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Morgenessen oder Frühstück — Wie Dürrenmatt diese Streitfrage löste

  • Was klassisches Latein ist
  • Hugo Loetscher schrieb in seinem wunderbaren Büchlein „Der Waschküchenschlüssel oder: Was wenn Gott Schweizer wäre“ (Diogenes ´83) über Friedrich Dürrenmatts Stück „Romulus der Grosse“:

    Bei den Proben zu „Romulus der Große“ verlangte in einer Szene der römische Kaiser das „Morgenessen„. Der Darsteller des Romulus wand sich: Sicher ein großartiges Stück, aber „Morgenessen“ ist nun einmal nicht deutsch, das heißt „Frühstück„. Wütend setzte sich Dürrenmatt hin und schrieb die Szene um. Nach wie vor verlangt Romulus das „Morgenessen„. Der Zeremonienmeister korrigiert: Exzellenz, es heißt Frühstück. Da erklärt Romulus der Große: „Was klassisches Latein ist in diesem Haus, bestimme ich.

    Der Text stammt von 1983. Heute sind wir da ein Stückchen weiter. Wir haben das Variantenwörterbuch aus dem DeGruyter Verlag vor uns liegen und wissen, dass das „Morgenessen“ in Wirklichkeit die Schweizer Variante vom „Frühstück“ ist. Das Morgenessen ist im Übrigen bei Google-CH 66’200 Mal vertreten, bei Google-DE nur klägliche 688 Mal

  • Viermal Essen macht tüchtig satt
  • Im herkömmlichen Duden hat das „Morgenessen“ noch keinen Eintrag erhalten. Dennoch würde es in Deutschland jeder verstehen. Wer das „Abendessen“ kennt, kann sich unter einem „Nachtessen“ etwas vorstellen. Dann schläft er ein paar Stunden und freut sich auf das „Morgenessen“. Später geht es weiter mit dem traditionellen „Mittagessen“. Haben Sie mitgezählt? Das waren vier lange und vollständige Essen, über den Tag verteilt in Deutschland. Denn das Land ist gross und hat Platz für lange Wörter. Wörter zum Essen erst recht. Selbst eine Stadt im Ruhrgebiet wurde in Deutschland schon danach benannt, so wichtig ist den Deutschen diese Tätigkeit.

  • Kürzer aber dafür öfter in der Schweiz
  • In der Schweiz wird auch den ganzen Tag über gegessen, nur nicht immer solche langen Wörter. Hier wird aus Platz- oder Zeitnot gern verkürzt zum „Zmorge“ in aller Herrgottsfrühe, danach einem „Znüni“ um 10:00 Uhr, bis schliesslich um die 12:00 Uhr das „Zmittag“ naht. Am Nachmittag geht es weiter mit dem „Zvieri“, wie der Name schon sagt um 15:00 Uhr, und kaum geht die Sonne unter und legen sich die Hühner schlafen, wird schon an das „Znacht“ gedacht.

    Wer jetzt gut aufgepasst hat wird festgestellt haben, dass das eine Mahlzeit mehr im Tagesablauf war. Fünf kleine Mahlzeiten sind besser als vier grosse Essen, sagen sich die Schweizer und bleiben gesund.
    Heu und Stroh beim Buurezmorge
    (Foto: Buurezmorge bei der SVP Motto: „Heu und Stroh macht uns auch zum Zmorge froh“)

    Wer immer noch Hunger hat, der variiert einfach mit einem „Buräzmorgä“ oder „Buurezmorgä“ mit Burebrot, Bure-Fleischkäse, Bure-Metzgete, Burespeck oder Bureschüblig, einer

    „leicht geräucherte(n) Wurst aus magerem Kuh- oder Bullenfleisch, meist gekocht gegessen“
    (Zitat Schweizer Wörterbuch S.78),

    die es sogar in den Roman „Stiller“ von Max Frisch schaffte.

  • Doch keine Kapholländer
  • Mit den „Weissafrikanern“ oder „Kapholländern“ haben in der Schweiz die Buren nur die Herkunft ihres bäuerlichen Namen gemein:

    Als Buren (Afrikaner, Afrikaander, Kapholländer oder Weißafrikaner) werden etwa seit Ende des 18. Jahrhunderts die teilweise Afrikaans sprechenden europäischen Einwohner Südafrikas und Namibias bezeichnet. Die Bezeichnung Buren leitet sich vom niederländischen Wort boer für Bauer her
    (Quelle: Wikipedia)

    

    20 Responses to “Morgenessen oder Frühstück — Wie Dürrenmatt diese Streitfrage löste”

    1. Dominik Says:

      Ganz feiner Humor mit dem Zvieri;)

    2. blah Says:

      Hallo zum Buurezmorge wollte ich noch sagen, das normalerweise Röschti mit Speck und Spiegeleier dazu gehören, also eine ausgesprochen grosse Mahlzeit

    3. HP Says:

      Falsch gezählt lieber Jens! In Deutschland gibt es auch mehr Mahlzeiten! Punktgenau um 10 Uhr gibt es das kleine Frühstückchen (Knoppers). Ausserdem gibt es diverse Zwischenmahlzeiten, Kaffee und Kuchen (bei uns eben Zvieri).
      Laut wikipedia reicht das Wort Frühstück bis ins 15. Jahrhundert zurück und meinte ursprünglich das frühmorgens gegessene Stück Brot. Ich esse selten bis nie etwas vor acht Uhr. Ist also noch kein Znüni, eher ein Spätstück.

    4. Videoman Says:

      Das Burrezmorge ist auch eine Wahlkampfveranstaltung der SVP. Vor ein paar Jahren war das sehr populär, in letzter Zeit istv es ruhig geworden.
      Soweit ich gehört habe, bekommt man dann zu Essen, also Brot Würst Käse etc, während einer vorne die SVP Propanganda verbreitetet. Am Ende werden dann Initaitiven, Referden und Petitionen zum Unterschreiben durch gereicht. Die anwesende Gäste, meist älteres Semester (wer hätte schon Zeit während der Woche an so einer Veranstaltung zu gehen) unterschreiben dann meist ohne zu denken. Vor ein paar Jahre bemerkte ein Kolumnist, dass man auch eine Motion zur Abschaffung der SVP oder zum sofortigen EU-Beitritt durchreichen könnte, und mit zahlreichen Unterschirften zurückbekommen könnte.

    5. Bürli Says:

      Das Zvieri gibt es auch noch. Manchmal als Synonym für Znacht, manchmal als Synonym für Zvieri und manchmal als Eigenständiges Essen zwischen zvieri und Znacht.

    6. Bürli Says:

      Ups: Ich meinte das Zabig.
      En Guete

    7. gl Says:

      teilorts isst man abr schon am mittag z’abed… (klein- oder sernftal, kt. gl)

    8. Michael-H. Says:

      Im Militärjargon werden die Znüni, Zvierie, Zabig, K+K (Kaffee+Kuchen) als Zwipf zusammengefasst. Und um 11 gibts da noch das Apéro 🙂

    9. Phipu Says:

      In deiner Aufzählung fehlt noch der „Burehamme“. Wer nun unter „Hamme“ nur „Bahnhof“, äh nein, „Flussname“ oder „Stadtname“ versteht, ist garantiert nicht Berner sondern eher Deutscher oder Belgier.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Hamme_(Fluss)

      http://www.viamichelin.com/viamichelin/deu/dyn/controller/mapPerformPage?strLocation=Hamme&strCountry=eur&google=1#

      Im Raum Bern versteht man darunter eher:

      http://www.kochbu.ch/rezepte/rezept.php?r_id=1230&kat=Emmental&nav=nav_ch

      http://www.aemmitaler-ruschtig.ch/recepts/010214.htm

      http://www.schweizerseiten.ch/rezepte/hauptgerichte/hamme.htm

      Wer englisch kann, versteht übrigens „ham“

      Wie weiter oben schon bemerkt, ist das „Bure-Zmorge“ nicht ein richtig typisches „Zmorge“. Es ist eher ein „Brunch“ (Zusammenzug aus den englischen Wörtern „Breakfast“ und „Lunch“). Aber wer würde es schon wagen, dem typischen SVP-Publikum englische Wörter zuzumuten.

      Was ein „typisches Zmorge“ ist, gäbe Anlass zu vielen individuellen Auffassungen. Das reicht von einem gestressten Kaffee um 7.30 Uhr (meist in Städten) bis zu Rösti schon um 5.30 Uhr (eher auf Bauernhöfen). Etwas weniger verbreitet sind die täglichen Käse- und Wurst-Platten, die (nach meiner Vermutung) wegen der deutschen Touristen in allen europäischen Hotels Einzug gehalten haben. Dank dieser Geschmacks-Vereinheitlichung sind aber die Hotel-Frühstücks-Büffetts praktisch geworden, um sich belegte Brötchen für unterwegs zusammenzustellen, (eben, zum Znüni, oder gar zum Zmittag) die dann mehr oder weniger diskret aus dem Frühstückssaal geschmuggelt werden.

      Abgesehen von „kürzer und öfter“ gibt es noch eine grosse Variation an Zeiten. Die Romands essen z.B. grundsätzlich all ihre Mahlzeiten etwas später als die Deutschschweizer. Ausserdem haben besonders die Klischee-Welschen oft noch zusätzlich ein Apéro, bei dem man sich bereits sättigen könnte. Siehe: http://www.blogwiese.ch/archives/122 .
      Bemerkenswert ist ausserdem die Wortverschiebung im Schweizer Französisch gegenüber dem französischen Französisch:
      FR: petit déjeuner (Frühstück) – déjeuner (Mittagessen) – dîner (Abendessen)
      CH: déjeuner (Morgenessen) – dîner (Mittagessen) – souper (Nachtessen)
      Sagt also ein Franzose zu einem Schweizer, dass er morgen zu einem „déjeuner d’affaires“ (Geschäftsessen) muss, ist der erste Reflexgedanke: „was, die verhandeln schon so früh am Morgen?“

    10. myl Says:

      @phipu:
      ((
      Es ist eher ein „Brunch“ (Zusammenzug aus den englischen Wörtern „Breakfast“ und „Lunch“).
      ))

      Nun, es gibt eine präzise, schweizerdeutsche Ueberstzung für „Brunch“:
      „Zmittorge“

      🙂

    11. Zwergerl Says:

      znüne um 10.00 Uhr? – müsste das nicht 9.00 Uhr sein, das selbe bei zviere .., da würde ich eher 16.00 Uhr ableiten. Verstehe ich nicht ????

    12. Zwergerl Says:

      … sorry zunüni und zvieri natürlich – die Frage bleibt trotzdem die selbe 🙂

    13. Stefan R Says:

      @zwergel: das znüni wurde ursprünglich auch um 09h00 gegessen, aber aufgrund des sich wandelnden tagesrythmuses der neuzeit hat sich die zeit gegen 10h00. bzw in manchen regionen/Betrieben wird es immer noch um 09h00 gegessen, dies ist insbesondere in Landwirtschaftlichen oder Handwerklichen betrieben, sowie auf dem Bau der Fall, weil man dort idR um oder vor 07h00 mit der Arbeit beginnt. Wenn man aber erst um 08h00 mit der Arbeit beginnt, dann ist man um 09h00 noch nicht hungrig genug fürs z’nüni und man isst es folglich später.

    14. Videoman Says:

      @Stefan R:
      Aus diesem Grund sollte man zwischen 9:00 unf 9:30 nie auf einer Baustelle gehen, da ist nämlich niemand dort. Das Znüni ist dort heilig.

    15. Brun(o)egg Says:

      Und was is mit dör bayrischen Brotzeit, mei Liaber? Glatt unterschlagen, Saibreiss, damischer,

    16. sylv Says:

      Phipu, im Welschen ist das Zvieri ‚le gôuter‘ 🙂

      E hiube wünsch i no !

    17. Ben Says:

      @Brun(o)egg:
      ..da gibt es noch jede Menge anderer Zwischenverpflegungen:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenmahlzeit

    18. solar Says:

      Im nördlichen Kanton Zürich heisst das Mittagessen bei älteren Leuten noch Zümis. Eine ähnliche Form, Zimis oder Zimmis, gibt es im südlichen Kanton Solothurn und dem angrenzenden Bernbiet. Zimis/Zimmis ist aber eine Zwischenmahlzeit (ich glaube Zvieri).
      Bei den Glarnern, auch bei den Reformierten, gibt es zVeschber (das/zum Vesper).

    19. Paul Says:

      Zvieri ist möglich ab 15:00 (aber keinesfalls früher) bis spätestens 16:00 Uhr. Ein zweites Znüni abends zwischen 21:00 und 22:00 Uhr ist ebenfalls legitim. Entscheidend wichtig ist die Beschränkung von Zmorge, Znüni und Zvieri auf wenige erlaubte Speisen. Zmorge: Für Leute, die richtige Arbeit verrichten Röschti und Spiegeleier (neumodisch auch mit Speck) und Kakao, für alle übrigen Gipfeli, Brötli und Semmeli mit Anken und Confi, manchmal etwas Käse; mit Kaffee, für Snobs Orangensaft. Znüni: Kaffee und etwas Süsses, z.B. ein Nussgipfel (für Alkoholiker eine Stange tempo). Zvieri: Tee mit etwas Süssem ausser Torte oder aber Kaffee oder warme Schoggi mit viel Torte. Znüni abends: Tee, Würstli oder Salsiz mit Brot (oder nochmal ein paar Bier).

    20. basilea Says:

      le goûter ist doch das zvieri auf der anderen seite des röstigrabens… aber war doch beinahe korrekt (sorry für den düpflischisserischen kommentar).