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Beim Ausstich der Kandidierenden

(reload vom 3.3.06)

  • Ausstich in Aesch
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 16.02.06 über die Gemeinderatswahl in Aesch:

    „Gemeindepräsident Jakob Hofstetter begrüsst die rund vierzig anwesenden Aescherinnen und Aescher und die zum Ausstich erschienenen Kandidierenden Ruth Hofstetter (parteilos) und Roland Helfenberger (SVP), die bei den Gemeinderatswahlen dieselbe Stimmenzahl erreichten.“

    Das aus Aesch nur Aescherinnen und Aescher kommen, klingt logisch und nachvollziehbar, aber was ein „Ausstich“ ist, da müssen wir erst scharf drüber nachdenken.

  • Was ist ein „Ausstich“?
  • In München auf dem Oktoberfest gibt es den „Anstich“, wenn der Bürgermeister das Oktoberfest mit einem lauten „Oozapft iis“ eröffnet. Im Sommer essen wir gern frischen „Bienenstich“, ohne uns dabei von Bienen stechen zu lassen, die sich beim Konditor gern in die süsse Auslage verirren. Beim Skatspielen versucht jeder Spieler einen „Stich zu machen“, und so hiess auch ein Tennisspieler aus Deutschland, Michael Stich, der es 1991 im Wimbledonfinale nicht gegen Boris Becker schaffte, zu einer Zeit, als Roger Federer sich noch nicht einmal richtig für diese Sportart entschieden hatte und lieber Fussball spielte (siehe hier).

    Beim Sport hingegen kann es auch zu einem „Stechen“ kommen, wenn in einem Wettkampf nur noch zwei übrig sind. Ob das Stechen in der Schweiz ein „Ausstich“ ist? Oder ob wir dabei an eifrige Kinder denken müssen, die mit „Ausstecherle“ der Mutti beim Plätzchenbacken helfen wollen?

    Der Duden klärt uns auf:

    Aus|stich, der; -s, -e [zu ausstechen (3)]:
    a) (schweiz.) sportlicher Entscheidungskampf:
    hat der Sieger dieses „Ausstichs“ gleich fünf Begegnungen … auszutragen (NZZ 29. 4. 83, 37); zu einem Ausstich antreten;
    Übertragung: Für die zweite Linie kam es auf dem Parteitag zu einem Ausstich, den der … Gewerbetreibende Ulrich Beutel (57) für sich gewann (NZZ 19. 1. 83, 28);
    b) (bes. schweiz.) das Beste, Schönste seiner Art:
    dieser Wein ist der Ausstich

    Ehrlich gesagt: Die zweite Bedeutung klingt irgendwie verlockender. Bring mir doch noch ne Flasche Ausstich von der Migros mit! Aber das hatten wir ja schon..

  • Kandiert oder kandidierend?
  • In Aesch waren es auch zwei, die da gegeneinander antraten. Wohl mit Puderzucker oder besser Kandiszucker verfeinerte kandierte Früchte, die zwei „Kandidierenden“. Warum die da nicht einfach „Kandidaten“ zu sagen, ist uns schleierhaft.
    Kandieren ist laut Duden:

    kan|die|ren (sw. V.; hat) [frz. candir = einzuckern < ital. candire, zu: candi, Kandis]: mit einer Zuckerlösung überziehen u. dadurch haltbar machen: Zitronenscheiben kandieren; kandierte Früchte.

    und

    kan|di|die|ren (sw. V.; hat):
    sich um etw. bewerben, sich zur Wahl stellen:

    Was hat das alles mit einem Kandidaten zu tun?
    Ganz einfach: candidus heisst „weiss“, wie der weisse Zucker. Und so sah einst auch ein Kandidat aus:

    Kan|di|dat, der; -en, -en [lat. candidatus = weiß Gekleideter (Amtsbewerber, der sich dem Volk in der toga candida, der glänzend weißen Toga, vorstellte), zu: candidus = glänzend, weiß]:

    Dann wurde er mit Fragen bombardiert, manchmal auch mit anderen Sachen, bis die weisse Weste nicht mehr weiss war. Bis ein „Tolgen im Reinheft“ gefunden wurde.

    Was das nun wieder Schönes ist, das klären wir morgen!

    

    4 Responses to “Beim Ausstich der Kandidierenden”

    1. Brun(o)egg Says:

      Ähm,… Tolggen hat zwei G. Im Schweizer Reinheft. Sonst ists ein Toolgen.
      Wird schon noch, lieber Wiese.

      [Anmerkung admin: Danke für den Hinweis. 445 mal Tolggen und 154 mal Tolgen in Google, scheint was dran zu sein. Ich hatte das Wort im Tagi mit einem „g“ gelesen, darum blieb ich bei dieser Schreibweise. Denn wie heisst noch so schön die erste Regel beim Schweizerdeutschen: „Jeder schreibe es wie er will“, und die zweite Regel „Wenn du es als Deutscher schreibst ist es immer falsch“ 🙁 ]

    2. tiis Says:

      Die Regel hat nichts mit Deutschen zu tun und heisst in etwa eher: „Man kann alles so schreiben wie man möchte, aber, so wie ich es schreibe, ist’s eigentlich richtig.“ 😉

    3. AnFra Says:

      …..“Ganz einfach: candidus heisst „weiss“, wie der weisse Zucker.“…..

      Hat mich den ganzen Tag verfolgt. Warum ist der „candidus“ als weißer Anwärter den nun so „süß“ wie Zucker?

      Hier scheinen die Begriffe „kandidieren“, „Kandidat“, „candidus“, „candidatus“, „toga candida“ und „candidus“ sich mit den eingezuckerten Früchten / Begriffen „kandieren“, „Kandis“, „candir“ und „candire“ eine schwere Wortschlacht geführt zu haben und beide Parteien sind auf dem Feld der Verwirrungen liegen geblieben!

      Denn beim „Kandidat“ als „reiner, unbefleckter und naiver“ Amtsanwärter ist m. E. die „weiße“ Kleidung so gesehen zu respektieren!

      Aber beim „Kandis“ lege ich ein Veto ein, denn die etymologische und hermeneutische Herkunft deutet in eine total andere Richtung, in die der mit einer „süßen“ Eigenschaft.

      Beim „Kandis“ ist m. E. die franz. Ableitung „candir“ und bei der iltal. „candire“ für „einzuckern (hier eigentlich: kandieren)“ i. O. Eine alt-lat. Ableitung kann nicht vorliegen, da wohl erst nach der arab.-europ. Begegnung nach dem 8. JH bzw. eventuell sogar erst bei den Kreuzzügen ab den 12. JH diese Einzuckerungstechnik in Europa bekannt wurde. Die arab.-sizialianische Situation wird wg. der notwendigen Vereinfachung unterschlagen.
      Die Araber haben sicherlich auch eine gut funktionierende „Kandis“-Quelle in Ägypten gefunden.
      Die ältere Basis hierzu muss man jedoch in Indien suchen. Denn von dort aus ist die mögliche und ursächliche Quelle im indischen / hinterindischen Umfeld zu finden.

      Also wird auch die Quelle des Namens für diesen „Kandis“ von dort kommen, da man die Grundpflanzen dort angebaut, verarbeitet und sicherlich einen goldene Nase im Handel mit dieser „süßen Droge“ verdient hat. Gefühlsmäßig mit Renditen wie im Jahre 2.008 in Afghanistan mit dem „weißen Pulver“.
      Wenn man also „Kandis“ untersucht, kommt man auf die voreuropäische arabische Quelle: „qandi“ für „gezuckert“, diese aus arab. „qand“ für „Rohrzucker“. Da die Araber auch eigentlich Zuckerübernehmer sind, ist mit absoluter Sicherheit auch der Begriff von einer anderen Sprache übernommen worden!
      Der m. E. aus der indischen Sprache „Sanskrit“, die zu der indo-europäischen (indo-germanischen) Sprachenfamilien gezählt wird. Da derzeitig kein Zugang zum Sanskrit vorliegt, wurde deshalb Hilfsweise das „Hindi“ verwendet, welches stark auf dem Sanskrit beruht.
      Der tel. Anruf bei einer promovierten indische-hindischen Beraterin für indisch-deutsche interkulturellen Beziehungen ergab: In Hindi lautet die Bezeichnung (hier in engl. Diktion geschrieben) für „Zuckerrohr“ = „ganna“.
      Aufgrund der ähnlichen Benennung und des selben Sinninhaltes kann man sicherlich sagen: „Zuckerrohr“ und „süß“ sind ein Synonym.

      Demzufolge ist der lat. Dienstanwärter „candidus“ immer „weiß“ gekleidet und verstreut Wahl-„Kandis“ als „süße“ Versprechungen, welche jedoch so aber eigentlich nicht möglich gewesen sind, da das Produkt „qandi, Kandis“ mindestens 500 Jahre später in Europa angekommen ist.

      Ergo: „Candidus“ ungleich „Kandis“!

    4. David Says:

      «Kandidierende» ist die geschlechtsneutrale Form von «Kandidaten», wie «Studierende» usw.