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Die Magie der höflichen Indirektheit — Nicole M. über die Kunst der Schweizerischen Kommunikation

  • Wenn die Codizes nicht stimmen
  • Die Schweizerin Nicole M. beschreibt im Tages-Anzeiger, wie es ist, in der Schweiz mit einem Kopftuch unterwegs zu sein. Sie kam auf diese „Under-Cover-Kopftuch“ Aktion durch ein Erlebnis, dass ihr widerfuhr, als sie einen kurdischen Freund bei der Semester-Einschreibung an die Uni begleitet:

    Wir werden vorgelassen, mein Freund bringt sein Anliegen vor. In einem nicht ganz korrekten, aber mühelos verständlichen Satz. Die Dame am Schalter schüttelt nur den Kopf. Mit einer Bestimmtheit, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte, sagt sie: «Nein, das geht nicht, auf keinen Fall, da kann man gar nichts machen.» Mein Freund zuckt mit den Schultern und wendet sich ab, ist an solche diskussionslosen Absagen gewöhnt.
    (Quelle: Dieses und alle weitere Zitate stammt aus dem Tages-Anzeiger vom 21.05.07, S. 20)

    Hier lief offensichtlich etwas falsch in der Kommunikation zwischen dem Kurden und der Schweizer Dame am Schalter. Codizes wurden nicht eingehalten, Gesprächsregeln verletzt. Das beschreibt Nicole M. im Folgenden sehr präzise und mit exakter Beobachtungsgabe, denn für Schweizer sind diese Dinge nicht leicht wahrzunehmen, weil sie so selbstverständlich sind im Alltag:

    Einkauf mit Kopftuch
    (Quelle Foto: Tages-Anzeiger vom 21.05.07 Foto von Thomas Burla)

    Nun wende ich mich der Dame zu und wiederhole, was mein Freund gesagt hat. Wiederhole nur, sage den gleichen Satz wie er, sage ihn aber auf Schweizerdeutsch und makellos, geschminkt mit ein paar Höflichkeitsfloskeln, in gutschweizerischer Indirektheit. Man sagt «Könnte ich vielleicht» (mit Betonung auf vielleicht, obwohl man gar nicht vielleicht meint, sondern unbedingt), man sagt «Meinen Sie, es wäre möglich» (obwohl einen die Meinung des anderen nicht im Geringsten interessiert), statt «Kann ich» oder «Können Sie bitte» (wobei es egal ist, ob das bitte fehlt, denn bereits die Verwendung des Indikativs an Stelle des Konjunktivs gilt als unhöflich). Dazu macht man, gutschweizerisch, ein verlegen verkniffenes Gesicht, zeigt die Zähne als Zeichen der Zerknirschung, atmet zischend ein und wiegt voller Zweifel und Scham den Kopf hin und her. Ansonsten aber: das gleiche Anliegen, der gleiche Satz.

    Jeder Sprachwissenschaftler hätte seine Freude an dieser Beschreibung, wenn die Situation nicht alles andere als lustig wäre:

  • Es gibt Signale, die eine bestimmte Haltung hervorrufen
  • Und plötzlich hellt sich das Gesicht der Dame auf, sie sagt «Aha!», als ob sie erst jetzt verstanden hätte, worum es geht, sagt «Ach so!» und winkt meinen Freund zurück, und plötzlich klappt alles reibungslos, plötzlich ist alles gar kein Problem mehr, eine kleine Formalität. Ich merke: Es gibt Signale, die eine bestimmte Haltung hervorrufen, einen bestimmten Umgangston. Es gibt Schlussfolgerungen: X spricht kein korrektes Deutsch, ergo ist er mir intellektuell unterlegen, denn ich spreche korrektes Deutsch (zumindest Schweizerdeutsch). X ist mir unterlegen, ergo stellt er dreiste Forderungen und versucht, mich zu überlisten und den Schweizer Staat (dessen Repräsentantin ich bin) zu untergraben, denn er muss seine Unterlegenheit irgendwie ausgleichen.

    Ich bewundere Nicole für ihre Coolness und Perfektion, mit der sie in dieser Situation „Kreide gefressen“ hat, um das Ziel für ihren kurdischen Freund erfolgreich zu erreichen. Die richtigen Regeln der Kommunikation zu beherrschen ist auf jeden Fall ein grosser Pluspunkt im Leben, nicht nur in der Schweiz. Dies als kleiner Tip an alle Schweizer, die schon „Ich krieg noch ein Bier“ brüllen üben, wenn sie noch nicht ganz über die Deutsche Grenze gefahren sind.

  • Die Regeln der höflichen Indirektheit
  • Ergo (merke ich): Es gibt Signale, die die Schlussfähigkeit beeinträchtigen. Denn es heisst (fälschlicherweise) nicht: X spricht kein korrektes Deutsch, ergo sollte ich ihn nicht voreilig als unhöflich und dreist betrachten, denn er ist wahrscheinlich mit unseren sprachlichen Regeln der höflichen Indirektheit nicht vertraut und formuliert sein Anliegen deshalb (für mein Schweizer Ohr) zu direkt. Es heisst nicht: X spricht zwar nicht korrekt, aber doch ziemlich verständlich Deutsch, ergo ist er mir intellektuell möglicherweise sogar überlegen, denn ich spreche weder korrekt noch verständlich Türkisch, Serbisch, Kroatisch, Arabisch.

    Besonders peinlich wird es, wenn jemand anfängt, lauter zu sprechen, weil er glaubt, damit besser verstanden zu werden. Mal darf jetzt bloss nicht glauben, dass nur die Schweizer diese Art der Kommunikation pflegen. In den wenigsten Ländern der Welt wird man schnell ans Ziel kommen, wenn man dreist und direkt heraus artikuliert, was Sache ist und was man gern hätte, auch nicht in Deutschland.

  • Sarkasmus hilft nicht weiter (macht aber Spass)
  • Machtmenschen und verstockte Angestellte, die umschmeichelt werden möchten, gibt es sicher auch anderswo. Versteckter oder offen zur Schau getragener Rassimus und Überheblichkeit ebenfalls. Mir passiert es in solchen Situationen oft, dass ich, anstatt das Höflichkeitsspiel mitzuspielen, trocken sarkastisch reagiere, was der Sache nicht immer ganz zuträglich sein mag. Ein Satz wie „Oh, ich wollte eigentlich nur gern ein bisschen Geld ausgeben, kann mir jemand helfen?“ in einem Geschäft, in dem offensichtlich kein Interesse am Kunden besteht, wirkt nicht immer produktiv. In einem Schweizer Hotel sollte ich neulich meinen Wohnort in den Meldeschein eintragen und war drauf und dran in Versuchung „Ausbildungslager Al-Qaida, Pakistan“ hinzuschreiben, nur um zu sehen, ob das überhaupt jemand liest. Aber man sollte als Gast im Land lieber brav und höflich alle Riten mitspielen, um nicht anzuecken.

    

    44 Responses to “Die Magie der höflichen Indirektheit — Nicole M. über die Kunst der Schweizerischen Kommunikation”

    1. giacometti Says:

      Ist interessant, aber ein wenig widersprüchlich. Zuerst erklärt sie das Verhalten der Frau mit unbewussten, kulturellen Kodizes – dann kann sie es dann doch wieder nicht lassen, den Vorwurf der bewussten Diskriminierung oder gar Rassismus in den Raum zu stellen. Ja, was denn nun?

      Ersteres entstammt wohl ihrer präzisen Beobachtungsgabe, zweites dem „politisch korrekten“ Weltbild.

      Das mit den „Zeichen der Zerknirschung“ etc. hat wirklich was…ist wirklich mühsam, muss aber nicht immer sein. In den meisten Fällen geht’s auch mit wohldosiertem Charme. 😉

    2. Jean-Louis Says:

      Statt „Ausbildungslager Al-Qaida, Pakistan“ könnte man auch schreiben
      „Himmelfahrtsbruderschaft, Zweisiedeln“, um die Einsiedler dieser Schweiz zu locken, bzw. um festzustellen, ob das überhaupt jemand liest.

      Bei beiden Varianten muss man anschliessend halt akzeptieren wie die Reaktion ausfällt, wenn jemand das überhaupt gelesen hat…
      Damit ist zwar noch nicht gewährleistet, dass jemand das überhaupt „verstanden hat“ [Das Nichtverstehen als zusätzlicher Risikominderungsfaktor darf heute schon mit einkalkuliert werden]

    3. Peter Says:

      ….so ist das eben. Auch die meisten Deutschen sind ja ganz höfliche Menschen und wissen es zu schätzen, wenn man sie als Bürger respektiert und nicht der Meinung ist, als Verkäufer/Schalterangestellte/Kellner seien sie ohnehin nur Untertanen von König Kunde. Was das jetzt mit Rassismus zu tun hat, ist mir schleierhaft. Schon eher mit der urmenschlichen Weisheit „want sex? be nice!“ ; )

      [Antwort Admin: Wenn eine ablehende Haltung durch fremdartiges Aussehen bzw. fremdartige Aussprache des Gegenübers ausgelöst wird, könnte man das sehr wohl als eine Arti „Rassismus“ bezeichnen, finde ich. Der sieht nicht so aus wie ich, der spricht nicht so wie ich, ergo kriegt der auch nichts von mir. In England sah ich im letzten Sommer, wie ein Busfahrer einem farbigen Fahrgast die Tür vor der Nase zugehen liess. Ähnliche Motivation, ähnliche Ursache. Was sonst ist Rassismus im Alltag?]

    4. Brun(o)egg Says:

      Wieso hat die Dame nicht gleich von Anfang an selbst für ihren Begleiter gefragt? Sie kennt ja die Codizes und wusste um seine Sprachschwäche!?
      Gings einfach wieder einmal um Provokation, um den Beweis wie rasisstisch wir doch alle sind.

      Im Sinne einer Motivation erteile ich Aufträge an Mitarbeiter mit den Worten: „Bis wann können sie das erledigen. Denken sie aber an den Endtermin“. Gibt ihm das Gefühl das er souverän über seine Terminplanung entscheidet.

      Und mal ehrlich: Wenn ein mitteleuropäisch aussehender, deutsch sprechender Mensch von so einer Beamtem Gumsel so „abgeputzt“ wird, spricht man dann auch von Rassismus?
      Ich kanns nicht mehr hören die PC und Rassismussprüche bei allem was nicht gerade comme il faut läuft!

    5. MaxH Says:

      Ich glaube in diesem Fall hat der Admin schon das rechte geschrieben. Es ist keine schweizerische Besonderheit – jeder von uns nimmt eine Gelegenheit, nicht arbeiten zu müssen, wahr. Das Abwimmeln von (wie heißen die Leute eigentlich auf der nicht-Beamten-Seite eines Behördenschalters) ist eine gute alte Beamtentradition und nur Tucholsky glaubte, sie wäre typisch deutsch.

      Ich glaube inzwischen, da gibt es bei öffentlichen Ämtern Aufnahmeprüfungen (heute heißt sowas ja Casting), in denen die Kandidaten hinter einem Schalter aushalten müssen und unter keinen Umständen amtshandeln dürfen.

      Im weiteren Auswahlverfahren (neudeutsch: Recall) muss dann selbst bei Feueralarm, Terrordrohung und Rauchgranatenangriff die öffentliche Ordnung (beamtliche Untätigkeit) beibehalten werden, dann kann der Kandidat auf eine Anstellung bei der Behörde hoffen.

      Und in diesem Fall hat Nicole durch Unterwürfigkeitsgesten das Mitleid des Beamten erregt – meiner Erfahrung nach eine der wenigen Möglichkeiten, ein Ziel bei Behörden zu erreichen.

    6. fanclub Says:

      Ich hoffe der kurdische Student, versteht dann etwas in der Vorlesung.
      Ist immer wieder sauschad wenn man sich nicht anständig unterhalten kann aber zeigen muss dass man ja eigentlich an die UNI geht…. 😉
      Als Alternative hätten wir dann noch die Migrosklubschule. Für Anfänger und angefangene. Und für Türken die Schweizer werden wollen.

      Ev. ist die Dame am Schalter ja ein 1. Test. für die Elite…bzw. der 2. Test; der 1. Test war sicher den Schalter zu finden…

    7. Herr Köhler Says:

      „Ausbildungslager Al-Qaida, Pakistan“

      ui, wie unglaublich überironisch. Kurnaz soll denselben Witz schon vor Jahren probiert haben, leider hatte man im entfernten Ausland nicht das Sensurium für Ironie und Sarkasmus. Hier ja auch nicht.

      Dass es viele Leute gibt die sich an der islamischen Ideologie stören, ist unsere letzte Chance. Wer die Errungenschaften der Aufklärung wegwerfen will, nehme Partei für die armen Fundamentalisten.
      Und nur diese bestimmen den Ton innerhalb der Umma.
      Alles andere ist Täuschung und Illusion.

    8. Lieschen Müller Says:

      @Brun(o)egg:

      „Wieso hat die Dame nicht gleich von Anfang an selbst für ihren Begleiter gefragt? Sie kennt ja die Codizes und wusste um seine Sprachschwäche!?“

      Es hilft in vielen Situationen des Lebens ungemein, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Mal ganz abgesehen von dem unterschiedlichen Rollenverständnis von Mann und Frau, das dieser Mann aufgrund seiner Herkunft vermutlich haben wird, er würde sicher ganz gerne alles selber hinbekommen und es gar nicht schätzen, wenn ihm ständig jemand anbietet, es für ihn zu erledigen, bevor er es versucht hat. Mir ginge es jedenfalls genauso.

      In der Geschichte heisst es übrigens, dass er zwar nicht ganz korrekt, aber mühelos verständlich spräche. Mann, laufen hier unheimlich viele blonde Kurden rum. :p

    9. ellen Says:

      Doch, es gibt schon Leute, die solche Formulaarchen lesen. Ich hab mal beim Kinderarzt bei meinem Beruf (3 eigene Kinder und 5 Tageskinder) „Managerin“ geschrieben.

      Früher schrieb ich immer Hausfrau und Mami, da fragte nie jemand nach…zu uninteressant, zu gewöhnlich, zu altbacken.

      Bei der Managerin aber schaute die Arzthelferin dann zu mir hin und kreischte mit Piiepsstimme: „Wow, Sie sind Mana(Mänäääää)gerin! So eine wollte ich schon lange mal kennenlernen! Bei einer Bank? Oder bei einem Schauspieler? Ui ist DAS spannend! In unserer Praxis! Wooow“

      Uuuurgsssssss….

    10. Frank Says:

      @fanclub: Der kurdische Student versteht sicher mehr als Du von Kommasetzung, und wird wahrscheinlich besser hochdeutsch sprechen als die meisten Schweizer.

    11. Micha Says:

      Dass nonverbale Kommunikation die verbale Kommunikation überwiegt, ist ja nichts sonderlich neues. Und das dies kein reines Schweizer Phänomen ist, sondern ein menschliches und kulturelles, ist hoffentlich auch jedem klar. (Hoffentlich auch Jens Wiese 😉 )

    12. Tellerrand Says:

      Für eine Beurteilung der Situation wäre es noch ganz hilfreich zu wissen, was denn der kurdische Freund eigentlich von der Dame am Schalter wollte. Zu einer Semestereinschreibung muss man in Deutschland gewisse Unterlagen mitbringen und wenn man die hat, klappt das Ganze ohne ein einziges Wort mit den Studentenwerksmitarbeitern zu sprechen.

      Charme oder kommunikative Codize müssen nur dann ausrücken, wenn irgendwas fehlt. Das ist vermutlich auch an Schweizer Hochschulen nicht anders.

      Mir kommt die Geschichte ein bisschen getürkt (haha, Schenkelklopf) vor. Was nicht heisst, dass sie nicht so oder so ähnlich ständig in deutschen und Schweizer Behörden vorkommt. Es ist in keinem Land der Erde lustig, Ausländer zu sein.

    13. Alettoria Says:

      Obwohl ich als pseudo-deutsche (weil perfekt und akzentfrei deutsch sprechende) Italienerin nichts lieber tue als über die „Zucchetti“ (Deutschschweizer) herzuziehen, so manchen Wutanfall coram publico hinter mir habe und inzwischen soweit bin, meine emotionale Lage auch direkt auszusprechen, egal, ob sie nun erschrecken oder nicht (und schlussendlich auch egal, ob ich dann kriege, was ich wollte, wenigstens bekomme ich dann kein Magengeschwür)… muss ich sagen, dass mir als einer der wenigen Pluspunkte hier aufgefallen ist, dass in Behörden mit Ausländern freundlicher und höflicher umgegangen wird als z.B. in Deutschland und Italien. Ehrlich gesagt finde ich es ehrlicher, dass hier deutsche Ausländer genauso gern oder ungern gesehen sind wie solche aus dem Kurdistan oder Somalia. So gesehen ist der deutsch-schweizerische Rassismus ein gerechterer. 😉

    14. Ostwestfale Says:

      >Dies als kleiner Tip an alle Schweizer, die
      >schon „Ich krieg noch ein Bier“ brüllen üben,
      >wenn sie noch nicht ganz über die Deutsche Grenze
      >gefahren sind.

      „Ich krieg noch ein Bier“, wenn ich das schon höre, dann krieg ich `n Krampf. 😉

      Dass in Deutschland eine Bestellung, wie Jens manchmal anklingen zu lassen scheint, üblicherweise mit „Ich krieg noch…“ eingeleitet wird kann ich überhaupt nicht bestätigen, vielmehr hängt die Verwendung dieser Worte sehr von Zeit und Ort ab.

      Je fortgeschrittener die Stunde, desto eher kann man das vielleicht in einer Kneipe so sagen, in einem Restaurant empfände ich einen solchen Ton nahezu immer als grob unhöflich.

      Geht das eigentlich nur mir so oder sehen das andere Deutsche ähnlich?

      >In einem Schweizer Hotel sollte ich neulich meinen Wohnort in den
      >Meldeschein eintragen und war drauf und dran in Versuchung
      >„Ausbildungslager Al-Qaida, Pakistan“ hinzuschreiben, nur um zu sehen,
      >ob das überhaupt jemand liest. Aber man sollte als Gast im Land lieber
      >brav und höflich alle Riten mitspielen, um nicht anzuecken.

      Das erinnert mich irgendwie an die Spassvögel, die beim Zoll auf die Frage, was dieser Gegenstand wäre lässig-locker mit „Das ist eine Bombe“ antworten und sich dann später wundern warum deswegen der halbe Flughafen evakuiert werden musste (und sie eine Haftstrafe bekamen).

      Davon abgesehen, ein Gesetz als Ritus abzuqualifizieren finde ich nicht nett.

    15. neuromat Says:

      Heute bekommen wir auf der Blogwiese etwas Benimmunterricht und werden auch gleich in die hohe Schule der Diplomatie eingeweiht. Allein, offensichtlich findet das Leben auf der Blogwiese überwiegend in irgendwelchen Amtsstuben statt. Eigentlich halte ich mich in söttigen Etablissements sehr selten auf, da ich das Leben – weitestgehend bürokratiefrei – bevorzuge.

      Wahrscheinlich bin ich mit @giacometti und @brun(o)egg ziemlich auf einer Linie. Tages-Anzeiger vom 21.05.07 Ein Artikel, der uns missfällt: Worum ging es denn da eigentlich, was ist denn daran so geheimnisvoll. Und so eine Leuchte, kann der möglicherweise intellektuell überlegene ja dann doch nicht sein, wenn er sich so einfach abspeisen lässt. Wäre es kein Kurde, würde ich sagen die Story schmeckt ziemlich danach, dass sie getürkt ist. Es riecht so ein wenig nach RTL-Doku, wir bestellen uns einen Handwerker und schauen wie lange er braucht, um den Fehler im Gerät zu finden, den wir vorher eingebaut haben. Etwas erbärmlich das Ganze.

      Auch der Begriff Rassismus (Kurden haben es hier weit besser als in Deutschland, zumindest interessiert sich keiner dafür ob sie der PKK angehören, das ist in Deutschland nämlich problematisch) geht mir hier zu weit. Und es geht nicht nur um die richtigen Regeln in der Kommunikation, zumindest nicht im tatsächlichen Leben, das findet nämlich nicht nur in den Amtsstuben statt. Und somit @ schnägge nähern wir uns zwar mühsam aber doch endlich dem lange überfälligen Thema der emotionalen Facetten der Kommunikation.
      In folgendem Ausschnitt aus dem Roman Bis bald des Deutschschweizer Schriftstellers Markus Werner (S. 38f) wird Hochdeutsch eindeutig als „emotionale Fremdsprache“ verstanden:
      >Anfangs ist es mir störend vorgekommen, dass Regina – natürlich konnte sie nicht anders – mit unserem Säugling schriftdeutsch sprach, hamburgisch […]. Übrigens habe ich unsere unterschiedliche Sprache schon vorher oft als etwas Trennendes erlebt. Gerade Herzenssachen erwiesen sich für mich, sobald ich sie formulieren wollte, als muttersprachliche Herzenssachen, und je heisser das Empfinden war, desto kühler tönte die Übersetzung. Es ist uns Schweizern, zumindest im mündlichen Verkehr und abgesehen von der Furcht vor Kasusfehlern, kaum möglich, auf hochdeutsch Liebe oder Leidenschaft zu äußern, ohne uns künstlich zu finden. Und umgekehrt, uns klingen Liebesworte, hochdeutsch in unser Ohr gestammelt, ein wenig unvertraut, ja fast gestelzt, so stammelt man sonst nur am Bildschirm und im Schauspielhaus, kurzum, es hat mir immer weh getan, dass Fremdheit ausgerechnet im intimen Bereich spürbar wurde.

    16. Brun(o)egg Says:

      @ LieschenMüller

      Du hast recht. Aber darum gehts nicht. Es sind aber Situationen die vermutlich täglich weltweit immer wieder passieren. Und dass das nicht gerade besonders angenehm ist, bleibt unbestritten. Jeder höfliche, zuvorkommende Mensch verhält sich anderst.
      Vieleicht war ja die Dame hintre dem schalter unter Druck und unsicher? Könnte doch sein. Lassen wir das.
      Das Problem liegt in der Publizität durch Medien die solche Vorgänge erhalten, denn für die nächsten paar Tage sind alle Beamten an der UNI Rassisten. Dann ists vergessen und nichts hat sich geändert.

      Solche Artikel und, – im Moment gerade aktuell-, der Bündner Schildbürgerstreich -, geben doch genau den rechten Kreisen recht, die jetzt gerade daran sind, das Antirassismus Gesetz aufzubloch… ähm polieren. Das hat es zwar nötig das Gesetz, (es geht zu weit in den Möglichkeiten die die Auslegung durch Gerichte betrifft!),aber es ist zu befürchten das zuviel abgeblochert wird

    17. Elunzo Says:

      @neuromat

      Mir geht es da eigentlich eher umgekehrt, obwohl ich Schweizer bin:

      „Ich liebe Dich!“ hat einfach diese der Sache eigene Dramtik, während „Ich liäbä Dich“ keiner sagt und „Ich ha Di gern“ ziemlich unverbindlich ist…. 🙂

    18. Lieschen Müller Says:

      @Otswestfale;

      „Dass in Deutschland eine Bestellung, wie Jens manchmal anklingen zu lassen scheint, üblicherweise mit “Ich krieg noch…” eingeleitet wird kann ich überhaupt nicht bestätigen, vielmehr hängt die Verwendung dieser Worte sehr von Zeit und Ort ab.“

      Nein, nein. Das gibt es schon. Ich habe in Karlsruhe studiert und musste mich als Norddeutscher, wo man noch „ich hätte gerne“ und „ich möchte bitte“ im Laden sagte (wie es jetzt ist, weiss ich eigentlich nicht, heute sagen sie aber auch alle „Hallo“, was früher noch nicht so war) an diese für meine Ohren recht rüde Art des Bestellens „Ich kriege noch…“ gewöhnen. Mitten am Tag, beim Bäcker, beim Metzger oder wo immer.

    19. bobsmile Says:

      @Heute schon rasssssiert?
      Sogar bei der Antwort vom Admin
      („In England sah ich im letzten Sommer, wie ein Busfahrer einem farbigen Fahrgast die Tür vor der Nase zugehen liess.“)
      kann man sich fragen, war es nun rassistisch oder einfach „Zufall“. In Bern jedenfalls passiert das täglich, dass auch dem (einheimisch und blassen) Rüedu Aebedrum mit den beiden vollbepackten Loebtaschen das Tram vor der Nase wegfährt. (Beobachtet am Bäreplatz.)
      Zugegeben, auf der Königslinie kommt ja alle paar Minuten wieder ein Bernmobil; und ja, vielleicht war der Admin im englischen Niemandsland, dort wo nebst Fuchs und Has‘ auch Mal ein Bus anhält, aber eben: Beobachtungen sind meistens subjektiv und werden so dann auch weitergegeben.

      [Anmerkung Admin: Es war Sonntag morgen, der nächste Bus kam 60 Minuten später. Der Fahrer hätte noch alle Zeit der Welt gehabt, den Fahrgast einzulassen. Er hat ihn erst ignoriert, und dann mit seinem Kollegen darüber gealbert, dass dieser „Nigger“ doch laufen soll… den Rest der Hasstirade erspare ich mir lieber, wollte ich auch gar nicht so genau verstehen… ]

    20. Schnägge Says:

      Quote neuromat: „Es ist uns Schweizern, zumindest im mündlichen Verkehr und abgesehen von der Furcht vor Kasusfehlern, kaum möglich, auf hochdeutsch Liebe oder Leidenschaft zu äußern, ohne uns künstlich zu finden.“

      Nun, das ist nur allzu verständlich, dass es schwerfällt, sich auf Hochdeutsch zu artikulieren, wenn man den Mund voll hat. Vielleicht sollte man in dem Fall lieber auf Französisch ausweichen… 😉

      Achja, und das mit dem Bierkriegen scheint eine regional begrenzte Variante zu sein, die auch für mein Sprachempfinden rüde und unhöflich klingt. Bei uns sagt man „Ich hätte gern ein Bier.“ Oder: „Kann ich bitte noch ein Bier bekommen?“ oder, wenn man (so nach dem 3. Bier) etwas maulfauler ist: „Ein Bier, bitte.“

    21. Tellerrand Says:

      @ Schnägge

      Und nach dem fünften: „Kannichnochnbierunmeinkumpelhierauchnocheinsbidde“

    22. bobsmile Says:

      @[Anmerkung Admin zu einem ganz normalen Sonntagmorgen in GB]
      Danke! *leerschluck*

    23. Christian (der Andere) Says:

      @Schweizer: Wozu ein Antirassismusgesetz? Ist die Meinungsfreiheit bei euch so wenig wert? Erst Extremefälle zeigen einem auf wie ernst man es mit Themen wie Meinungsfreiheit meint. Selbstverständlich kann man sie einschränken, aber dann ist der Begriff wertlos.

    24. Christian (der Andere) Says:

      @Elunzo: Recht so! Ich hab dich gern, sagt die kleine Effi zu dem Fritz, als dieser ihr einen Lolly schenkt. Das hört sich in deutschen Ohren niedlich an und verrät keines Falls den eigentlichen Hintergrund.

    25. neuromat Says:

      Quote Schnägge: Quote Neuromat… Nein das stammte ja nicht aus meiner Tastatur sondern von Markus Werner und jetzt haben wir gehört (@elunzo danke für die spontane Offenheit), dass es längst nicht allen so ergeht.

      Interessant finde ich, dass heute doch so eine ganze Reihe das Gefühl des Unechten, des Getürkten (Sorry Tellerrand, hatte Deinen Comment zu dem Zeitpunkt eben wirklich noch nicht gelesen) an dieser Story empfunden haben. Ich selbst habe mir dann beim Kopieren/Einfügen den Schluss meines Comments geraubt:

      Ich stellte mir so die Situation vor, wie in einer leichten, lauen Sommerabendstimmung – im Hintergrund spielt Govi „Into the Night“ – für Augenblicke beginnen Augen zu fühlen, Blicke zwischen – nennen wir ihn Malte und jener Nicole wechseln, zu einem Bumerang werdend, in den Momenten, in denen die unerschöpfliche Ungerechtigkeit einer physischen Anziehungskraft sich in Übertreibungen wandelt. Die anderen Menschen um uns herum: nur noch süss parfümiert, endlos palavernd in einer schweren, klebrigen Luft, die zur Unzeit am falschen Ort sind. Und wenn Malte dann nach einer Ewigkeit – Govi spielt inzwischen Road to Istanbul – sich aus seinem rauschhaften Zustand löst und nach langem Hadern wagt ein paar Worte an die Königin des Lächelns zu richten, in einem Ton, der in seiner Heimat als zaghafter, empfindsamer Gesang erschienen wäre .. und nun wie ein harter blecherner Lautsprecher erklingt, ganz so wie sie nur bei offiziellen Anlässen sprechen und er sich Sekunden später stehen gelassen und missverstanden fühlt, er ein Lächeln zum Erfrieren brachte …. Ja dann können wir doch nur hoffen, dass Malte seinen besten Schweizer Kollegen mit hat, der ohne falsche Absichten, das Gleiche was Malte sagte, noch einmal richtig sagt, in lupenreinem Schweizerdeutsch – makellos geschminkt – und dann für Nicole Maron Worte wieder Musik klingen, wenn Govi nun seine Serenade d’Amor spielen darf.

      Und morgen, morgen laufe ich den ganzen Tag mit einem Kopftuch herum und dann melde ich mich erst wieder, wenn ich dieser präpubertären Anwandlung kindisch narzistischer Triebe entronnen sein werde. Und Nicole, die läuft morgen den ganzen Tag im Top und im Minirock durch Diyabakir und wir werden sie nie wieder sehen.

    26. Fiona Says:

      Tatort! Eine Tankstelle in einem Vorort von London. Ein Sikh (wearing a white turban) steigt aus seinem Auto. Der Garagist (ganz in meiner Nähe)
      sagte seinem Lehrling: „Go and see what that man with the sore head wants“.

    27. Thomas Says:

      In diesem Beitrag steckt sehr viel:
      erstmal sprachlich. Als Fan der Ironie solltest du eine wahre Freude an dieser Schweizer Kommunikation. Kommt sie doch der reinen Ironie sehr nahe. Ich meine ein Satz „wenns möglich wäre, würde ich vielleicht doch auch noch ein wenig Kartoffeln nehmen“ statt “ gib mir die Kartoffeln du ….“ ist doch herrlich.
      aber viel wichtiger: es geht ums Klischee des arroganten Deutschen. Du schreibst, dass dein zynischtischer Sarkasmus in Geschäften, die nicht bedienen, oft schlecht ankommt. (wobei ich immer das Gegenteil erlebe, ich hasse aufdringliche Verkäufer):
      Nur, wenn du diesen Satz loslässt, ist das eben auch offen zur Schau getragene Überheblichkeit (obwohl ich dir durchaus zutraue, dass du es wirklich witzig meinst).
      Generell habe ich schon in Paris,Barcelona,Rom,London,München,Berlin,Wien,Prag,New York,Miami,Athen und vielen anderen Orten fremdenfeindliche Erfahrungen gemacht. Ich habe an exakt denselben Orten auch viel Herzlichkeit erfahren.

      [Anmerkung Admin: Nein, oft meine ich es nicht witzig, wenn ich minutenlang vor einer Theke in einem Laden stehe und anschauen darf, wie sich zwei Verkäufer die Erlebnisse des letzten Abends erzählen. Wenn ich dann „ich wollte doch nur Geld ausgeben“ sage, dann ist das eher Ausdruck einer grossen Frustration als der Wunsch, jetzt unbedingt witzig und ironisch zu sein. Aufdringliche Verkäufer die einen beraten wollen? Wo gibt es die? ]

    28. Gerald Says:

      @Jens:
      Re: „Aufdringliche Verkäufer die einen beraten wollen? Wo gibt es die? “

      Auf Messen. Ich war gestern auf der Orbit. Ich kann mich an keine Messe erinnern, an der ich so „agressiv“ (im Sinne von penetrant) angesprochen wurde.

    29. Tellerrand Says:

      Ist ein bisschen off topic, aber was soll’s:

      Heute morgen 7.45 im Migros-Detaillisten (da gibts ausser Migros-Produkten auch Schnaps und Zigaretten) nebenan. Ich hole ein paar Brötchen, stelle mich hinter einem Mann mit einer Packung Krummen in den Fingern an der Kasse an und warte. Nicht passiert, keine Kassiererin weit und breit. Nach zwei Minuten beginne ich lautstark zu Husten, um die Aufmerksamkeit der irgendwo Regal einräumenden Belegschaft zu erhaschen. Nichts. Nach weiteren zwei Minuten gehe ich durch den Laden, um jemanden vom Verkaufspersonal mit freudlichen Worten an die Kasse zu bitten. Diese freundlichen Worte werden geflissendlich überhört, erst beim zweiten Versuch werde ich wahrgenommen. Zurück an der Kasse treffen mich seltsame Blicke aus der inzwischen länger gewordenen Kassenschlange.

      Jetzt bin ich seit acht Jahren in diesem Land und mache immer noch alles falsch. Ich hätte besser einfach Schicksalsergeben warten sollen, bis irgendwann jemand an die Kasse gekommen wäre.

    30. Thomas Says:

      ok, du meinst es genervt. Der Frust ist total berechtigt. Aber wie sagt der Schweizer: C’est la ton qui fait la musique. Nur damit dus nicht falsch verstehst. Ich finds total OK, in gewissen Situationen ein etwas unhöfliches Verhalten an den Tag zu legen. Verkäuferinnen böse anzugucken und nen Spruch loswerden, wenn sie über die neusten Manniküre plaudern anstatt zu verkaufen, find ich moralisch vertretbar. Trotzdem: die Sichtweise der anderen Person ist halt auch interessant. Diese ist sich nämlich sicherlich keines Fehlers bewusst und fühlt sich ‚gestört‘ und dann ist man halt in deren Augen überheblich und arrogant. (auch wenns nicht stimmt). Das ist bei einer Verkäufertussi egal, in anderen Situationen von wesentlich grösserer Bedeutung.
      Ach ja, die aufdringlichen Verkäuferinnen: Jeder Schuhladen in der Frauenabteilung und Pafümerieen führen solche Weibsbilder.

    31. Thomas Says:

      äxgüsi, ‚le‘ ton

    32. Tellerrand Says:

      @ Thomas

      Das ist ja der Witz an der Geschichte: ich war (im Rahmen meiner beschränkten deutschen Möglichkeiten) freundlich, habe „Entschuldigung, könnten Sie bitte an die Kasse kommen“ gesagt. Aber natürlich bin ich erstens) überhaupt aus der Reihe getreten und das dann zweitens) auch noch auf Hochdeutsch.

    33. bobsmile Says:

      @Thomas
      Ich will da ja nicht darauf herumreiten, aber wie du schon sagst:
      „C’est la, pardon, le ton qui fait la musique“:
      …Verkäufertussi?
      … aufdringlichen Verkäuferinnen?
      … solche Weibsbilder?

      Da frage ich mich doch, was sucht Thomas eigentlich in der Frauenabteilung von Schuhläden und in Pafümerieen?
      😉

    34. nadjagn Says:

      @Elunzo : „ich lieb di“ ist durchaus gebräuchlich 😉

    35. Brun(o)egg Says:

      @ Tellerrand

      Das war falsch. In dem Falle hätte ich ganz unschweizerisch, verbunden mit einem herzlichen „Gopferdammi!“ durch den Laden gebrüllt ob mal jemand an die Kasse kommen kann. Das gleiche mache ich auch wenn nur ein Kasse offen ist und sich die Schlange der Wartenden schon in den Gestellen staut und die Verkäuferinnen unheimlich beschäftigt
      zwischen diesen herumwieseln, weil ihnen die Kasse gerade stinkt.

      Aber bei der netten Bedienung im Restaurant ist halt schon nicht: „Ich kriech noch’n Bier“, sonder halt eben.. „Bringen Sie mir noch ein Bier bitte!“ (Mit Ausrufungszeichen, nicht mit Fragezeichen)

    36. Tellerrand Says:

      @ Brun(o)egg

      Danke für den Tipp, werd’s beim nächsten mal auch so machen. Darf ich mich dann darauf berufen, dass dieses laute und direkte Verhalten von einem Schweizer heiliggesprochen wurde und echt nichts damit zu tun hat, dass ich Deutscher bin? Wahrscheinlich versteht dann aber wieder keiner mein „Himmelarschundzwirn“ 😉

    37. Brun(o)egg Says:

      @ Tellerrand

      Du wirst mit deinem „Himmelarschundwolkenbruch“ eindeutig eidgenossenschaftliche Blicke und Kommentare ernten: „Typisch Schwob!“.
      Dabei trauen sich die nur nicht, sind aber froh, dass es ein anderer für sie macht. Schätze, es hat auch ein paar zustimmende Blicke darunter.

      Ab Montag sind wir in den Ferien, betrachten die EU und die Eidgenossenschaft aus dem Osten von der Mastix Insel und wünschen Euch eine gute Zeit.

    38. Schnägge Says:

      Ich vermute, Jens hat diesen Artikel gebloggt, weil ihm das wahrscheinlich auch schon passiert ist, dass er brüsk abgefertigt wurde, obwohl er ziemlich mitteleuropäisch aussieht und mittlerweile relativ gut Schriftdeutsch spricht. 😉

      In D erreicht man bei Behörden eben am ehesten etwas, wenn man weiß, was man will und das in freundlichem Ton, aber klar und deutlich artikuliert. Man benimmt sich am besten als Auftraggeber, der von der Dame am Schalter eine Dienstleistung erwartet, nicht als Bittsteller. (In der Schweizer Wahrnehmung ist das wahrscheinlich unerträglich arrogant.)
      In D macht sich jemand, der devot angekrochen kommt und erstmal um den heißen Brei herumstammelt eher verdächtig, sich etwas erschleichen zu wollen, was ihm eigentlich gar nicht zusteht, und zieht sich so eher das Misstrauen als das Wohlwollen der Amtsperson zu.
      Der Ton, der die Musik macht, wird eben völlig unterschiedlich wahrgenommen, das ist ja das Problem!

      Quote Admin: „Aufdringliche Verkäufer die einen beraten wollen? Wo gibt es die?“

      Im Schwabenland letzte Woche z.B.. Da steckte eine mir völlig unbekannte Verkäuferin doch tatsächlich ungefragt und ohne Vorwarnung den Kopf durch den Vorhang in die Umkleidekabine, in der ich gerade „unten ohne“ stand und fragte, ob sie helfen könne. Auf diesen besonderen Service hätte ich gerne verzichtet. 🙂

    39. Thomas Says:

      @bob: also ‚aufdringliche Verkäuferin‘ ist nicht schlechter Ton. Wenn ich 0.3 Sekunden nach betreten eines Geschäfts gefragt werde was ich will, erachte ich das als Aufdringlich. Diese Person macht das ja auch nur, weil ihr ein Marketing/BWL-Mensch das in einem Kurs gesagt hat. SOnst würde sie mich zuerst kurz umsehen lassen und dann fragen.
      die anderen beiden begriffe sind extra so gewählt, um die Frustriertheit in WOrte zu fassen.

    40. neuromat Says:

      @ schnägge

      kannst Du mir verraten, wo dieser Laden da genau ist? Danke!

    41. Thomas Says:

      @Tellerrand & Brunoegg
      Meine Ton passe ich meistens der Situation an. Beim Schlangestehen an einer leeren/überfüllten Kassee ist zum Beispiel zu beachten, ob die Person allenfalls wirklich alleine ist, ob jemand hier ist aber die volle Kasse unabsichtlich übersieht oder – horribile dictu – die Schlange geflissentlich ignoriert und sich sehr stark beschäftigt gibt.
      Sprich: Warte ich und niemand ist irgendwo, geh ich auch durch den Laden und suche die Person um dann höflich zu sagen „tschuudigung, isch die kasse dört äne bsetztz, oder muess ig ächt nöime angersch go zahle?“
      Als Widerspruch dazu leiste ich manchmal auch Widerstand in Form von völlig übertriebener Höflichkeit. Es ist erstaunlich, in welch galanten Worten man ein ‚leck’mer‘ verstecken und übermitteln kann.

      Ach übrigens, Thomas treibt sich an diesen Orten meistens nicht Alleine rum

    42. bobsmile Says:

      @Thomas
      Ist klar. Mein angebliches Hinterfragen war natürlich provokativ gesetzt und hat ja auch Reaktion hervorgerufen.
      Eigentlich wollte ich damit aufzeigen, dass entgegen dem real gesprochenenen Dialog und der schriftlichen Diskussion, wie wir sie hier auf der Blogwiese praktizieren, ganz einfach die nonverbalen Facetten und menschlichen (, nicht nur helvetischen) Codizes fehlen.

      Aber doch nochmal zurück zum Thema. Der Artikel ist für mich an den Haaren herbeigezogen und in sich nicht stimmig, und darin sind sich die meisten Vorschreiber von neuromat, Brun(o)egg … bis Tellerrand wohl einig. Punkt.

      Und ja, es gibt sie auch in MEINEM Alltag, die Verkäufer, die unter Dienstleistung was anderes verstehen.
      Als ich neulich für meine Uhr eine bestimmte Knopfbatterie benötigte, kam ein eiliger Warenstapler vorbei, der mir auf meine Frage zum fehlenden Artikel ein gestresstes „heimer nid, aber chöid o die näh, die gö ooh“ entgegnete.
      Auf der Packung stand zwar fast die gleiche Nummer, wie auf der Batterie, aber eben nur fast. Aber der Mann war Verkäufer, der hat das gelernt, wird also schon stimmen.
      Zu Hause stellte ich dann fest, die Batterie passte zwar im Durchmesser, allein die Höhe war, äh zu hoch. Eigentlich sollte man ja zurück gehen und dem „und wieder ein Kunde abgefertigt“-Mann die Batterie … aber ich bin ja Schweizer, der macht die Faust im Sack und kauft sich beim nächsten „kömmerle“ (ImOsten=poschte) im anderen Blödi Markt dann (hoffentlich) die richtige Batterie.
      So geht das.

    43. Schnägge Says:

      Quote neuromat: „kannst Du mir verraten, wo dieser Laden da genau ist? Danke!“

      Die verkaufen da nur Damenbekleidung, sorry. 😉
      Übrigens macht der Laden nächsten Monat zu. Vielleicht kein Zufall, dass das Traditionsgeschäft, in dem sich gleich 3 Verkäuferinnen pro Abteilung um die Kundinnen bemühen und die Hose gegebenenfalls in einer anderen Größe oder Farbe heraussuchen und in die Kabine hereinreichen, aufgeben muss und vermutlich durch eine Billigkaufhauskette ersetzt wird…

      Danke übrigens, neuromat, für den Buchtipp (Markus Werner)! Du ahnst nicht, wie sehr du damit bei mir ins Schwarze getroffen hast.

    44. Bernhard Says:

      Zitat: „durch ein Erlebnis, dass ihr widerfuhr, “ – Ich stelle schon länger fest, dass fast niemand mehr zwischen dem Pronomen „das“ und der Konjunktion „dass“ unterscheiden kann. Dass dies inzwischen auch bei vermeintlichen Sprachwissenschaftlern der Fall ist, gibt mir doch zu denken.