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Nicht Weihnachten sondern Einnachten

  • Ich nachte ein, du nachtest ein, eine Nacht zum Einnachten
  • Wie immer sind des die kleinen Sprachfunde des Alltags, die seit unserem Umzug in der Schweiz bei uns die Überlegung aufkommen lassen: „Wie konnten wie bislang ohne dieses Wort überhaupt leben“?

  • Es wird Nacht Senorita
  • Der Wahlschweizer Udo Jürgens (seit Februar 2007 Österreichisch-Schweizerischer Doppelbürger ) dichtete schon 1969:

    Es wird Nacht, Senorita, und ich hab‘ kein Quartier.
    Nimm‘ mich mit in dein Häuschen, ich will gar nichts von dir!
    Etwas Ruhe, vielleicht; ich bin müde vom Wandern,
    Und ich bin außerdem nicht so schlecht wie die andern!

    Es wird Nacht, Senorita, sei nicht grausam zu mir!
    Nimm‘ mich mit in dein Bettchen, ich will gar nichts von dir!
    Einen Kuß nur, vielleicht; ich bin müde vom Wandern,
    Doch ich küsse auch dann nicht so schlecht wie die andern!

    Es wir Nacht, Senorita, siehst du nicht, wie ich frier‘?
    Drück‘ mich fest an dein Herzchen, ich will gar nichts von dir!
    Etwas Liebe, vielleicht; ich bin müde vom Wandern,
    Doch ich lieb‘ dich auch dann nicht so schlecht wie die andern!
    (Quelle: udojuergens.de)

    Zu diesem Text braucht wir nichts zu schreiben, geschweige denn ihn parodieren. Man sollte ihn als Rap neu herausbringen: „Ich bin müde vom Wandern, doch ich lieb‘ dich auch dann nicht so schlecht wie die anderen!“. Binnenreime, dass es nur so fetzt.

    Was wäre das für ein Lied geworden, wenn Jürgens „Es nachtet ein, Senorita“ gesungen hätte?

  • Nicht einschlafen, einmachen oder einsingen, sondern „einnachten“.
  • Viele Verben mit der Vorsilbe „ein“ fallen uns ein. „Einfallen“ zum Beispiel, oder „einschlafen“, „einmachen“, „einsingen“ oder „einnässen“. Aber „einnachten“?

  • Beim Einnachten zu Hause
  • Wir fanden im Internet

    Während der Dämmerung drohen vermehrt Einbrüche
    Erfahrungsgemäss nehmen nach der Umstellung auf die Winterzeit die Einbrüche in Einfamilienhäuser und Erdgeschosswohnungen zu, da viele berufstätige Bewohner beim Einnachten noch nicht zu Hause sind
    (Quelle: zio.ch)

    Unser Duden führt es „für einmal“ als unpersönlich „schweizerisch“ auf:

    einnachten sw. V.; hat; unpers.› (schweiz.): [allmählich] Nacht werden: heute nachtet es früh ein.
    (Quelle: duden.de)

    Jetzt im November, wenn es früh einnachtet, sollten wir es konsequent einführen, dieses „Einnachten“, und durch regelmässigen Gebrauch als Ersatz für „Es wird Nacht“ im Standard-Deutschen etablieren. Irgendwann schreibt dann sicher auch Udo Jürgens seinen Song um. Er könnte es ja dann durch so einen Trichter, genannt „Folle“ probesingen.
    Betruf durch Folle
    (Quelle Foto: Schweizerische Verkehrszentrale Zürich)

  • Beim Einnachten hört man den Bättäriäfä
  • Wer im Sommer am Abend in den Schweizer Bergen unterwegs ist, kann dort die akustische Begleitung des Einachtens vernehmen. Dieser Brauch heist „Betruf„, wobei hier kein Schreibfehler vorliegt und auch keine Kinder zu Bett gerufen werden. Es ist ein „Gebet-Ruf“:

    Dieses „Bättäriäfä„, wie es in einem der Urner Dialekte heißt, ist seinem Wesen nach ein Gebetsruf, mit dem der Senn – einen Bannsegen einschließend – Herde, Hütte und Weiden den Schutzheiligen sowie der Fürbitte der Mutter Gottes anbefiehlt. Ursprünglich wohl mit Zauber- und Viehsegen aufs engste verschwistert, stellt der Ruf seit dem 16. Jahrhundert eine mehr und mehr ins Christlich-Religiöse umfunktionierte Abwehr, Bitt- und Bann-Handlung dar, welcher das „Abgöttische“ vorerst noch anhaften blieb.
    (…)
    Der Betruf wird durch einen Milchtrichter, die „Folle“ gerufen, um den Schall megaphonartig zu verstärken. Seit wann dieses Hirtengerät nachweislich im musikalischen Sinne für den Bittruf gebraucht wird, ist schwer festzustellen.
    (Quelle: uni-bamberg.de)

    

    10 Responses to “Nicht Weihnachten sondern Einnachten”

    1. DaniDo Says:

      Logisch wäre da das ausnachten am morgen…

    2. Tellerrand Says:

      Oder das Eintagen…

      Wie hiess es doch gleich, von den wehrdienstleistenden Freunden aus irgendeinem Bunderwehrhandbuch oft und gerne zitiert: „bei einbrechender Dämmerung muss mit Dunkelheit gerechtnet werden.“ Holzauge sei wachsam!

    3. Simone Says:

      Bei so einem Wetter ganz ohne Sonne kann man sich schon mal eingenachtet fühlen. Ich warte darauf, dass es endlich richtig „eintagt“. Vielleicht kommt ja noch ein Betruf, der mich wach macht…

    4. Tellerrand Says:

      Man sollte es auch mit dem Einnachten nicht übertreiben, sonst ist die Umnachtung nicht weit.

    5. spielmaus Says:

      Mir dämmert’s. Es ist doch prima mit dem „einnachten“. Man weiß wo man dran ist. Wenn’s dämmert könnte es ja auch morgens sein.

    6. neuromat Says:

      Einmachen war auch früher bei uns zuhause, da wir nicht in grossem Reichtum lebten gerne an der Tagesordnung. Die Mama sprach auch von einwecken und wir hatten dafür Einweckgläser, die konnte man luftdicht verschliessen. Ich weiss nur nicht, was das mit Kriminalitaet zu tun haben soll. Bei uns jedenfalls traten in dieser Zeit halt au weia, Text nicht richtig gelesen da steht ja einnachten. Na ja auch gut, zum Glück ging es nicht ums Einnässen.

    7. Brun(o)egg Says:

      Wetterbericht von heute, traurig wie immer: „Heute Abend wieder finster“.

    8. Phipu Says:

      Ich empfehle ein bisschen Flexibilität im Denken. Wenn auch „eintagen“ das beste Gegenstück wäre, heisst es halt bloss „tagen“. Beispiel im Lied: „Was soll das bedeuten, es taget ja schon?“ Nicht zu verwechseln mit „Was soll das bedeuten, die Kommission tagt schon wieder?“.

      Mehr zu „tagen“ auch in Grimms Wörterbuch http://www.dwb.uni-trier.de/ . Dort findet man übrigens nur „nachten“ mit der gleichen Bedeutung wie „einnachten“, womit „für einmal“ der Duden bessere Schweiz-Voraussetzungen liefert.

    9. Schnägge Says:

      Nur blöd, wenn man nach dem Einnachten dann eingeweckt wird, weil wieder jemand den Morgen zerdeppert hat (Morning has broken).

      [Anmerkung Admin: Ich dachte beim Hören dieses Songs immer, dem Morgen sei schlecht und er habe sich erbrochen… ]

    10. Wer er Says:

      Es gibt übrigens auch fernab des helvetischen Schriftdeutschen dazu noch
      viel lautmalerische Mundart-Ausdrücke:
      In Glarner Mundart sagt man zum schriftdeutschen einnachten auch „äs mauggelet“…

      So jetzt aber Gutnacht!