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Das ist Hochdeutsch, das verstehst Du nicht

  • Gesang auf Hochdeutsch
  • Am letzten Samstag in der Bibliothek von Bülach, die unter Deutschen immer noch mit dem geheimen Decknamen „Bücherei“ bezeichnet wird, weil es dort Bücher auszuleihen gibt, wurden wir Zeugen einer bemerkenswerten Szene: Ein kleines Schweizerkind im Alter von ca. 5 Jahren greift in das Regal mit den Kindercassetten und ergattert ein Exemplar mit Deutschen Kinderliedern. Seine Mutter nimmt die Hülle prüfend in die Hand, legt sie dann zurück ins Regal und sagt zu ihm in nicht transkribierbaren Züridütsch: „Das nehmen wir nicht, das ist auf Hochdeutsch gesungen, das verstehst Du nicht. Nimm lieber diese Pingu Cassette“. Das Schweizerkind insistiert nicht länger sondern tut brav wie ihm geheissen. Es wählt eine Pingu Cassette.

    Lerne Schweizerdeutsch mit Pinug

  • Pingu und Robby sind die Lehrmeister
  • Für Leser aus Deutschland müssen wir an dieser Stelle erklärend einfügen, dass Pingu eine Trickfilm Figur ist, die seit 1986 in der Schweiz entscheidend für die frühzeitige und kindgerechte Verbreitung des elaborierten Codes des Schweizerdeutschen verantwortlich ist. Mit ganz erstaunlichem Erfolg! Wir lesen bei Wikipedia:

    Pingu ist eine Schweizer Claymation-Trickfilmserie für Kinder. Im Mittelpunkt stehen die Hauptakteure der Serie: der freche, kleine Pinguin Pingu und sein Freund, der putzige Seehund Robby. Es gab aber auch eine Reihe von Episoden, bei welchen auch der Rest von Pingus Familie eine wichtige Rolle spielt. Pingus Vater ist Postbote und ein begnadeter Spielzeugmacher. Oft an der Seite von Pingu ist auch seine kleine Schwester Pinga.
    (Quelle: Wikipedia)

    Wenn Sie also ihren nicht Schweizerdeutsch sprechenden Kindern etwas pädagogisch Wertvolles antun möchten, dann gehen Sie mit ihnen schnurstracks ins nächste grössere Migros-Restaurant und parken oder parkieren ihre Kleinen vor dem Pingu-Monitor, und schon werden sie begreifen, warum die Schweiz Deutschland in der Pisa-Studie (Lesefähigkeit ) immer noch alt aussehen lässt. In der Heimat Pestalozzis werden innovative pädagogische Konzepte wie die Pingu-Filme zur Perfektion gebracht, das müssen wir neidlos eingestehen.

  • Lerne Schweizerdeutsch mit Pingu!
  • Hier einer der erfolgreichen Sprachkurse mit Pingu. Also passen Sie gut auf, spitzen Sie beide Ohren und achten Sie besonders auf die wohlartikulierten Vokale und typisch Schweizerdeutschen Konsonanten. Sie können die Sequenzen jederzeit mit der Pause-Taste unterbrechen und nachsprechen. Schon bald ist eine deutliche Progression ihre Schweizerdeutschen Sprachkompetenz messbar. Viel Erfolg!

    

    60 Responses to “Das ist Hochdeutsch, das verstehst Du nicht”

    1. Simone Says:

      @Tellerrand: Du fragst Sam, woher diese unglaubliche Empfindsamkeit kommt? Die Frage kann ich Dir beantworten. Die kommt nämlich daher, dass man den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat als sich um die eigene Empfindsamkeit zu kümmern.

    2. Tellerrand Says:

      @ Sam

      Ich habe hier in den vergangen Jahren einige Hundert Kommentare abgesondert. Wenn Du mir einen zeigst, in dem ich mich über irgendeine „stolze, gewachsene und gelebte Nationalsprache“ stelle, hast Du gewonnen. Vorher musst Du mir aber noch schnell erklären um welche „stolze, gewachsene und gelebte Nationalsprache“ es denn hier eigentlich geht. Ich habe überhaupt nicht gegen Dialekte, ich finde es nur ein bisschen arrogant wenn man seinen eigenen über alle anderen stellt.

      Das mit der Weltoffenheit versuche ich einmal so zu erklären: wenn ich weltoffen sein will, muss ich mich vermutlich erst einmal der Welt öffnen, richtig? Wenn ich mich in der verbalen Kommunikation eine Sprache bediene, die nur von sehr wenigen gesprochen und verstanden wird, dürfte das in Sachen Weltoffenheit ein kleines Hindernis darstellen, weil nur wenige meinen weltoffenen Gedanken folgen können. Also hilft es sich einer Sprache zu bedienen, die von möglichst vielen verstanden wird. Standarddeutsch leistet dies im deutschen Sprachraum ganz gut. Sollte mein Kommunikationspartner Deutsch im Ausland als Fremdsprache gelernt haben, hilft es wohl auch, wenn ich mich in der Standardsprache ausdrücke.

      Ganz gut ist es für die Weltoffenheit, wenn mir ausser meine eigenen Standardsprache und eventuell einem Dialekt derselben noch weitere Sprachen zur Verfügung stehen. Auch hier wieder besser eine Standardvariante als ein lokaler Dialekt. So weit korrekt?

    3. Neuromat Says:

      @ Sam

      Du möchtest wissen, warum Du weniger weltoffen bist. Du steckst in einer Identitätsfalle, wie alle anderen auch, die sich täglich diese Formeln „stolze, gewachsene und gelebte Nationalsprache“ reinpfeifen müssen und die jeden anders oder manchmal habe ich auch das Gefühl jeden Denkenden gleich diffamieren müssen; zum Beispiel in dem sie ihm andichten, er „stelle sich über etwas“.

      Wieder und wieder stelle ich hier als Kommentar rein, dass sich doch wirklich herabsetzend und das sogar öffentlich die Schweizer über die Deutschen äussern. Es mag tatsächlich für manchen verwunderlich sein, dass Menschen ihre Persönlichkeit nicht an der Grenze abgeben sondern mit sich herumtragen.

      Das Gerede über die Integration macht mich allerdings langsam etwas hässig. Und wieder Integration (warum eigentlich so ein bescheuertes Wort) warum nicht Eingliederung, warum nicht Aufnahme…

      Eingliederung: Das funktioniert natürlich ganz hervorragend mit dem grenzwertig rassistischem Medienhype über Deutsche.

      Du schreibst Tellerrand, er solle doch dann gehen. Ich könnte mir vorstellen, dass in etwa fünf Jahren ein Exodus beginnt, der dann etwa 15 Jahre andauert. Es werden dann nicht nur Menschen einfach wieder gehen, sondern sie werden ihr Gepäck dabei haben, Versicherungen und Einmalauszahlungen.

      Viele, vielleicht zu viele Schweizer wissen von ihrem eigenen Land viel zu wenig. Nachdem bereits die Tragweite der vierten IV-Revision nicht verstanden wurde, kennt kaum jemand den Inhalt der fünften. Warum?: Er ist auf Deutsch, dieser Inhalt.

      Genau das ist aber die eigentliche Bedrohung für das Land. Je enger Du das Korsett schnürst, um so weniger Luft bekommst Du. Je mehr Du Dich in Deinen nur scheinbar Halt gebenden Bezugsrahmen abschottest, um so unsicherer wirst Du, bei dem Gedanken, dass es ja für alles nur eine einzige Klassifikation gibt.

      Wer die Schweiz als Schweiz erhalten will, der muss mit geistiger und sprachlicher Vielfalt souveräner umgehen.

    4. Flaneur Says:

      „Ewiges Gemotze über die Schweizer und ihre Sprache“?

    5. viking Says:

      @Tellerrand […in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, konnten und kannten die Kinder beides – Kinderlieder auf Platt und in hochdeutscher Sprache..]
      In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, konnten wir neben schweizerdeutschen Liedern sogar Kinderlieder in Italienisch (Avanti popolo.. ups, ist vielleicht nicht das typische Kinderlied, nehmen wir mal lieber L’inverno l’è passato ;), Französisch (Frère Jacques, Sur le pont d’Avignion) und Hochdeutsch (Die Affen rasen durch den Wald ;), na gut, wir konnten auch den Fuchs der die Gans gestohlen hat, Die Vögel, die alle schon da sind, sowie diverse Weihnachtslieder) und vieles mehr. Das deutsche Liedgut ist auch hier nicht ganz untergegangen. Allerdings finde ich es auch wichtig, dass die schweizerdeutschen Lieder nicht vergessen gehen (da hat es doch auch einige sehr schöne dabei), genau wie bei euch wahrscheinlich die plattdeutschen überleben sollen 😉
      Prinzipiell finde ich wichtig, dass die Kinder in Kindergarten und Schule überhaupt noch singen. Ob das jetzt in Suaheli, Deutsch oder Rätoromanisch ist, ist imho erst mal zweitrangig.

    6. Guggeere Says:

      @ Sam
      „eine stolze, gewachsene und gelebte Nationalsprache“
      Was soll das? Worin, bitte, bestünde der Stolz bzw. im Kontrast dazu der „Nichtstolz“ einer Sprache?
      Lege Wert auf die Feststellung, dass es in der Schweiz keine Nationalsprache gibt, sondern vier Landessprachen. Deutsch ist eine davon; in Form eines alemannischen Dialekts ist es für ca. 70 % der Schweizer die Muttersprache. Alemannische Dialekte gibts auch in Frankreich, Deutschland, Österreich und Liechtenstein. Lassen wir doch das nationalistisch überhöhte Gefasel, es vernebelt höchstens den Blick auf die Tatsachen. Und die Gleichsetzung des so genannten Schweizerdeutsch mit Nationalsprache kommt bei den Schweizern anderer Muttersprache schlecht an.

    7. Tellerrand Says:

      @ viking

      Zur Zeit als ich in die Grundschule (= Primarschule) ging, kamen die 68er, die nicht in der RAF landeten, gerade frisch von der Uni und probierten ihre pädagogischen Vermutungen an uns Kindern aus. Auch im Musikunterricht. Du glaubst gar nicht wie vielsprachig wir damals gesungen haben. Die meisten deutschen Kinderlieder habe ich von meinem Grossvater gelernt. Die Plattdeutschen hingegen in der Schule, denn für einen erhalt plattdeutscher Sprachkultur waren auch die Linken.

      Ich finde Kinderlieder anderer Kulturen sind ein wunderbarer Einstieg, sich mit der Existenz derselben auseinanderzusetzen – singende Menschen unterliegen der Unschuldsvermutung, was der Ausprägung von Toleranz gegenüber Fremden und Umbekanntem helfen dürfte 😉

    8. Simone Says:

      @Tellerrand:
      An Deinen negativen Erfahrungen im Musikunterricht ist die deutsche Lehrerausbildung schuld. Die kann man nämlich problem- und vor allen Dingen bedenkenlos ohne musische Neigung beginnen. Gerade im Grundschulalter finde ich das sehr bedenklich, wenn ein Lehrer weder musisch noch künstlerisch veranlagt und am Ende sogar noch chronisch unsportlich ist.

    9. Tellerrand Says:

      @ Simone

      Nein, nein, meine Erfahrungen im Musikunterricht waren nicht durchweg schlecht. Ich hatte spätestens in der Mittelstufe sogar richtig gute Musiklehrer. Ich wollte nur viking darauf hinweisen, dass es unter entsprechenden politischen Gegebenheiten keine nationale Viersprachigkeit braucht, um vielsprachig mit Kinderliedern in Kontakt zu kommen.

      Keine Ahnung wie’s darum heute in Deutschland bestellt ist. Wie’s mit der musischen Ausbildung in der Schweiz aussieht, kann ich auch erst in ein paar Jahren berichten. An heilpädagogischen Schulen wird naturgemäss viel gesungen, so viel weiss ich heute, und zwar ausschliesslich auf Mundart.

    10. Schimmel Says:

      Pingu ist super!
      Shaun das Schaf ist auch etwas mit Kultur, habe ich leider noch nicht auf schweitzerdeutsch gehört.