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Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 8) — Wer schafft sein Essen nicht?

(reload vom 10.12.05)
Die Schweizer lieben deftiges Essen, sie essen auch gerne viel. Wenn sie dann gemeinsam am Tisch sitzen und die Portionen mal wieder sehr gross sind, dann stellen sie sich gegenseitig die Frage: „Na, schaffst Du es, alles aufzuessen?“. Ein solches Essen, bei dem nicht sicher ist, wer seine Portion ganz aufessen kann, nennen sie dann ein „Wer-schafft’s?“ Essen.

Aus historischen Gründen wurden bei dieser Bezeichnung der Buchstabe „ä“ und „h“ beibehalten, so schreibt man „währschaft“ zusammen, wie bei „Gewähr“. Diese haben Sie nämlich, wenn sie währschaftes Essen zu sich nehmen müssen und sich vergeblich dagegen wehren: Sie werden unter Garantie satt, denn das kann Dank der „währschaften“ Nahrung immer „gewährleistet“ werden.

Währschaftes Essen“ ist äusserst beliebt. Wir finden bei Google-Schweiz 17’200 Belege .

Schweizer Kost im Gastrotrend – Währschaft essen, symbolisch fooden (Quelle: ethz.ch)

In Deutschland ist eine „Wehrschaft“ mit „e“ eine Studentenverbindung mit ziemlich militärischer Ausrichtung:

Wehrschaften wurden nach dem 1. Weltkrieg gegründet, um militärisches Wissen trotz der strengen Bedingungen der Verträge von Versailles (Berufsheer 100.000 Mann) bzw. Saint-Germain in der akademischen Bevölkerung zu verbreiten. Teilweise wandelten sich aufgrund der geänderten politischen Verhältnisse auch bereits bestehende Verbindungen in Wehrschaften um. (Quelle)

Diese Wehrschaften robbten dann in der Freizeit gemeinsam durch das Unterholz und übten Nahkampf mit Holzgewehren, um ihr „militärisches Wissen“ nicht zu verlieren, nehmen wir an. Wahrscheinlich hatten sie nicht genug echte Erfahrungen in den Schützengräben von Verdun sammeln können.

Ob die bei ihren Zusammenkünften auch immer so deftige „währschafte“ Kost zu sich nehmen müssen? Um sich danach besser wehren zu können? Wahrscheinlich jedoch ernährt man sich in diesen Verbindungen vorzugsweise von Hopfen, Malz, Gerste und Wasser, in flüssiger Form selbstverständlich.

Beispiel für „währschaftes Essen“:
Währschaftes Essen

  • „En guote“ und „Maaahlzeit“
  • Die Deutschen wünschen sich bei solchen Gelegenheiten immer eine „gesegnete Mahlzeit„, was aber im Laufe der Zeit radikal zu „Maaaahlzeit“ verkürzt wurde, und als Standardgruss im Büro zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr gilt. Recht skurril mit unter, wenn ihnen um 14.30 Uhr ein Kollege auf dem Weg zum Klo begegnet, und ihnen eine gesegnete Mahlzeit in Kurzfassung wünscht.

    

    16 Responses to “Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 8) — Wer schafft sein Essen nicht?”

    1. Brenno Says:

      „Währschaft“ gehört laut Kluges Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache dem schweizerdeutschen Wortschatz an und war ursprünglich ein Substantiv, welches Inhalt, Gehalt, Wert bedeutet. Gemäss dem Beitrag, den Kurt Meyer 1964 für den Sprachspiegel des Deutschschweizerischen Sprachvereins geschrieben hat, meint es Gewähr, Garantie; es wurde früher auch wärschaft oder werschaft geschrieben. Ursprünglich der Rechtssprache zugehörig, verschwand es im 18./19. Jahrhundert aus dieser und breitete sich danach im allgemeinen Sprachgebrauch aus.

      Zugrunde liegt das Substantiv wër im Sinne von Gewährsmann, Bürge. Es lebt noch fort in Wörtern wie Gewähr, gewähren und Garantie, Letzteres ist vom altfränkischen Partizip werant oder warant auf dem Umweg über das Französische ins Deutsche gekommen.

      In Bezug auf das Essen könnte man sagen, was ein Teilnehmer dieses Blogs bereits anlässlich der Erstveröffentlichung dieses Beitrags erklärt hat:
      „Währschaft ist einfach traditionelles oder bürgerliches, also ein Essen nach Grosi’s Rezept. Grosi = Oma, Grossmutter.“

      Die Meinung, die Schweizer ässen deftig und reichlich, finde ich ziemlich amüsant, da die Schweizer von den Deutschen seit jeher eben diese Auffassung haben. Sie ist gewissermassen eines der Standardvorurteile der Eidgenossen ihren nördlichen Nachbarn gegenüber. Noch vor ca. 14 Tagen bin ich einer Verwandten begegnet, die ihre letzten Ferien im Schwarzwald verbrachte und dabei angeblich genau diesen Eindruck gewann; vielleicht war es ja auch nur die Bestätigung einer vorgefassten Meinung (?).

      Nun ist kaum abzustreiten, dass viele der traditionellen Schweizer Gerichte, seien es regionale oder nationale Spezialitäten, nahrhaft und nicht besonders raffiniert sind. Die Ernährungsgewohnheiten haben sich aber in den letzten 20 oder 30 Jahren grundlegend geändert. Spätestens seit dem Siegeszug der so genannten Nouvelle Cuisine sind die Menschen hierzulande anspruchsvoller und vor allem auch gesundheitsbewusster geworden. Dann hat natürlich auch der Schlankheitswahn für mehr Mässigung gesorgt. Parallel dazu ist die Zahl der Lokale mit ausländischem oder gar exotischem Angebot sprunghaft gestiegen. Ein Wirt, der etwas auf sich hält, verarbeitet bei uns ausschliesslich marktfrisches Gemüse und kommuniziert das seinen Gästen auch. Das dürfte in Deutschland kaum anders sein.
      Der Vergleich zwischen den Essgewohnheiten beider Länder bringt vermutlich also nicht allzu viel. Interessanter wird es, wenn man z. B. die italienische Küche zum Vergleich heranzieht, besonders wenn dies ein Deutscher tut, der es wissen muss(te): Der Philosoph Nietzsche verbrachte die Wintermonate bekanntlich öfters in Italien. Er hat sich im Werk „Ecce Homo“, Kapitel 1: „Warum ich so klug bin“ über die deutsche Küche als Gegensatz zur italienischen höchst anschaulich ausgedrückt (Zeilen 40-44):
      http://www.nietzschesource.org/texts/eKGWB/EH-Klug
      Obschon Nietzsche während 10 Jahren in Basel gelehrt hat, sind zumindest mir keine Äusserungen von ihm über die Schweizer Küche bekannt. Solange diese Frage nicht geklärt ist, können wir von einem 1:0 für die Schweiz ausgehen, wenn man so sagen kann. Aber noch ist nicht aller Tage Abend …

    2. Yogi-TheBear Says:

      „Schweizer Küche“? = 1:0 für die Schweiz
      Da muß ich aber heftigst widersprechen! Diese KÜCHE war NIE raffiniert..oder nennt man Älplermaggronen & Gschwelti etwa raffiniert?!

      Nimm mal ein altes Schweizer Standard-Kochbuch (ca. 1960!) – da findest Du die Erklärung, dass sie ursprünglich NUR eine „Küche des Mangels “ ist – mit viel Kartoffeln & wenig Fleisch! Im Tessin gabs das nur, wenn dem Bauern eine Kuh abgestürtzt war! Dort ass man bis in die 1930er am Morgen Kartoffeln mit Milch oder an Feiertagen auch grobe POLENTA mit dem „eigenen Holz-Löffel“ aus der grossen GemeinschaftsSchüssel in der Tischmitte! Diese Buben haben erst im WK in der Deutschschweiz die NUDEL kennengelernt!

      FONDUE&Raclett = Verarbeiten von KäseResten, die über den Winter in der Schublade steinhart geworden sind! Wurden zu einer Spezialität „hochgehypt!

      Was jetzt in der Hotellerie allgemein als „Schweizer Küche“ bezeichnet wird ist doch nichts anderes als „adaptierte, internationale Küche!

      Darüber habe ich mich schon ausgelassen 1990 in meinem allerersten TESSIN-Bildband…und das bis heute im bereits 5. Buch standhaft auch immer wieder wiederholt!

      ERGO: Eine Schweizer Küche gibt es genauso wenig, wie einen Schweizer Automobil-GrossSerien-Hersteller!
      Oder findest Du das vielgerühmte „Zürcher Geschnetzelte“ als eine währschafte Küchenleistung?
      SORRY = Ich NICHT!

    3. Yogi-TheBear Says:

      Um alle ZWEIFEL über die sog. „SCHWEIZER KÜCHE“ zu beseitigen empfehle ich, den guten, alten und sehr ausführlichen BRENNEISEN!
      Da steht ALLES drinn…

    4. pfuus Says:

      @brenno

      Es steht ausser Frage, dass sich Gesundheit und Gemütszustand eines Menschen, sowie seine Vorurteile, auf die Geschmacksnerven und die Beurteilung von Traditionen und Essgewohnheiten auswirken. Ersteres mag auf Nietzsche, Letzteres häufiger auf CHer zutreffen.
      Sauerkraut mit einer Kartoffel obenauf, umrandet von Würsten, Speck und Kochschinken, selbstverständlich XL und schon läuft das Kopfkino ☺!
      Dieselbe Komposition , aber „Choucroute“ (cuisine alsacienne) genannt: Schon is(s)t man offen .

    5. Brun(o)egg Says:

      Ich empfehle den Fülscher, bezw. die Fülscherin. War eine Dame welche die Rezepte gesammelt hat. Da steht alles drin.(mit einem n lieber Yogi!)

      Wie ist denn das mit der deutschen Küche? Saumagen? Schlesisches Himmelreich? (Würg) Pommes Rot/Weiss? Currywurst?

    6. Yogi-TheBear Says:

      brun0…sollte eigentlich „drinnen“ heissen!
      >>Saumagen? Schlesisches Himmelreich? (Würg) Pommes Rot/Weiss? Currywurst?

    7. Brun(o)egg Says:

      Du schwächelst, Yogi.
      Lach.

    8. Guggeere Says:

      @ Yogi

      Du hast fünf Tessin-Bildbände herausgegeben? Und dabei nicht nur Bildchen beigesteuert, sondern auch Buchstaben?

      Ich wundere mich wirklich, denn was du uns hier immer wieder an Äusserungen über die Schweiz zumutest, empfinde ich als oberflächlich bis falsch, gehässig, herablassend und sprachlich erbärmlich.

      Entschuldige, wenn auch ich jetzt nicht besonders nett bin; aber von jemandem, der Bücher über die Schweiz schreibt, erwarte ich mehr als nur Hohn und Flachsinn.

      Und hör auf mit diesen Versalwörtern. Das sieht immer aus wie Geschrei.

    9. Yogi-TheBear Says:

      brun0…Wie gesagt: „Wer’s mag!“ Ist wie mit KUTTELN – Tessiner Busecca…wer’s mag!

    10. Brenno Says:

      @Yogi-TheBear

      Die Vorfahren der heutigen Schweizer waren grösstenteils Bauern, und so etwas schlägt sich natürlich auch im Speiseplan nieder. Das Land war ausserdem bis weit ins 19. Jahrhundert eines der ärmsten Europas. Das Tessin war ganz besonders arm. Mentalitätsmässig hat das teilweise bis heute Spuren hinterlassen, u. a. eben im gelegentlichen Verzehr von „währschaften“ Speisen. Im Alltag begnügen sich die Eidgenossen selbstredend nicht allein mit diesen. Die sogenannte Schweizer Küche ist wohl eher die Erfindung von Journalisten, Touristikmanagern und Sachbuchautoren. Die Schweizer lassen sich dies aber durchaus gefallen, weil manche tief in ihrem Innern noch etwas von einem Bauern bewahrt haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Nostalgie dürfte dabei eine Rolle spielen.

      Apropos Raclette: Diese Speise geht zurück auf die Sennen (Alphirten), die sie ursprünglich auf offenem Feuer im Freien zubereiteten. Die Walliser waren so schlau, diese Spezialität landesweit zu vermarkten, daher auch der französische Name (raclette – ‚Spachtel’). Sie gaben sich damit aber nicht zufrieden, denn sie versuchten, die Anerkennung und den gesetzlichen Schutz als Ursprungsbezeichnung dafür zu erlangen, was ihnen jedoch nicht gelang, da das von Ihnen angerufene Bundesgericht Ende 2007 befand, Raclette sei keine Käsesorte, sondern bloss eine Art der Zubereitung. Es gibt eben noch eine Gerechtigkeit auf dieser Welt…
      P. S. Die Sennen des Berner Oberlandes kennen oder kannten diese Speise auch. Sie nennen Sie „Chäsbrät“.

    11. Yogi-TheBear Says:

      Hallo Guggeere!
      Wenn man 17 Jahre in der Schweiz mit Schweizern“überlebt“ hat & „hinter die Kulissen geschaut hat“ – da kann man in diesem FORUM halt einfach „nur“die „Wahrheit“ schreiben…sorry!

      Ihr Schweizer meint Wunder, wer oder was ihr seid!
      Denk doch da einfach mal darüber nach!

      PS: So schlecht können meine Bücher nicht gewesen sein . DRS hat sie schon 1990 besprochen & das Kantonsschulamt des Kantons Luzern hat sie als das „komptenteste Buch“ über die Geschichte des Kantons Tessin klassifiziert und sie gleich für den Schuluntericht & die Schulbibliotheken empfohlen!

      Und das mir – als „cheiben Uusländr“!

    12. Guggeere Says:

      @ Yogi

      „Ihr Schweizer meint Wunder, wer oder was ihr seid!“

      Oha! Jetzt hast du es uns aber heimgezahlt! Anonym, pauschalisierend und erklärtermassen im Besitz der Wahrheit… Da kann ich natürlich nicht mithalten.

      Ich finde, einen Satz wie den oben zitierten sollte man nie, nie, nie schreiben und noch nicht mal denken; über kein Volk der Welt. Deshalb ist mir das Ganze auch zu blöd. Wenn du Niveau-Limbo spielen möchtest, musst du dich vielleicht mal am SVP-Stammtisch, bei der „Weltwoche“ oder der „Bild“-Zeitung melden.
      Und tschüss.

    13. pfuus Says:

      @brennBrun(o):
      http://www.natuerlich-online.ch/magazin/artikel/schmetterlinge-im-bauch/

    14. Brenno Says:

      @pfuus
      Igittigitt!!

      In Holland soll es einen Hochschulprofessor geben, der genau das propagiert, aber das ist nichts für mich. Dann noch lieber Bernerplatte oder etwas Ähnliches, aber mit Sauerkraut oder Choucroute alsacienne bzw. Sürkrütt.

    15. Martin Says:

      Was ist eigentlich das Problem? Ich bin Schweizer und finde z.B. die Currywurst wirklich lecker. Auch deutsche Bekannte von mir kommen gerne in die Schweiz und lassen sich Raclette oder „Berner Rösti“ schmecken. Klar können diese nicht als Gourmet-Gerichte bezeichnet werden ist aber auch Geschmackssache. Aber weshalb so feindselig??? Für Deutsche die in der Schweiz leben kann es wirklich nicht immer einfach sein, was an vielen Vorurteilen wie auch an der Angst liegt. Die grösste Angst sind momentan die Arbeitsstellen welche momentan Unruhen auslösen.
      Zum Thema was wir „Wunder meinen“: Wir sind ein kleines Land und haben auch einen Stolz. Deutschland ist ein grosses und einflussreiches Land und auch Ihr habt Euren Stolz. Aber was ist so schlecht an der Schweiz? Wir nehmen uns die Mühe eure Sprache in den Schulen zu lernen.
      Ausserdem besteht ja die Schweiz ursprünglich auch aus Deutschen…

    16. susanne Says:

      @Yogi-TheBear – wir sind die , die die schwaben vertrieben haben, die freiheit von napoleon bekommen haben – so einfach ist das. In Lörrach lebend kann ich doch sagen, lieber eine einfache polenta, als eine wurst die in einer gelben sauce schwimmt und das wort kulinarischer fauxpas nicht mal verdient hat. Aber mach dir nichts draus auch unter Lehrern und Medienschaffenden gibts idioten.

      [Anmerkung Admin: Gelb ist die Curry-Sauce nur in der Schweiz. Curry-Sauce in Hamburg oder Berlin besteht zum Grossteil aus Tomatenmark und ist daher meist eher rötlich]