Strassenbahnen bitte vortreten
(reload vom 27.11.05)
Bei der Bundeswehr lernen die Deutschen, sich in einer Linie aufzustellen und beim Marschieren gemeinsam „anzutreten“ (ohne in den A… zu treten). Auf dem Paradeplatz müssen sie dann warten bis der Befehl ertönt: „Schütze Meier, bitte vortreten, Tram Linie 03, bitte auch vortreten.“
Ja, die kann das in der Schweiz. Und die ist garantiert viel stärker als Sie, also lassen Sie sich lieber nicht auf ein Kräftemessen mit der Strassenbahn ein. Die Strassenbahnen gehen immer zu Fuss in der Schweiz, damit sie schön „den Vortritt“ haben.
Am besten wir fragen mal bei Willy Villiger, den „Leiter Schadendienst VBZ“ (Verkehrsbetriebe Zürich), wie das genau geregelt ist. Das ist der Mann beim Verkehrsverbund Zürich, der die Leitung Schadendienst hat, den Dienst am Schaden, oder den schädlichen Dienst, oder den Schaden im Dienst? Warum nicht den Dienstschaden? Wir können es drehen und wenden, der Schaden bleibt irgendwie immer präsent und das Genitiv-S zwischen den Wortteilen hat wohl auch gerade einen Schaden, denn es ist nicht da:
Die Vortrittsregel auf dem Fussgängerstreifen sieht eine Ausnahme vor: Nach der Verkehrsregelnverordnung gilt, dass das Tram Vortritt hat – selbst auf den Fussgängerstreifen. Wir sind uns bewusst, dass diese Verkehrsregel nicht sehr bekannt ist. Aber diese Sonderstellung gegenüber anderen Fahrzeugen wie Auto, Bus, Lastwagen, Motorrad etc. ist für das Tram aus verschiedenen Gründen enorm wichtig. So fährt ein Tram auf Schienen – da ist ausweichen nicht möglich und es braucht zusätzliche Rücksichtnahme der übrigen Verkehrsteilnehmer. (Quelle)
So viel Schweizerdeutsch! Das muss ich erst einmal verdauen.
Die „Verkehrsregelnverordnung„: Regelt da die Verordnung die Regeln oder die Regeln die Verordnung? Oder werden die Verkehrsregeln verordnet?
Warum eigentlich „Fussgängerstreifen„? Werde die Fussgänger dort in einzelne Streifen zerlegt und als Übergang verwendet? Ich weiss ja, die Zebras sind den Schweizern ausgegangen, und ausserdem war nur noch gelbe Farbe da. Sind das die Streifen von den Fussgängern?
„Das Tram“ ist sächlich, und absolut schweizerisch, aber beim „Car“ (=Schweizerdeutsch für Reisebus) und „Töff“ (=Schweizerdeutsch für Motorrad) geht Herr Villiger Kompromisse ein und spricht vom Bus und Motorrad. Plötzlich ist nur noch Schriftdeutsch angesagt.
Und es gibt sogar Zeiten, da überlässt das Tram in Zürich den Vortritt ganz kleinlaut einer gewissen Gruppe von Schiesswütigen, die auf dem Weg sind, die Einwohnerzahl der jungen männlichen Stadtzürcher zu dezimieren:
Da schwenkt sogar der Tramfahrer die weisse Flagge, wenn in Zürich „Knabenschiessen“ auf dem Programm steht. Ein Brauchtum, das von den Baslern durchaus wohlgeheissen wird.
Dezember 20th, 2007 at 8:18
„Tram“ ist englisch, „Bus“ auch (
Dezember 20th, 2007 at 8:21
Re Tram und Bus. Schwyzertètsch ist öusser flexibel, nimmt ohne Hemmnguen Wörter aus anderen Sprachen auf. Ein Hinweis auf die Flexibilität der SchweizerInnen? Well, anyway, auf die Flexibilität der smarten flinken flotten ZürcherInnen?
Dezember 20th, 2007 at 8:35
Wenn das Tram sogar auf dem Fussgängerstreifen den Vortritt hat, plädiere ich dafür, dass diese wieder abgeschafft werden. Dass man als Aufofahrer gefälligst anzuhalten hat, beachten die wenigsten. Ich weiss nicht, wie viele Beinahe-Auffahr-Unfälle ich schon hatte, wenn ich einem Fussgänger das Recht gewährt habe. Warum muss das blöde Tram dann nicht halten?
Dezember 20th, 2007 at 9:49
@Simone
Weil das Tram einen sehr viel längeren Bremsweg hat als ein Auto.
Dezember 20th, 2007 at 10:38
@Simone
..steht ja im Text: ist eine Schienenfahrzeug. Ist im übrigen eine uralte Regelung…
Dezember 20th, 2007 at 10:51
An Simone:
Kehr deine letzte Frage um: Wieso sind die blöden Autofahrer am Fussgängerstreifen nicht bremsbereit, oder sind überhaupt fähig, erst auf dem Streifen selbst zum Stehen zu kommen?
Ein paar Denkanstösse dennoch auf die Frage, so wie du sie stellst: Eine kurze Gelenktramkomposition wiegt leer etwa 25 Tonnen (wie schwer ist dein Auto?) Die Reibung von Metallrädern oder metallenen Magnetschienenbremsen auf Stahlschienen verkürzt die Lebenserwartung eines unerwartet ausscherenden Fussgängers bereits aus physikalischen Überlegungen, Feuchtigkeit mal weggelassen. (Hat dein Auto nicht Pneus, und diese erst noch im Sommer und im Winter mit unterschiedlichen Gummimischungen, damit sie auf dem Teer jederzeit gut haften?). Von der sich oft bietenden letzten Chance, seitwärts auszuweichen, habe ich bisher übrigens noch gar nichts gesagt.
Zum Vergleich kannst du dir also mal einen Konvoi von 10 dicken zusammengehängten Geländewagen vorstellen, die auf Schienenrädern fahren. Würdest du es als Fussgänger nun immer noch wagen, die Strasse noch vor der Schnauze des ersten Fahrzeugs zu überqueren?
Ich habe übrigens mal von einem Tramfahrer gehört, dass er immer wieder Leute beobachtet, die vor (natürlich pneubereiften) aber beeindruckend aussehenden Lastwagen brav am Rand warten. In derselben Situation „hühnern“ die Leute aber noch vor Trams durch. Das Gefahrenpotential eines schienengebunden Fahrzeugs scheint oft gewaltig unterschätzt zu werden.
Da stelle ich mir aber noch eine neue (nicht ganz ernsthafte) Frage:
Was passiert, wenn du mit dem Auto vor dem Tram herfährst und du am Fussgängerstreifen wartest, das Tram aber (zumindest, falls die diskutierte Regel die einzige vom Tramfahrer zu beachtende Strassenverkehrsregel wäre) weiterfahren dürfte? Errechne das Alter des Tramfahrers! Äh, nein, schätze ab, wie alt das Auto und der Fussgänger aussehen!
Dezember 20th, 2007 at 11:10
@Thomas: Auch in Deutschland?
Dezember 20th, 2007 at 13:28
@Simone:
ja, auch in Deutschland: http://www.verkehrsportal.de/stvo/stvo_26.php:
“ … mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen …“
Hätte ich auch nicht gedacht!
Dezember 20th, 2007 at 13:32
@Phipu:
Mein Auto hat Reifen, keine Pneus, ich halte vor dem Fussgängerstreifen, sofern kein Tram hinter mit ist, weiss aber nicht, vor wem ich mich beim Bremsen mehr fürchten soll: vor einem Tram, vor einem Auto mit AG im Kennzeichen oder vor einem tiefergelegten ZH-Auto, das schon beinahe an meiner Stossstange hängt. Das mit dem längeren Bremsweg des Trams habe ich jetzt übrigens kapiert. Dank auch an Solanna!
Dezember 20th, 2007 at 14:30
An Simone:
Ja, auch in Deutschland. Zumindest macht mich dies die erste Zeile des folgenden Links glauben:
http://www.verkehrslexikon.de/Texte/StVO26.htm
Unterschied zur Schweiz sind die Ausdrücke: Nach „Strassenbahn“ und „Vorfahrt“ googeln
Dezember 20th, 2007 at 14:53
@simone:
auch in D!
http://www.morgenpost.de/content/2007/06/23/auto/906763.html
Dezember 20th, 2007 at 15:03
Und wie heisst es nur korrekt auf Hochdeutsch? Ich gehe nicht davon aus das man da Zebrastreifen sagt.
Dezember 20th, 2007 at 15:15
@Simone: Das Tram sicher nicht, aber evt. die Srassenbahn… 🙂
ne, ich habe keine Ahnung, ich kenne die deutschen Gesetze nicht.
Dezember 20th, 2007 at 17:20
Also das Tram da oben ist ja richtig Deutschfreundlich angeschrieben. Albisgütli. Wenns so geschrieben ist liest ein Durchschnittsweizer Albisgüttli. Albisgüetli wäre richtiger.
Trams haben Vortritt weil sie A) einen längeren Bremsweg haben und B) nicht ausweichen können. Ganz einfach und vernünftig.
Dezember 20th, 2007 at 19:01
@ René
Auf Deutsch in der Straßenverkehrsordnung (StVO) heißt das Ding nicht Zebrastreifen, sondern: „Fußgängerüberweg“. Weiteres: http://de.wikipedia.org/wiki/Zebrastreifen.
Kleine Mär zum Zebrastreifen:
In der ehem. deutschen Kolonie in Deutsch-Südostafrika hätten die Bantus um 1900 furchtbare Angst vor den stinkenden und knatternden Autos der dt. Schutztruppen gehabt. Um Kreuzungspunkte ihrer Viehherden mit den Wegstrecken der Patrouillien zu kennzeichnen hätten sie Zebrahäute auf die Erde gelegt. So sei der „Zebrastreifen“ nach Deutschland gekommen(!!!)
Dezember 20th, 2007 at 21:30
@Rene:
Was meinst Du mit da? In Deutschland sind mit die Ausdrücke „Zebrastreifen“ und „Fußgängerüberweg“ geläufig. Es gibt auch ein nettes Kinderlied von Rolf Zuckowski: Zebrastreifen, Zebrastreifen, mancher wird dich nie begreifen…Herr Administrator, finden Sie das nicht irgenwo im Netz, so dass wir das bis Weihnachten alle mitsingen können?
Dezember 21st, 2007 at 0:07
Ausgerechnet die 13, das Tram zum Albisgütli (Verkleinerungsform von Albis-Gut = Albis-Hof, gelegen am Stadtrand, am Fuss des Albis, eines teils sogar felsigen Hügelzugs parallel zum Zürichsee. Beliebteste Kuppe ist der Ütliberg, der Hausberg von Zürich) dient als Symbolbild für diesen Blogbeitrag.
Das Albisgütli ist schweizweit DER Blochertempel, wo der SVP-Übervater alljährlich seine Getreuen mit der Albisgütli-Rede von den Aufgaben überzeugt, die der SVP harren. Wenn ich mich nicht irre, sieht man hinten links sogar ein Eckelchen davon (nicht vom Blocher, aber vom Albisgütli).
Die Frage ist nun, wer da unerkannt die weisse Fahne hochhält. Mörgeli wirds nicht sein.
Februar 10th, 2010 at 0:59
Lustig finde ich, dass in Deutschland eine Umfahrung Umgehung heisst (Geht das Auto dann plötzlich zu Fuss?) (Mein (deutscher) Mann hat mich (CH) immer gefoppt, wenn ich „gehen“ wollte, statt zu „fahren“. Mit der „Umgehung“ konnte ich mich dann rächen:-))