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Vergessen Sie nicht „Gesundheit“ zu wünschen

(reload vom 12.11.05)

  • Niesen bei Obi
  • Wir waren keine Woche in der Schweiz angekommen, als ich bei OBI-Suisse nach Schweizer Steckern und Adaptern suchte. Ja, mitten in Europa liegt die Schweiz, und pflegt doch ihre ganz eigene Steckerkultur. Den deutschen Staubsauger mit fettem Schukostecker können sie nirgends einstöpseln, es sei denn, sie benutzen einen wackligen Adapter oder rüsten gleich um auf Schweizer Stecker.

    Deutscher Schukostecker, passt in keine Schweizer Steckdose:
    Deutscher Schukostecker

    Es war Winter, ich war erkältet, stand im Gang vor den Steckern und musste plötzlich laut niesen. Eh ich mich versah, drehten sich 5-6 Schweizer in meiner Nähe zu mir um, und wünschten mir laut und vernehmlich „Gesundheit!“. Das fand ich echt nett, hier kümmerte man sich also noch um die Gesundheit und das werte Befinden seiner Mitmenschen, auch wenn man die gar nicht persönlich kannte.

    In Deutschland wurde uns dies schon vor langer Zeit von Benim-Aposteln wie Knigge abgewöhnt: „Es gehört sich nicht, sich in die gesundheitlichen und privaten Dinge eines anderen einzumischen und ihm ‚Gesundheit‘ zu wünschen.“ Nur innerhalb der Familie oder des Freundeskreises sei dies möglich.
    Gesundheit!

  • Gesundheit wünschen gehört sich
  • Nicht so in der Schweiz, hier wird bei jeder Gelegenheit „Gesundheit“ gewünscht. Das gilt an der Kasse bei der Migros genauso wie an einer Bushaltestelle. Niest ein Zuhörer während eines Vortrages, dann muss der Referent diesen sofort unterbrechen (den Vortrag, nicht den Zuhörer) um ebenfalls laut „Gesundheit“ zu wünschen, so wie alle anderen Anwesenden. Im Kino während einer Vorstellung muss ich immer mächtig an mich halten, um nicht jeden Nieser mit „Gesundheit“ zu quittieren.

    In Deutschland pflegt man bei der zweiten Nies-Attacke dann noch eins draufzulegen mit „Schönheit„, und beim dritten Mal mit „..und viele Kinder„. Das wäre in der Schweiz allerdings extrem unhöflich und schlecht erzogen. Der zweite und dritte Nieser wird hier höflich ignoriert.

    Und nur falls Sie mal nach Bern kommen sollten. Dort brauchen Sie nicht nach jedem „Tschuuuldigung“ dem Gegenüber „Gesundheit“ wünschen, dass ist in Bern die übliche Variante von „Excüse„.

    Susanne Helbach-Grosser, Trainerin für moderne Umgangsformen und Leiterin des Instituts „Takt und Stil“ in Schwäbisch Gmünd meint dazu:

    „Gesundheit“ – dieser wohlgemeinte Zuruf zum niesenden Gegenüber ist out. Das Niesen wird, wie „alle Laute aus sämtlichen Körperöffnungen“ nicht mehr kommentiert. Nutzen Sie hingegen die Gelegenheit zu einem Smalltalk, etwa mit der Bemerkung: „Na, hoffentlich haben Sie sich keine Erkältung eingefangen.“

    Kommentarlos verhalten sich auch die Betroffenen selbst. Man muss sich für das Niesen nicht entschuldigen. Bei einem richtigen Niesanfall ist es nach dem modernen Knigge aber angebracht, das Zimmer zu verlassen.

    Bei Tisch nur zur leeren Seite hin niesen. Hat man links und rechts einen Tischnachbarn, dann nach vorne niesen, dabei ein Taschentuch vor das Gesicht halten.

    Also doch nicht die Tischdecke nehmen, wenn man plötzlich niesen muss?

    

    2 Responses to “Vergessen Sie nicht „Gesundheit“ zu wünschen”

    1. Boris666 Says:

      Ja ja, immer dieser Steckerstress. Aber das nur die Schweiz andere Stecker in Europa hat, ist ein Gerücht.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Stromstecker

      Man achte, wie eigentlich fast immer *fg*, auf die Briten, welche auch ein völlig eigenes System haben.

      Greetz

    2. Alettoria Says:

      Auch in Deutschland ist es ja wohl nicht mehr „in“, Gesundheit zu wünschen, vor allem – sagt man – da ja das Wünschen von Gesundheit implizieren würde, dass der Niesende krank ist. Die neuzeitlichen Psychologen raten aber davon ab, ähnliches zu suggerieren, da das Unterbewusstsein dann die Idee klasse finden und den Körper wirklich krank machen könnte. Oder so. (Selffulfilling Prophecy?). Wie auch immer.

      Was mich aber wirklich amüsiert, ist die schweizer Angewohnheit, auf „Gesundheit“ nicht mit „Danke!“ zu antworten, sondern mit „Gliiiechfalls!“. Jedes Mal bin ich irritiert und frage mich, ob ich wohl gerade unbewusst auch geniest habe?!? Nein. Aber das ist eben wieder die hochgradige schweizer Höflichkeit.

      Übrigens: In Italien wünscht man in ländlichen Gebieten dem Niesenden „Gesundheit und männliche Nachkommen“. Was ich immer radikal abgelehnt habe. Zum Glück habe ich eine Tochter bekommen! 😉