Aufstossen, stossen und die Tür nicht drücken
In der Schweiz werden bekanntlich nicht die Türen gedrückt, sondern die liebsten Verwandten, oder die Fussgänger an der Ampel: „Fussgänger bitte drücken“.
Türen hingegen muss man stossen, ohne sich dabei das Knie oder ein anderes Körperteil zu verletzten. „Sich stossen“ ist in Deutschland immer ein schmerzhafter Prozess. In der Schweiz ist das noch schlimmer, denn da können die Dinge selbst zurück stossen. Das tun sie nämlich immer dann, wenn sie „stossend“ sind.
Besonders stossend finden sie, wenn auch Bauherren, die ausdrücklich ohne Auto leben wollen, zum Parkplatzbau gezwungen werden.
(Quelle: Tages-Anzeiger)
(Quelle Tages-Anzeiger vom 22.02.06)
Oder hier:
Für den VCS besonders stossend:
(Quelle)
Die SP-Fraktion erachtet es als besonders stossend, dass nach der Vernehmlassung nochmals wesentliche Verschlechterungen eingebracht wurden,
(Quelle: sp-sh.ch)
Speziell die Kombination „besonders stossend“ findet sich bei Google-Schweiz 543 Mal
Und wieder fragen wir uns: Wie kamen wir eigentlich bisher im Standarddeutschen ohne dieses Wort aus? Was haben wir an seiner Stelle geäussert? Der Duden hilft weiter:
sto|ssend (Adj.) (schweiz.):
Anstoß, Unwillen erregend, das Gerechtigkeitsempfinden verletzend:
dass mit diesem Bundesbeschluss die -en Einkommensunterschiede in der schweizerischen Landwirtschaft etwas gemildert werden können (NZZ 23. 12. 83, 23); Eine Verurteilung hätte sich deshalb zwar rechtfertigen lassen, … doch wäre sie im Ergebnis stossend gewesen (NZZ 3. 2. 83, 29).
Das kleine kurze elegante Wort „stossend“ kann in Deutschland nur umständlich mit „Anstoss erregend“ oder „Unwillen erregend“ übersetzt werden. Ist doch irgendwie erregend das alles, oder nicht?
Das muss an der schmerzhaften Konotation liegen, die „stossen“ und „stossend“ bei uns Deutschen auslöst. Höchstens noch „aufstossen“, wenn das Baby ein „Bäuerchen“ macht (ich wette für dieses Wort haben wir in der Schweiz sechs verschiedene Dialekt-Varianten!), oder wenn wir zu schnell und zu viel Bier auf einmal getrunken haben. In Deutschland pflegt man die dabei entstehenden Geräusche zu kommentieren mit: „Das war der Landfunk, es sprach die Sau“ und zur Tagesordnung (nicht zum Traktandum) überzugehen.
März 18th, 2006 at 2:08
Danke für diese Info. Wusste bis anhin nicht mal, dass stossend in Deutschland nicht verstanden wird.
März 18th, 2006 at 10:06
nach dem Essen bzw. Trinken macht das Buscheli in der Schweiz ein
Görbsli (oder vielleicht Görpsli…) :-). So jedenfalls in der Nordwestschweiz.
Gorps —- Görpsli, ……hups..tschuldigung….
März 18th, 2006 at 10:31
„ein bäuerchen machen“ = „es görpsli mache“ od. „görpsle“
März 18th, 2006 at 15:05
Weiterer möglicher Kommentar nach einem lautstarken Rülpser (bzw. „Gorps“): „Entschuldigung, ich wollte eigentlich pfeifen“. Auf „ä“ „gorpsen“ klingt in der Schweiz viel schallender als in Deutschland, da deutsche „ä“ bloss harmlose „e“ sind.
So ein stossender Kommentar!
März 21st, 2006 at 13:00
Wobei ich nie verstanden habe, was Rülpsen mit Bauern zu tun hat…
März 21st, 2006 at 15:16
kommt ja auch nicht von Bauer, sondern von bedauern. Hat sich aber im Laufe der Zeit verkürzt… und als es dann so klein war, dass man es kaum noch sah, hat man ein -chen dran gehängt. in der scheiz wäre das vermutlich ein -li gewesen. wie bei bruce.
März 21st, 2006 at 18:02
bi görpsle (hani ja ewig nimm ghört!) fallt mir grad no hitzge iih, also wenn me de Hitzgi (=Schluckauf) hät…
März 21st, 2006 at 18:58
@schwiizer-li
Schau mal hier http://www.blogwiese.ch/archives/179
da wird er Hitzgi in allen sprachlichen Variationen diskutiert.
Gruss, Jens