Für die Messe bitte zu Tisch — Tischmessen in der Schweiz
(reload vom 26.01.06)
Zunächst mal sicherlich eine absolut typisch Schweizerische Angelegenheit, wie der Link-Vergleich zwischen Google-Deutschland und Google-Schweiz belegt. Für uns alte Protestanten aus dem Norden hat „Messe“ immer was mit der katholischen Kirche zu tun:
Heilige Messe ist der in der römisch-katholischen und vielen von ihr abstammenden Kirchen gebräuchliche Name für den die Wortverkündigung und Eucharistiefeier umfassenden Gottesdienst (Quelle Wiki).
Aber seit wir im Süden leben, lernten wir, dass der „Messeplatz“ in Freiburg im Breisgau nicht für Gottesdienste sondern für die „Herbstmesse“ = ein Volksfest mit Kirmes (=Kirchen-Messe) genutzt wird. Eine Messe ist natürlich auch eine Verkaufsveranstaltung, kennt jeder von der „Leipziger Messe“.
Und wie passt das alles mit Tisch zusammen? Das Verlesen der Messe bei Tisch durch strenggläubige katholische Schweizer? So eine Art geistliches Wort vor dem zu Tisch gehen? Oder feiert man eine Art Mini-Kirmes bei Tisch? Es gibt ja auch „Tischfeuerwerk“, warum sollte eine Tischkirmes dann nicht auch möglich sein? Weit gefehlt! Wir finden die Antwort auf der Homepage der TischmesseSchweiz.
Die TischmesseSchweiz ist ein Kontakt- und Informationsforum für Unternehmen aus allen Branchen. Als interaktive Business-to-Business Verkaufs- und Präsentationsplattform eröffnet sie innovativen Unternehmen neue Kontakte und Geschäftsmöglichkeiten. Im benachbarten Ausland bewähren sich Tischmessen als wirtschaftliches Instrument für den Aufbau und zur Erweiterung des Netzwerkes seit Jahren. Auf einem oder mehreren genormten Tischen präsentieren die Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen und profitieren dadurch von geringen Kosten und einem minimalen Aufwand.
Quelle:
So kann das dann aussehen:
Es braucht wenig Platz, ist billig, und man lernt sich kennen dabei. Das muss eine echte Schweizer Erfindung sein, vor allem die Sache mit dem geringen Platzbedarf. Also können Sie ruhig alle nach Jona kommen, Sie müssen nicht katholisch sein und voll wird es sicher nicht dort. Wir sagen dann: „Bitte zu Tisch!“
Ach übrigens, wenn wir grade schon beim Thema „Tisch“ sind: Wussten Sie schon, wie die Schweizer für „den Tisch decken“ sagen? Steht sogar im Duden:
tischen (sw. V.; hat) [zu Tisch] (veraltet, noch schweiz.):
den Tisch für das Essen vorbereiten, decken:
Und wieder haben wir es Schwarz auf Weiss im Duden: „Veraltet, noch schweizerisch„. Während der restliche Deutsche Sprachraum dieses Wort nicht mehr kennt, es veraltet ist, wird es in der Schweiz noch verwendet. Lang lebe der konservative Sprachgebrauch der Schweizer!
Oktober 20th, 2008 at 14:02
Wissen Sie was ein „Tischtisch“ ist?
Da will uns Hr. Wiese wohl einen tautologischen Pleonasmus unterschieben.
Fast wie vor einigen Tagen mit der Mama / Mutter. Auch diese sind „Derivate“ (hier die guten!) der Urform für die weibl. Brust: Also ist Mama = Ma-Ma = „Ma“ für die Brust. Merke: „Ma-Ma= Doppelt schmeckt besser“!
Bei der „Tischmesse“ treibt der Pleonasmus (Tautologie) wunderbare Triebe, denn:
„Tisch“= mhd. „tis(ch), ahd. „tisc, disc“ aus lat. „discus“ und grieh. „diskos“ für Teller, Scheibe, sportl. Wurfscheibe / Diskus. Als eine Ableitung aus Latein für irdene Essgerätschaften, welche dann später den Begriff auf die Unterlage dieser Essgerätschaften, also den „Tisch“ überführt.
„Messe“ (hier: Waren- und Jahrmarkt, Kirchmess / Kirmess)= ab Mittelalter Begriff für Waren- und Verkaufveranstaltungen. Hierbei wurden die Waren (Gewürze, Schmuck, Stoffe und Geld) auf „Tischen“ angeboten. Große Waren wie Holz, Metalle und Großgerätschaften wurden am „Stock“ (Stapel- und/oder Lagerplatz) dargeboten.
Da im Mittelalter die Handelsmessen immer an kirchl. Feiertagen durchgeführt wurden, sollte trotzdem hierbei berücksichtigt werden: Der Begriff „Messe“ = kirchl.-liturg. Feier (Opferfeier / Hochamt) wirkt bei der Namensgebung sicherlich stark ein.
Da der „Tisch“ neben der lat.-grieh. Ableitung auch eine weitere indo-germ.-(europ.) Urquelle besitzt, schein wieder einmal ein weiterer Benennung für das gleiche Ding aufgetaucht zu sein. Im Gotischen gibt es einen Begriff „mes“ für den Tisch. Zuvor gab es den agerm.-nord. Begriff „biuths“ und agerm, „beod“ und anord. „piot, beot, biet“ für den Tisch. Durch die Verschiebung von „p, b“ zu „m“ wie z. B. bei den Begriffen „Alp, Alb“ zu „Alm“ sowie „i“ zu „e“ und „t“ zu „s“ entstand dieses „mes“ als Begriff für einen Gegenstand an religiösen Opferorten, auf welchen man die Opfergaben legte, also den Opfer-„Tisch“. Der Altar ist die Fortentwicklung dieser Bräuche.
In der weiteren indo.-europ. Verwandtschaft gibt es im Latein die Bezeichnung „mensa“ für Tisch. Heutig: „Mensa“ ist ein studt. Speiseraum mit Tischen. Also ist hier eindeutig der Bezug zum Tische gegeben.
In den USA gibt es z.B. der „Mesa Verde“, den grünen Tafel-Berg (Tafel = Tisch).
Also in Wirklichkeit wieder so ne sprachliche Verwirrung mit den Begriffen „Tischmesse bzw. Tischtisch“.
😉
Oktober 20th, 2008 at 16:51
Tischen für den Tisch decken ist wirklich total veraltet. Wer sagt sowas noch? Ausser „Den hab ich abgetischt“, geschlagen, fertig gemacht. Aber auch das ist eher „jenseitig“ heute.
Oktober 20th, 2008 at 17:04
Also in der Gastronomie ist das noch gang und gäbe. da sagt mal heute noch uuftische, bzw abtische.. (also tische decken bzw tische abräumen. )
wieso zwei worte verwenden, wenn es auch mir einem geht. Die Deutschen sind mal wieder so was von kompliziert. hehehehehe…
Oktober 20th, 2008 at 17:06
ach und übrigens… man möge mir meine Tippfehler verzeihen…
Oktober 20th, 2008 at 20:53
@Brun(o)egg
Un so ein Blech aufzutischen.
Tischen ist duchaus noch im Gebrauch. Bei uns mindestens 1x täglich.
Oktober 21st, 2008 at 11:21
Hier etwas zum „Sprachproblem“ von heute Dienstag, 21.10.
SPERRFRIST 1900 / Vielsprachige Schweiz: „Do you speak Swiss?“ / Forschungsprogramm zeigt Chancen und Probleme auf
Bern (sda) Mit der Veranstaltungsreihe „Do you speak Swiss?“
gibt der Nationalfonds Einblick in das Forschungsprogramm
„Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz“. Der erste
Anlass galt dem Zusammenspiel von Dialekt und Hochdeutsch.
Unter dem provokativen Titel „Können Deutschschweizer überhaupt Deutsch?“ untersuchten die Professoren Walter Haas und Helen Christen von der Universität Freiburg am Dienstagabend im Berner Käfigturm die Frage „Wann sprechen Deutschschweizer Hochdeutsch – und wie gut?“ Eröffnet wurde die mehrwöchige Vortragsreihe von Bundeskanzlerin Corina Casanova.
Bis zum 16. Dezember finden im Politforum Käfigturm weitere Vorträge und Diskussionen zu Themen wie dem mehrsprachigen Mit- und Nebeneinander im Militärdienst oder in der Fussballnati statt. Auch die Sprachförderung im Vorschulalter wird unter die Lupe genommen.
Die Viersprachigkeit der Schweiz, die längst zur Vielsprachigkeit geworden sei, werfe zwar für Schule und Gesellschaft Probleme auf, sei aber in erster Linie ein „sprachliches Kapital“, finden die Beteiligten am Forschungsprogramm. Die internationalen Verflechtungen machten nämlich Sprachkenntnisse nötiger denn je.
Das Forschungsprogramm geht auch Fragen nach wie dem Nutzen, den die Mehrsprachigkeit für ein Unternehmen oder für die eigene Karriere hat. Es verknüpft die gewonnenen Einsichten mit dem Schweizer Alltag, vor allem in Schule, Beruf und Privatleben. Die Veranstaltungsreihe gibt Einblick in diese Arbeit.
(Notiz: Mehr zum Programm unter http://www.nfp56.ch)
Oktober 21st, 2008 at 18:10
Ich tische, ruume de Tisch aab, isse vil z schpaat Znacht – wo me doch öppe-n-am halbi Sibni sött chöne häresitze – und gaane meischtens ersch öppe-n-am Zwei it Chlappe. Drum bini meischtens zimmli müed am Morge und lääre schtatt Zmorge nu en Kafi abe. Dänn mueni au nöd tische.
Oktober 22nd, 2008 at 9:42
Na klar, jetzt verstehe ich immer wieso in der Disko in Zürich um halb eins das Licht angeht: Alle müssen nach Hause, schlafen gehn!
Oktober 22nd, 2008 at 11:46
Tischen ist hierzulande absolut nicht veraltet. Höchstens vielleicht bei jenen Leuten, die nicht mehr am Tisch essen, sondern sich stehend am Kühlschrank oder auf dem Sofa liegend verpflegen. Es lebe die kultivierte Lebensart, es werde auf- und abgetischt. Ob es den Deutschen nun passt, ist nicht so wichtig, sie scheinen sich wohl eher am Currywurststand stehend zu verköstigen.
Oktober 22nd, 2008 at 16:18
@ Ein Zürcher: Immer langsam mit den jungen Pferden. Im Süden und Südwesten Deutschlands sagt kein Mensch „Abendbrot“. Dort heisst das „Nachtessen“. Und wenn’s um die Zeit geht, zu der in D oder der CH eben z’nacht gessen wird, seh ich da die Schweizer eher früher am Tisch sitzen. Zumindest in Landgegenden steht oft pünktlich um 18 Uhr das Futter auf dem Tisch. Mittags hingegen hat sich in den letzten 20 Jahren eine Verschiebung von 12 zu 12.30 Uhr ergeben. Sieht man sehr gut im Mirgos-Restaurant, das früher um 12, heute um 12.30 bis 12.45 rammelvoll ist.
Oktober 23rd, 2008 at 0:15
Helza wirft ein sehr interessantes Problem auf: Ist Kultur abhängig von Tischen? Gehören Hände in die Hosentaschen und popelt man besser mit dem linken oder dem rechten Kleinfinger in der Nase. Auch beim Autofahren – oder nur vor der roten Ampel? Darf man seine Popel essen und wird dies zum kulturellen Ereignis, wenn man das an einem Tisch macht?
Ich persönlich setze mich immer hin beim Essen. In der Tram wird dies manchmal schwierig, wenn so manche, doch noch rüstige 85jährige sich einfach nicht erheben will und mir und meinem Klapptischchen Platz machen möchte.
Das alte Rom ist an seinen barbarischen Sitten untergegangen. Die haben gelegen beim Essen und wahrscheinlich haben sie auch vor dem Kühlschrank gestanden. Ich stehe nie vor dem Kühlschrank. Erstens viel zu kalt da und zweitens sollte der Satz „oh, wo Du gerade in die Küche willst..“ zur beziehungsmilitärischen Standardausrüstung gehören.
Ach ja, die Armee, die haben sogar ganz spezielle Würzmittel: Pfeffer als Spray. Der Renner. Die meisten essen dann aber lieber im Liegen weiter. Ja, ja, es lebe die kultivierte Lebensart. Obgleich ich die kultidritte auch nicht schlecht finde. Drei, das ist eine magische Zahl, eine religiöse Quelle. Komisch, dass die immer stehen, wenn die Oblaten verteilt werden. Offensichtlich noch nicht über richtig kultiges Speisen informiert worden. Oder ist das so eine Art Kirchen-Apero, da sollen ja auch viele stehen.
Jetzt fällt mir aber auf, es gibt doch da diese Stehtische. Sind die den Sitztischen kulturell unterlegen. Und gibt es eigentlich Liegetische? Und was ist mit Nachtisch? Muss man nicht konsequenterweise, wenn man schon tischt nachher noch nachtischen und nicht desser(tisch)en, wenn man die Cervelat ein wenig im Lindenblütentee ziehen lässt, bevor man sie in den geschmolzenen Käse taucht. Das war aber glaube ich desertvieren.
Oktober 23rd, 2008 at 11:09
@neuromat: Essen im Tram (du siehst, ich bin unbelehrbar und verwende unseren schweizerischen Artikel) ist verboten. Glücklicherweise. Mir stink es nämlich gewaltig, wenn ich mich auch noch diesen Gerüchen aussetzen muss. Desservir heisst tatsächlich abräume, abdecken (den Tisch), das Dessert könnte ich mir vorstellen, heisst so, weil es das letzte ist, das man vor dem ‚desservir‘ zu sich nimmt. Am Tisch versteht sich, nicht im Tram, an der Stehbar oder auf dem Sofa. Gepflegtes Essen findet noch heute am Tisch statt, möglichst nicht allein, sondern in Gesellschaft, um nicht nur den Körper, sondern auch den Geist zu nähren … Als engagierte Vertreterin einer kultivierten Lebensart kann ich mich mit den trendigen Verpflegungsarten bis heute nicht anfreunden. Der Mensch unterscheidet sich ja auch dadurch vom Tier, dass er isst (möglichst genussvoll) und nicht bloss Futter zu sich nimmt. Das heute vielerorts zelebrierte in sich hineinstopfen von mit allerlei Zutaten abgefüllten Teiglingen hat mit essen nichts mehr zu tun. Dann lieber untergehen wie die alten Römer, mit Stil.
Oktober 24th, 2008 at 13:39
Servus Helza,
war ein wenig im Stress, konnte aber dann mit Freude die Antwort lesen. Ist eigentlich egal ob man das Dessert vor oder zum Desser(t)vi(e)ren nimmt. Schö ist doch ist passt eben alles und hat nebeneinander Platz. Nur mit dem Untergehen – da bin ich nicht so einverstanden ….
……, weiss nicht, wie Krümel pieken 😉 und so nach Tisch noch einen Nachtisch, das kann doch auch auf dem Sofa sein