Junge, komm bald wieder —Liebeswerben der Swisscom
Als wir in die Schweiz zogen und versuchten, einen Telefonanschluss zu bekommen, war das ohne gültige B-Bewilligung kein einfaches Unterfangen beim damaligen Monopolisten Swisscom. Internet bei der Cablecom gab es sofort, darüber konnten wir zur Not auch telefonieren, obwohl wir damit im Jahr 2000 noch zu einer kleinen exotischen Minderheit gehörten. Die Swisscom akzeptierte uns erst als Kunden, als nach einigen Tagen die Nachricht über den baldigen Erhalt eine Aufenthaltsbewilligung auf dem Tisch lag. Zur Sicherheit mussten wir eine Kaution von 500 Franken hinterlegen (vgl. Blogwiese )
Schon sehr bald wechselten wir zu einem anderen Festnetzanbieter. Zunächst Sunrise, später Ntel, um darüber unsere Schweizer Lokalgespräche und die Ferngespräche kostengünstiger abzuwickeln. Dennoch kamen monatlich die Rechnungen der Swisscom ins Haus, für die „Bereitstellung des Festnetzanschlusses“, die berühmte „letzte Meile“ ins Netz. Grob überschlagen 5 x 12 x 24 Franken waren das 1‘440 Franken, die die Swisscom in fünf Jahren an uns verdiente, nur für das Bereitstellen der Infrastruktur.
Dann erlagen wir den permanenten Lockrufen der Cablecom. Wir sagten dem einstigen Monopolisten Tschüss. Keine 24 Franken pro Monat mehr für den Festnetzanschluss. Umsonst im Schweizer Festnetz ab 19.00 Uhr und an den Wochenenden, grundsätzlich umsonst (bis 1‘440 Minuten insgesamt) während der ersten 6 Monate ins Schweizer Festnetz tagsüber telefonieren, und dazu die Grundgebühr von 24 auf 20 Franken vermindert, das alles klang doch echt nett und kundenfreundlich. Wir hatten lange gezögert, denn bei den Nachbarn im Haus konnten wir live erleben, dass das Telefonieren über Cablecom zunächst doch nicht so ganz fehlerfrei wie erwartet ablief. Aber die Jungs der Cablecom bemühten sich redlich, schraubten kostenfrei neu Kabelbuchsen an die Wand, verlegten neue Kabel im Haus, vermassen immer mal wieder hochprofessionell die Stärke des Signals, bis die Sache rund und fehlerfrei lief.
Was nun begann war ein „Dauerfeuer“ der Swisscom Marketingabteilung. Kein Monat verging, in dem wir nicht Post bekamen, ob wir es uns nicht doch wieder anders überlegen wollten und zur Swisscom zurückkehren. Wir erhielten auch besorgte Anrufe, die sich nach technischen Problemen mit dem Cablecom Digital Phone Angebot erkundigten. „Klappt das denn auch? Haben sie nicht eine sehr schlechte Verbindung? Bricht nicht häufiger mal die Kommunikation zusammen?“
Wenn wir überschlagen, was die Swisscom in dieser Zeit in Geld und Ressourcen für Porto, den Druck von Hochglanzinformationen, in Manpower und Telemarketing-Zeit investierte, um uns als Kunden zurückzugewinnen, da mögen locker erneut ein paar hundert Franken zusammen kommen.
Jetzt wurde ein stärkeres Geschütz aufgefahren. Sozusagen die ultimative „Leimrute“. Mit einem solchen Gerät fing man im Mittelalter Vögel, um sie zu verspeisen.
Leimrute, die [spätmhd. līmruote]: für den Vogelfang verwendete, mit Leim bestrichene Rute, an der sich darauf niederlassende Vögel hängen bleiben: Leimruten legen.
(Quelle: Duden.de)
„Eine Leimrute legen“ galt auch als Metapher für die verlockenden Angebote höfischer Frauenzimmer. So manch Dichter blieb dran kleben, wie uns die höfische Literatur erzählt.
Wenn wir uns doch entschliessen sollten, zur Swisscom zurückzukehren, würde uns ein Jahr lang kostenloses Telefonieren im Wert von max. 100 Franken pro Monat bis zum Gesamtwert von 1‘200 Franken versprochen. Klasse, es tut richtig gut, so umschmeichelt zu werden, nach all der erlittenen Schmach, als sie uns nicht haben wollte als Kunde, die Schweizer Swisscom.
Das hört sich ja fast wie eine Drohung an, was die Swisscom da schreibt:
„Tausende kehren zurück — jetzt sind Sie an der Reihe!“
Die meinen doch nicht die 1’440 Franken, die ich ihnen einst zahlte? Plus das Geld, welches in meine Rückholung gebuttert wird? Sogar die „Einschaltkosten“ von CHF 43 will man mir schenken. Langsam kann ich richtig schwach werden, bei soviel Zuvorkommenheit und Bemühen um meine Wenigkeit als Kunden.
Es tut gut zu erleben, wie gesunder Wettbewerb zwischen der Swisscom und der Cablecom dafür sorgt, dass die Kunden von günstigen Konditionen profitieren können. Die Swisscom versuchte lange Zeit mit einer aufwändigen Kino-Kampagne den Abwanderungstrend umzukehren. In dem Spot wurde ein junger Mann auf der Autobahn gezeigt, der permanent versucht, mit seinem Wagen jede kleine Lücke zum Überholen auszunützen, um rascher als die anderen voran zu kommen, bis er schliesslich mit einer Panne am Strassenrand liegen bleibt. Das stellte den „Anbieter-Wechsler“ da, bei seinem Versuch, schneller und billiger zu fahren.
Bildliche, vergleichende Werbung war so möglich, mit dem Fazit: „Lieber beim bewährten Festnetzanbieter bleiben“. Ob diese Werbung viele Kunden des einstigen Monopolisten zurückholen konnte? Sag „Swiss“ und „com“ zu uns zurück!
Dezember 7th, 2006 at 6:53
Ich bin – so glaube ich – der einzige Kunde von Cablecom, der sein Modem in die Telefonbuchse gesteckt hat und seither nie Probleme gehabt hat. Sogar ein Umzug von Bern nach Zuerich lag drin! Digital Phone ebenfalls fehlerfrei.
Gesunder Wettbewerb – und somit günstige Konditionen – sind was gutes, aber über ‚restrukturierungen‘ darf man sich dann nicht wundern. Wettbewerb herrscht auch bei den Arbeitnehmern.
Ach ja, beim Mobilfunk bin ich wieder bei Swisscom gelandet. 🙂 In meiner Rangliste der dämlichsten und unfähigsten TelCos führt Orange übrigens unangefochten. Die habens in 2 Jahren nicht fertiggebracht, dass ich mit einem stinknormalen Vertrag vom Ausland in die CH telfonieren konnte.
Dezember 7th, 2006 at 9:02
Auch ich telefoniere ueber die Cablecom und habe diesen Swisscom-Brief erhalten. Im Gegensatz zu Jens bin ich aber mit weiterer Werbung bisher verschont geblieben…
Mit der Cablecom hatte ich auch noch keine Probleme, die Verbindung ist gut, im Gegensatz zum analogen Anschluss, wo ich vor Rauschen kaum mehr was verstanden hatte.
Dezember 7th, 2006 at 9:40
Hallo!
zum gestrigen und heutigen Beitrag fällt mir eine Werbekampagne der PTT seinerzeit um Kunden, oder weil noch Monopolist zumindest um Umsatz warb … Dänk dra – lüt a. 😉
http://www.mfk.ch/galerie8.html?&L=0&tx_srsendcard_pi1%5Bcmd%5D=showpic&tx_srsendcard_pi1%5Bcard_caption%5D=D%E4nk%20dra%2C%20l%FC%FCt%20aa%2C%20Plakatsammlung%3CBR%3EBild%3A%20Sammlung%20Museum%20f%FCr%20Kommunikation&tx_srsendcard_pi1%5Bcard_image%5D=pics%2Fsr_sendcard_b5906f6d06.jpg&tx_srsendcard_pi1%5Bcard_image_path%5D=fileadmin%2Fcardpics%2F&tx_srsendcard_pi1%5Bimage_width%5D=300&tx_srsendcard_pi1%5Bimage_height%5D=439
Grüße
Peter
Dezember 7th, 2006 at 11:21
Bin diesen Juni umgezogen. Diese Einschaltgebühr von 43.- Fr. finde ich auch so nett. So richtig Swisscom-Monopolistendenken-nett. Als Dank (Willkommengeschenk) dafür dass ich mich dazu entschlossen habe, innerhalb eines Jahres knapp 300.- an die Infrastrukturkosten zu bezahlen…
Dezember 7th, 2006 at 15:05
Eigentlich sollten Jens, und die anderen positiv Kommentatoren, von der Cablecom etwas geschenkt bekommen oder so:):) denn die ist ja immer im Kreuzfeuer der Kritik in des Kassensturz resp. Beobachters!
Dezember 7th, 2006 at 15:52
@Sylv
Ich rede hier von Digital Phone.
Als Kabel-TV Anbieter werden sie immer schlechter, von 50 auf 37 Kanäle wurde das Angebot reduziert in den letzten Jahren, ganz schön traurig.
Als Internet-Provider waren sie von Anfang an unschlagbar, was das Preis-Leistungsverhältnis anging und wie unbürokratisch bei technischen Problemen geholfen wurde.
Über Digital-Mobile kann ich bisher auch nicht klagen, denn da steht Sunrise dahinter.
Dezember 7th, 2006 at 23:37
Als „letzte Meile Swisscom“ Kunde mit Tele2-Anschluss erhalte ich sozusagen jede Woche einen Brief der Cablecom. Meistens landen sie ungelesen im Abfall, weil sie mich mittlerweile unglaublich nerven. Die Imperien schlagen also beide zurück…
Dezember 8th, 2006 at 10:31
@Marischi:
Es geht mir genau so… Kürzlich gab es sogar noch Hausbesuche und Telefonanrufe… Ich bin zufriedener Swisscom-Kunde und auch mit den Leistungen bin ich zufrieden… Also wieso sollte ich erst nach einigen Dutzend Briefen wechseln und nicht gleich von Anfang an?!
Egal… Wird eben weiter in Hochglanz-Prospekte und Marketing investiert 🙂
Dezember 8th, 2006 at 12:51
Nun, immerhin hat die Druck-Industrie auch noch Arbeit 🙂
Cablecom-(und-Mobil-Swisscom-)Kunde Widi
Dezember 8th, 2006 at 16:11
Als zufriedener Sunrise Kunde (seit 1998 nonstop) ärgere ich mich vorallem über den Missbrauch der Swisscom, Werbeprospekte zur Rechnung für die Infrastruktur (mittlerweile ja 25,25) beizulegen. Tele2, Cablecom und andere Werbung fliegen direkt in die „runde Ablage“.
Preislich finde ich, die Roaming Preise sind zu hoch. Aber das ist bei allen Anbietern (leider) so.
Dezember 9th, 2006 at 2:17
Sorry, aber Cablecom ist einfach nur nicht fähig, ne richtige Rechnung zu schreiben. Oder wunderst du dich nicht, dass du deine Gebühr für ehm.. März jetzt mit der Dezemberrechnung zahlen musst? Gut, mag ja sein, dass du als Norddeutscher keine ahnung von Service und so hast. Aber Cablecom entspricht für mich in etwa der Deutschen Post oder Vodaphone DE oder Deutschen Telekom.. Unfreundlich, Inkompetent, Abzocken und so tun, als wäre man billiger…
Dezember 11th, 2006 at 10:11
Duopol = Gesunder Wettbewerb? Vielleicht aus Sicht eines Deutschen, der Wettbewerb nicht gewohnt ist…
[Anmerkung Admin:
In Deutschland gab es vor 10 Jahren einen knallharten Wettbewerb bei den Pre-Call Anbietern; die Preise purzelten, bis die ersten dieser Anbieter bei der Telecom die Gebühren nicht zahlen konnten, dann wurde der Kreis der Anbieter schnell wieder kleiner.
Wieso sollten Deutsche keinen Wettbewerb gewohnt sein?]
Dezember 11th, 2006 at 11:32
Sandra-Lia hat wohl einmal ein Paket nicht richtig bekommen und schon taugt der ganze deutsche Postsektor nichts.
Wahrlich, wahrhaftig, den Einfältigen sei die Weisheit über die Widrigkeiten des pekuniären Seins gegeben…
Oktober 2nd, 2007 at 1:18
Auch wenn der Eintrag schon lange her ist… er spricht mir aus dem Herzen. Denn viel hat sich nicht geändert. Ein Skandal, wie wir telekommunikationstechnisch in der Schweiz auf zwei unfähige Haufen (Swisscom und Cablecom) angewiesen sind!
Es geht auf keine Kuhhaut, was die sich punkto Nervwerbung und mangelhaftem Kundendienst erlauben – dazu z.B. mehr in der Abteilung konsumblog.ch in meinem Blog:
Swisscom – http://blog.jacomet.ch/?cat=6
Cablecom – http://blog.jacomet.ch/?cat=25