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Dem Teufel vom Karren gefallen — Neue alte Schweizer Redewendungen

  • Woher stammt das Wort „Karren“?
  • Ein Karren ist in Deutschland ein Fahrzeug, das von Hand oder von einem Zugtier gezogen oder geschoben werden muss. Diese Bezeichnung kommt von Lat. „carrus“ und ist in der Schweiz auch als „Garette“ (von ital. carretta) bekannt.

    Eine „Karre“ ist aber auch ein altes Auto, liebevoll auch als „Rostlaube“, „Nuckelpinne“ oder „Schrottkarre“ betitelt. In Süddeutschland und Österreich kommt noch „Schnauferl“ oder „Spuckerl“ als Kosename hinzu.

    Wir lasen in der Sonntagszeitung vom 9. April auf Seite 22

    Entweder wir stellen uns darauf ein, dass wir in regelmässigen Abständen mit schockierenden Geschichten und Bildern von «Foltercamps» konfrontiert werden – überlassen aber ansonsten diese dem Teufel vom Karren gefallenen Kinder und Jugendlichen ihrem Schicksal. Oder wir lassen unserer Entrüstung Taten folgen.

    Dem Teufel vom Karren gefallen
    (Sonntagszeitung vom 09.04.06 Seite 22)

  • Dem Teufel vom Karren gefallen
  • Wir waren, gelinde gesagt, schockiert über diesen Ausdruck. Wir haben ihn noch nie gehört, und wir verstehen auch nicht, wie er in der sonst so calvinistischen Schweiz, die von Ratio und merkantilem Denken geprägt ist, bis in die heutige Zeit überleben konnte. Es klingt nach finsterem Mittelalter, nach Hexenverbrennung und einem Karren mit Verurteilten auf dem Weg zum Richtplatz.

    Es finden sich bei Google-Schweiz 35 Belege für diese Redewendung, in Deutschland hingegen nur 10, von denen der erste ein Zitat des Schweizer Dichters Jeremias Gotthelf ist:

    Dann sei ein zweiter Fall, und der sei anders. Die Lismerlise im Bohnenloch kennten alle; wenn eine dem Teufel vom Karren gefallen, so sei es die.
    (Quelle: buecherquelle.com)

    Ein paar Belege weisen auf den katholischen Teil der Schweiz:

    Dem Teufel vom Karren gefallen
    Das Roma-Mädchen, die Behörden und die Öffentlichkeit
    Die Geschichte des kriminellen Roma-Mädchens und seiner Familie ist kein Asyl-Skandal, sondern eine Häufung von sehr verschiedenen Nöten.
    (Quelle: kath.ch)

    Die Coopzeitung zitiert Viktor Giacobbo zu seiner Kunstfigur Fredi Hinz:

    Trotzdem mögen Sie Fredi, oder?
    Absolut. Er ist wirklich eine Ausnahmefigur, einer, der dem Teufel vom Karren gefallen ist. Ein Verlierer, der in der untersten Schicht lebt und nie lacht, aber trotzdem gut gelaunt und immer zu einem tiefgründigen Gespräch bereit ist.
    (Quelle: coopzeitung.ch)

    Wie so eine merkwürdigen Redewendungen so lange überleben konnten? Aber so ist das halt mit der Sprache: Ist ein Ausdruck besonders blumig oder besonders brutal, dann prägt er sich leicht ein. Also wird weiterhin in der Schweiz der Teufel seinen Karren durchs Land ziehen, auf dem Weg zum Fegefeuer, und der ein oder andere Jugendliche hoffentlich unterwegs herunterfallen.

    

    9 Responses to “Dem Teufel vom Karren gefallen — Neue alte Schweizer Redewendungen”

    1. Petra Says:

      Ich habe den Artikel auch in der Sonntagszeitung gelesen und fand diese scheussliche Redewendung auch unpassend im Zusammenhang mit dieser Geschichte. Das eine Journalistin nicht merkt, was sie da eigentlich für einen Blödsinn schreibt ist schon seltsam.
      Bei solchen Jugendlichen haben doch eine ganze Reihe Erwachsener versagt, und dann soll der Teufel dran Schuld sein, wenn ihm diese Kinder ( seine Kinder?) vom Karren fallen. Das ist schon eine recht bizarre Ausdrucksweise!

    2. sylvie Says:

      Diese Redewendung wird vor allem gebraucht wenn ein Kind sich nicht benimmt,wild ist oder eben gar kriminell geworden ist……………….

      Am Beispiel meiner jüngeren Schwester; die war als Kind ein Rabauke immer Bandenchef und so 🙂 Da haben meine Eltern Ihr oft gesagt:“Du bisch em Tüüfu ab em Charre gheit wo’n’er ds schnäu um Kurve isch für e Stutz uuf“.

      So kam das Kind dann in denn Kindergarten und hat dort am Anfang auch für viel Unruhe gesorgt in der Klasse:) bis die Leherin mal sagte:“ Ach, ***** bist du ein wildes Kind,warum wohl?“

      Meine Schwester voller Stolz:“ He, bi dänk em Tüüfa ab em Charre gheit ,de darf me wiud sy………“

      Dass meine Eltern dann antraben mussten zum Gespräch, erübrigt jeden weiteren Kommentar, denn es waren die frühen 70’er,da wurde sowas nicht geduldet:):):)

    3. Werner Says:

      Lieber Jens-Rainer Wiese, ist Ihnen übrigens eine weitere Bedeutung von „Karre(n)“ geläufig? Wenigstens im passiven Wortschatz?

      Letzte Woche habe ich nämlich in perfekter hochdeutscher Konversation den Begriff „Karren(feld)“ gegenüber einer studierten (es grüsst auch die PISA-Studie;-) ) Deutschen erwähnt. Sie hat ihn nicht verstanden, obwohl er sogar im Duden (ohne den Zusatz „veraltet“;-) ) aufgeführt ist. Wie unter wikipedia „karre“ ersichtlich: Karren sind Rinnen im Karstgebieten/Kalkgebirgen, entstanden infolge (chem.) Erosion durch kohlesäurehaltiges Wasser – nicht etwa durch Radspuren eines Teufelskarrens. 😉

      Übrigens sollte jemand den dringend Wusch verspüren, einmal solche Karren in der Schweiz zu sehen, empfehle ich sommers einen Besuch auf der Silberen-Alp zwischen den Kantonen Glarus und Schwyz. Im Untergrund hat es auch Höhlen. Könnte man den Nachweis erbringen, dass diese mit dem Höllloch (Einstieg im Moutathal) zusammenhängen, wäre diese wahrscheinlich nicht mehr (nur) das 2. längste Höhlensystem Europas. Ob dort die Garage;-) des Teufel ist, wo er seine Karre parkIERt;-) hat? In Zürich ist ihm das wohl zu teuer!

      Die Karren(felder) haben die Fantasie der Einheimischen offenbar schon früher angeregt: Sagen wie „Die Teufelskirche am Ortstock“ bzw „Die Teufelskanzel“ in der nächsten Umgebung zeugen davon.

      Die Silberen-Alp erreicht man übrigens am Besten über die Gemeinde Braunwald. Mit der Farbe braun hat diese nichts zu tun: Der Wald dort ist zumeist grün oder dann halt weiss eingeschneit. Die erste Silbe stammt von (verkürzt) „Brunnen“ (=Quellen). Wasser, welches in Karstgebieten bekanntlich an der Oberfläche eher selten anzutreffen ist. Die falsche Eindeutschung von Mundart-Ortsnamen wäre aber wieder eine andere Geschichte… Im Gegensatz zu den Wolken berndeutscher Mundart in der TV-Sendung „Meteo“ scheint das den schweizer Mainstream aber nicht mehr zu stören… Schade! bzw. Gottvertelli! 😉

      Trotzdem noch allen einen gesegneten Sonntag. Sehr geehrter Herr Wiese, machen Sie weiter mit Ihrer anregenden Blogwiese. Wenn Sie das Thema (eingedeutschte) Ortsnamen interessiert, kann ich gerne mal eine Lektüre empfehlen.

    4. schampar Says:

      In den 50ties und 60ties bedeutete eine solche Aussage gegenüber einem Teenie im Kanton Bern unter den gegebenen Umständen oft sogar:

      „Du bist dem Teufel vom Karren gefallen“ will heissen: Der Teufel hatte dich bereits als Opfer auserwählt und auf seine Karre geladen, ist aber anschliessend (als er verstanden hatte wie schlimm du eigentlich bist) so erschrocken, dass er mit seiner Karre einen so bockigen Kurs fuhr, bis du von seiner Karre gefallen bist. Nicht einmal der Teufel möchte dich haben, ist leider die Erkenntnis.

      Traurig, aber gehörte zu den beliebten Erzeihungsmethoden, damals.

    5. Pesche Says:

      Dem Teufel vom Karren gefallen.

      Wenn man die Aussage noch verstärken will kann man auch sagen: Du bist nicht dem Teufel vom Karren gefallen. Er hat Dich vom Karren gestossen. Dies in Anlehnung an die Aussage von schampar.

    6. Onkel Jérôme Says:

      Nicht zu vergessen der Beitrag von Patent Ochsner „i sig em Tüüfu abem Charre gheit“ aus diesem Lied, dessen Titel mir ärgerlicherweise entfallen ist 🙂

    7. Onkel Jérôme Says:

      Natürlich „Vilechlanisolasy“ von der aktuellen Platte „Liebi, Tod und Tüüfu“. 🙂

    8. siska Says:

      Vielleicht liest das ja noch wer…
      Auch nicht vergessen: das Lied „Mamma hed gseit“ von Stiller Has.

      Mamma hed gseit i sig em Tüfu abem Chare gheit hed d Mamma gseit!

    9. marky Says:

      tüfeskarre9.ist schon so abgegleitet aus dem lat:carrus./wir in der nezeit auch mit carussell,verbunden das sich dreht und jedoch von einem motor,und nicht von hand od.zugtier wie starker hund Rottweiler,wurden viel eingesezt früher zum carren zu ziehen,od.bernhardiner aus der Schweiz,das waren haeufige arbeitstiere,sogar auf dem felde¨.gruss marky.baden