Im Kino schön die Klappe halten — Über den Frust einer Deutschen Kinogängerin in der Schweiz
Wir bekamen Post von einer frustrierten Deutschen, die so ihre ganz eigenen Beobachtungen und Regeln beim Kinobesuch in der Schweiz aufstellte:
Nun war ich mit Schweizern im Kino und habe nach meinen Erlebnissen folgende Regeln aufgestellt (bisschen sarkastisch, ihr versteht schon).
REGELN FÜR EINEN KINOBESUCH IN DER SCHWEIZ (für deutsche und ähnliche Ausländer)
Während des Films: kein offenes, und vor allem: kein lautes Lachen
Kein Klatschen bei Szenen der Zustimmung
Kein Teilen von Popcorn, Chips und Prosecco mit anderen Nebensitzern
Kein Applaus bei Ende des Films, wenn‘s gefallen hat
Kein anschliessender persönlicher Dank an die Kinobetreiber
wenn man sich an diese Regeln hält, kann man in Schweizerischem Wohlverhalten einen Kinobesuch wagen.
es ist ganz einfach: man muss nur so tun, als sei man eigentlich gar nicht vorhanden. sozusagen: ein Schatten seiner selbst sein.
dann könnte es gehen …
(schade um das, was möglich wäre.)
(Quelle: Private Elektropost)
Nun, wir wissen nicht in welche traurige Tropfsteinhöhle es unsere Deutsche Freundin hier verschlagen hat. Welch spiessiges Arthouse-Ambiente mit einem Japanischen Film in Originalfassung, natürlich nur mit russischen Untertiteln. Wir wissen auch nicht, wie Popcorn (süsses?) und Chips (ohne Zweifel die von Zweifel?) und Prosecco (ist das ne neue Champus-Marke?) zusammen schmecken. Popcorn und Chips machen Krach, und je mehr Leute die gleichzeitig mampfen, desto mehr Krach macht das. Ich habe einmal in einer Filmvorführung in Madrid kein Wort vom Ton des Filmes verstanden, bis nach 20 Minuten der gröbste Hunger im Publikum gestillt war und das allgemeine Gekrache beim Kauen und Popcorn (raschel-raschel) Nachfassen sich gelegt hatte.
In unserem Bülacher Lieblings-Vorstadtkino ABC und Bambi darf man sich sehr wohl mit Handschlag beim Kinobesitzer für die gute Technik und das nette Ambiente bedanken. Der heisst Stephan und steht an der Tür, um jeden Besucher persönlich zu verabschieden. Wie am Sonntag am Ausgang der Kirchen beim Pfarrer aus Deutschland. Man darf sogar wiederkommen. Wer gern klatscht um seinen Beifall zu bekunden, dem lege ich einen Besuch im Theater nahe, z. B. im grandiosen Zürcher Schauspielhaus oder im Schiffbau, unweit der grossen Kinos an der Hardbrücke. Dort darf man sogar mit den Füssen trampeln, wenn es einem gefallen hat, oder Blumen auf die Bühne werfen, laut „Bravo“ rufen und dabei in glückliche, entspannte Gesichter der fleissig agierenden Stars auf der Bühne blicken.
Das mit dem lauten Lachen im Kino, das ist allerdings praktisch in der Schweiz, weil man daran unschwer Deutsche Landsleute erkennt, mit denen man nach der Vorstellung noch gemütlich in der nächsten Eckkneipe über den Film klönen kann. Aber auch hier gibt es ein Zuviel, dass den Spass am Film trüben kann. Als die Klamotte „Männer“ von Doris Dörrie im Kino lief, gingen viele Menschen mehrmals in den Film, und lachten dann in der Folge an den besten Stellen im Voraus so laut, dass man als Neuling keine Chance mehr hatte, überhaupt die Witze zu hören. Aber lustig war es auf jeden Fall.
Januar 11th, 2008 at 8:10
Schaut euch mal den Anfang vom Film Tampopo – Dort beschreibt einer genau was das Problem mit Chips im Kino ist *g*
Januar 11th, 2008 at 8:15
Als ein in der Schweiz lebender Österreicher kann ich nicht behaupten, dass die Kinomentalität hier anders wäre. Der einzige Unterschied hier sind die Pausen während der Filmverführung und dass der Film meist in der Originalsprache und nicht auf Deutsch läuft, achja und die in der Schweiz gesalzenen Preise fürs Ticket (es wird ja behauptet dass hier der Technikstandard besser sei – bei internationalen Kinoketten kaum vorstellbar dass es Unterschiede gibt).
Aber beim Lachen (findet statt!), Popcorns (sieht man immer am Boden hier und dort), Chips (hört man hier und dort – hier Zweifel dort Kelly’s) sind gleich: Proseccotrinker sind mir hier wie dort noch nie untergekommen. Ist für mich auch nicht unbedingt das adequate Gemäss (trinkt man das aus einem Wegwerfplastikbecher oder Pappbecher?…klingt ja „lecker“ wie man jenseits des Weisswurstäquators aus österr.Sicht so nett sagt…)
Schönen Tag
Peter
Januar 11th, 2008 at 8:41
Leute, die im Kino Chips essen, im Proseccoschwips laut lachen oder sich gar beschwingt mit ihrem Nachbarn unterhalten, haben mir den Kinobesuch in Hamburg mehr und mehr verleidet, so dass ich jetzt in Zuerich lebe 🙂 Hier ist mir das Kino allerdings so teuer, dass ich noch nicht ausreichende Erfahrungen vorweisen kann.
Nur soviel: wir fuhren an einem dunklen Novembernachmittag ins Capitol. Die Dame an der Kasse sah mich schon gleich mit leicht zugekniffenen Augen an und erwiderte meinen Kartenwunsch mit „man muss puenktlich sein“. Tatsaechlich waren wir ein paar Minuten zu spaet fuer die Werbung. Den Rest habe ich mangels Sprachkenntnissen noch nicht verstanden – im Saal entpuppte es sich aber schnell: ohne uns waere der Film gestrichen worden, wir waren die einzigen zwei Zuschauer! Dabei war „Breach“ eigentlich ein schoener Film.
Januar 11th, 2008 at 9:32
Diese Regeln für einen Kinobesuch in der Schweiz finden voll umfänglich meine absolute Zustimmung. Allerdings verstehe ich nicht, warum die Schreiberin diese Regeln sarkastisch gemeint hat!!! Meiner Ansicht nach sollten diese – unausgesprochenen – Regeln für alle Kinos in allen Ländern gelten. Ich jedenfalls bin froh, in der Schweiz endlich wieder ungetrübt von schwätzenden und flegelnden Sitznachbarn einen Film genießen zu können. Und vor allem ohne zwischen der Werbung – die ich im übrigen durchaus auch unterhaltsam finde – zigmal meine Knie einziehen zu müssen, weil laute Zuspätkommer sich noch in die Reihe quetschen wollen. Schön, dass in der Schweiz noch Wert auf Pünktlichkeit und Rücksichtnahme gelegt wird! Und allein schon die dezente Zurückhaltung der Schweizer im Kino wäre ein Grund, nach hierher auszuwandern.
Genau aus den Gründen, die die Schreiberin dieser Regeln bemängelt, gehe ich nach Jahren der Frustration in deutschen Kinos gerne wieder in ein „Lichtspielhaus“, solange es in der Schweiz steht. Ehrlich gesagt, ich finde die Zeilen dieser Kinobesucherin beschämend. Jetzt verstehe ich, warum die Schweizer Probleme haben, Deutsche zu mögen.
Januar 11th, 2008 at 9:44
Mir geht es da wie Matthias, Schweizer Kinos sind mir zu teuer. Was mich in Kinos allerdings generell stört, sind die Chipskrümel und Müllberge auf dem Fussboden und unbekannte Nachbarn, die sich bevorzugt an meinen Süssigkeiten vergreifen, die in Kinos ausschliesslich zu überhöhten Preisen angeboten werden. Zudem gibt es Besucher, die im Doppelpack auftreten, und Kino und Doppelbett miteinander verwechseln. Ein solches Verhalten erschwert es, den Film als gleichwertiges kulturelles Medium zum Theater zu betrachten. Ich persönlich würde der Dame empfehlen, eher auf Video-/DVD-Abende zu setzen.
Januar 11th, 2008 at 10:53
Also, ich denke kaum, dass es grosse Unterschiede im Zuschauerverhalten gibt.
Wichtig sind eigentlich nur folgende Punkte:
Positiv in der Schweiz: Originalsprache
Negativ in der Schweiz: Pause selbst bei kürzesten Kinderfilmen!
Und Klatschen sollte sich eigentlich in jedem Kino der Welt von selbst verbieten, ausser man wohnt zufällig einer Premiere unter Teilnahme des Regisseurs/Hauptdarsteller(in) etc. bei.
Wem, bitte schön, soll der Beifall gelten? Der guten Bild- und Tonqualität? Gut, dann sollte man sich vielleicht wirklich beim Technik-Chef persönlich bedanken. Aber es handelt sich um ein Dienstleistungsunternehmen – klatschen sie jedes Mal dem Tramführer, wenn er sie unfallfrei zu Hause abliefert? Klatschen sie im Manor, wenn ihre Einkäufe korrekt eingebongt wurden? Nein, man beschwert sich höchstens, wenn was schief läuft. Was natürlich auch im Kino vorkommen kann. Aber Klatschen, nur weil man das bekommen hat, für das man bezahlt hat?
Das letzte Mal erlebt bei Ratatouille. Ich frage mich jedes Mal, wem die Zuschauer eigentlich ihren Beifall bekunden wollen…
Geht mir genauso im Flugzeug. Also, nach einem Flug mit vielen Turbulenzen, schlechtem Wetter oder womöglich schlimmeren, OK – aber Klatschen, wenn der Flieger nach 2h innereuropäisch bei schönstem Wetter tatsächlich nicht abstürzt? Ich weiss ja nicht…
Januar 11th, 2008 at 11:01
Das Kinoerlebnis hängt doch wohl vor allem davon ab, welchen Film man sich in welchem Kino anschaut. Sogenannte Blockbuster in einem Multiplex-Palast anzuschauen ist weder in Deutschland noch der Schweiz eine wirklich gute Idee. Der Druck der bösen Raubkopierer auf die Filmproduzenten hat dazu geführt, dass der Kinomainstream meist schon drei, vier Monate nach dem Kinostart auf DVD erscheint und zwar zu einem Preis, der in der Schweiz in der Regel unter dem von zwei Kinokarten liegt. Mein Tipp für Filmliebhaber mit Ruhe- und Reinlichkeitsbedürfnis: grosse Glotze anschaffen, Rolladen schliessen, fertig ist das Home-Cinema. Und da kann man dann sogar noch zum Einzelhandelspreis trinken und essen was man möchte 😉
Januar 11th, 2008 at 12:23
Wenn das Bild der deutschen Kinogängergewohnheiten, das hier vermittelt wird, auch nur annähernd stimmt, muss ich mein an sich wohlwollendens Bild der Deutschen wohl nach unten hängen. Das müsste mir mal passieren, dass mir jemand nach meiner Pausenverpflegung greift!
Januar 11th, 2008 at 13:00
In der Tat, ja, diese Kritik wundert mich auch sehr. Wenn man sich an die „beklagten“ Regeln hält, kann man doch den Film geniessen. Und dafür ist man doch ins Kino gegangen. Oder habe ich da was komplett falsch verstanden? Wehe, jemand rührt meine Chips oder Popcorns an! Wenns lustig ist, darf gelacht werden. Aber über den Film reden können wir dann hinterher, gelle? Bei einem Glas Prosecco meinetwegen. Solange der Film läuft, möchte ich mich nämlich auf ihn konzentrieren. Ja. Tut mir sehr leid. So sind wir Schweizer halt.
Januar 11th, 2008 at 13:33
>Während des Films:
>kein offenes, und vor allem: kein lautes Lachen
Ach so, ich wusste gar nicht, dass in schweizerischen Kinos nur Melodramen und Dokumentarfilme gezeigt werden. Wahrscheinlch werden Komödien, falls sie sich tatsächlich doch einmal in die Schweiz verirren sollten, vorab so lange zensiert, bis alle Gags herausgeschnitten sind und das Testpublikum maximal drei Mal andeutungsweise schmunzelt.
>es ist ganz einfach: man muss nur so tun, als sei man
>eigentlich gar nicht vorhanden. sozusagen: ein Schatten
>seiner selbst sein.
>dann könnte es gehen …
An die Verfasserin dieser Mail an den Admin:
Geh mal in Deutschland in eine Vorstellung eines der sog. Kultfilme (The Life of Brian, Rocky Horror Picture Show, Blues Brothers usw.). Da steppt die Luzie, da tanzt der Papst im Kettenhemd. Diese Filme werden vom fachkundigen Publikum, das die Dialoge natürlich auswendig kennt, mitgespielt und mitgesungen – und in den Gängen wird getanzt…
In „normalen“ Vorstellungen wird – selbstverständlch – auch gelacht, wenn ein Gag gut ankommt. Hast du noch nie über einen Witz gelacht?
Magst du keine Komödien? Für dich ist „Die nackte Kanone“ wahrscheinlich ein Pornofilm…
Sorry für die klaren Worte, aber ich bin ganz genau entgegengesetzter Meinung, und ich bin sicher, dass mir viele Schweizer zustimmen werden.
Januar 11th, 2008 at 13:35
Um mal die deutsche Kinowelt ein wenig zu verteidigen denk ich eher, dass die dame mit „Kein Teilen von Popcorn, Chips und Prosecco mit anderen Nebensitzern“ ein en Sitznachbern meint, den man auch kennt und nicht einen wild Fremden.
Sowas ist mir in Deutschland wirklich noch nie passiert und wird mir denke ich auch nie passieren.
Januar 11th, 2008 at 13:40
Klatschen im Kino? Wo gibts das? Welch abartige Vorstellung.
Das mit dem laut Lachen begreif ich aber nicht. Ich finde es sogar sehr interessant zu merken, wer dem Film zuhört und wer Untertitel liest. Da unterscheiden sich nämlich die Zeitpunkte der Lacher ganz gewaltig.
Das schlimmste am Kino sind übrigens die Bilder nach der Vorstellung. Wie ein KIno jeweils aussieht, da waren keine Menschen, sonderen eine Horde Säue drinnen.
Januar 11th, 2008 at 13:53
HARDBRÜCKE,bitte! Wenn ich mich nicht irre, war das mal in Blogwiese, oder?? P. S. Wann endlich gibts wieder mal ein BLOGWIESE treffen??
Januar 12th, 2008 at 2:26
Schöne Grüße aus Hamburg, wo all die beschriebenen Verhaltensweisen in den Kinos glücklicherweise auch selten vorkommen (und wo man, im Gegensatz zur Schweiz auch Menschen entsprechend zurechtweist, wenn die sich daneben benimmt und nicht nur stumm die Faust im Sack macht) – und wo man sich übrigens ebenfalls nicht am Ende per Handschlag bei irgendjemandem bedankt.
Dafür wird leider bald das einzige englischsprachige Kino der Stadt geschlossen (Hamburg: 1,7 Mio Einwohner).
Dann gibts nur noch Arthouse und Synchronisier-Kinos.
Bleib ich halt zu Hause.
Januar 12th, 2008 at 15:18
Hinweis: Heute in der “ Zürichsee – Zeitung “ Ein Artikel über eine“Versöhnungs-Party“ Schweiz Deutschland. Blogwiese wird erwähnt.
Januar 12th, 2008 at 17:18
Grüsse aus Berlin, und auch mir ist nie ein Unterschied zwischen Schweizer (Zürcher) und Berliner Verhalten der Kinogänger aufgefallen. Man lacht wenn es lustig ist, und wenn nicht, dann nicht…
Und den Gedanken mich beim Kinobetreiber per Handschlag zu bedanken, finde ich eher befremdlich… Auch in Berlin!
Januar 13th, 2008 at 10:38
Wie schön… auch auf der Blogwiese heisst es jetzt „Schiffsbau“ statt „Schiffbau“. Irgendwann kann man sich dem nicht mehr entziehen, gell?! Und das trotz häufiger Besuche vor Ort… .
😉
[Anmerkung Admin: Heisst der Laden wirklich „Schiffbau“ ohne „s“? Stimmt, dann habe ich das im Kopf verbessert, bzw. verdeutscht. Muss ich gleich mal korrigieren. Danke für den Hinweis!]
Januar 13th, 2008 at 15:33
Das mit dem Lachen im Voraus finde ich gut. Muss ich mir merken. Ist es echt so, dass eher weniger laut gelacht wird, auch wenn der Film der Oberbrüller ist? Da wäre ich bei „Borat“ oder „Dodgeball“ wohl aus dem Kino geflogen; ich wäre vor Lachen nämlich fast unter den Vordersitz gerutscht.
Januar 14th, 2008 at 0:24
Eigentlich schon fast alles gesagt nur nicht der wesentliche Unterschied für eine Familie: Habt Ihr schon mal versucht mit einem vierjährigen Kind in eine Familienvorstellung des jährlichen Disneyfilms ohne Altersbeschränkung zu gehen?
Januar 14th, 2008 at 9:04
Ich kann mich meinen Vorredner nur anschliessen: Wenn diese Verhaltensregeln für die Schweiz typisch sein sollten, liebäugele ich vielleicht doch noch mal mit der „Naturalisierung“.
Und ja, natürlich schauen wir ausschliesslich japanische Autorenfilme der frühen 30er Jahre mit russischen Untertiteln, Livemusik einer 17-köpfigen südusbekischen Heimatgruppe und grönländischen Eisverkäufern, die Ihre Waren feil bieten, während Sie vor dem Vorhang Charleston tanzen. Bevorzugtes Pausengetränk: Frozen Daiquiri. Ohne Schirm, mit Eis.
Januar 14th, 2008 at 9:48
Und jetzt ist doch am Samstag der Marc Foster fast zum Schweizer des Jahres gewählt worden!
Januar 17th, 2008 at 8:27
Wer geht als Deutscher in der Schweiz schon ins Kino???
Aber davon mal abgesehen, glaube ich nicht, dass die in Deutschen Kinos immer öfter auftretenden Rücksichtslosigkeiten, Flegeleien und Ungeniertheiten nun wirklich der Massstab sein sollten.