Da laust sich der Affe — Fellpflege des Businessman im 21. Jahrhundert
Kenne Sie das? Sie sitzen im Zug, in einem Cafe oder Sie halten vor einem Gruppe von erwachsenen Menschen einen Vortrag, und haben die volle Aufmerksam Ihrer Zuhörer. Da fängt doch tatsächlich der Mensch, der Ihnen genau gegenüber sitzt, plötzlich damit an, von seinem Hals ein wenig Haut abzukratzen,
(Phase 1: Die Materialsammlung am Hals)
diese dann mit spitzen Fingern vor dem Gesicht zu begutachten,
(Phase 2: Die Optische Begutachtung der Ausbeute)
schliesslich daran zu riechen
(Phase 3: Die olfaktorische Probe),
und wenn Sie dann ganz grosses Glück haben, dürfen Sie jetzt auch noch einen Geschmackstest erleben.
(Phase 4: Der Geschmackstest).
Alles live und in Echtzeit, immer in genau dieser Reihenfolge.
Ich weiss nicht, wie oft ich das in den letzten Monaten erlebt habe, und je häufiger ich das erlebe, desto öfter frage ich mich, was an mir diese alten tierischen „Fellpflege“-Instinkte auslöst, die Kopfhaut zu kontrollieren, Schuppen zwischen den Fingernägeln zu zerdrücken, daran zu riechen und sie sogar noch zu probieren.
Die Menschen, bei denen ich dieses Verhalten beobachte, lassen sich durch mein aufmerksames Zuschauen niemals in ihrem Tun stören. Manchmal möchte ich fragen: „Na, riecht das auch angenehm“ wenn sie bei der Geruchsprobe angekommen sind. Oder ich will ihnen einen Hinweis geben: „Dahinten rechts neben dem Ohr, da ist noch ganz frischer Schmalz zum Abkratzen“.
Aber natürlich reisse ich mich zusammen, doppelt zusammen, um damit den Ausgleich für die entspannte Befindlichkeit meines Gegenübers zu schaffen. Vielleicht sollte ich ja strenger gucken, wenn es wieder losgeht. Vielleicht hilft ein energisches „Na na, wir wollen uns doch nicht selbst verspeisen?!“ im rechten Moment geäussert?
Zugegeben, es sind vorwiegend Männer, bei denen ich dieses Verhalten beobachtet habe. Aber eins ist sicher und kann statistisch leicht bewiesen werden. Wenn sich 10 Personen im Raum befinden, dann sitzt derjenigen mit dem starken „mich laust der Affe“ Trieb unter Garantie genau vor mir.
In der Nase popeln oder zwischen den Zähnen mit leicht fletschendem Geräusch die letzten Speisereste suchen, das habe ich hingegen schon lange nicht mehr erlebt. In der Schweiz putzen sich die Männer nach dem Mittagessen sorgsam die Zähne, wie wir schnell gelernt haben (vgl. Blogwiese). Folglich ist da nichts zum rausprokeln. Bleibt nur die Kopfhaare und Vorzugsweise die Haut am Hals und bei den Ohren. Am meisten liebe ich die kennerische „Schnuppergeste“, wenn das gefundene Hautstück geniesserisch zur Nase geführt wird. Nur was wirklich gut riecht, wird danach noch verköstigt.
Was würden Sie tun in solch einer Situation? Salz und Pfeffer reichen? Es müssen alte Instinkte sein, aus grauster Vorzeit, als wir noch näher mit dem Affen verwandt waren, die nun plötzlich mitten in unserer Zivilisation wieder an die Oberfläche des menschlichen Verhaltens kommen. Die kleine Schicht „Konvention“, die uns von dieser Urzeit trennt, ist schnell durchbrochen, glauben Sie mir. „Fröhliches Fellpflegen“ bleibt uns da nur zu wünschen, und je nach Ausbeute auch „En Guete“!
Mai 22nd, 2006 at 7:37
*lehrerinmodus ein* „gefundene HauSTück“ (Zitat 2. letzter Absatz unten) Eine neue Wortschöpfung von Jens?? *lehrerinmodus aus*
Ich glaube das hat weder was mit „hauen“, noch mit „Haus“ und „Tücke“ zu tun… aber ich kann mich natürlich täuschen.
So einen Vorgang habe ich noch nie beobachtet. Aber mir graut davor, dass ich, dadurch dass du das ausgeführt und uns darauf aufmerksam gemacht hast, nun an jeder Ecke drüber stolpern werde….. – hmpf –
Mai 22nd, 2006 at 8:00
Diese neuen Photos von Jens. Unser Moderator/Administrator hat zugenommen, oder?
Fiona
Mai 22nd, 2006 at 8:00
@SU
Danke für den Hinweis, ist schon korrigiert!
Jens
Mai 22nd, 2006 at 8:02
@Fiona
Quatsch.. ungünstige Lichtverhältnisse… schlechtes Make Up.. Du weiss schon…:-)
Mai 22nd, 2006 at 8:22
Leider stimmt es, was du hier so genau beschreibst. Ich beobachte solche Angewohnheiten oft. Es gibt einfach viele Leute mit mangelnder Selbstwahrnehmung, die einfach nicht merken, wenn sie sich in der Öffentlichkeit lausen. Mir ist so etwas vor wenigen Wochen beim Essen passiert, genau in der von dir beschriebenen Reihenfolge ging das vor sich. Hinterher hatte ich kaum mehr Appetit und weiss mit Sicherheit, mit wem ich nie mehr essen gehe. Ein gräussliches Thema, doch wieder witzig weitergegeben!
Mai 22nd, 2006 at 8:25
Dasselbe kannst du an jeder Lichtsignalanlage ( im Zug etc) auch beobachten,schau dich mal um wenn du das nächste Mal darauf wartest dass die Ampel auf grün wechselt……………
Da lob ich mir unsere gute altmodische Schweizerküche um auf meine tägliche Kalorienanzahl zu kommen:):)
grüessli sylv
Mai 22nd, 2006 at 9:07
Jens,
ich vermisse einen Artikel über das „Nasepobeln“!
Gruß Peter
Mai 22nd, 2006 at 9:20
@Peter
Nase ist „out“, Haut vom Hals abkratzen ist „in“. Sieht auch viel wissenschaftlicher aus irgendwie. In the name of science und so…
Mai 22nd, 2006 at 9:34
Da laust sich der Affe – abtörnend!! A real turn-off!! ZERO TOLERANZ!!
Fiona
P.S. Re Dresscode. Schlimm – Männer die weisse Socken tragen (Ausnahme: N° 1 Rodger F. ).
Mai 22nd, 2006 at 9:42
@Fiona […Ausnahme: N° 1 Rodger F….]
Aber nur bei der „Arbeit“ 😉
Mai 22nd, 2006 at 19:21
Is alles extra Eiweiß!
Mai 22nd, 2006 at 20:21
Fliegen kann furchtbar sein wenn man neben den falschen Leuten sitzt:
Ein schnarchender Sitznachbar könne nicht als Reisemangel geltend gemacht werden, befand das Amtsgericht Frankfurt schon vor einigen Jahren, schließlich sei Schlaf nicht nur „völlig normal“, sondern auch „klassenunabhängig“.
Einen Schnarcher müsse man eben als Unannehmlichkeit hinnehmen. Und wer eine Pauschalreise gebucht habe, urteilte das Amtsgericht Hannover im Jahre 2003, der müsse den korpulenten Nachbarn ertragen, dessen Körperfülle sich bis auf den eigenen Sitzplatz erstreckt – die enge Bestuhlung von Chartermaschinen sei ja hinlänglich bekannt.
Bei soviel juristischem Unverständnis für die eingezwängte Lage gepeinigter Passagiere kommt die Geschäftsidee des amerikanischen PR-Agenten Peter Shankman zur rechten Zeit: Auf seiner Website „airtroductions.com“ können sich Flugpassagiere kostenlos registrieren und nach interessanten Sitznachbarn suchen, die zur gleichen Zeit den gleichen Flug nutzen – und den Ansprüchen genügen.
Shankman kam die Idee während eines Fluges von Houston nach New York im Jahr 2002: Damals hatte der New Yorker neben der amtierenden Miss Texas gesessen und sich bestens mit ihr unterhalten: „Ich hatte das Gefühl, der Flug hat ein paar Sekunden gedauert, so nett haben wir geplaudert.“
Fiona
Mai 23rd, 2006 at 16:18
Peter,
Nasenpopeln heisst hier „Böögge“
Peter
Mai 24th, 2006 at 15:43
@Fiona, das kann ich gut nachempfinden. Von Griechenland Heraklion nach Zürich sass ein Herr neben mir…. Als wir landeten wusste ich seine gesamte Krankengeschichte und die seiner Frau noch dazu. Ach ja, gabs schon mal einen Artikel über „en Rötele“? Der Herr neben mir wollte mit diesem Begriff einen Rotwein bestellen, die Stewardess sprach aber nur hochdeutsch und schaute dementsprechend verwirrt drein.
Mai 24th, 2006 at 19:19
Zu dem bebilderten Thema kann ich nur sagen GRUUSIG !
die ausführliche Beschreibung meiner Gefühle hier 😉 http://www.stillerhas.ch/pages/liedertexte.htm > klicke auf “Gruusig”
Hörprobe (kleiner Ausschnitt) hier
http://www.cede.ch/media/cd/mp3/434000/434033_1_19.mp3