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Führerausweis ohne Führer

(reload vom 28.09.05)

  • Der Lappen von der Kirmes
  • Der Schweizer „Führerausweis“ heisst in Deutschland kurz der „Führerschein„, denn merke: Der Schein trügt! Mitunter kann man sich „den Lappen“ (Jugendjargon ) auch auf einem Jahrmarkt (Schweizerdeutsch „Chilbi“) auf einem Schiessstand (in Deutschland nur mit Luftgewehr!) selbst schiessen. Daher kommt auch die spöttische Bemerkung, wenn jemand einen äusserst schlechten Fahrstil hat. „Hast Deinen Führerschein wohl vom Jahrmarkt, oder was?“
    Ein grosser alter Führerausweis

  • In der DDR war der Führer abgeschafft
  • Führerausweis“ lässt einen Deutschen unwillkürlich stramm stehen, das Wort erinnert doch sehr an „Führerhauptquartier“ oder „Führer befiehlt — wir folgen„, und ausnahmsweise ist es mal länger als das deutsche Gegenstück „Führerschein“.

    Hat ganz Deutschland das Ding so genannt? Nein, natürlich nicht, denn in der DDR war der Führer bekanntlich abgeschafft. Das Wort wurde ersetzt, so hiessen bestimmte Leute in Berlin offiziell die „Stadtbildzeiger„, weil sie nicht mehr als Fremden-Führer arbeiten konnten, und der Lappen hiess einfach die „Fahrerlaubnis„, womit das Führerproblem elegant umgangen werden konnte. Wobei den Jungs im Osten noch lange nicht erlaubt war hinzufahren, wohin sie wollten, trotz Fahrerlaubnis.

  • Die Nazi
  • Es gibt noch andere Worte, bei denen ein Deutscher unwillkürlich zusammenzuckt, so z. B. wenn die Schweizer immer wieder von „die Nazi“ reden. Sie meinen damit jedoch keine Nationalsozialistische Partei, sondern ihre „Nationalmannschaft„, ist echt wahr!

  • Vorbelastete Wörter
  • Weiterer Wörter, die bei mir als Deutscher in der Schweiz eine ganze Reihe von Assoziationen und Konnotationen auslösen: Fahre ich mit einem Fahrstuhl und lese das Typenschild des Herstellers „Schindlers Lifte“, muss ich sofort an den Film von Steven Spielberg über den Deutschen Judenretter Oskar Schindler und seine Liste denken.

    Höre ich auf dem Zürcher Hauptbahnhof die Lautsprecherdurchsage „Sie haben Anschluss“, dann fällt mir ein, dass die Deutsche Bahn gleich nach der Privatisierung den Anschluss abgeschafft hat. Es gibt in Deutschland keinen Anschluss mehr, der ist ersetzt worden durch „die Reisemöglichkeit“. Nur noch im Potentialis, in der Möglichkeitsform wird gesprochen, wenn sie irgendwo ankommen und ihr nächster Zug ist gerade abgefahren. Suchst Du den Anschluss, dann geh doch nach Österreich, die haben da auch genug von.

    Es finden sich weitere Beispiele. So heissen die internationalen „Workcamps„, die jeden Sommer in vielen Ländern Europas stattfinden und von zahlreichen Jugendlichen besucht werden, auf Französisch „Chantier“ und auf Deutsch verschüchtert „Aufbaulager„, denn die eigentliche Übersetzung „Arbeitslager“ ist nicht mehr verwendbar.

  • Keinen TÜV beim Strassenverkehrsamt
  • Unser Auto hatten ich erst einige Wochen nach dem Umzug in die Schweiz umgemeldet. Die Grenzer wurden von mal zu mal unfreundlicher, wenn wir mit Schweizer Wohnsitz und deutschem Kennzeichnen nach Jeststetten „go postschte“ gingen. Irgendwie total illegal, ein Auto in Deutschland gemeldet zu haben, ohne dort zu wohnen.
    Zuvor musste ich den Wagen beim Strassenverkehrsamt in Zürich vorführen, denn einen TÜV gibt es nicht in der Schweiz . Der linke Scheinwerfer war um 8 mm zu tief eingestellt, erfahre ich vom untersuchenden eidgenössischen Ingenieur nach einstündiger eingehender Prüfung unseres Neuwagens, der erst zwei Monaten zuvor in Deutschland mit zwei Jahren TÜV zugelassen worden war. Upps, da müssen die deutschen TÜV-Ingenieure wohl etwas übersehen haben! Also musste ich durch die Stadt zu meiner Werkstatt brausen und das richten lassen. Völlig umsonst, denn nach einer Stunde Rückfahrt wurde die erfolgte Korrektur nicht einmal mehr begutachtet.

    Meine Kollegen amüsierten sich über meine Folgsamkeit: „Du warst nicht beim Schweizer Militär, da hättest Du gelernt, dass Du am besten einfach auf den Parkplatz gefahren und dort zwei Stunden gewartet hättest, um dann den Wagen direkt nochmals vorzufahren.“ So geht das also, muss ich merken für die nächste Vorführung.

    Ein paar Wochen später haben wir auch unsere Führerscheine umschreiben lassen. Jetzt haben wir „Führerausweise“. Die alten Ausweise werden, wie zuvor schon die Autokennzeichnen, einkassiert und an die deutschen Behörden zurück überstellt. Das sei so üblich. Man will sich ja nicht am Eigentum des befreundeten Auslands bereichern. Für das Einpacken und Zurückschicken der alten Kennzeichnen werden sage und schreibe 120 CHF Gebühr verlangt. Ein teurer Päckchendienst ist das hier!

  • Führerausweis C1 — Permiss dar manischar
  • Zwei Jahre später werde ich vom Zürcher Strassenverkehrsamt erneut angeschrieben: Ich soll mich einer Kontrolluntersuchung bei einem Arzt unterziehen. Dieser muss auf einem Formblatt eintragen, ob ich Einstichstellen habe, oder ein „auffälliges Nasenseptum“ (= Koksnase), oder ein Leber-Stigmata (=“Säuferleber“).

    Besonders Wert wird auf die Untersuchung der Psyche gelegt: „Stimmung, Affekt, Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedankengänge, Gedankeninhalte und Gedächtnis“ sollen vom Arzt bei mir untersucht und beschrieben werden. Besonders freute ich mich auf die Untersuchung der Gedankeninhalte…

    Was war der Grund? Meine Deutscher Führerschein Klasse III wurde zu einem C1 in der Schweiz umgeschrieben, wodurch ich die Berechtigung habe, PKW über 3.500 KG zu fahren (in Deutschland nur bis 2800 KG), somit auch Kleinbusse etc., aber definitiv noch keine Panzer. Will ich diese Bewilligung behalten, muss ich zur Untersuchung. Seit März 2003 gibt es diese Regelung, und nach und nach wird es alle Deutsche mit umgeschriebenen Führerausweis in der Schweiz erwischen!
    Neuer C1 Führerausweis
    Das rätoromanische „Permiss da manischar“ klingt meiner Meinung nach eher nach einer Erlaubnis zum Essen. Sind die sicher, dass da nicht ein Irrtum vorliegt und das hier als Mensa-Ausweis gilt?

    

    10 Responses to “Führerausweis ohne Führer”

    1. Goggi Says:

      Netter Bericht in der NZZ, übrigens, Herr Wise 🙂

    2. sylv Says:

      Ein anderer Ausdruck und von mir gerne gebraucht wenn ich so einem ‚Grillenhirni‘ begegne im Strassenverkehr :
      “ Hesch ds Billiee mit em Miuchbüechli gmacht?“

      was das Milchbüechli ist, siehe mein comment hier

    3. Thomas W. Says:

      „Der Führer war ein armes Schwein, er hatte keinen Führer-Schein…“
      (ich übrigens auch nicht, ich bin aber auch kein Führer, nur Projektleiter. Wobei – kommt die Bezeichnung Projekt-Leiter daher, weil Projektleiter den Vorgesetzten als quasi als Leitersprosse zum Aufstieg dienen?)

    4. Phipu Says:

      Es mag ja stimmen, dass „maneschar“ für jemanden mit Italienisch-Kenntnissen, an „essen“ = „mangiare“ [sprich ~ mandschare] erinnert. Es brauch jedoch auch bei den Rätoromanen keine Ess-Erlaubnis (Touristischer Tipp: Du darfst in Rätisch-Bünden auch ohne das rosarote Kärtchen vorzuweisen, im Restaurant Essen bestellen).

      Falls die Überlegung bisher noch nicht gefallen ist, hier noch meine Spitzfindigkeiten dazu: Spanisch wird für „Auto fahren“ auch mal das Verb „manejar“ gbraucht (siehe hier: http://dict.leo.org/esde?lp=esde&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&sectHdr=on&spellToler=on&search=f%FChrerschein&relink=on ) Mit „essen“ kann man es in dieser Sprache gar nicht verwechseln. Das heisst nämlich „comer“. Oder was würdest du zum französischen Wort „manier“ [sprich: manieh] = „handhaben“ sagen? Nein, nicht „manger“ [sprich ~ mãscheh] = „essen“! Könnte „maneschar“ nicht auch damit zusammenhängen?

      Übrigens, am klarsten ersichtlich ist es doch im Italienischen. Da gibt es das Wort „manieggiare“ [sprich ~ manedschare] nämlich auch. Der Führerschein heisst hingegen „patente die guida“. Da wären wir wieder bei diesem Wort, das übersetzt „Führer“ bedeutet.

      Also, siehst du, Romanisch ist gar nicht so schwer. Man muss dazu lediglich Italienisch, Französisch, Spanisch oder Latein können oder noch besser gleich alles zusammen. Dann ist das ein Kinderspiel.

    5. Faboo Says:

      In Spanish to drive is „Conducir“ but in Mexico they will call it „Manejar“ … but „Manejar“ in Spain is „to handle“, in any case that shows us that the „false friends“ does exist in any languages.

    6. Züpf Says:

      Nazi hat ein langes a, und Nati (wie es eigentlich geschrieben wird) ein kurzes.
      Schindler Lifte gibt es auch kaum, sondern vor allem Schindler Aufzüge.
      Und bitte schreibt „Permiss da manischar“ zwischendurch mal richtig, es hat ja eine Vorlage.

      {Anmerkung Admin: Im Aufzug stand „Schindlers Lifte“, werde ich gern fotografieren}

    7. neuromat Says:

      Leider wurde unter Punkt 3 das Geburtsdatum eliminiert. Herzlichen Glückwunsch nachträglich.

      Aber insofern von Bedeutung als dass es doch bestimmte Rückschlüsse erlauben könnte. Klasse III in Deutschland erlaubte dann vermutlich noch das Fahren von Kleinlastwagen bis 7,5 Tonnen. Insofern wäre man mit den 3.5 jetzt schlechter bedient.

      Muss der Führerausweis nicht nach einem Jahr „umgetauscht“ werden? Ich sehe da unter 4a das Datum 25.11.2004. …

      Wenn im Italienischen der Führerschein „Patente di guida“ heisst, warum steht dann auf dem obigen Exemplar „Licenza di condurre“. Muss der Wiese an die Kandarre genommen werden. Und war Jürgen von Manger Handlungsreisender oder heimlicher Rätoromane?

      In meinem Fall wurde aus Klasse III: A1, B, C1, BE und CE (bis 12 T). Klar dafür braucht es eine ärztliche Untersuchung, die bei Kategorie B nicht notwendig wäre.

    8. Phipu Says:

      To Faboo

      Thank you for your additional explanation. You underline what the French and Italian meaning of “manier/maneggiare“ is; it means “to handle”, what I translate to German (above) as “handhaben”. By the way, the link I joined, mentions, like all dictionaries, “Lat. Am.” (América Latina), what is very useful for all languages, like English (UK-US), French (FR-BE-CH-CAN etc.) and …German (DE-CH), which gave already hundreds of postings on this site. You see, now speaking about languages, even the Rhine can take dimensions of an ocean cutting the same language into parts.

      Kurz zusammengafasst für alle, da dies ja ein deutschsprachiger Blog ist: Faboo präzisiert, dass „manejar“ nur in südamerikanischem Spanisch “Auto fahren” bedeutet, in Spanien aber „handhaben“. Dazu ergänze ich, dass die französischen/italienischen Wörter, die dem romanischen „manischar“ entsprechen, auch nur „handhaben“ bedeuten. Glücklicherweise geben alle guten Wörterbücher die regionalen Einschränkungen solcher missdeutigen Wörter an. Manchmal muss man für den Bedeutungsunterschied Ozane überqueren, bei Deutsch reicht oft lediglich der Rhein, wie hier in Hunderten von Einträgen belegt wurde.

      An Neuromat

      Ach, mach mir doch nicht meine mühsam zuwege* gebogene Pointe zunichte. Warum musst du auch immer alles so genau anschauen! Zu meiner Verteidigung muss hier erwähnen, dass mein Dixionär, den ich sicherheitshalber konsultiert hatte, nichts von „licenza di condurre (CH)“ erwähnt, sondern nur von der Italo-Italienischen Version ausgeht (patente di guida).

      Ähnlich wie zu Deutsch gibt es im Tessin auch hier den Unterschied zur „FAHRprüfung“ (Esame di guida) und dem „FÜHRERausweis“ (licenza di condurre). Siehe hier: http://www.ti.ch/DI/di/SC/sportello/tasse/tasse.pdf Dazu käme dann die ganze Wortklauberei über „patente“ und „licenza“, die mit dem deutschen „Schein“ und „Ausweis“ ja ebenfalls existiert. Das ist halt administrative Sprachlogik, die irgendwo in den noch viel hermetischeren Landesgrenzen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts begründet liegt.

      Es klingt ja auch schöner, wenn man, wie damals Gladys Knight, mit gutem Gewissen am Steuer summen kann: „I’ve got a licence to drive…“ als mit italo-italienischem Akzent „I’ve got a patent to drive…” ( http://de.wikipedia.org/wiki/Lizenz_zum_T%C3%B6ten )

    9. Psalmist Says:

      @neuromat

      Meinen Führerschein – sorry, -ausweis – habe ich vor drei Jahren gemacht, als soeben die Fahrzeugklassen umdefiniert worden waren. Auf dem alten papiernen Ausweis sind die Klassen nach alter Definition aufgeführt, auf dem neuen aus Plastic (Beispiel s.o.) nach der neuen. Man kann aber auch, wenn man den Schein früher gemacht hat, den papiernen durch einen aus Plastic ersetzen lassen, und dann wird die alte Klasse in die neuen Klassen „umgerechnet“. Bei meiner Schwester sind ähnlich viele Klassen aufgeführt wie bei dir, obwohl sie den Schein (alte Klasse B) in der Schweiz gemacht hat.

    10. Nelson Says:

      Sind wir hier im Club der Klugscheisser oder was ?