazu mussten wir erst in die Schweiz reisen und die hiesige Schnürtechnik erlernen. Reisen bildet bekanntlich.

    So akkurat wie in der Schweiz haben wir das zuvor nicht hinbekommen. Bei uns sah es nicht so aus:
    Verknotete Zeitungen in der Schweiz
    (Quelle Foto: Der Arbeitsmarkt 1-2/2007 )

    sondern so:
    Altpapier unsauber verknotet
    (Quelle Foto: lenntech.com)

  • In Japan ist Trinkgeld nicht üblich
  • Wir wissen ja nicht, in welchen finsteren Kneipen und Kaschemmen in Deutschland sich der Schweizer Autor dieses Artikels herumtrieb, wenn er nie Deutsche beim Trinkgeldzahlen beobachten konnte. Vielleicht hat er das nördliche Nachbarland ja mit Japan verwechselt. Dort ist es tatsächlich nicht üblich, ein Trinkgeld zu zahlen, was zahlreiche Touristen aus Japan, wenn sie nach Europa kommen, in grosse Verlegenheit bringen, weil sie keine Ahnung haben, wie sie hier einen Rechnungsbetrag passend aufrunden sollen ohne dabei das Gesicht zu verlieren, bei dieser merkwürdigen Angewohnheit der Europäer, einfach Geld an fremde Menschen zu verschenken.

  • Japaner säubern sich vor dem Bad
  • Ganze Reiseführer für Japaner befassen sich mit dem Thema „Wie gebe ich richtig Trinkgeld in Europa“, nebst netten Erklärungen zur korrekten Benutzung eines Badezimmers. In europäischen Badzimmern sollte man als Japaner bitte in der Badewanne baden, und sich nicht, wie in Japan üblich, davor auf dem Kachelboden abduschen. Der Japaner reinigt sich vor dem Bad ausserhalb der Wanne mit fliessend Wasser, um dann blitzsauber ins sehr heisse Wasser zu steigen (welches derart geschont auch mehrfach verwendet werden kann). Andere Länder, andere Sitten. Doch ich muss jetzt schliessen. Das Essen ist fertig, es gibt Kinderbraten, echt lecker, aber zack-zack, was dachten denn Sie? Wir sind halt nicht so „echli finer“ (Michèle Roten im CLUB über die Schweizer) wie die Schweizer, wir Deutschen, eher dumpf und grobschlächtig, ganz klar. Und jetzt her mit dem Braten. Nein, Besteck brauch ich keins.

    

    15 Responses to “Trinkgeld ist in Deutschland nicht üblich — Was die Schweizer alles über die Deutschen wissen”

    1. mista lovalova Says:

      och muesst Du nicht persönlich nehmen!

      geh einmal ins inselspital in bern dann findest du schnell raus wie solche artikel entstehen 😉

    2. Dan Says:

      Auch wenn „Der Arbeitsmarkt“ beim Thema Trinkgeld total deneben liebt, mit der Ampel hat er schon recht: Letzten Monat war ich auf einer Wehrübung in Ulm (Schweiz: WK) und war also in Uniform als Vertreter der Staatsmacht zu erkennen. Vor dem Hauptbahnhof stand die Ampel (Schweiz: Lichtsignal) auf rot. Als das letzte Auto vorbeigefahren war zuckten einige Passanten mit dem Fuss, auch ich. Dann fiel mir ein dass ich als Uniformierter unmöglich bei Rot über die Strasse gehen kann und blieb stehen, alle anderen 20 Passanten sahen das und machten das gleiche: vor einer leeren Strasse stehen, hoffen dass es grün wird.

    3. Björn Says:

      Sehr lustig,
      Mir ist das mit dem Trinkgeld genau andersrum passiert. Ich habe in einer Bar in der Schweiz der jungen Frau ein Trinkgeld gegeben, was meine drei Schweizer Freunde total erstaunte. Sie meinten in der Schweiz gibt man kein Trinkgeld.

    4. TravellerMunich Says:

      Lässt man in der Schweiz vielleicht eher das Trinkgeld auf dem Tisch legen, statt es wie in Deutschland beim Bezahlen direkt der Bedienung zukommen zu lassen? Das wäre eine Erklärung für die vermeintlich knauserigen Deutschen.

      Was das Rotlaufen betrifft: Das scheint in D-land regional sehr unterschiedlich zu sein. In NRW beispielsweise steht offensichtlich fast jeder, in München läuft man auch gerne, wenn kein Polizist oder kein Kind dabei steht.

      Radfahrer hingegen ignorieren deutschlandweit die Ampeln.

    5. Archer Says:

      Als Deutscher bin ich ja sehr gut diszipliniert und indoktriniert, wie wir zu sein haben. Und ohne Befehl mache ich selten etwas selbsttätiges.

      Aber rote Ampeln sind mir als Fußgänger absolut scheißegal.

    6. gäbiger Says:

      Ein Erklärungsversuch: während man in der CH wie auch in Italien und den meisten Ländern das Trinkgeld oft in Form von ein paar Münzen auf dem Tisch zurücklässt, ist es in Deutschland üblich gleich beim Kassieren aufzurunden, also statt 18.20 Euro dann zu sagen „machen Sie 20“. Dann liegt natürlich kein Geld auf dem Tisch. Vielleicht entsteht dadurch der Eindruck: in D gäbe man keins.

    7. Ultru Says:

      In der DDR sahen die Zeitungsstapel auch so aus.

    8. Anita Says:

      Menschmensch, zum Glück sind Sie nach 9 Jahren immer noch in der Lage, das alles mit Humor zu sehen. Ich meine – gute Zeitungen werden geöffnet und gelesen, oder? Zerfleddert, aufm Sofa, im Schwimmbad … bevor sie irgendwie gebündelt werden. Solche akkuraten Zeitungsstapel kann nur machen, wer diese niemals geöffnet hat. In Berlin schmeißen wir sie ungebündelt im Hof in die Papiertonne.

    9. Franzl Lang Says:

      Ist eigentlich niemandem aufgefallen, dass der unordentliche Stapel das „Tagblatt der Stadt Zürich“ als Titel trägt? Entweder war damals schon die Deutscheninvasion zu spüren, oder früher waren die Schweizer halt doch unordentlicher…

    10. Kadda Says:

      In der DDR konnten wir auch prima Zeitungsbündel machen *g* Die sahen auch akkurat aus. Aber bei uns gibbet jetzt Papiertonnen, also nix bündeln. Und die meisten Leute, die ich kenne, geben durchaus Trinkgeld, aber eben gleich beim bezahlen 😉

    11. Ingo Rau Says:

      @TravellerMunich: In welchem NRW waren Sie? Kleiner Tipp: Das ist das vielbevölkerte Bundesland mit Köln, Ruhrgebiet & Co. Da komm ich her. Und wüsste nicht, wie man den Eindruck kriegen könnte, dort bleiben alle bei Rot stehen…

      Aber meine Frage zum Trinkgeld:
      Wie ist das hier (d.h. in der Schweiz) beim Friseur? Ich ernte oft etwas verwirrte Blicke von den (Schweizer) Friseurinnen, wenn ich ihnen Trinkgeld gebe – bei uns zu Hause war das Standard…

    12. TravellerMunich Says:

      @Ingo Rau:
      Bin in Nordrhein-Westfalen (im Ruhrgebiet) geboren und habe dort in mehreren Städten gelebt, u.a. Münster, Essen, Bielefeld, Bonn. 25 Jahre lang. Bin dort schon übel beschimpft worden, wenn ich nach mir angeeigneter Münchner Art ohne Auto in der Nähe bei Rot gequert habe. Einmal hat mich eine Rentnerin mit ihrem Regenschirm als Waffe verfolgt und wollte mich verprügeln.

      Ist in Köln-Kalk oder Duisburg-Marxloh sicher anders, dies waren aber meine Erfahrungen.

      Genau wie die liebenswerte Art dort, auf Rolltreppen in ganzer Breite zu stehen (in München gilt: rechts stehen, links gehen). Einmal am Kölner Hbf. wollte ich auf der Rolltrppe an zwei Damen vorbei, um noch meinen Zug zu erwischen. Auf meine Bitte hin, ob ich vorbei könnte, war die Antwort: „Junger Mann, wenn Sie es eilig haben, nehmen Sie doch die Treppe!“

    13. Ingo Rau Says:

      @TravellerMunich:
      Ich komme aus Siegen und hab in Münster studiert. Also die ersten 27 Jahre meines Lebens in NRW verbracht. Ist mir nie passiert, sowas. Aber nun ja, Erfahrungen sind unterschiedlich. Und wenn kleine Kinder neben mir an der Ampel stehen, benehme ich mich auch (wobei kürzlich in Zürich dann die Mutter mit den Kids losging, als noch Rot war, aber kein Auto mehr kam – gute Erziehung 😉

      Das Problem mit den Rolltreppen ist eigentlich im ganzen deutschsprachigen Raum das Gleiche: Die „rechts stehen, links gehen“-Regel hat zwar ihren weltweiten Siegeszug angetreten (aus dem angloamerikanischen Raum, nicht aus München, mein Herr ;), ist aber immer noch nicht überall verbreitet. Beschimpft wurde ich zwar noch nie*, aber man muss die Leute doch häufiger drauf hinweisen…

      * OK, auf dem Weg zum Zug hab ich meist Kopfhörer auf, da würd ich das gar nicht merken 😉

    14. Heidi Says:

      Die Trinkgeldregel in der Schweiz ist eigentlich ganz einfach. War man mit dem Service zufrieden, gibt man bis zu 10%, war man ziemlich zufrieden, lässt man ein paar Münzen liegen, war man nicht zufrieden, gibt es nichts. Das Trinkgeld im Gastgewerbe und bei Dienstleistern wie Coiffeur wurde vor vielen Jahren einmal ganz offiziell abgeschafft. Die meisten Leute haben sich aber etwas geschämt und dann halt trotzdem noch was gegeben. Und wenn man weiss, wie wenig die Leute in der Gastronomie und in gewissen Dienstleistungsbetrieben verdienen, ist es für einen normal bis gut verdienenden Menschen eine moralische Selbstverständlichkeit, den dienstbaren Geistern einen Zustupf zu geben. Dachte ich jedenfalls. Aber die Geizkragen sterben nie aus.

    15. Coiffeur Zürich Says:

      naja, ob das so stimmt, in München und Hamburg gibt man sehr wohl Trinkgeld, kommt halt immer darauf an wo man ist ! In Studentenkneipen ist das wirklich nicht üblich 😉