Kann eine Sprache „klarer“ sein als eine andere?
(reload vom 25.08.06)
In Frankreich herrscht der Glaube an die „Clarté de la langue française“, eine Klarheit, die nie bewiesen wurde oder bewiesen werden kann. Die einfache Syntaxabfolge von Subjekt-Prädikat-Objekt sorgt für klare Gedankengänge, während beispielsweise auf Deutsch die Verben den Sinn eines Satzes erst ganz am Ende offenbaren:
Der Mann, der gestern nachmittag mitten in der Stadt an der Kreuzung einen Unfall verursacht hatte, ist gestorben.
Spannung bis zum Schluss. Im Arabischen fangen Sätze grundsätzlich mit dem Verb an: Es starb der Mann, der…
Ist Arabisch daher „klarer“ als Deutsch? Anderseits hat das Arabische nur zwei Zeiten: Gegenwart und Vergangenheit. Zukunft wird mit einer Vorsilbe ausgedrückt. Verschachtelte Vorzeitigkeiten ins Arabische zu übersetzen ist daher ein Ding der Unmöglichkeit oder muss umschrieben werden.
Bis auf die Feststellung, dass in der Französischen Klassik das Vokabular radikal reduziert und von allem, was nach Dialekt oder Argot aussah, „gereinigt“ wurde, bleibt nicht viel vom Anspruch einer „klaren Sprache“. Auch Französisch „lebt“ Sprache weiter, schafft neue Wörter, importiert von anderen Sprachen und entwickelt munter eigene Argot-Ausdrücke.
In den Arabischen Ländern herrscht eine ganze ähnliche Diglossie wie in der Deutschschweiz. Gesprochen wird nur Dialekt, also Ägyptisch, Tunesisch, Syrisch etc. Geschrieben wird auf „Hoch-Arabisch“, der heiligen Sprache des Korans. Lernt nun ein Islamwissenschaftler fleissig Hocharabisch und bereist zum ersten Mal ein Arabisches Land, so kann es zu sehr skurrilen Situation kommen, wenn er nun auf Hocharabisch in einem Strassencafe etwas bestellt: „Oh Ober, bringen Sie mir bitte eine Tasse Kaffee“ klingt genauso fehl am Platz, wie wenn im Berner Oberland ein Japaner plötzlich auf Hochdeutsch zur Bedienung sagen würde: „Hätten Sie bitte die freundliche Güte, mir ein Glas Bier zu bringen„.
Die „Hoch“- Arabische Schriftsprache kommt praktisch ohne die Verben „haben“ oder „sein“ aus. Anstatt „Ich habe ein Auto“ sagt der Araber: „Bei mir Auto“, und die Sache ist sonnenklar. Anstatt: „Ich bin Student“ sagt er „ich Student“, und auch hier benötigt niemand ein Verb, um den Satz zu verstehen. Wir fragen uns dann nur, wir Erich Fromms Werk „Haben und Sein“ (1976) dann auf Arabisch übersetzt wurde.
September 10th, 2009 at 10:50
„ei mir Auto“ist gar nicht sonnenklar. Es kann ja ein fremdes sein und nicht das eigene.
Präzise statt klarer wäre eher richtigund die Forderung.
Und was die Klarheit der arabischen Sprache angeht: egal wie klar sie ist der SchMerz versteht es immer falsch.
September 10th, 2009 at 11:28
Bedenken Sie dass vermeintliche „Unklarheit“ im Englischen dazu beiträgt dass das Englische vor Wortspielen nur so wimmelt, und für Angelsachsen ist die Kommunikation mit und das Verständnis von Wortspielen auch im Alltag sehr stark ausgeprägt. Freilig ist Englisch die wortreichste Sprache der Welt und man könnte durchaus alles sehr präzise ausdrücken, damit würde man sich aber einer Menge Spaß berauben und warum sollte man das tun.