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Ob Blaufahrer ins Blaue fahren? — Neue Schweizer Lieblingswörter

  • Die Blauen, les bleus, gli azzurri
  • Les bleus“ heisst wörtlich „die Blauen“, und die werden für Frankreich in der kommenden Europäischen Fussballmeisterschaft eine ganz entscheidende Rolle spielen. Bei der letzten Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 traten im Endspiel zwei Blaue gegeneinander an: „Les Bleu“ (auch als „équipe nationale de France“ bekannt) gegen „gli Azzurri“ aus Italien. Weil die Fussballer in Frankreich schon „bleu“ sind, fährt man betrunken dort „gris“ = „grau“ durch die Gegend.

    Einen „Blauen“ bekommen heisst in Deutschland, in der Schule nicht versetzt zu werden. Denn in einem amtlichen „blauen Brief“ geht die Mitteilung an die Eltern raus:

    Blauer Brief ist die umgangssprachliche Bezeichnung für eine Benachrichtigung, mit der die Schule den Eltern eines Schülers (oder dem Schüler selbst, wenn dieser volljährig ist) mitteilt, dass die Versetzung gefährdet ist.(..). Die Bezeichnung stammt aus dem 18. Jahrhundert, als Papier noch aus Lumpen hergestellt wurde, oft von Uniformen, die in dieser Zeit preußisch Blau waren.
    (Quelle: Wikipedia)

    In der Schweiz entdeckten wir nun den hübsche Wortschöpfung „Blaufahrer“. Ob der ohne blauen Brief gern ins Blaue fährt? Oder ob er „das Blaue vom Himmel herunter lügt“, wenn man ihn nach der Anzahl der vor Fahrtantritt getrunkenen Biere befragt?

    Blaufahrer im Blick
    (Quelle: Blick.ch)

    Jedenfalls ist die Wortbildung „Blaufahrer“ ein Schweizer Produkt. Bei Google-CH belegen 2´520 Stellen dieses Wort, während Google-DE nur auf 628 Stellen kommt, die zumeist auch aus der Schweiz stammen.

    Wir reihen es ein in unsere Sammlung der hübschen Schweizer Wortschöpfungen wie „die Strolchenfahrt“, die „Nachtbuben“ und jetzt „die Blaufahrer“ und fragen erneut, wie die Standardsprache ohne diese knackigen Ausdrücke bisher bestehen konnte? Ein „alkoholisierter Autofahrer“ klingt doch einfach nicht so schön blau wie ein „Blaufahrer„. Und „den Blues“ spürt man dabei auch viel stärker.

    

    17 Responses to “Ob Blaufahrer ins Blaue fahren? — Neue Schweizer Lieblingswörter”

    1. Diuk Says:

      Ein „Blauer Brief“ ist in der Schweiz meines Wissens eine Entlassung (von Arbeitnehmenden). Ein Blaufahrer ist wie vermutet ein Fahrer, der blau ist, also zuviele Promille intus hat. Ist man in Deutschland denn nicht blau?

    2. Brun(o)egg Says:

      Es gibt da noch „Blau machen“ oder „einen Blauen machen“. Hab glaub mal gelesen, dass der Ausdruck aus dem vorletzten Jhrh. stammt, als die wöchentliche Arbeitsbelastung noch bedeutend höher war und sich der geschundene Arbeiter, mittels Krankheit, einen freien Tag genommen hat und sich zwecks Entspannung vollaufen liess.

    3. Tellerrand Says:

      Schön finde ich auch die „dicke Post“. Ist das schon mal behandelt worden?

    4. Thomas Says:

      @Brunoegg: das blau machen kommt von den Färbern. Die hatten ja ihren Farbbottich und das Färben ging besser, wenn man dort rein urinierte. Als Bestes Mittel galt alkoholhaltiger Männerurin. Und da ja so Färber den ganzen Tag lang nichts anderes machen mussten, als den Bottich ein oder zwei mal umzurühren, konnten sie sich hemmungslos vollaufen lassen, damit der Urinnachschub auch nicht gefährdet wurde.

    5. Thomas Says:

      ach ja, die Pointe vergessen. Bei der Farbe ging es um Indigo (blau), und weil die Färber dann besoffen um Bottich lagen, sah jeder, dass die Färber heute Blau machen.
      Die Chemiker können jetzt drum streiten, ob Alkohol oder Harnstein oder sonst ein Stoff für das bessere Färbergebnis verantwortlich sind.

    6. Docu Says:

      Nicht zu vergessen den Blaumann, den hat man an aber nicht an, wenn man Montags blau macht, säuft und am Lenkrad -oder ist das ein Steuerrad – erwischt wird und dann das Blaue vom Himmel erzählt aber so blauäugig sind die Bullen nicht, stecken einen in die grüne Minna oder vielleicht geht es ab in den Entzug mit Blaulicht, dort gibt es nur Blaukraut mit trocken Brot und der Blaufahrer kommt vielleicht mit einem blauen Auge davon und geht dann zu Fuss in den Wald zum Blaubären pflücken oder heissen die Braunbären?

    7. neuromat Says:

      da sind wir Euch mal wieder eindeutig unterlegen. Wir kennen natürlich Schwarzfahrer, wir kennen auch Beifahrer und „BeiRotfahrer“, Selbstfahrer und Autofahrer, Pfarrer kennen wir auch, die schicken wir in die Schweiz … aber am Ende von dem Artikel steht das Wort „Führerschein“. Was ist das ein Führerschein, muss das nicht Führerausweis heissen … und natürlich wieder genial, wahrscheinlich ging es dem Adminstrator darum unsere Aufmerksamkeit auf die anderen Artikel zu lenken, da wird sogar in die Mauer gebumst, kein Wunder, dass dann die Liebhaberqualitäten in die Höhe schnellen…

    8. Guggeere Says:

      Dass die Wortkombination „Blaufahrer“ in Deutschland unbekannt ist, erstaunt mich. Man kennt doch auch hier zu Lande dieses Sauflied von einem gewissen Ernst Neger (pardon, aber der heisst/hiess offenbar wirklich so):
      http://www.ioff.de/archive/index.php/t-49388.html
      Vor allem der Refrain, „Geh Oide, schau mi net do teppert au, heit bin i blau …“, ist in der Schweiz allgemein bekannt. Er ertönt (erklingt?) an Volksfesten reflexartig immer dann, wenn der Alkoholpegel im Blut steigt und das geistige Niveau auf einen IQ-Wert im Bereich der Zimmertemperatur sinkt. Haben sich die Gäste dergestalt gegenseitig vorgesungen, wie sie sind, machen sie sich auf den Heimweg und sind dann eben Blaufahrer.
      @ Thomas: Diese Erklärung für „blau“ gefällt mir ausserordentlich!
      Allgemein: Wir kennen auch noch die „Bläuele“. Eine Bläuele entsteht etwa einen Tag nachdem man mit einem eher weichen Körperteil mit zu hoher Geschwindigkeit auf etwas Hartes trifft. (Da fällt mir ein: Gibts auf Standarddeutsch noch eine schönere Übersetzung als nur gerade „blauer Fleck“?)

    9. AnFra Says:

      Wollte eigentlich einen „blauen“ Donnerstag machen. Jens hat mit diesem Thema die Blogwiese wieder aus dem „Blaumachen“ herausgerissen.
      Das NZZvotum und den Blogschöpfer sollte man eigentlich „grün und blau“ klopfen und der NZZ-Redaktion einen „blauen“ Brief senden, damit die sich „blau und grün“ ärgern. Um bei diesem „farbigen“ Thema „blau“ nicht „rot“ oder gar „violett“ anzulaufen, gibt es den „leuchtenden“ Weg auf die „grüne“ Blogwiese zurück, damit die „farblose“ NZZ-Redaktion vor „quittengelben“ Neid nicht „erblasst“, sondern „feuerrote“ Wangen in ihrem „schweinchenrosa“ Gesicht erhält.

      Fast habe ich mich selbst in dieser Farborgie verfangen.
      Beim „blau“ und „blau“ ist jedoch nicht immer die liebliche Farbe gemeint. Die deutsche Farbbenennung „blau“ kann u. a. vom ahd. „plao“ sowie mhd. „bla“ abgeleitet werden. Bei genauer Betrachtung stellt man fest: Das verwendete „blau“ kann/muß eigentlich meist einen anderen Sinninhalt haben! Wie so oft, kann man hier eine Verquickung der Volketymologie feststellen.
      Dieses „blau“ ist ein anderes „blau“, welches aus dem Rot- oder Kauder-Welsch ableitbar ist. Dieses rotwelsche „blau“ hat sich ab dem 13./14 JH im mittel- und niederrheinischem Gebiet (Mainz, Köln) gebildet. Einen starken Auftrieb hat es im 15. JH besonders durch die jüdische Zuwanderung in und nach der spanischen Reconquista gehabt.
      Im Jiddischen, welches sich aus der jüdischen und der deutschen Sprache entwickelt hatte, stammt der rotwelsche Begriff des „be-lo“, d.h. „nicht, nichts, mit nichts, ohne“. Durch die sprachphonetische Ähnlichkeit musste fast schon zwangsläufig eine Sinnwandlung bzw. Verwechslung oder Vermischung dabei erfolgt sein. D.h. „blau“ hatte nicht nur den Inhalt eines Farbtones, sonder auch den eines „nicht, nichts, ohne“.
      Die moderneren Blauerklärungen folgen der deutsch orientierter Inhaltswerte. Der „Blaue Montag“, das „Blaue Wunder“ und das „Blau machen“ fallen darunter.
      Ein „Blaufahrer“ fährt also OHNE eine Fahrkarte, d. h. er fährt MIT NICHTS.

      Jedoch der „Blaue Brief“ ist hat eigentlich eine andere Quelle. Habe vor sehr langer Zeit eine historische Abhandlung gelesen, dass der brandenburgische bzw. preußische Staat extrem sparsam, fast schon geizig war. Bitte nicht vergessen, die Hohenzollern sind schwäbisch-fränkischer Abstammung! Es wurden alle amtliche Briefkuverts in blauer Färbung hergestellt, um den Diebstahl und private Nutzung dieser Umschläge zu verhindern, vergleichbar dem des „roten“ Fadens in den Seilen und Tauen der englischen Marine, welche als Eigentumsnachweis mit eingeflochten war. Auch kann das „Bluebook“ über den preußischen-amerikanischen General v. Steuben auf diesen Umweg abgeleitet werden. Im Schulbetrieb wurden Papiere mit einer „roten“ Linie am Seitenrand nicht nur zur Korrektur bedruckt. Die Preußen kannten ihre Pappenheimer.

      Die Papier- bzw. Büttenpapier-Herstellung aus blauem Militärstoff ist eigentlich so nicht möglich, weil bei der Verarbeitung (wässern, walken, kochen, auswaschen uam.) der natürliche Blaufarbstoff (aus Waid und/oder Indigo), des „Preußisch-Blau“, ausgeschwemmt wird, weil dieser nicht unbedingt farbecht war.

      Bei der Ursache der „Blauen Nase“ bin ich noch nicht weitergekommen.

    10. Tellerrand Says:

      Blaufahrer ist eine naheliegender Begriffsbildung, besonders originell finde ich sie nicht. Deutschen Medien greifen im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten meist auf offizielle Polizeimeldungen als Informationsquelle zurück. Da herrscht ein ziemlich dröger Beamtenton, der sich dann häufig in den entsprechenden Meldungen in der Rubrik „Verschiedes“ widerspiegelt.

    11. marco Says:

      Nette Theorien, auf Wikipedia nach zu lesen:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Blau_machen

      Gruss

      marco

    12. dampfnudle Says:

      Meines Wissens fährt der, der mit NICHTS fährt, also ohne Fahrkarte fährt, schwarz, ist also nicht ein Blaufahrer, sondern ein Schwarzfahrer.

      Der Blaufahrer fährt nicht etwa mit NICHTS, sondern mit Alkohol im Blut. Er ist blau.

    13. Neuromat Says:

      In England kann man Blau fahren lernen. Leider ein Druckfehler auf der Site: Statt Bootle soll es wahrscheinlich bottle heissen

      http://www.drivingschoolbootle.co.uk/

    14. Neuromat Says:

      Da habe ich mir doch wieder den Rest weg gelöscht gehabt:

      Blau fahren, das macht die Rettung, wenn sie ohne Hörndl unterwegs ist. Des ist in Österreich genauso wie in Deutschland.

      Blau fahren in Deutschland die Töfflis seit dem 1.März 2003, da haben die nämlich blaue Kontrollschilder.

      Blau fahren lässt sich auch mit Autoscheinwerfern, die ein bläuliches Licht erzeugen – soll weniger ermüden.

      Seit dem 4. März 2006 fährt die Polizei in Norderstedt blau durch die Strassen – die grünen Kutschen haben ausgedient. Vielleicht machen sie auch eine Fahrt in die blauen Berge oder einfach ins Blaue.

    15. Gery us büüli. Says:

      Und da gibts noch den kleinen Hügel bei Basel. der nennt sich Blauen.

      Oder ist das schon bereits ein Berg?
      Machen die Einwohner von Blauen öfters blau? oder fahren die nur besoffen rum?

      Fragen über Fragen.

    16. Phipu Says:

      Hier möchte ich den unverbesserlichen Blaufahrern, deren blauer Lappen* ab dem 1.01.08 entzogen wurde, eine aktuelle Information einbläuen:

      Man darf nun endlich nicht mehr – während der „Fahrausweis in der Wäsche“ weilt – mit auf 45km/h plombierten Kleinwagen ins Blaue hinaus fahren.

      http://www.roadcross.ch/de/alles/fuehrerausweis/entzug.php

      * = im Volksmund „Fahrausweis“, offizieller Aufdruck auf dem in seiner älteren Form aus Papier effektiv blauen Dokument: „Führerausweis“

    17. Guggeere Says:

      Neuromat und Gery us büüli haben mich daran erinnert: Die blauen Berge der Schweiz gibts wirklich.
      Eines meiner Lieblingszitate aus der Schweizer Literatur stammt von Jeremias Gotthelf. Er beschrieb die Jurassier, die heute als Kanton Jura zur Eidgenossenschaft gehören, Mitte 19. Jahrhundert noch Teil des Kantons Bern waren und der Obrigkeit schon damals Bauchweh bereiteten, in einem hübschen, durchaus böse gemeinten Nebensatz: Er liess einen Bauern von einem Emmentaler Hügel über die Ebene Richtung Jura blicken, zu den „blauen Bergen, hinter denen jene wüsten Leute wohnen, die nie zufrieden sind und immer alles regieren wollen“. (Zumindest habe ich den Satz so im Gedächtnis …)