Dort hingehen, wo es blaue Flecken gibt — gestossen voll
Wenn eine Lokalität in der Schweiz gut besucht wird, dann ist es dort voll. Sehr voll. So voll, dass man sich sogar den ein oder anderen schmerzhaften Stoss einfangen kann und sich fühlen darf, wie ein Eiswürfel im Martini von James Bond, welcher gerüttelt, aber nicht geschüttelt wird, und so im Glas herumgestossen wird. Dann spricht der Schweizer von „gestossen“ voll.
Wir lasen in der Pendlerzeitung 20Minuten vom 23.10.06 auf Seite 3
Der Laden war gestossen voll“
447 Mal fand wir „gestossen voll“ bei Google-CH, gegenüber nur 84 Mal bei Google-DE, wobei sich auch das ein oder andere „ich bin darauf gestossen. Voll gut find ich das“ darunter verirrte.
Im Internet finden sich weitere Belege:
Dazu folgende Szene: Der Saal ist gestossen voll. Aber ausgerechnet die Plätze neben dem sehbehinderten Ehepaar bleiben leer.
(Quelle sbv-fsa.ch)
Oder hier ein Beleg aus dem Zürcher Unterländer:
Die Elternschule Bülach hat ins Forum Schwerzgrueb eingeladen. Der Raum ist gestossen voll.
(Quelle: zuonline.ch)
Was würde man in Deutschland sagen? Der Raum war „brechend voll“. Wird er gleich brechen? Oder muss er sich etwa „er-brechen“? „Brechend voll“ findet sich bei Google-DE 101.000 Mal , 100 Mal weniger bei Google-CH.
Offensichtlich hat man Deutschland eher Angst, dass ein Saal, eine Kneipe, ein Zug oder eine sonstige beengte Räumlichkeit „bricht“, wenn sie „brechend voll“ ist, während man in der beengten Schweiz das „Anstoss erregende“ Wörtchen „stossend“ auch kombiniert mit „voll“ als Beschreibung für beengte Verhältnisse verwenden kann.
Die „Lallers, vom Leben und Sterben einer badischen Familie,“ war eine SWR3-Comedy-Serie aus dem tiefsten Schwarwald, und die Familienmitglieder vereinten sich stets am Ende einer Folge zum „Anstossen“ mit dem Ruf „Dringe ma eima? Alla Guat!“. Original Radio-Comix auf Badisch-Alemannisch mit den Lallers gibt es hier zu hören.
November 1st, 2006 at 7:26
Sagt Bond nicht immer „Geschüttelt, nicht gerührt“? Also nichts mit gerüttelt…
November 1st, 2006 at 7:58
gestossen voll = ‚es oder ds Gstungg‘ am 27.11 traditionell am Berner Zibelemärit und dann kann es dann das einer odere andere ‚Müüssi‘ oder ‚e Mohn‘ geben= blaue Flecken
grüessli sylv
November 1st, 2006 at 10:19
Blaue Flecken = „plöiele“ 🙂
Uebrigens: Es ist doch wunderbar, dass der „Schwarzwälder“ „Wilhelm Faller“ durch einen Schweizer verkörpert wird, nämlich Lukas Amann. Seine wohl bekannteste Rolle war die des „Graf Yoster“.
November 1st, 2006 at 11:02
Der Saal (oder das Tram) ist voll, offenbar hat niemand mehr Platz. Doch gibt man, von Eintrittswilligen in sanftem oder auch massivem Körperkontakt nach vorne gedrängt, den Druck nach vorne weiter, eventuell unterstützt durch verbale Aufforderungen: Man wird gestossen und stösst weiter. Wenn alle Zwischenräume aufgefüllt sind, ist der Raum gestossen voll.
Die Wendung wird nun einfach auch dann verwendet, wenn ein Raum so voll ist, als hätte man ihn voll gestossen, auch wenns nicht ganz so schlimm war.
Würde ich eine solche Situation gegenüber Deutschen schildern, würde ich „proppenvoll“ verwenden. Ein Proppen (Pfropfen) ist ein Zapfen oder Stöpsel. Beim Stöpsel erkenne ich ebenfalls einen gewissen Druck. Erklären kann ich aber hier die Begriffsherleitung weniger sicher. Drückt man, bis der Proppen Platz hat? Oder ists einfach voll bis zum Verschluss?
November 1st, 2006 at 11:06
Wenn’s nicht soviel Deutsche hätte in Zürich, wären die Lokale auch nicht so gestossen voll. Vielleicht liesse sich das „Phänomen“ auch in einer Zeitreihe untersuchen. Gestossen volle Lokale im Chreis 4 und 5 heute, vor einem, vor zwei und vor fünf Jahren.
November 1st, 2006 at 14:27
also im vogtland sagt man immer gerammelt voll,das kommt ähnlich wie stossen, von rammeln. und das heißt ja wiederrum stossen:-)
November 1st, 2006 at 18:20
also proppenvoll sagt widerrum im süddeutschen niemand, doch doch, man versteht es schon, keine sorge :-).
smartsurfer hat recht, vor 10 jahren, da wohnte ich noch im schwarzwald, war ich der einzige deutsche, der uf züri in den ausgang ging. damals waren die beizen noch übersichtlich, heute spricht man deutsch und zumindest die heimeligen und „angesagten“ sind alle gestossen voll.
man könnte auch überfüllt sagen, aber das wäre zu einfach :-).
November 1st, 2006 at 20:33
Simu hat recht. „Shaken (in a cocktail shaker), not stirred“.
Uebrigens, James Bond spielte auch ausgezeichnet Bridge (6 Pik, Kontra, Rekontra, gemacht! in „Diamonds Are Forever“?)
Fiona
Februar 24th, 2007 at 16:46
Ich denke das hat wirklich zu tun mit ‚zusammengestossen‘ wie in ‚zusammengepfercht‘