Was ist ein Küchenkasten? — Rätsel um ein Schweizerdeutsches Wort
Ja, wir haben es jetzt begriffen: Chuchichäschtli oder Chochichäschtli oder Kuchikäschtli ist eine „Küchenkasten“, versteht doch jeder. Aber was um alles in der Welt ist ein „Küchenkasten“?
Wir sind erstaunt, was uns unser Duden zum Kasten alles ausspuckt:
Kasten, der; -s, Kästen, selten auch: – [mhd. kaste, ahd. kasto, wahrsch. verw. mit Kar]:
1. rechteckiger, aus Holz od. einem anderen festen Material hergestellter [verschließbarer] Behälter zum Aufnehmen od. Aufbewahren von etw.:
ein hölzerner K.; ein K. aus Blech, für die Asche; der K. steht offen, ist verschlossen.
Im Standarddeutschen selten gebräuchlich, häufig durch „Kiste“ ersetzt. Seit es keine Kohleöfen mehr gibt, sind auch die „Aschenkästen“ selten geworden.
2. zum Transport von Flaschen vorgesehener, in einzelne Fächer unterteilter offener Behälter:
Kästen mit Bier und Limonade; ein K. Limonade; ein K. bayerisches Bier; mit zwei Kästen bayerischem Bier/(geh.:) bayerischen Biers.
Die wichtigste Form von Kasten, finden wir, in der Schweiz komplett durch „Harasse“ ersetzt. (vgl. Blogwiese).
3. kurz für Aushängekasten, Schaukasten:
Vor dem Filmpalast sah sich Jenny Bilder an … Wir schauten Bilder in einem anderen K. an (Grass, Hundejahre 276); im K. hängen (landsch.; [vom Aufgebot 2] im Aushängekasten hängen, um öffentlich bekannt gemacht zu werden).
Schaukasten ist in der Schweiz garantiert nur als „Vitrine“ bekannt, klingt so wunderbar eingedeutscht von Campe 1871.
4. (ugs.) kurz für Briefkasten:
der K. wird morgen früh geleert; einen Brief in den K. stecken, werfen, zum K. bringen.
Spricht den wirklich jemand „ugs“ = Umgangssprache in Deutschland? Ich dachte, die sind alle mit poliertem und gestochenem Hochdeutsch völlig ausgelastet?
5. (landsch.) kurz für Schubkasten:
den Kasten herausziehen.
Gibt es unter den wenigsten Betten von Ikea, und wenn, dann heissen die „Schublade“.
6. (ugs. abwertend)
a) großes, unschönes Gebäude:
Das Hotel, in dem wir frühstückten, war ein pompöser alter Kasten (Koeppen, Rußland 121);
b) großes, unförmiges, meist altes Verkehrsmittel:
zwei Fahrzeuge, von denen das eine … ein schwerfälliger alter Kasten aus Reichswehrzeiten … war (Kuby, Sieg 20); Die Tirpitz war das Gespött der Stralsunder … Es roch ziemlich muffig in diesem alten Kasten (Fallada, Herr 51).
Als „Kastenwagen“ selten im Einsatz:
7. kastenförmiger Aufsatz auf dem Fahrgestell bestimmter Kraftfahrzeuge u. Pferdewagen.
8. (ugs. abwertend) kastenförmiges, meist größeres Gerät (z. B. Radio, Fernsehapparat, Kamera o. Ä.):
mach doch endlich den K. aus!; Mein Klavier habe ich verkauft … Der alte Kasten hat hundert Mark eingebracht (Remarque, Obelisk 343); Wir haben die Aufnahmen ja schon im K. (Hörzu 9, 1973, 124).
Eine Aufnahme „im Kasten“ haben ist gebräuchlich, obwohl die zeitgenössische Antwort lauten müsste. „Habe ich schon gespeichert“ oder „schon auf der Festplatte“.
9. (südd., österr., schweiz.) Schrank:
hohe Kasten mit vielen flachen Schubfächern und beschriebenen Zetteln standen in seinem Zimmer (Musil, Mann 342); Waltner macht Ihnen alle Kästen …, denn Waltner ist nicht nur Möbelhändler, sondern auch Möbelerzeuger (Vorarlberger Nachr. 22. 11. 68, 3).
Damit klärt sich das Rätsel um den „Küchenkasten“. Nur in Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz ist das Wort als Synonym für „Schrank“ gebräuchlich. Im Norden kennt das wieder kein Schwein.
Wenn im Norden von Deutschland ein „Kasten“ erwähnt wird, dann meistens, weil man etwas drauf hat:
14. * etw. auf dem Kasten haben (ugs.; intelligent, befähigt sein; wohl in Anspielung auf den Kopf als Kasten, in dem der Verstand sitzt, vgl. Gehirnkasten).
(Alle Zitate aus duden.de)
Und schliesslich ist da noch unser geliebtes „Chochichästli-Orakel„, mit dem sich die Herkunft eines jeden Schweizers genau bestimmen lässt:
August 18th, 2006 at 8:49
und nun setzen wir noch eins drauf:)
In BE wird Schrank zu Schaft also, CHUCHISCHAFT oder manchmal auch
Gänterli,e.g. Chuchigänterli uuuuuuund der untere Teil eines Briefkastens ( für Pakete) heisst hier Miuchchaste:) od. Müuchchästli etc.
Dies weil man früher ( so wie immer noch in England) Milch direkt vom Milchmann an die Haustür geliefert bekam ,daher auch der Ausdruck Milchbüechli,besagtes legte man mit der Bestellung in den Milchkasten, wo der Milchmann dann, wenn man abwesend war die Ware deponierte und das Büchlein gegenzeichnete.
August 18th, 2006 at 9:34
U ds Bier vor Braui treit me nid imne Harass hei, sondern imne Gascho.
August 18th, 2006 at 10:08
Dann gäbe es noch der „Hohe Kasten“. Der hat aber nichts mit einem Schrank oder Behältnis zu tun. Es ist ein Berg im Appenzellerland. Siehe http://www.hoherkasten.ch/
August 18th, 2006 at 10:09
zu Sylvs Kommentar
Gerade eben wollte ich etwa dasselbe schreiben, dann war dein Kommentar aufgeschaltet:
Eigentlich würde ich das „Chuchichästli“ sowieso „Chuchischäftli“ nennen. Ein „Schaft“ ist nämlich nebst allen anderen Bedeutungen dieses Wortes ein „Schrank“ oder eben „Kasten“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schaft
Zu Urzeiten der Blogwiese wurde schon mal über „s’Müuchchäschtli“ (SO-Dialekt; „SO-Süd“ für Schwarzbueb) geschreiben:
http://www.blogwiese.ch/archives/24
und in einem Kommentar hier:
http://www.blogwiese.ch/archives/186
August 18th, 2006 at 11:45
@ Phipu,merci viumau muess äuä mau einisch ids archiv go stöbere:)
Noch was wegen Milchbuechli, im Strassenverkehr;
Wenn der Vordermann megadoof fährt 🙂 hört man nicht selten den Ausruf: ‚Dä het doch ds Billiet mit em Milchbüechli gmacht !‘
Ich habe da schon so meine Idee wo das her kommen könnte,doch weiss jemand der ‚Eingeborenen‘ genaueres?
August 18th, 2006 at 13:15
an Sylv
Gern geschehen. Ich werde mich jedoch weigern, alle Blogwiesen-Einträge heruszusuchen, wo „Chochichäschtli/Chuchichästli/Küchenkasten/Kuchenkasse“ erwähnt wird. Darüber wurde hier einfach schon „zuviel“ geschrieben.
August 18th, 2006 at 15:55
Hoch lebe das schweizerische Kastenwesen!
August 18th, 2006 at 16:44
Ein Kasten(en rächte Chaschte) kann auch ein vierschrötiger Mann also Typ Kugelstösser, Speer- oder Hammerwerfer!
August 18th, 2006 at 18:08
Das ist wieder mal ein Wort wo ich als Österreicher nicht eine Sekunde nachdenken musste 🙂 Wir sagen halt „Küch:n-kastl“.
Dafür klingen ein Kasten oder eine Harasse Bier in meinen Ohren noch immer gewöhnungsbedürftig – was gäb‘ ich jetzt für eine Kiste Stiegl-Bier!
Gibt es eigentlich so ein Wort mit dem Deutsche rausfiltern können ob jemand Deutscher ist – also a la Chuchichäschtli oder Oachkatzlschwoaf (Eichkätzchenschweif, obwohl das geht wohl für deutschsprachige Schweizer u Bayern ganz gut).
Schönen Abend
Peter
p.s.: Sagt man in D eigentlich „schöne Grüsse“? Ich werde hier in Basel oft darauf hingewiesen, dass es nur „liebe Grüsse“ etc gibt aber keine schönen Grüsse 🙂
August 18th, 2006 at 22:18
No öppis zum Harass: Der kommt ja aus dem Alemannischen, hat, wenn ich mich recht erinnere, was mit umzäunen und Grenzen zu tun und hat auf kompliziertem Weg den Weg ins Amerikanische geschafft: Harassment.
August 19th, 2006 at 23:17
es gibt sehr wohl wörter, die darauf hinweisen, dass jemand aus deutschland kommt. die sprachwissenschaft nennt sie sinnigerweise teutonismen. deutsche selber wissen jedoch nicht, dass es sich bei den wörtern um typische wörter ihres eigenen sprachgebrauchs handelt. es sind eher die anderen, die sie erkennen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Teutonismus_(Sprache)
klausi
August 22nd, 2006 at 18:53
an Klaus
Tja und welche Wörter sind denn nun Teutonismen? Bin neugierig?
Schönen Gruss 🙂
Sylvie
August 23rd, 2006 at 21:54
an Sylvie
z.B. die hier erwähnten:
(hier klicken:
http://de.wikipedia.org/wiki/Teutonismus_%28Sprache%29
und dann herunterscrollen)
Die Liste für mich genau so lehrreich wie Sites mit Schweizer Wörtern für Deutsche.
August 29th, 2006 at 14:59
an Phipu
Hey, vielen Dank. Mein obiger Eintrag war der Erste, als ich diesen sehr spannenden Block entdeckte. Seit Tagen lese ich fleissig mit und freue mich von Dir eine lehrreiche Information erhalten zu haben.
Überhaupt ist hier von spannend über interessant bis witzig offenbar alles vertreten.
Schön, dass man hier in Ruhe und mit Schmunzeln erfahren kann, wie am besten „aufzutreten“ ist als Deutsche in der Schweiz, auch wenn vom Naturell nicht immer einfach fällt! 🙂
Wir Teutonen sind nunmal etwas lauter und präsenter, aber das macht uns ja nicht gleich böse. Es ist schwer den inneren Winkinger abzulegen
Ganz liebe Grüsse an alle
Sylvie
November 10th, 2006 at 21:45
Was ist ein Küchenkasten? Was ist ein Chochichästli-Orakel? Was ist ein Küchenkastenorakel?
Das Chochichästli-Orakel ist ein Test, der Dir sagt, in welcher Ortschaft Du aufgewachsen bist. In Kilchberg oder im 8 km entfernten Horgen. Oder in Sargans oder in Biel oder in Amriswil.
Und so geht der Test: Übersetze 10 Testwörter in Deine Mundart. Die 10 Testwörter heissen Hand – nicht – heute – Fenster – gestern – Abend – gehorchen – Mond – Jeweils – Holzsplitter. Das Orakel verrät Dir nun, welche Mundart Du sprichst.
Funktioniert das Orakel wohl auch für eine Deutsche, die in der Schweiz wohnt? Kann das Orakel herausfinden, in welcher Ortschaft sie versuchte, unsere Mundart zu lernen? Ausprobieren! Mit der Webseite http://dialects.from.ch/
[Anmerkung Admin: Danke für den Hinweis, aber dieser Link ist seit Beginn der Blogwiese rechts unter “Schweizerdeutsch” an erster Stelle zu finden]