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Deutscher Filz hält warm — Solidarität mit den benachteiligten Schweizer Uni-Mitarbeitern

  • Der Mann mit dem Filzhut
  • Kennen Sie Joseph Beuys ? Das ist der Mann mit dem Filzhut, internationaler bekannter und berühmter deutscher Kunstprofessor. Er hatte eine besondere Beziehung zu Fett und Filz, so die von ihm selbstgestrickte Legende, weil er nach einem Flugzeugabsturz über der Krim im Zweiten Weltkrieg von Tartaren gefunden, mit Filz und Fett gewärmt und wochenlang gepflegt worden sei.
    Joseph Beuys
    (Quelle Foto: WDR.de)

    Filz hält warm, das wusste schon Joseph Beuys. Filz an der Universität Zürich hingegen ist ein Problem für die SVP, zumindest wenn es sich um Deutschen Filz handelt. Sie startete eine Kampagne in der sie behauptet, dass sich an der Zürcher Uni und in den Spitälern „deutscher Filz“ breitmache. Klingt nicht nach kuschliger Wärme, sondern nach einem Problem, für die SVP jedenfalls.

    Schnell organisierten zwischen den Jahren die Professorinnen und Professoren der Uni Zürich und der ETH Zürich eine Gegenanzeige:

    Wir sind stolz auf den internationalen Ruf unserer Hochschulen und froh, dass exzellente Studierende und herausragende Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und vielen anderen Ländern bei uns tätig sind. Forschung und Lehre sind international, die Stärke unserer Hochschulen gründet gerade darauf, dies ernst zu nehmen. Wer sich abschottet, hat verloren. Die rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik, Ideologie und Politik der SVP torpediert die Ausbildung unserer Jugend, setzt unsere Zukunft aufs Spiel, vergiftet unsere Gesellschaft und gefährdet das, was unsere Stadt und unser Land lebenswert macht: die freundschaftliche Nachbarschaft unterschiedlicher Kulturen. (Quelle: nzz.ch)

    Der Dekan der Philosophischen Fakultät der Uni Zürich, Prof. Dr. Bernd Roeck führt in einem Interview der nzz.ch dazu aus:

    Ich selbst habe immer wieder Schwierigkeiten, Schweizerinnen und Schweizer für meine Stellen zu finden. In einer jüngst aufgeschalteten Anzeige beispielsweise suche ich explizit nach Schweizer Assistierenden. Das wird aber schwierig, wie mir auch Kollegen bestätigen.
    NZZ: Was ist der Grund?
    Die Nachwuchsausbildung in der Schweiz ist noch ungenügend. Viele der wirklich guten Studierenden gehen nach dem Universitätsabschluss sofort in die Privatwirtschaft und nicht in ein Doktorandenprogramm. Das ist das eigentliche Problem.
    (Quelle aller Zitate: nzz.ch)

    Da soll es in der Schweiz sogar promovierte Juristen geben, die lieber Chemie-Firmen übernehmen sie in milliardenschwere Unternehmen verwandeln anstatt für die Forschung einzustehen. Vielleicht sollte man a.) die Uni-Jobs besser bezahlen, damit auch Schweizer sie machen wollen, oder b.) der Wirtschaft sagen, dass sie bitte noch ein paar Studierte für die Forschung übrig lassen mögen. Vielleicht hilft das ja.

    Zudem, und das ist ein zweiter wichtiger Punkt, gehen Schweizerinnen und Schweizer nur sehr ungern ins Ausland, um sich dort weiter zu qualifizieren. Auslandsaufenthalte sind aber beim Auswahlverfahren von Professoren ein wichtiger Punkt. Die Schweizer Studierenden bleiben nach dem Studium gerne in Zürich, sie lieben ihre Heimat, was ja auch nachvollziehbar ist. In Deutschland dagegen, da gibt es eine Masse von Studenten, die nach dem Studium nicht wissen wohin, und für diese ist die Schweiz eine attraktive Wahl.
    (Quelle: nzz.ch)

    Vielleicht könnte man ja einen Kantonswechsel (von Zürich nach Bern oder von Basel nach Zürich) bereits als „Auslandsaufenthalt“ werten, um den Schweizer Kandidaten auch eine Chance zu geben. Einen Sprung über den Röschtigraben nach Lausanne oder vielleicht ein Jahr im Tessin zählt dann einfach doppelt.

    Bernd Roeck sagt im Interview mit der NZZ weiter:

    Ich fände es auch völlig fehl am Platz, jemanden aus nationalen Gründen zu bevorzugen. Bei der Auswahl für eine Assistenzstelle oder für die Professur muss die Qualität des Bewerbers entscheidend sein und dann natürlich auch, ob man jemanden für diese Stelle findet.

    NZZ: Die Zahlen zeigen, dass in den letzten zwei Jahren an der Universität Zürich die Anzahl der Berufungen von Schweizern in Professuren leicht abgenommen hat, diejenige von Deutschen aber deutlich angestiegen ist.

    Natürlich gibt es viele Deutsche in der Schweiz, das hat sprachliche Gründe. Allerdings gibt es auch viele Schweizer, die in Deutschland unterrichten. Ich möchte anfügen, dass wenn ein Professor den Ruf aus Deutschland nach Zürich erhält, er oft ein hervorragendes Team von Kollegen aus vielen verschiedenen Ländern und nicht etwa nur aus Deutschland vorfindet. Es ist auch so, dass die Internationalität einer Universität gut ist für den Wirtschaftsstandort. Zudem ist die Professorenauswahl eine hoch kompetitive Angelegenheit und ich hätte Schwierigkeiten mit der Begründung, wir nehmen jetzt jemanden, weil er Schweizer ist und nicht, weil er der Beste ist.
    (Quelle: nzz.ch)

    Vielleicht verträgt sich diese „hoch kompetitive Angelegenheit“ nicht mit den an Zauberformel und Konsens gewöhnten Schweizer Bewerbern, die sich ausserdem noch sicherlich von der Militärzeit her kennen. Doch wie kann das sein, das jemand der Beste und nicht gleichzeitig Schweizer ist? Wurde vielleicht vergessen, das Label „Swiss Quality“ aufzukleben? Vielleicht gibt das dann bei der Stellenvergabe den richtigen Ausschlag.

  • Kauft Filz!
  • Nun denn, ich glaub ich gehe mir jetzt mal aus Solidarität mit den stellensuchenden Schweizer Universitäts-Mitarbeitern ein paar Filzpantoffel beim Schweizer Heimatwerk kaufen, „Made in Switzerland“. Nur echt wenn „Finken“ draufsteht, sonst billige Importware.

    

    53 Responses to “Deutscher Filz hält warm — Solidarität mit den benachteiligten Schweizer Uni-Mitarbeitern”

    1. pfuus Says:

      link 1 funzt nicht , Chefkoch!

    2. Saarländer Says:

      Beängstigend zu lesen, dass die Menschheit in „wir“ und „sie aufgeteilt wird.

    3. gengeli Says:

      Ich habe von 1987-1993 Chemie an der Uni ZH studiert. Ich schätze, dass mehr als die Hälfte aller Professoren Ausländer waren, davon der grösste Teil Deutsche (oder ehemals Deutsche mit CH-Pass).
      Auch bei den Doktoranden waren fast die Hälfte aus Deutschland. Das war aber NIE ein Thema, wir haben nur darüber gelacht, als der Tagi mal ein Foto über Chemiestudenten in der Schweiz brachte und darauf eine Deutsche abgebildet war.
      Mit ist das schleierhaft, warum Wissenschaft von der Nationalität abhängen soll.