Ich märte, du märtest… — märten Sie auch gern?
Kurz vor „Ende Jahr 2008“ (in Deutschland wäre das kompliziert das „Jahresende“) lernten wir aus unserer Fachzeitschrift für die moderne Schweizerdeutsche Sprache der Gegenwart wieder ein neues Verb: „Märten“.
Der Discounter Eschenmoser beispielsweise warb in den 70er-Jahren mit dem Slogan: «Wer fröhlich isch, chan au no märte.» Mittlerweile gehört der Elektronik-Fachhändler zum Fust-Center. Trotzdem: Beim gelben Discounter sagt ein Verkäufer zum Thema «Märten» vielsagend: «Fragen darf man immer.»
(Quelle: Tages-Anzeiger 31.12.08 )
„Märten“ kommt von „Markt“, der jedoch in der Schweiz schon mal zum „Märt“ wird. In anderen alemannisch sprechenden Gegenden wie zum Beispiel dem Elsass wird daraus „Märik“. Bekannt z. B. der grosse Weihnachtsmarkt in Strasbourg, der „Christkindelsmärik“, welcher von zig Tausend Franzosen und Deutschen besucht wird.
(Christkindelsmärik in Strasbourg)
Frankreich hat sonst keine grossartige Weihnachtsmarkt-Tradition, und seitdem der TGV von Paris nach Strasbourg nur noch 2 Stunden und 20 Minuten benötigt, geht dort in der „Capitale de Noël“ kurz vor Weihnachten der Punk ab. Alle Hotels sind ausgebucht.
Doch zurück zum Märten: Der Tages-Anzeiger erklärt den Sachverhalten durch den Kontext:
Um die Preise feilscht hier niemand. Der Betrag auf den mit Rotstift beschrifteten Etiketten, so macht es den Eindruck, ist den Zürchern sakrosankt. Was im Souk von Istanbul Pflicht ist, scheint in unseren Breitengraden verpönt: das Märten.
(Quelle: Tages-Anzeiger 31.12.08 )
„Feilschen“ ist gemeint, und schon wieder haben wir ein neues Wort gelernt, welches der Duden nicht kennt. Mal sehen, ob wir da mit dem Wörterbuch der Gebrüder Grimm besser dran sind:
MÄRTEN, die volksmäszige form von Martin; in der formel sanct Märten loben, schmausen, zechen, weil der tag des heil. Martin, 11. november, die zeit festlicher schmäuse war
(Quelle: Grimms Wörterbuch)
Dann müsste ja „schmausen und zechen“ Pflicht sein beim Schlussverkauf! Es folgen etliche Einträge zu „Marter“, doch vom „märten“ im Sinne von „feilschen“ ist nichts zu entdecken. Egal, wenn der Tagi das Wort in diesem Sinne gebraucht, dann ist es Gesetz für uns. Da wird nicht lang gemärtet oder das Hirn gemartet. Merk dir märten!
Januar 15th, 2009 at 10:47
Märten kann man auch in der Schweiz. Die einfachste Art ist: VISA Karte zücken, je nach Bleichheitsgrad des Verkäufers bei Ansicht der Karte, den Rabatt individuell zwischen 5 und 10% festlegen.
Funktioniert.
Januar 15th, 2009 at 14:47
Auch Kinder märten gerne um irgendetwas, meist nicht besonders zur Freude der Eltern. Aber es gibt ihnen Übung.
Januar 15th, 2009 at 15:11
„seitdem der TGV braucht von Paris nach Strasbourg nur noch 2 Stunden und 20 Minuten benötigt“
hier hat es ein Verb zuviel sind vorhanden!
[Antwort Admin: Danke vielmals für den Hinweis vielen Dank]
Januar 15th, 2009 at 15:13
„geht dort in der „Capitale de Noël“ kurz vor Weihnachten der Punk ab“
welcher Punk geht da ab? Diese Redewendung habe ich noch nie gehört.
[Anmerkung: Da geht der Punk ab, da ist der Bär los, da steigt die Party, etc., das sind alles Varianten für „da ist viel los“. ]
Januar 15th, 2009 at 19:46
In Oberhessen heißt es „Määrt“. Vielleicht habe ja Schweizer Wurzeln, von denen ich bisher nichts wusste…
Januar 15th, 2009 at 22:52
mal ne ganz blöde Frage:
muss es nicht heissen: die Disco unter Eschenmoser ? „der“ tönt irgendwie falsch.
Und kennt jemand den Laden? Was spielen die für Musik dort?
Januar 16th, 2009 at 7:31
Hier bin ich auf einen Artikel gestossen, der das Unwohlsein beim „Märten“ bzw. Nichtvorhandensein dieser Geschäftspraktik der meisten Schweizer beschreibt.
http://www.beobachter.ch/geld-sicherheit/anlage/artikel/geiz-ist-geil-allein-es-fehlt-der-wille/
In allen Reiseführern über den Maghreb oder den nahen Osten muss deshalb ausdrücklich eine Passage aufgeführt sein, die sinngemäss darauf hinweist, dass es nichts mehr als Anstand sei, auf dem Zouk die Preise zu verhandeln und auf keinen Fall den erstgenannten/angeschriebenen Preis zu zahlen.
Übrigens darf ich hier wieder mal auf die Tatsache hinweisen, dass beim Suchen nach schweiztypischen Wörtern nach einer ersten unbefriedigenden Suche – z.B. hier in Grimms Wörterbuch unter „märten, Verb“ – immer noch von der Dialektversion auf die vermutete hochdeutsche Schreibweise zurückgerechnet werden muss. Möglicherweise beherrschen dies Alemannisch sprechende etwas besser, wenn es sich um Schweizer Dialektwörter handelt. Hier finde ich es jedoch nicht wirklich schwierig, da schon in der Einleitung die Verwandtschaft „Markt – Märt“ erwähnt wurde. Was findet man also so unter „markten“?
Schaut mal selbst:
http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=markten
aber auch in ebendiesem Grimms Wörterbuch:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB (unter „markten“, insbesondere Sinne 4 und 6)
Und dann plötzlich „gehören“ solche Wörter nicht mehr nur den Schweizern, sondern sind (oder waren) eigentlich dem ganzen deutschen Sprachraum bekannt.
Januar 16th, 2009 at 11:24
@Egon
Der Eschenmoser war ein Discount-Geschäft für Audio. War recht gross und sehr bekannt, aber vermutlich vor deiner Zeit 😉
Januar 17th, 2009 at 2:22
Ein Reservedarsteller soll in den 50/60ern Frau Christie auf einen logischen „Hund“ in der Mausefalle hingewiesen haben. Ich habe das Viecherl aber nicht gefunden.
Dezember 11th, 2012 at 23:09
Hallo, Bonjour à tous !
Lange habe ich nach der Herkunft meines Namens geforscht (halbprofessionell), dann wieder aufgegeben. Und jetzt – durch Zufall finde ich Euren Blog. – C’est formidable !
Meine Familie kommt aus dem Raum Magdeburg. Die Bedeutung des Namens war mir bisher schleierhaft. Danke für die Aufklärung. Und inhaltlich gefällt es mir AUCH noch: Feilschen macht fast überall Spaß, wobei es mir selten auf die Summe ankommt, sondern einfach Freude macht, wenn der Gegenüber mitspielt und wenigstens einen symbolischen Betrag ‚rausrückt.
Guten Abend, allerseits !
Andreas Märten