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Das Totemügerli — Die Schweizer Aufnahmeprüfung

  • Eine 40 Jahre alte berndeutsche Geschichte
  • Jetzt läuft die Blogwiese schon im dritten Jahr, und ich habe es bis jetzt tatsächlich versäumt, das wichtigste Hörstück Schweizer Dialekt-Akrobatik zu besprechen. Die Rede ist vom „Totemügerli“, dem klassischen Prüfungstest für jedes Swissness-Abitur jede Swissness-Matura.

  • Per Klick bezahlen
  • Wenn Sie es anhören möchten, dann klicken Sie auf die kleine (1.4 MB) oder grosse (5.5 MB) Version auf dieser Seite. Damit Franz Hohler für sein geniales Stück bezahlt werden kann, dürfen sie auch kurz die AdSense Werbung dort betrachten oder anklicken. Dafür bekommt der Site-Betreiber dann ein paar Rappen, mit denen er wiederum die Tantieme an Herrn Hohler bezahlt.

  • Das gehört in die Standortbestimmung!
  • Falls Sie das Stück noch nie gehört haben, dann sind Sie entweder noch nicht lange in der Schweiz, oder man hat sie noch nicht vor diese schwierige „Berndütsch“ Hörprobe gestellt. Wer den ganze Text Fehler- und Akzentfrei aufsagen kann, dem winkt in der Schweiz eine beschleunigte Einbürgerung! Dem wird auch die „Standortbestimmung“ erlassen, jenem 250 Franken teuren Test zum Beweis der Schweizerdeutschen Sprachkompetenz (vgl. Flup ist Schweizer). Wir erlauben uns aus dem bei hucky.org abgedruckten Text, den Anfang zu zitieren:

    Der Schöppelimunggi u der Houderebäseler si einischt schpät am Abe, wo scho der Schibützu durs Gochlimoos pfoderet het, über s Batzmättere Heigisch im Erpfetli zueglüffe u hei nang na gschtigelet u gschigöggelet, das me z Gotts Bäri hätt chönne meine, si sige nanger scheich. „Na ei so schlöözige Blotzbänggu am Fläre, u i verminggle der s Bätzi, dass d Oschterpföteler ghörsch zawanggle!“
    „Drby wärsch froh, hättsch en einzige nuesige Schiggeler uf em Lugipfupf!“ U so isch das hin u härgange wie nes Färegschäderli amene Milchgröözi, da seit plözlech Houderebäseler zu Schöppelimunggi: „Schtill! Was ziberlet dert näbem Tobelöhli z grachtige n uuf u aab?“ Schöppelimunggi het gschläfzet wie ne Gitzeler u hets du o gseh. Es Totemüggerli! U nid numen eis, nei, zwöi, drü, vier, füüf, es ganzes Schoossingong voll si da desumegschläberlet u hei zängpinggerlet u globofzgerlet u gschanghangizigerlifisionööggelet, das es eim richtig agschnäggelet het. Schöppelimunggi u Houderebäseler hei nang nume zuegmutzet u hei ganz hingerbyggelig wöllen abschöberle. Aber chuum hei si der Awang ytröölet, gröözet es Totemüggerli: „Heee, dir zweee!“ (…)
    (Quelle: Hucky.org)

    Franz Hohler schrieb mit diesem Text, den er übrigens in ähnlicher Form auch in fantasievollem Französisch (absolut unverständlich) und auf Rätoromanisch veröffentlichte, Schweizer Literaturgeschichte. Sie haben nichts oder fast nichts verstanden, wissen aber trotzdem so ungefähr, um was es geht? Sie können beruhigt sein, da sind sie nicht allein auf der Welt. Das vermeintliche Berndeutsch, was sie hier hören, ist erfunden. Wir lesen über die Geschichte bei Wikipedia:

    Sie besteht zum grössten Teil aus erfundenen Wörtern, die alle sehr berndeutsch klingen. Deshalb kann man sich beim Anhören eine komplette Geschichte vorstellen. Es handelt sich um ein Beispiel eines Gromolo, einer Erzählung in einer Kunst- oder Phantasiesprache. Die Geschichte entstand 1967, als Teil von Hohlers Programm „Die Sparharfe“.
    (Quelle: Wikipedia)

    Darum erstaunt es mich um so mehr, wie überhaupt genaue Übersetzungen dieses Textes möglich sein sollen. Hier ein Versuch aus dem Jahr 2002 von Cordula Schuwey: Seelenaussauger.

  • Erst die Glocke, dann das Totenmügerli
  • Üben Sie fleissig weiter diesen Text auswendig, in Bern und anderswo wird man Sie in geselliger Runde hochleben lassen, wenn Sie den Text, gleich nach Schillers Glocke oder Goethes Mailied, lässig vorgetragen haben.

    

    14 Responses to “Das Totemügerli — Die Schweizer Aufnahmeprüfung”

    1. Ungweliante Says:

      als mein freund (zürcher) mich vor sieben jahren das erste mal fragte, ob ich das totemügerli kenne, musste ich dies mit vielen unterschiedlich grossen fragezeichen über meinem kopf verneinen. dasselbe geschah einer kollegin, die einen basler zum freund hat. auch sie kannte als bernerin die geschichte nicht. genauso wenig wie meine mutter und meine grossmutter. deshalb stellte ich mir die frage, ob nicht-berner das totemügerli eher kennen als die berner selbst.

      in der zwischenzeit hab ich das totemügerli kennen gelernt. jedoch bin ich nicht in der lage, wie der vater meines freundes, die geschichte fehlerfrei zu lesen. wer da wohl der bessere berner ist?…

    2. sumo Says:

      „Uuh denen ischs i d Chnöde glöötet wie bschüttigs Chrüzimääl dure Chätschäbertrog.“ 😀
      Dazu der O-Ton von Franz Hohler:
      Diese Geschichte trage ich oft in meinen Kabarettprogrammen vor, es gibt auch eine Platte davon, die häufig im Radio gespielt wird, und ich werde immer wieder gefragt, wo denn dieses Berndeutsch her sei. Berner sagen mir nachher, sie wohnen nun halt seit über dreissig Jahren nicht mehr in Bern und hätten deshalb nicht mehr jedes Wort verstanden. Leute schreiben mir Briefe, in denen sie erzählen, sie hätten eine Wette abgeschlossen – der eine behaupte, es sei der Simmentaler Dialekt, während er, der Briefschreiber, überzeugt sei, dass es sich um eine Variante handle, die im Freiburgischen, nahe der französischen Sprachgrenze, gesprochen werde.
      Dieses Berndeutsch […] wird nirgends gesprochen. Ich habe es erfunden […]. Ich habe mir einfach vorgestellt, wie Berndeutsch tönt (ich spreche selbst ein Mittellandmischmasch aus der Gegend von Olten), und habe dann Wörter gemacht, die genau wie blumige berndeutsche Ausdrücke tönen, die aber eigentlich keine sind. Dabei bin ich machmal auch so an die Sache herangegangen […]: ich bin von etwas Bekanntem ausgegangen, das ich leicht verändert oder auch nur anders zusammengestellt habe. So gibt es das Wort „Chnöde“ und auch das Wort „lööte“, nicht aber den Ausdruck „i d Chnöde glöötet“, bei dem man tatsächlich das Gefühl hat, da sei jemand sehr erschrocken.
      (Quelle: Franz Hohler (1982): Sprachspiele, SJW 1485)

    3. Karin Says:

      Heeee, dir zweeee…! 😉
      Ach doch, die Berner kennen doch ihr Totemügerli… mir jedenfalls war es von Kindesbeinen an vertraut, eigentlich schon so lange ich denken kann. Aber ich bin im Emmental aufgewachsen, vielleicht liegt’s daran (wäre ja auch eine durchaus mögliche Kulisse für das Schauermärchen).

    4. sylv Says:

      EEENDLICH! 🙂

      auch ich ‚aus Bärner Modi‘ kenne das Totemügerli und bin damit aufgewachsen,einer meiner Schulkollegen konnte es gar fehlerfrei auswendig und hat uns in jedem Skilager damit unterhalten ( und auch zwischendurch mal)

    5. Thomas Says:

      hehe, das habe ich mit 8 das erste mal gehört und meine Mutter so lange genervt, dass sie mir noch am selben Tag in der Stadt eine Franz Hohler Musikkassette gekauft hat. Danach habe ich das DIng ca. 12321 mal gehört. Als Resultat kann ich das Ding heute immer noch ohne Probleme aus dem Stehgreif zitieren und hab immer eine Produktion zur Hand. Ich ernte meistens ungläubiges Staunen, wie man solcherlei Sache auswendig lernen kann. Nun, als Kind fällt einem so manches leichter.
      Im Kollegenkreis ist übrigens der Ausdruck: „Heb dure Münggu“ sehr gängig und wurde auch häufig an der Uni in gewissen Vorlesungen gebraucht, wenn die Augenlider trotz Kaffee so langsam zufallen wollten.

    6. neuromat Says:

      ebbe chummtma chumdrus machtnütchannscht losseunhäscht öppis zum sage … ohne dass Du etwas sagst, herrlich, dass man in solch einem Zusammenhang das Wort „fehlerfrei“ verwendet.

      Me fecit svizzera! Na ja, geht der Tag auch vorbei.

    7. mirach Says:

      klaro, kenn ich,
      aber fast noch besser gefällt mir die Geschichte „Hoe de bergen in Zwitserland kwamen“

      http://www.kaninchen-net.ch/flurina/f_geschichte.html

      DAS müssen wir Bernerinnen und Berner nun lernen, damit wir auf die Euro vorbereitet sind und mit unseren holländischen Gästen praaten können.

    8. neuromat Says:

      habe noch ein wenig ins Ausland telefoniert:

      die antisvp.antifa kennt das Totemürgeli wohl auch aber bei Ihnen heisst es ganz anders, wenn ich richtig verstanden habe s totemörgeli oder so. Vielleicht daher der Schweizer UNO Vorstoss zum besseren Terrorismus oder genauer besseren Koordination desselben, will vielmehr sagen seiner Bekämpfung.

      Wo wir gerade bei den Historikern sind. Konnte mittlerweile die Frage geklärt werden, wo und wie die Polen seinerzeit ins Land kamen? Ich frage natürlich deswegen, weil ich keine Mühen gescheut habe, die Antwort heraus zu bekommen …

    9. Pesche Says:

      Natürlich kenne ich das Totemügerli schon lange und freue mich über die lustige Geschichte und auch über die Sprache. Sie ist dem Bärndütsch nachempfunden und das Lautmalerische ist ja auch im Bärndütsch nicht wegzudenken. Wenn jemand mit de Houzböde d Schtäge ab troglet, dann hört man dies geradezu und wenn es dene Zweene i d Chnöde glöötet het, dann spürt man, dass es ihnen unheimlich gewesen ist. Ein grosser Teil der Worte bedeutet eigentlich nichts und totzdem drücken sie aus, was Hohler erzählen will. Ich finde, er hat das genial gemacht.

    10. Daniel Says:

      Dann schiess mal los, Neuromat

    11. AnFra Says:

      @neuromat

      Wg. pol. Sodaten in CH

      Anbei ein kurzer Anriss zu Deiner Frage.
      Die Beteiligung der polnischen Exilarmee ist bei uns in Mitteleuropa leider weitestgehend unbekannt.
      Bei den pol. Soldaten in der CH kann es sich nur um die flüchtenden pol. Armeeteile im Südosten in F handeln, welche sich vor der dt. Wehrmacht in die CH abgesetzt haben.
      Da ich gerate wenig Zeit habe, musst Du nun selber weitersuchen. Der Suchcode ist sicherlich.: polnische Kriegsfreiwillige in der französischen Armee, pol. Armee im Westen, pol. Armee bei den Alliierten u.ä.m.
      Gebe bitte dann die Infos, ob es sich so verhält, an uns weiter.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Polnische_Streitkr%C3%A4fte_im_Westen
      http://www.ww2.pl/Der,Feldzug,gegen,Frankreich,127.html

    12. Neuromat Says:

      @ Daniel
      @ AnFra

      der Suchcode … war für mich vor allem die Namen. Insgesamt konnte ich drei Kriegsfreiwillige der französichen Armee ausmachen.Grosse Bereitschaft ueber Details zu plaudern bestand nicht – allerdings alle drei waren oder sind in der Schweiz verheiratet und wirkten tatsächlich recht „charming“.

      Alle drei waren über Italien, zumindest jeweils auf südlichen Routen gekommen. Keiner von ihnen, der „quer durch Deutschland“ angereist wäre. Ich hoffe, dass ich bei den nächsten Treffen wirklich etwas mehr Einzelheiten erfahren werde.

    13. AnFra Says:

      @neuromat

      Die Route „Quer durchs Reich“ kannst Du tatsächlich vergessen. Solche Erzählungen sind meines Wissens echte Märchen. Eigentlich sollte die Überschrift lauten: „Quer durchs militärische Märchenland“.
      Stelle Die vor: 10 – 25.000 Mitglieder der geschlagenen polnischen Armee flüchten ca. 1.000 bis 1.500 km quer durchs Großdeutsche Reich. Queren die Fronten, quer durch Polen, quer durch das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, überwinden die deutsch-schweizer Grenze. All dieses 1939 im großdeutschem Siegestaumel. Da lachen ja die arabischen Märchenerzähler. Jedoch sind vereinzelt pol. Kriegsgefangene aus der Internierung zum betrieblichem oder landwirtschaftlichen Einsatz über die dt.-schw. Grenze geflüchtet.
      Die polnischen Soldaten waren als Mitglieder der polnischen externen Freiwilligentruppen in Frankreich (auch England, USA, Belgien) und haben sicherlich tapfer gekämpft. Sie waren ein Bestandteil der alliierten Streitkräfte und wurden 1940 mit der fr. Armee besiegt. Sie sind nach der freiwilligen Waffenniederlegung dann über die Grenze in die CH geflüchtet. Italien war ja Kriegsgenosse des DR und hätte normalerweise diese Kombattanten ausgeliefert.
      Das DR hat meinen Wissens diese Soldaten NICHT als reguläre Kämpfer betrachtet, da ja Polen bereits kapituliert hatte. Diese Männer waren also „Partisanen“. Wie mit denen umgegangen wurde, wirst Du ja wissen! Das jedoch einzelne Männer über Italien in die CH geflüchtet sind ist vorgekommen.
      Nach 1945 wollten jedoch die meisten NICHT nach Hause, da sie durch die neue „freie kommunistische“ Volksregierung von russisch-kommunistischen Gnaden nichts gutes zu erwarten hatten. Es sollen Hunderte und Tausende bei der Ankunft für Jahre ins Gefängnis gekommen sein. Hunderte wurden liquidiert!

    14. Christian Says:

      Na bravo.. da versuche ich aus der Blogwiese eine Blogmatte zmache u dr Jens hett das Totemüggerli fei scho im Blog drinne. Do chasch dr Schtotzgrotz abdotzere, wie wenn dr der Hurligwaagg mit em Flarzyse der Schtirps vermöcklet.

      En schöne Obe
      Christian