Eine Uhr nur auf Schriftdeutsch — Erlebt in Zürich
Eine Schweizer Kollegin berichtete uns vom Besuch einer Designmesse in Zürich. Dort waren unter anderem sehr ausgefallene Uhren ausgestellt. An einem Stand gab es ein Modell, welches an Stelle der Ziffern in Schriftdeutsch die Uhrzeit anzeigte: „Zehn vor Zwei“ oder „Viertel nach Drei“. Sehr originell, eine Uhr für Leute die Lesen können. Die Uhr lesen, um genau zu sein.
(Quelle Foto: ClockTwo.com)
Die Uhr gibt es auf Deutsch, Englisch, Holländisch, Italienisch, Spanisch, Französisch, Dänisch und Russisch. Ich denke, ich werde mir die Dänische Version zulegen. „Klokken er fem minutter over ni„. Ist das nicht klasse? Leider kostet das Teil die Kleinigkeit von 885 Euro. Da wissen wir ja endlich, was wir uns zu Weihnachten wünschen können.
Die Aussteller bzw. das Standpersonal kamen aus Deutschland. Ein älterer Zürcher fragte laut und vernehmlich für alle Umstehenden:
„Sii, was choschtet diee Uur?“
Die Deutsche am Stand verstand ihn nicht und guckte wie ein Fragezeichen. Worauf er seine Frage noch zwei Mal wiederholte, stets etwas lauter. Dann fügte er noch an:
„Cha me die au zuegschickt übercho?“
Es schien ihm nicht in den Sinn zu kommen, dass hier eine Person Züridütsch nicht zu verstehen vermochte. Oder es war ihm gleich, oder er ging davon aus das man Züridütsch auf der ganzen Welt versteht, keine Ahnung. Erst als meine Schweizer Kollegin für die Mitarbeiterin dort das Gefragte auf Standarddeutsch übersetzte, weil ihr die Geschichte schon langsam peinlich wurde, klärte sich die Situation auf.
Ich hätte den Mitarbeitern dort zumindesten einen kleinen Schweizerdeutschen Grundwortschatz mit auf den Weg nach Zürich zum Lernen aufgegeben. „Sorry, aber diese Uhr gibt es nur auf Hochdeutsch“ , in 6-8 Schweizerdeutschvarianten auswendig zu lernen dürfte ja nicht so schwer sein. (Phipu, wir bitten um griffige Übersetzungen)
November 25th, 2009 at 7:53
Nein, Jens deine Hausaufgaben an mich sind eben gerade „verchehrt statt lätz“ gestellt. Die Sisyphusarbeit mit den Übersetzungen auf Dialekt tu ich mir nicht an. Denn der Hund liegt eben nicht dort begraben, dass die deutschen Verkäufer auf einer Schweizer Hundsverlochete (siehe http://www.blogwiese.ch/archives/72 ) unbedingt Dialekt Antwort geben können müssen! Auch ein sturer oder einfältiger örtlicher Kunde, der aus Willens- oder Fähigkeitsmangel nie ein hochdeutsches Wort auswerfen würde, schafft es doch immer noch, die Nachrichtensendungen im Radio oder Fernsehen vollständig auf Hochdeutsch zu verfolgen. Folglich würde auch er die Antwort eines Deutschen verstehen. Die Kommunikations-Sackgasse* besteht also beim Verständnis des Dialekts und nicht beim Sprechen-Können der Verkäufer. Und da sind mir die Varianten (auch wenn ich mich nur auf Zürichdeutsch und die Frage nach dem Preis beschränke), die ich diesen Ausstellern auf ihren Spickzettel schreiben müsste, deutlich zu vielfältig. Wer sagt mir denn, dass die nächsten Kunden nicht fragen „Äxgüsi, wivill wänd Si für die Uur da?“, „Was wänd Si dadefür?“, „Für wivill cha mer die säb Uur poschte?“, „Für wivill gits die da?“ oder „Säged Sii, was choscht die dete?“ etc.
* = DE: vielleicht eher Tüten-, Taschen- oder Beutelgase?
November 25th, 2009 at 10:08
Das Problem liegt eindeutig in der Begriffsstutzigkeit so mancher Zugereister. Den Satz :„Sii, was choschtet diee Uur?“ nicht als „Sie was kostet diese Uhr“ zu verstehen können/wollen zeugt schon von gewisser Beschränktheit und sprachlicher Unflexibilität.
November 25th, 2009 at 11:27
Und wieder etwas gelernt: „Fischfresser“ war mir neu, ist aber lustig. Denn die echten Fischfresser kommen aus dem ganz hohen Norden von der Küste.
Ich stelle mir gerade folgende Situation vor: ein Appenzeller und ein Ostfriese versuchen sich zu verständigen. Wenn beide kein Englisch können, wird das wohl nichts.
November 25th, 2009 at 12:36
hmmmmmmmmm, köstlicher Fisch…….Eine feine Sache, sollte jeder mal essen, das erweitert den Horizont!
November 25th, 2009 at 12:41
@Zuercher
Zu spät, wir sind schon da….Und es werden jeden Tag mehr und mehr und mehr. Und das Beste an der Sache: Du kannnst rein gar nichts dagegen tun! har har har
November 25th, 2009 at 12:45
Eine Uhr zum Lesen? Klasse Idee. Da haben sich kreative Köpfe mal so richtig ins Zeug gelegt.
November 25th, 2009 at 12:51
Wer lesen kann ist klar im Vorteil! „Die Aussteller bzw. das Standpersonal kamen aus Deutschland.“ – wieso sollten diese Zürideutsch verstehen? Setzt man das bei Engländern, Chinsesen oder Indern auch voraus oder erbarmt man sich dann Englisch zu sprechen? Oder zumindest Schriftdeutsch?
Klar ist der Satz „Sii, was choschtet diee Uur?“ eigentlich einfach zu verstehen, aber es sind eben keine Zugereisten, sondern Messeleute. Anscheinend hat aber die Angst vor den Wirtschaftsflüchtlingen alle Sinne so benebelt, dass man selbst von Schaustellern (und demnächst vielleicht sogar von Touristen) Zürideutsch-Kenntnisse verlangt…
November 25th, 2009 at 13:27
na ja sprachliche Unflexibilitaet gewisse Beschränktheit – Problem mancher Zugereister – da wäre ich doch vorsichtig. … (ach diese helvetische Bescheidenheit, dieser feine Geist der Zurückhaltung … immer wieder orgasmatisch)
Also die Beschränktheit liegt doch eindeutig wie wieder einmal (gähn, schnarch, ewig die gleichen öden Parolen) auf Seiten eines (?) Zürchers
November 25th, 2009 at 14:20
Muss ein Zürcher von jener verbreiteten Sorte gewesen sein, die man wegen ihres sprichwörtlich gewordenen bescheidenen Auftretens und ihrer grenzenlosen Grosszügigkeit im Rest der Eidgenossenschaft so innig liebt…
Besonders logisch scheint mir sein Verhalten nicht: als militanter Zürichdeutsch-Hooligan eine im wahrsten Sinn des Wortes standarddeutsche Uhr kaufen wollen, die ihn später jede Minute mit einem neuen hässlichen schriftdeutschen Wort quälen würde.
November 25th, 2009 at 14:32
ich glaube ja langsam, dass „EIn Zuercher“ nur eine Erfindung von Herrn Wiese ist, um hier in den Kommentaren für ein bisschen mehr Traffic zu sorgen. Ein so borniert-dümmlicher Buenzli-Schweizer ist mir in der Realität zum Glück noch nie begegnet.
November 25th, 2009 at 15:09
Ich verlange überhaupt nicht Zuerideutsch Kenntnisse, aber ein bisschen besseres zuhören und verstehen.
Und zum benebelten Wirtschaftsflüchtling Daniel…tsts…ich habe es einfach satt, dass vor lauter Zulauf jeder Flecken noch überbaut werden muss. Wieviele Mio sollen den noch Platz finden. 7-8Mio es reicht jetzt langsam hier. Und ICH war nicht derjenige der Dir eine Stelle angeboten habe und auch OHNE dich läuft die Wirtschaft genügend gut.
November 25th, 2009 at 15:42
Sorry, wer mir hier etwas verkaufen will, muss schon zumindest den Dialekt verstehen.
Was wäre, wenn ich nach Hamburg ginge und dort meinen Freiämter-Dialekt an einem Verkaufs- oder Informationsstand spreche?
Da würden alle mit dem Kopf schütteln, nicht so wie Gummihälse nicken 😉
Für Touristen spricht man ein Hoch- oder Standarddeutsch (wie wenn Hochdeutsch irgend ein Standard für Deutsch wäre??) – logisch.
November 25th, 2009 at 16:23
@ Swambo: sag‘ mal! Gehts noch? Hast Du dich beim BR Merz angesteckt? Ist es nötig den Einheimischen zu verraten das die Personenfreizügigkeit nichts anderes ist als Eroberung mit anderen Mitteln? Schnauze!
November 25th, 2009 at 17:57
Gibt es von der Uhr auch eine fränkische Variante?
Möchte sogerne mal wieder vierteleins oder dreivierteldrei hören oder wenigstens lesen……
November 25th, 2009 at 18:00
das ist mit dem nichtverstehen ist in der schweiz das gleiche, insb. mit baslern. sie verstehen wirklich nicht alles auf mundart, da muss man flexibel sein und ggf. auf hochdeutsch weiter schnorren, soviel flexiblilät setze ich auch bei züritüschen voraus…..wohl aber zuviel verlangt…
grüess
wolfi
November 25th, 2009 at 21:14
die eigentliche Peinlichkeit ist aber eine ganz andere. Hier lässt jemand wieder einmal keinen Fettnapf aus. Wir befinden uns (notabene – hihi) auf einer Designmesse, sicher international und nicht der Wochenendtrödel mit Freiämterdialekt.
Und da geht jemand hin und fragt „Sii, was choschtet diee Uur?“
Bitte, was ist das – Media Markt? Wer kommt denn auf einer Designmesse so elefantesk daher und: „Sii, was choschtet diee Uur?“
Es ist dabei nicht so: Die Deutsche am Stand verstand ihn nicht und guckte wie ein Fragezeichen.
Nein, die Deutsche am Stand guckte wie ein Fragezeichen, um höflich und ohne allzu laute Zurechtweisung dem Herrn in seiner Landessprache nämlich durch das Ungesagte zu verstehen zu geben, dass diese Frage nicht angebracht ist.
Und was passiert: „Sii, was choschtet diee Uur?“ – stets etwas lauter, ja lauter – woran erinnert uns dieses laute, ungehobelte, hilflose Auftreten nur? Und wenn man dann gerade denkt, es gibt in dieser Situation keine Steigerung mehr, dann kommt:
„Cha me die au zuegschickt übercho?“
Was für ein Bauerntölpel. Und offenbar bewahrt die Dame standhaft mit Souveränität die Contenance, das bedeutet auch Zurückhaltung nebst Gelassenheit in dieser unangenehmen Situation. Davor verneigen wir uns, respektvoll.
Ja, das ist der klassische „Wuppertaler“, der immer wieder so gerne als typische Karikatur germanischer Wesensart verwendet wird: Ssie, wat kostet dat? Nur in einem anderen Dialekt. Und es ist nicht so, dass nur die Verwendung eines anderen Idioms bedeutet, dass ein ganz anderes Verhalten vorliegt – auch dann nicht, wenn man manchmal das Gefühl hat, dass viele diese Auffassung tatsächlich im Rahmen irgendeiner sektiererischen ritualisierten Sozialisation mehr als verinnerlicht haben.
Wie anders bleibt es erklärbar dass Menschen mit Hinweis auf einen Freiämter-Dialekt, die sicher aus dem B ü n z tal stammen, ein Beispiel abliefert, dass wiederum genau dieses Verhalten erkennen lässt. Die Dame hat geschwiegen, sie hat sich hilflos gestellt fragend – ob dieses deplazierten, kulturlosen Seevogels aus der Familie der Ruderfüsser.
Und der Herr aus Bünztal will an einem Stand seinen Dialekt auftragen, sich breit machen, vermutlich laut werden. Am besten hat er auch eine Glocke dabei – wieso erinnert mich das an Schiller. Oder führt dieses bei jeder Gelegenheit ausgeführte bimmelnde Geglocke zu einer zumindest passageren Verwirrung wenn man das Schweigen der Dame mit dem Gebrauch der eigenen „langage totalitaire“ gleichsetzt.
So wird hier „en formation gedacht“, im Sinne kollektiver ritualisierter Bestätigung als Fortsetzung des endlosen nicht Auslassenwollens von Fettnäpfen.
November 26th, 2009 at 0:11
@ Nichtzürcher
«Sorry, wer mir hier etwas verkaufen will, muss schon zumindest den Dialekt verstehen.»
Was für ein Blödsinn!
Erstens bist du inkonsequent: Du verkaufst deine Sprüche hier ungefragt auf Standarddeutsch (nicht etwa auf Freiämterisch) und verlangst, dass dies jeder zumindest versteht.
Zweitens wärst du als Einkäufer auf so einer Messe eine Lachnummer. Nehmen wir an, ein Handwerker aus Pakistan, Konstrukteur der absolut hammermässig weltbesten Uhr, käme ohne Rücksicht auf deinen Dialektfimmel an dieser Messe auf dich zu und böte dir zu konkurrenzlosen Bedingungen den Alleinvertrieb in Europa an. Du würdest natürlich ablehnen, die Konkurrenzfirma gäbe dir dafür einen Blumenstrauss und dein Chef würde dich feuern.
November 26th, 2009 at 0:25
Ech glaube eigentlech emmer no draa, dass das e chliini Provokation vom Autor gse esch – ech wörds em zuetraue. Etz mues i aber säge, dass mech doch zemlech iritiert, wie einzelni Lüüt druf ischtiiged ond schiinbar oder so wies uusgseet eri eigeni Schprooch onderdröckid (sofärn s’sech ned om Zuezogni handlet). Ech weiss ned, wie d’ Reaktione wääred, wenn i z’Düütschland wetti öppis go verchaufe und denn erwarte, dass mech d’Lüüt of Schwiizerdüütsch froged, wi tüür denn mis Aagebot cönnti sii … ähnlichi Biischpeel för ähnlichi Situatione send jo au scho früener i dem Blog voorcho. Di Düütsche, won’ech ab ond zu treffe, schiined öbrigens keis Problem demet z’haa, dass ech met ene schwiizerisch wott parliere ond ned i irgendere Schreftschprooch …
November 26th, 2009 at 0:53
Ach ja, und dem Herrn Egon wollte ich noch ein paar Zeilen widmen, in Standardsprache, damit er mich auch gewisslich verstehe:
Wir sind hier historisch gesehen ein Staatenbund von freien Bauern (jedenfalls ursprünglich frei direkt unter dem König, wie frei das auch immer sein mag). Ich selbst verstehe mich als einer von vielen von diesem Hintergrund her auch als Bauer , obwohl das nichts mit meinem Beruf zu tun hat. Und ich bin stolz darauf, in diesem Sinn ein Bauer zu sein, besonders und gerne, wenn jemand das Mütchen hat, beleidigend von einem Bauerntölpel zu faseln. Vielleicht wäre ja an Stelle dieses Blogs auch eher das http://www.glamour.de/ – Forum das Richtige für sie – nur zu, falls das eine geeignete Alternative ist!
November 26th, 2009 at 3:05
Prinzipiell kann der ältere Herr ja in seiner Heimatstadt so sprechen, wie er möchte. Aber wenn Zürich sein weltstädtisches Flair behalten möchte, sollte es möglich sein, bei mangelndem Verständnis auch so zu fragen, dass es jeder versteht (Aufwärtskompatibilität). Wir reden ja hier nicht davon, dass er Serbisch oder Türkisch lernen muss.
November 26th, 2009 at 10:16
eine kurze frage:
was ist eigentlich die „amtssprache“ in zürich?
November 26th, 2009 at 11:32
das peinliche Gestrampel des Zürches wird immer lustiger. Gut, haben wir ihn! Ansonsten gäb es viel weniger zum Lachen….
November 26th, 2009 at 11:43
@ vegenalle
Nein, Staatenbund sind wir seit 150 Jahren nicht mehr. Was du da darstellst, ist ein Mythos: Dein alter Staatenbund bestand zu 70% aus Leibeigenen und Untertanen. Deine freien Bauern waren also von Anfang an eine kleine Minderheit. Das änderte sich erst, als 1798 böse Ausländer (immer wieder die!!) mit Waffengewalt eingriffen.
Ich möchte dir deinen Stolz nicht verpfuschen, aber vielleicht solltest du ihn gelegentlich den Fakten anpassen. Falls du trotzdem den Stolz auf den Mythos bevorzugst, behalt ihn lieber für dich: Glaube ist Privatsache.
Ich unterdrücke meine Sprache nicht, sondern verwende sie je nach Situation in Form der Mundart oder der Standardsprache. (Gesprochenes Standarddeutsch ist übrigens nicht Schriftsprache. Oder kennst du jemanden, der so spricht, wie Günther Grass schreibt?) Am Spezialitätenmarkt in der Zürcher Bahnhofhalle beispielsweise, wo jeden Mittwoch Fressalien von rund um den Globus angeboten werden, wird hinter den Ständen Standarddeutsch, Hochalemannisch, Italienisch, Englisch, Französisch, Arabisch usw. gesprochen. Wenn ich dort ein Glas scharfen Löwensenf kaufe, tu ich das am Stand des Händlers aus Deutschland lieber auf Standarddeutsch. Mein «Wachoschta?» (St.Galler Mundart für «Was kostet das?») würde wohl kaum verstanden. Und im Gegensatz zu dir darf mir ein Tessiner seine Produkte ohne Weiteres auf Italienisch oder Standarddeutsch anbieten.
Aber bleib du nur bei deinem Niemals-ohne-Dialekt-Einkaufsverhalten. Die deutsche Schweiz ist ja der Nabel der Welt, nicht war?
November 26th, 2009 at 12:48
Nach langerg Zeit möchte ich mich wieder mal äußern:
Ich hab mir ganz nach dem Vorbild eines bayrischen Komedy-Asses , Herrn Grünwald – ein Schreikissen zugelegt.Da hinein schrei ich, wenn es gar so komisch wird….eben so wie die Kommentare zum oben angeführten Thema (Uhr)
Schrei……schrei…..schrei….. aber ungehört…..eben ins Kissen….
November 26th, 2009 at 22:23
@Bense
Er hätte also Englisch sprechen sollen… oder vielleicht Spanisch oder Mandarin… irgend ne Weltsprache halt.
In ihrem Verständnis wäre es dann „abwärtskompatibel“ wenn er Serbisch oder Türkisch sprechen müsste? Sehr „weltmännisch“ von Ihnen…
November 27th, 2009 at 2:28
->guggeere
Du hesch aber scho metöbercho, dass es om Puure goot ond ned drom, wivel im Verhältnis as es gsi send? Ond dass das met 1798 nüd ztue hed sondern met de Zämeschlöss vo vermuetlich Puure ond Grondpsetzer, vel früener? Ond die hend sech organisiert ond ned die Liibeigene oder Chnächte oder Mägd (oder denn han’i öppis Entscheidends verpasst). Ech wörd emol säge, das hed met Mythos nüd z’tue. De Schtaatebond hätti do ned müesse is Schpeel brenge, zuegää – spelt aber i dem Zämehang öberhaupt kei Rolle.
Wiiter: du schriibsch, «Gesprochenes Standarddeutsch ist nicht Schriftsprache». Miinetwäge. Noor, ech ha ned vo «Schriftsprache» gschrebe sondern vo «Schreftschprooch». Ond: nei, das esch ned ombedengt s’gliiche! Mer hend i de düütsche Schwiiz en Alltagsschprooch ond e Schreftschprooch, ond letschteri entschprecht de Standardsprache (ned de Schriftsprache).
Ech be natürlech kompromessbereit. Sobald mer en ächti eigeni Schreftschprooch hend, ben ech bereit, im Omgang met böse Ossländer of mine Lozärnerdialäkt z’verzechte (Aber so wies uusgseht, gets för Rumantsch früener eini). Bes es sowiit esch, lohn ech mer of mis Iichaufstischi «Niemals-ohne-Dialekt» drocke zom irgendwoo im Nabel go poschte…
November 27th, 2009 at 8:44
@ vegenalle
aber natürlich haben Sie etwas entscheidendes verpasst. Es gibt da einen „Innerschweizer Historiker“:
Guy P. Marchal: Schweizer Gebrauchsgeschichte. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identität, Basel: Schwabe 2006,
den haben Sie wahrscheinlich noch nicht einmals namentlich vernommen. das macht aber gar nichts; denn jetzt wissen Sie ein nettes Weihnachtsgeschenk und eine aufschlussreiche Lektüre dazu.
November 27th, 2009 at 13:04
@ venegalle
Auä! Ich mag mein Berndeutsch wirklich gerne, aber ich bin froh, dass solche Mundartfanatiker (diese sind ja von heimattümelnden Naturschutz-Grünen bis zu Vertretern der SVP zu finden) wie Sie künftig keine Chance mehr haben werden, sich mit diesen oder ähnlichen Ergüssen durchzusetzen: Dieser Zug der geistigen Isolierung ist langfristig dank der Zuwanderung und Globalisierung eben doch abgefahren.
@ EIn Zuercher
Der zweite Teil Ihres letzten Beitrags findet meine Zustimmung.
November 27th, 2009 at 13:10
@vegenalle
«Mer hend i de düütsche Schwiiz en Alltagsschprooch ond e Schreftschprooch, ond letschteri entschprecht de Standardsprache (ned de Schriftsprache).»
?? – Oder einfach: nein. Konfuser Unsinn.
«Sobald mer en ächti eigeni Schreftschprooch hend, ben ech bereit, im Omgang met böse Ossländer of mine Lozärnerdialäkt z’verzechte.»
Das heisst, du schreibst und sprichst im Verkehr mit Ausländern Mundart: schon wieder ein ideologisch verblendeter Schweizerdeutsch-Ayatollah… Leider kenne ich noch mehr Leute, die sich damit brüsten, mit Ausländern konsequent Mundart zu sprechen. Ist jedes Mal unendlich peinlich, unanständig, eine Schande für die Schweiz. – Allerdings bist du bereits vom Feind unterwandert, also ein ideologischer Abweichler: Du verwendest z.B. den überflüssigen Anglizismus «Tischi» (T-Shirt) anstelle unseres währschaft-autochthon-bodenständigen hochalemannischen «Liibli» (Leibchen).
Zu deinem seltsamen Geschichtsbild: Ich begebe mich sicher nicht irgendwo weit hinter den Wald und repariere dort eine Geschichtsklitterung. Träum weiter in und von deinem mythischen «Staatenbund von freien Bauern». Aber wenn du der realen Eidgenossenschaft des dritten Jahrtausends einen Gefallen tun willst: Bleib bitte dort.
@ neuromat/vegenalle
Falls ihr es noch nicht kennt, empfehle ich auch das folgende lesenswerte Buch des leider schon verstorbenen Luzerners (!) Otto Marchi: «Schweizer Geschichte für Ketzer oder Die wundersame Entstehung der Eidgenossenschaft».
November 28th, 2009 at 12:22
Danke
wurde gleich bestellt. Muss alllerdings repatriiert werden. Habe keinen inländischen Anbieter gefunden – vielleicht aber auch nicht richtig gesucht.
November 29th, 2009 at 19:54
Hier verhauen sich mal wieder alle, sobald mal man ne Weile nicht vorbei schaut.
Als Schwabe kenn ich das auch. Wir reden untereinander schwäbisch, alemannisch, hohenlohisch und was auch sonst immer. Die Politiker reden abgeschwächten Dialekt, die Professoren an der Uni auch. Wir schreiben aber schriftdeutsch ohne große Probleme und ohne dass es uns die Seele zerreißt.
Ich verstehe das ganze Gekämpfe in der Schweiz nicht. Wenn das Land eben kein Schriftdeutsch mehr mag und nur noch Dialekt, dann schaltet doch einfach um, alles auf Dialekt, Schrift und Sprache. Und sonst eben Englisch.
Dezember 1st, 2009 at 8:02
An Croco
Nein, da bin ich gar nicht dafür, dass „wir einfach umschalten“. Es mag eben nicht „das (ganze) Land“ kein Schriftdeutsch mehr. Die Ballenberg1)-Fraktion mit ihren Aversionen gegen alles Hochdeutsche, die bisher lieber die Faust im Sack machte, hat inzwischen die Finger auf den Tasten entdeckt. Deren Meinung widerspiegelt aber überhaupt nicht das gesamte Land. Aber diese Stimmen brüllen eben heute lauter als auch schon. Es gibt da z.B. noch die paar Wenigen, die in der Nähe einer Sprachgrenze im eigenen Land wohnen und sich somit auch die Situation der Welschen und Tessiner versetzen können. Natürlich denkt man am Bauchnabel der Welt (= Zürich) nicht daran, dass die Bevölkerung der anderen Sprachregionen bei Erklären des Dialekts zur Landessprache (aber welchen Dialekt eigentlich?) dann verschiedene Deutsch lernen müssten. Eines für Deutschland und eines für die Deutschschweiz. Heute haben Fremdsprachige immerhin noch die Erleichterung, dass ihr Schuldeutsch für die gesamtdeutsche Lektüre reicht. Und Englisch (welches übrigens, britisches oder nordamerikanisches?) kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Vier Landessprachen sind wirklich schon genug. Mir reicht es schon, dass die normalerweise in Nombryla2) (= Zürich) ansässigen Marketing- und Werbefritzen der irrigen Meinung unterworfen sind, mit ausschliesslich englischen Beschriftungen wäre man besonders „trendy“, man könne sich damit die ganze leidige Übersetzerei in die mindestens drei Landessprachen sparen, und die Konsumenten würden dabei erst noch die Botschaft verstehen. Man kann ja in der designten Herrliberger Cüpli-Bar nicht wissen, das z.B. „Sale“ nicht für alle „Ausverkauf“ bedeutet, sondern auch „schmutzig“3) oder „Salz“4) heissen kann. Aber alles, was ich jetzt leiere, ist ja auf dieser Blogwiese schon zur Genüge wiedergekäut worden.
Fussnoten:
1) Freilichtmuseum Ballenberg bei Brienz zum Bewahren des (vorwiegend architektonischen) Kulturguts aller Schweizer Regionen
2) Eigenkreation, Zusammenzug aus Seldwyla und frz. Nombril (Bauchnabel)
3) Frz. sale [sal]= schmutzig
4) Ital. sale [saaleh] = Salz
Dezember 1st, 2009 at 13:23
Phipu lebt!
Die Sache mit dem engl. „sale“ hat m.E. ein sehr direkte Verbindung zum Salz.
Denn im Römischen Imperium wurde neben dem Münzgeld als anteiliger Lohn u.a. Wein, Öl, Essig und SALZ an die Legionäre ausgezahlt.
Dadurch ergibt sich eine direkte (!) Verbindung zum „Salär“ als Bezeichnung von Löhnungen ua. durch dieses Salz.
Ironischerweise passen die anscheinend „falschen“ inhaltliche Zusammenführungen des indogerm. sal, altgerm. salt, lat. sal, ital. sale, franz. sale und des engl. sale zum neudenglisch-deutschen „sale“ wunderbar wieder logisch zusammen!
Die Bezahlung erfolgte mit „schmutzig-grauen-naturbelassenem „ „Salz“ als „Lohn“ für erbrachte „Leistungen“ der Legionäre.
http://de.wikipedia.org/wiki/Salär
PS: Das historische damalige Salz war nicht so weiß gereinigt wie in unserer Zeit, wenn es aus dem Berg gewonnen wurde. Habe gelesen:….er ward „grau wie Salz“….
Salz: indogerm. ..das Schmutziggraue.
Jetzt wird’s mir klar: Beim manch einem „Sale“ packt einen das „Grauen“.
Dezember 1st, 2009 at 16:14
Wenn man so in Deutschland sitzt und in die Schweiz rüberschaut, stellt man fest, dass alles immer merkwürdiger wird dort drüben.
Früher war die Schweiz das internationalste, offenste, toleranteste Land, das ich kannte. Das ging sogar soweit, dass die Schweiz lieber zu Amerika gehören wollte statt zu Europa.
Dann kippte das Ganze.
Plötzlich scheint der Schweizer auf den dialektelnden Senner beschränkt zu sein. Die Italiener aus dem Tessin und die französisch Sprechenden aus dem Wallis scheinen verschwunden zu sein.
Die Stammtischhoheit ist anscheindend vom Ballenbergschen Volk erobert worden . Wenn es die anderen noch gibt, die weltoffenen, so sollten sie schnell aufstehen und rufen, dass es Sie auch noch gibt, so wie Sie hier.
Wer weiß, wie die nächsten Volksabstimmungen ausgehen.
Die Schweiz ist keine Insel, für manche sicher eine Neuigkeit.
Dezember 2nd, 2009 at 15:15
Natürlich gibt es die anderen auch noch. Aber die sind logischerweise nicht die lautesten und frechsten Rufer voller Eigenlob. („Hach, ich bin doch so was von weltoffen!“ – Vergleiche auch Ländernamen: sind/waren die Deutsche Demokratische Republik oder die République Démocratique du Congo wirklich die demokatischsten Länder?)
Dass es andere Meinungen auch noch gibt, verlangt nach etwas analytischem Denken und Erforschungsdrang. Zum Beispiel gibt es da 43% der STIMM-Bevölkerung des letzten Sonntags, oder die vielen Aussagen „ich schäme mich, Schweizer zu sein“. So etwas sagt man ja normalerweise nicht laut. Dennoch findet man diese Meinung auch über die Googlesuche.
Ausserdem sind viele der Weltoffenen vielleicht im Moment eben gar nicht in ihrem „Land sitzen“ geblieben und haben gerade keinen Computer zur Hand um deinem Ruf nachzukommen, und sie hocken auch nicht am Stammtisch. Sie sind eben im Moment nicht nur am „Rüberschauen“, sondern viel eher am Umherreisen. Somit kommen sie dann noch weltoffener wieder heim. Vielleicht weilen sie zum Beispiel gerade Tirana, Albanien, wo das hier kein Problem ist: http://z.about.com/d/archaeology/1/0/G/f/tirana_mosque.jpg .
Übrigens fände man vereinzelte Hinweise auf die noch verbleibende Existenz (nur nicht die Hoffnung verlieren!) der Westschweizer (die beleidigt wären, würde man sie nur auf das Wallis reduzieren) und der Tessiner, wenn man auch fremdsprachige Medien läse.
Dezember 2nd, 2009 at 15:17
Ich vergass: obiger Beitrag ist auch wieder vorwiegend an Croco gerichtet.