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Wundern Sie sich nicht, wenn es Sie wunder nimmt?

(reload vom 16.04.06)

  • Dialekte sind farbig
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 6.04.06 in einem Leserbrief von Peter Sonderegger aus Wettingen auf Seite 21

    „Dem staatlichen Fernsehen würde ich gerne mehr Zurückhaltung gegenüber der Mundartmoderation empfehlen. Die Privatsender sollen sich unserer farbigen Dialekte bedienen; sie tun es auch. Der staatliche Monopolsender soll sich vor allem um ein gepflegtes Hochdeutsch bemühen. „

    Noch ein Bruder im Geiste! Farbige Dialekte finden wir einfach klasse. Welche Farbe haben eigentlich Bärndütsch und Züridütsch? Bärenbraun und Züriseeblau? Ausserdem wird hier Hochdeutsch nicht wie sonst „geschliffen“, sondern nur gepflegt, so wie man sonst seine Schuhe pflegt mit etwas Schuhwichse und einer weichen Bürste.

    „Was soll Herrn Buchelis Argument der Zuschauernähe dank Mundart bei der Wetterprognose? Nimmt es mich wunder, wie das Wetter wird, bin ich Meteo Schweiz ausgeliefert, ob Hochdeutsch oder Mundart. Nimmt es mich nicht wunder, wie das Wetter wird, habe aber nach der der „Tagesschau“ noch nicht aus- oder umgeschaltet, gehöre ich auch zu den 1,2 Millionen Zuschauern, die den Erfolg der Meteo-Sendung belegen sollen.“

    Dieser Mann versteht sein Hochdeutsch zu pflegen und zu schreiben, bis ihn ein Wunder nahm. Wir staunen über die kunstvolle Verwendung von „wundernehmen“, zum dem unser Duden weise spricht:

    wu.n|der|neh|men (geh.):
    1. in Verwunderung setzen:
    es würde mich nicht w., wenn er das täte; Es ist alles dargelegt, … darüber hinaus gibt es nichts, was wundernähme (Strauß, Niemand 194); Wen nimmt es wunder, dass dieses Juwel seit Jahrhunderten umworben und auch umkämpft war (Augsburger Allgemeine 3./4. 6. 78, VI).
    2. (schweiz.) wundern (3 a):
    es nimmt mich nur wunder
    , wie Sie mich hier aufgestöbert haben.

    Die Form unter 1. ist als „in Verwunderung setzen“ in Deutschland zwar selten, aber doch bekannt.
    Die Form unter 2. ist einzig der Schweiz vorbehalten.

    Das Variantenwörterbuch erklärt uns weiter:

    wundernehmen st.V./hat:
    1. CH neugierig machen, interessieren
    :
    Es nimmt mich wunder, was jetzt mit meinem Bruder wird (Spinner, Nella 84)

  • Da flitzt der Wunderfitz und windet sich der Gwunder
  • Wir wurden neugierig beim „wundernehmen“, und entdeckten „Wunderfitz“ und „Gwunder“ gleich nebendran im Variantenwörterbuch. Beides sind Schweizer Wörter für „Neugier“, wobei „Gwunder“ wesentlich häufiger zu finden ist bei Google-Schweiz, nämlich 3’280 Mal.

    Zu beiden gibt es auch Adjektive, so heisst „wunderfitzig“, „gwunderfitzig“ oder „gwunderig“ alles „neugierig“ in der Schweiz. Und steckt man seine Nase gwunderig in alle fremden Angelegenheiten, die einen nichts angehen, muss man sehr aufpassen, dadurch nicht zur „Gwundernase“ zu mutieren, für die Deutschen selten auch als „Wundernase“ geschrieben. Da wundert sich die Nase, bis sie wund wird, könnte man meinen.

  • Wunder gibt es immer wieder
  • Sang 1970 die Deutsche Schlagersängerin Katja Ebstein, und produzierte in den Jahren darauf fast selbst ein Wunder, als sie beim (damals noch so benannten) „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ 1970 und 1971 jeweils den dritten Platz belegte! Doch dieses Wunder wurde uns dann doch nicht gewährt. Wir mussten bis 1982 warten, als Nicole am 24. April diesen Wettbewerb erstmals als Deutsche gewann, übrigens damals dicht gefolgt von der Schweiz auf Platz 3 mit „Amour On T’aime“, gesungen von Arlette Zola.

    In dieser Zeit wurde in jedem Land noch von einem „Fachgremium“ die Punkte vergeben, und statt per „TED„, dem Tele-Vote. Das gibt es erst seit 1979. Zuvor liess man bei Spielshows die Zuschauer in einer grossen Stadt alle Stromverbraucher in den Privathaushalten anschalten, um durch den Grad des Anstiegs beim Stromverbrauchs im Elektrizitätswerk den Publikumsfavoriten zu ermitteln. Da nimmt es uns nicht wunder, dass bald darauf die Ölkrise und der Ölpreisschock diesen Unsinn beendeten.

    

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