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Der Fahrkartenschalter für die Dienstboten im Zürcher Hauptbahnhof

(reload vom 6.7.06)

  • Fahrkartenschalter für Hausangestellte
  • Wir wollten uns eine „Fahrkarte“ kaufen am Zürcher Hauptbahnhof, obwohl wir wissen dass diese Karte nirgendwohin fahren kann und hier „Billet“ genannt wird, denn die Eisenbahn-Fachsprache in der Schweiz ist Französisch, das erklärt ihnen jeder „Kondukteur“ der SBB gern ausführlich.

    Also suchten wir die „Schalterhalle“ auf. „Le hall de commutateur“ schlägt WorldLingo dafür vor. Erstaunlich, was unsere Online-Übersetzung im 21. Jahrhundert in Sekundenbruchteilen alles für einen Mist zu produzieren vermag. „La salle des guichets“ wäre richtiger. Viele „commutateurs“ waren geschlossen, und bei einigen sahen wir diese Anzeige:
    Schweiz Domestic Schalter

    Interessant! Die Schweiz hat also das Dienstbotenwesen noch nicht abgeschafft, und in der Mehrklassengesellschaft gibt es nach wie vor Fahrkartenschalter speziell für Schweizer Domestiken. Denn wir erfahren aus unserem Duden:

    Domestik, der; -en, -en [frz. domestique, zu lat. domesticus = zum Hause gehörend, zu: domus = Haus]:
    1. (veraltend, heute meist abwertend) Dienstbote:
    Ein Hausangestellter, ein Domestik, ein junger Mann vom Gesinde tritt bei mir ein (Th. Mann, Krull 202); Araminte ist Witwe und schön, Dubois nichts weniger als ein fressgieriger, rüpelhafter Domestik aus dem Geschlecht der … Hausknechte (Rolf Schneider, November 191).
    (Quelle: duden.de)

    War uns noch gar nicht aufgefallen, dass im bürgerlich-liberalen Zürich nach wie vor viele Dienstboten leben und arbeiten, und ausserdem gern mit dem Zug fahren. Das sind dann wahrscheinlich die, die hier ständig „Ausgang“ haben und dann „im Ausgang“ sind, wenn man sie am Wochenende fragt, was sie so vorhaben. (vgl. Blogwiese)

    Alles Quatsch! Es ist eine Sonderaktion für verspätete Teilnehmer der Tour de France, die gerade in Frankreich läuft, denn das Wort „Domestik“ hat noch eine zweite Bedeutung laut Duden:

    2. Radrennfahrer, der als Mitglied einer Mannschaft in erster Linie für den Sieg des erklärten Spitzenfahrers fährt und. ihm Hilfsdienste leistet: Das härteste Radrennen der Welt … kennt nicht nur Stars, auch die Helfer und Domestiken, die auf der mörderischen Strecke die Dreckarbeit verrichten, sind nicht vergessen (Saarbr. Zeitung 9. 7. 80, 6).

    Doch halt, das Wort über dem Schalter schreibt sich gar nicht mit „k“ am Ende, sondern mit „c“. Es ist wohlmöglich Englisch? Ich frage meinen Nebenmann, und wie der Zufall es so will, es ist ein Engländer und er kommt aus London. Auch er hat keine Ahnung, was „domestic“ hier am Schalter zu suchen haben könnte. Mit dem Haushaltsreiniger „Domestos“ wird es bestimmt auch nichts zu tun haben.

  • Von Kanton zu Kanton, ist das wirklich „innerstaatlich“?
  • Wir geben nicht auf und schlagen das Wort bei Leo.org, dem genialen Online Wörterbuch der TU-München, nach:
    domestic adj. einheimisch
    Ob hier nur Einheimische Fahrkarten kaufen dürfen?

    domestic adj. häuslich
    Ob die Schweiz hier ganz häuslich erscheint?

    domestic adj. innerstaatlich
    Sie glauben gar nicht, wie schnell so Kantonsgrenzen als Staatsgrenzen angesehen werden! Wir kennen uns da aus, mit Freistaat Bayern etc.

    domestic der Dienstbote
    domestic der Domestik
    Hatte ich es nicht gesagt?

    domestic adj. inländisch
    Das muss es sein: Fahrkarten für den Inlandsverkehr!

    Von Dominas etc. fangen wir jetzt gar nicht erst an. Beruhigt hat uns die Unwissenheit des Engländers neben uns. Auch er dachte mehr an Dienstboten als ans Binnengrenzen. Vielleicht sollte die Schweizer Bundesbahn doch lieber bei der „Französischen“ Eisenbahnsprache bleiben? Aber wie so oft wurde hier „domestic“ gewählt, um sich in der „Weltstadt Zürich“ die Übersetzungen auf Französisch, Italienisch und Rumansch sparen zu können. Wir hätten noch eine Vorschlag für den Schalter: „INLAND“ ist fast Englisch, und wird sicher auch von anderen verstanden. Nur wie schreibt man das jetzt eigentlich auf Züridütsch?

    

    2 Responses to “Der Fahrkartenschalter für die Dienstboten im Zürcher Hauptbahnhof”

    1. Buyer Says:

      Fahrschein, Fahrkarte, Fahr(t)ausweis, Billet, Ticket, Fahrberechtigung, …
      ein jeder suche sich was ihm beliebet.

      Das mit den Pseudoanglizismen ist eine richtige Seuche im gesamten deutschen Sprachraum. Für mich als ebenfalls englischer Muttersprachler (halber Ami) ebenfalls oft mehr verwirrend als hilfreich.
      Und mit welcher Überzeugung in der Stimme vieles immer „falsch“ ausgesprochen wird, die richtige Aussprache höre sich „zu deutsch“ an habe ich dann mehr als einmal gehört. George Bush hat der englischen Sprache definitiv keinen Gefallen getan, wenn jetzt das kehlige Texanerisch schon den Standard bildet. Nun ja.

      Angelsachsen haben mit ihrer eigenen Sprache ja auch ständig Probleme mit der richtigen Aussprache/Schreibung, darum gibt es ja diese „spelling bees“, Buchstabierwettbewerbe für Kinder. Bei schwierigen Wörtern ist es zudem üblich eine Lautschrift beizufügen. Für die Schaffner der Deutschen Bahn wäre es z.B. wohl hilfreich denen eine kleine Karte zu geben auf der steht: „Fenk ju ffoa trah-welling wiff Doitsche Baan“. Derjenige der den Leuten mal in den Kopf gesetzt hat dass das „th“ wie „s“ oder Lispeln auszusprechen sei gehört zur Strecke gebracht.

      Und der größte Irrtum ist dass Angelsachsen englische Beschilderung und Durchsagen verlangten, ich meine kein Mensch fährt in den Urlaub oder bereist die Welt damit alles wie daheim ist und die Deutschen reagieren ja auch eher pikiert wenn ihnen im Ausland auf einmal „Bratwurst“ angeboten wird in Touristenorten. Das geht Amerikanern nicht anders. Zumindest jenen die überhaupt in’s Ausland reisen, der Teil der Amis die immer sagen „it’s better in the states“ verlassen die states eh nie (nur ein kleiner Teil der Amerikaner besitzt überhaupt einen Reisepass). Betrügt die Touristen doch nicht um die Möglichkeit sich in einer fremden Sprache zu üben..
      Für das Dilemma gibt es im Übrigen immer einen eleganten Ausweg, da alle westeuropäischen Sprachen viel Latein in ihrem Sprachschatz haben: NATIONAL / INTERNATIONAL

      So könnte man auch den Pseudoanglizismus des „Service Point“ bei der Deutschen Bahn vermeiden, indem man einfach ein Schild mit INFORMATION anbringt. Versteht garantiert auch jeder Texaner sofort.

    2. sombe Says:

      Mein persönlicher Favorit: das schweisserthoitsche „u“ z.B. in drums oder club. Dieses kommt geschmeidig als ö daher (klöb, dröms)……… einfach super (bzw söper)

      [Anmerkung Admin: Das Thema war schon mal dran, siehe hier http://www.blogwiese.ch/archives/919 ]