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Was machen die Berner im Zürcher Unterland? Einen Verein gründen.

(reload vom 20.2.08)

  • Es ist immer ein weiter Weg bis nach Bern
  • Die Schweiz ist ein ziemlich grosses Land. Vom nördlichen Grenzübergang bei Basel bis zur italienischen Grenze bei Chiasso sind es 286 Km, was laut unserem Routenplaner 2h 50 min Fahrt bedeutet. Knapp 85 Minuten braucht man von Bülach im Zürcher Unterland bis nach Bern, denn das sind immerhin 138 Km. Eine ziemlich weite Strecke in diesem grossen Land. So weit, dass es für die Berner, die es aus beruflichen oder privaten Gründen ins Zürcher Unterland verschlagen hat, als Grund genügt, hier einen Heimatverein zu gründen:

    Im Januar 1946 war es soweit. In Bülach wurde von einer stattlichen Anzahl „Heimweh-Bernern“ der Bernerverein Zürcher Unterland aus der Taufe gehoben. Gemäss den damaligen wie auch den heutigen Statuten bezweckt er „die Erhaltung und Förderung der bernischen Eigenart der im Zürcher Unterland niedergelassenen Bernerinnen und Berner. Neben der Pflege der Freundschaft und der Geselligkeit wünscht der Verein mit den in seiner Umgebung wohnenden Landsleuten auch das bernische Brauchtum zu pflegen. Mitglied des Vereins können Personen mit bernischem Heimatort werden. Es können auch Personen ohne bernisches Bürgerrecht, die den kameradschaftlichen Bestrebungen förderlich sind und sich dem bernischen Brauchtum verbunden fühlen, in den Verein aufgenommen werden.“
    (Quelle: bvzu.ch)

    Ob die auch Kurse in Bärntütsch anbieten für die sprachlich unbeholfenen Zürcher?
    Wenn Sprachkurse auf Bärntütsch, dann nur in gesungener und gejodelter Form:

    Unsere Aktivmitglieder singen und jodeln in einem Gemischten Jodelchor, spielen in der Theatergruppe, musizieren in der Örgeligruppe und fahren Velo und Töff in der Velo- und Motogruppe.

    Der Vereinspräsident heisst Fredy Lehmann. Sein Verein feiert gerade das 60jähriges Bestehen mit den 400 Mitgliedern. Über diese sagt Lehmann in einem Interview mit dem Zürcher Unterländer:

    „Wir sind es uns noch gewohnt, die Leute auf der Strasse zu grüssen. Hin und wieder werden wir deshalb schräg angeschaut. Scheinbar ist man sich das hier nicht gewohnt, besonders nicht die Jüngeren.
    (Quelle: Zürcher Unterländer vom 2.2.06, S.3)

    Wow! Diese reflexive Rückbezüglichkeit in der Form „es sich gewohnt sein“ beeindruckt unser verkümmertes norddeutsches Grammatikverständnis. Dabei dachten wir bisher immer, die Schweizer hätten die reflexive „Sich-Form“ abgeschafft! Wie in „das Wetter ändert“ statt „das Wetter ändert sich“ oder „das rentiert“ an Stelle von „das rentiert sich“.

    Offenbar ist das im Berndeutschen ganz anders. „Scheinbar ist man sich das hier noch gewohnt“.

  • Grüssen auf der Strasse
  • Stichwort „Grüssen auf der Strasse„: Wenn es danach geht, ist Bülach ein Dorf voller Berner, denn ausser „Downtown“ im Städle oder an sehr belebten Plätzen (wo man aus dem Grüezi sagen gar nicht mehr herauskommen würde), wird in jeder einsamen Wohnstrasse fleissig gegrüsst. Und wer nicht mitgrüsst, wird skeptisch angeschaut. Begegnen sich zwei Bülacher abends in der Innenstadt, kurz vor dem Hochklappen der Bürgersteige, grüssen sie sich selbstverständlich, ganz unabhängig davon, ob sie nun aus Bern stammen oder nicht.

  • Bratpfannen und Kaffeemaschine mieten
  • Was machen die Berner im Unterland sonst noch so? Nun, sie sind sehr geschäftstüchtig und halten mit ihren Dienstleistungen und Angeboten nicht hinter dem Berg:

    Organisieren Sie hie und da ein Fest? Benötigen Sie dazu ein Festzelt (max. 100 Personen), eine Kaffeemaschine oder eine Bratpfanne (Durchmesser 90 cm, mit Gasbrenner)? Sie können alles bei uns mieten! Wir singen, jodeln und örgelen auch für Sie!
    (Quelle: bvzu.ch)

    Ob die 100 Personen im Festzelt gleich mitgemietet werden können? Ach, und das hier keine Missverständnisse bei den Deutschen Lesern aufkommen: Wenn die Berner „örgelen“, dann hat das nichts mit „nörgeln“ zu tun, sondern dann spielen sie auf der Handorgel, das ist in der Schweiz ein Akkordeon.

    Morgen gehts weiter mit den Bernern in Zürich!

    

    9 Responses to “Was machen die Berner im Zürcher Unterland? Einen Verein gründen.”

    1. Oliver Says:

      Berntütsch? Oder eher Berndütsch? Gestern hiess es auf einer Konferenz, „Ja“ heisse auf Berndütsch „You“. Hat was. „You“ oder „ju“. Jau!

    2. Dave Says:

      „Berndeutsch“ wird auf berndeutsch üblicherweise „bärndütsch“ geschrieben, aber der Übergang vom unaspirierten „d“ zum unaspirierten „t“ ist wohl fliessend, und so könnte mit einer Zürcher Aussprachen schon auch mal ein „bärntütsch“ dabei rauskommen.

      „Ja“ heisst auf bärndütsch aber ganz sicher „ja“. „Jou“ als umgangssprachliche Alternative findet man meines Wissens nach in verschiedenen Sprachregionen (eventuell auch über die Grenzen der Schweiz hinaus?).

    3. Gery us Büüli Says:

      Auso ig be ke Bärner, aber ig finge d Bärner viu fründlecher u ig be gäng gern im Bärnbiet. U das als waschechte Zürcher. I gloube de Verein het de scho sini Berechtigung, we mer mau im Bärnbiet isch gsii, versteiht mer wieso.
      Aber was mi de na stört i dem Biitrag isch folgendes: Es Akkordeon und es Handörgeli isch de NIEMALS ds gliiche. Nur rein vom Prinzip her viellicht, aber es Örgeli isch chlinner und het weniger Taste.

      Nur so rein informativ….

    4. Pesche Says:

      Uf Bärndütsch heisst Ja „Jeu“. (jede Buechstabe muess einzeln eso gläse wärde wiener da steit). Es git nid nume Bärner im Zürcher Ungerland. O z Russike, im Züri Oberland, wonig sit guet zwöine Jahr wohne hets ussert mir o no angeri. I wott jitz nid grad säge, dass mir üs wie Entwickligshäufer vorchöme. Aber i teeune Läde wüsse si doch scho, was mer meine, we mer es ruuchs Haupfünderli bschteue. Hingäge mit em Wort „Mütschli“ bini bis jitz no nid düretrunge. U dass es Schtäckebrot a beidne Aendine e Mürggu het isch hieume o no nid bekannt. Exggüsee bi aune Dütsche, dass sie viellecht nid grad ganz aus verschtange hei.

    5. Helza Says:

      Für alle Nicht-Berner: Es gibt auch im Berndeutsch verschiedene Färbungen, je nachdem ob man sich im Oberland, im Emmental, in der Stadt Bern selber (die halten ihr erndeutsch für besonders vornehm) oder im Seeland befindet. Ja wird als Ja mit langem und kurzem a aber auch Jo mit längerem oder ganz knappem o ausgesprochen. Das selbe gilt auch für Zürichdeutsch, da gibt es den Unter-, den Oberländer und den Stadtzürcher Dialekt. Auch in schriftlicher Form. Ist doch schön! Und was Pesche (Berndeutsch für Peter) anspricht, gehört auch zum Sprachkulturgut: die verschiedenen Namen für diverse Brotsorten. Das ist Heimat pur. Bernervereine gibt es in der ganzen Schweiz und in aller Welt, was ein echter Berner ist, der hält an seiner Kultur fest undpflegt sie, ohne sich abzukapseln. Ein Akkordeon ist übrigens eine Handorgel, ein Örgeli ist kleiner, mit viel weniger, meistens in einer runden oder achteckigen Form angeordneten Tasten, während das Akkordeon klavierartige Tasten hat. Ich glaube in Deutschland nennt man das Fisharmonika oder so ähnlich. Tönt auf jeden Fall allerliebst und es gibt eigens für Schwyzerörgeli komponierte Musikstücke. Diese Schwyzerörgeli werden heute noch von ein paar Handwerkern gebaut und zu stolzen Preisen verkauft. Auch sie gehören zum Schweizer Kulturgut, etwa wie das Alphorn. Aber das wäre jetzt schon wieder eine andere Geschichte.

    6. Giorgio Girardet Says:

      Vielleicht gründen ja bald die Deutschen in der Schweiz Heimatvereine. Das wäre ja schön. 1870 als der Deutsch/Französische Krieg ausbrach feierten die Deutschen Heimatvereine in Zürich: das gab ne wüste Keilerei bei der Tonhalle. Deutsche, die eine Heimat hätten, wären ja irgendwie sympathisch. Das Problem der Deutschen der Jetztzeit ist ja, dass sie eine Art heruntergewirtschaftete amerikanische Kolonie sind und ihr ganzer stolz darin besteht Firguren wie Harald Schmidt und Atze (wie hiess noch dieser Proll?) hervorzubringen. Da verwundert es nicht, dass einem Deutschen die Heimatseligkeit der Berner befremdet. Die Berner Fahne ist wohl auch diejenige Kantonsfahne, die am häufigsten ausserhalb des Kantonsgebiets gehisst wird. Wozu ich aber nicht raten möchte: dass die Deutschen nun dazu übergingen schwarz-rot-gold hier zu hissen: dies mögen sie unterlassen.

    7. Guggeere Says:

      Diese Kantonal-Heimatvereine mögen vielleicht ein etwas verstaubtes Image haben, ich finde sie aber durchaus sympathisch. Sie können für «Binnenwanderer» sehr wichtig sein, wenn sie sich am neuen Ort zurechtfinden müssen – im Grunde nicht anders als die diversen Ausländervereine. In meiner sehr ländlichen Gegend gibts immerhin einen Bernerverein, einen Appenzellerverein und sogar eine Uniun Romontscha. In Städten wie Zürich oder Bern gibts solche Heimwehvereine wohl zu Dutzenden. Sie sind einfach ein Abbild der kleinräumigen Strukturen in der Schweiz und nicht zuletzt Medizin gegen die «maladie suisse», die Schweizer Krankheit, auch Heimweh genannt.
      Kennt man solche Binnenwanderer-Heimatvereine in Deutschland auch? Die Wanderbewegung innerhalb Deutschlands war ja in den letzten 60 Jahren ungleich grösser als hier.

      @ Giorgio Girardet
      Das war deutlich unter der Gürtellinie.

    8. ändu Says:

      Nun, so wie man kulturellen Reichtum schlecht im Kilometerentfernungen abschätzen kann, kann man auch die Güte der Machwerke einiger Autoren schlecht in Zeilen bemessen.

    9. AnFra Says:

      @ Giorgio Girardet

      Armer Giogio, hast wohl wieder mal nen heftigen Albtraum gehabt, dass die Schweiz eine Art heruntergewirtschaftete deutsche Kolonie ist und ihr ganzer Stolz darin besteht, Figuren wie Steinberger und Blocher hervorzubringen.

      Da verwundert es nicht, dass einigen Schweizern dieser Albtraum der sehr schweren Art der Megalomania helvertica schwer auf der Brust zu liegen kommt.