Was die Schweizer gerne essen (Teil 3) — FIGUGEGL
(reload vom 3.12.05)
Wenn Sie als Deutscher in die Schweiz gezogen sind, werden Sie vielleicht irgendwann in der kälteren Jahreszeit einmal eine Einladung von einem Schweizer bekommen zu FIGUGEGL. Dann können Sie sich freuen, denn ich garantiere Ihnen: Sie werden bestimmt satt werden.
Nein, das Wort entstand, bevor die Suchmaschine Google überhaupt exisitierte. Es hat was mit Essen zu tun, und mit der Gugel-Hopf-Form, die man unweigerlich bekommt, wenn man zu viel isst.
FIGUGEGL sagt man, um auszudrücken dass die „FIGur GELitten“ hat beim Essen. Nein, kleiner Scherz, es ist natürlich Schweizerdeutsch und steht für Fondue isch guet und git e gueti Luune. Der Werbespruch wurde zur Absatzsteigerung von Fondue-Produkten lanciert, irgendwann in den 70er Jahren, und ist durch Vererbung und mündliche Überlieferung jedem Schweizer, auch den Jüngeren, gut bekannt. Da sieht man mal, wozu mündliche Überlieferung heute noch taugt. Wir haben da so ein Problem mit Werbesprüchen, die gemacht werden, um uns davon zu überzeugen, dass „Fondue gut für uns“ sein soll. Irgendwas kann da nicht stimmen, wenn man dafür eine Werbung kreieren musste.
(Quelle Foto: freaksforfood.ch)
In der Domstadt Köln am Rhein müssen die Einwohner das 7 Mal gefiltertes Rheinwasser trinken (darum liebe Basler, überlegt es euch bitte nochmal genau, bevor ihr da beim nächsten Spaziergang hinein…). Sieben Mal gefiltertes Wasser? Das erzeugt Argwohn und Misstrauen, also machten die Wasserwerke von Köln Werbung auf Plakatwänden für ihr Wasser: „Dat Wasser von Kölle is joot„ (der Satz heisst übrigens nicht, dass man in Köln „Jod“ trinkt). Und genau da wird es mir dann unheimlich: Warum Werbung für eine Sache machen, wenn sie doch gut ist? Warum die Werbung für Fondue, wenn man davon ganz allein gute Laune bekommt?
Nun, wir bekommen bei Fondue immer eins: Einen dicken Bauch, und manchmal auch einen dicken Kopf, je nachdem wie gut der dazu genossene Weisswein war. Ob es sich um die „Rache Südfrankreichs“ handelt, die da in grossen Tankwagen nach Deutschland gekarrt und abgefüllt wurde, oder ob es doch lieber ein trockner Chardonnay aus Chile war. Schweizer Wein zur Abwechslung? Nun, wir trinken ihn recht gern, aber er ist uns einfach zu teuer, für die angebotene Qualität. Also wenn Sie die Rechnung zahlen?
Schweizer Wein wird übrigens traditionell in recht kleinen Gläsern offeriert. Warum das so ist? Nun, da muss man öfters nachschenken, die Flasche hält länger vor, und wenn mal ein Glas umfällt, ist gleich nicht so viel von dem „kostbaren“ Saft verloren gegangen. Sie sind echt praktisch veranlagt, diese Schweizer. Was glauben Sie, warum am Sackmesser immer ein Korkenzieher dran ist? Und wenn der erste Korken gezogen wird, dann ist das für die Schweizer der Zapenstreich, denn dabei wird der Zapfen gezogen. Die Münchener schlagen den Zapfen aus dem Fass, beim Anstich zum Oktoberfest. Die Schweizer ziehen den Zapfen aus der Weinflasche, mit einem ziemlich eirigen „Zapfezieier„. Kein Joke, so schreibt sich das Teil in der Schweiz, sofern ich kein „i“ oder „e“ vergessen habe:
März 31st, 2012 at 14:40
FIGUGEGL:
http://www.google.de/imgres?q=figugegl&um=1&hl=de&sa=N&biw=1024&bih=575&tbm=isch&tbnid=_cT2UX6qFiJiHM:&imgrefurl=http://www.museumkiesen.ch/Bilder/Marketing/Seiten/FIGUGEGL_jpg.htm&docid=uj0CKN9ylm3wCM&imgurl=http://www.museumkiesen.ch/Bilder/Marketing/Bilder/FIGUGEGL_jpg.jpg&w=460&h=690&ei=9_p2T_GrHNDKtAap9eTBBA&zoom=1&iact=hc&vpx=96&vpy=161&dur=212&hovh=275&hovw=183&tx=104&ty=152&sig=112100995351043108284&page=1&tbnh=167&tbnw=106&start=0&ndsp=9&ved=1t:429,r:0,s:0
März 31st, 2012 at 16:25
Fondue ist super – aber in meinen Augen nur, wenn es sich um Fleischfondue handelt. Ich habe Käsefondue einmal gekostet, aber es war nicht nach meinem Geschmack. Vor allem der penetrante Geruch nach Käse verdarb mir den Appetit. Alles Geschmacksache eben. 🙂
April 2nd, 2012 at 11:22
Warum trinkt man in der Schweiz den Weisswein zumeist aus kleinen Gläsern? Diese Sitte haben wir den Westschweizer Weinbauern (Winzern) abgeschaut, die ihren Weisswein noch während der Reifung in gewissen Abständen degustieren (verkosten). Es macht natürlich mehr Spass, wenn man diese Proben in Gesellschaft anderer, z. B. mit Bekannten, Kunden und anderen Gästen vornehmen kann. Daraus hat sich so etwas wie eine Tradition entwickelt. Ort der Handlung ist selbstverständlich der Weinkeller, zuweilen ein an gleicher Stelle befindliches, rustikal eingerichtetes Kabinett, das die Einheimischen Carnotzet nennen.
Ein Italiener mit guten kulinarischen Kenntnissen hat mir einmal gesagt, der Weisswein müsste, ähnlich wie der Rote auch, aus grösseren, etwas bauchigeren Gläsern getrunken werden, da sonst der Duft nicht ausreichend wahrgenommen werden könne. Anscheinend tut man das in Italien auch. Das Argument hat mir eingeleuchtet, aber was will man gegen lieb gewonnene Traditionen ausrichten?
Die entscheidende Aktion zur Förderung des Fondue-Verzehrs fand schon in den Fünfzigerjahren statt, als der Schweizerische Milchproduzenten-Verband (oder so ähnlich) der Armee ganze Fondue-Ausrüstungen, samt den dazu verwendeten Caquelons (Keramiktöpfe) und Gabeln zur Verfügung stellte. Zuvor war Fondue erst in gewissen Westschweizer Gegenden und dem angrenzenden Ausland bekannt. Auf diese Weise kamen ganze Kompanien in den Genuss dieser Speise, und die Wehrmänner sorgten anschliessend dafür, dass sie mit der Zeit von Zivilisten in der ganzen Schweiz mit Genuss gegessen wurde.
Seit kurzem gibt es übrigens einen Slogan, der, analog zu FIGUGEGL, für Raclette wirbt, nämlich RIGUGEGL. Persönlich finde ich diesen noch doofer als FIGUGEGL, aber über darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein:
http://www.raclette-suisse.ch/uploads/tx_netvvideoplayer/rigugegl_spot_1_de.mpg
P. S. Warum sagt man in Köln eigentlich „Dat Wasser von Kölle is joot“ und nicht „Dat Water von Kölle is joot?
April 3rd, 2012 at 15:09
FIGUGEGL kann auch heissen: (Baseldeutsch)
Frisch Im Gligg Und Gli E Glaine.
Frisch im Glück und bald Nachwuchs.
Stand auf einem Transparent bei unserer Hochzeit. Mein Frau war damals schon schwanger.
Ach ja Fondue: 2/3 Vacherin, 1/3 Greyerzer, Knoblauch, Pfeffer und Paprika. Und halt definitiv nur Fendant. aber nicht zum trinken. Da sollte man etwas besseres nehmen. Wadtländer! Dann ist es zum aushalten.
April 3rd, 2012 at 20:52
@Brenno
In vereinfachter Darstellung kann man die Sprache im Raume um Köln zu die westgemanisch-mittelfränkischen Sprache zählen.
Der entscheidende Punkt ist dieser: Köln ist (war) auf der südlichen Seite der sog. Benrather Linie, welche die 2. Lautverschiebung als deren Grenzlinie darstellte.
Wenn man etwas schablonenhaft die Entwicklung von „Wasser“ untersucht, stellt man fest, dass die altgerm. Bezeichnung „waeter“ sich zum althochdt. „wazzae“ und heutig „Wasser“ entwickelt hat. Also zu der oberdeutschen oder sog. hoch- bzw. standart-deutschen Sprache.
Nördlich dieser Linie bleibt (blieb) es dialektal weiterhin „wetir, water“ und heutig „Water“, da hier die sog. 2. Lautverschiebung nicht / kaum wirkte.
Die weiterentwickelte heutige hochdeutsche Sprache ist gewissermaßen eine Überlagerung auf die niederdeutschen Dialekte. Vergleichbare Entwicklungen auch bei „toll“ zu „Zoll“, „tide“ zu „Zeit“ uam.
Bitte diese Schreibe aber nicht auf die verbale Goldwaage legen.
April 10th, 2012 at 13:41
@AnFra
Danke für die Erklärung. Solche Überlagerungen sind eigentlich nicht verwunderlich; es gibt sie auch in den Schweizerdeutschen Mundarten, die einer permanenten Beeinflussung durch das Neuhochdeutsche bzw. Standarddeutsche ausgesetzt sind. Ältere Beispiele sind die Varianten euch/ǖch, eus/ǖs (uns) oder etwas aktueller, speichere/spịchere, streichle/strịịchle usw.
Ich erinnere mich an eine Komödie mit Willy Millowitsch am Fernsehen, in welcher er seinem Gesprächspartner einen Satz an den Kopf warf, in dem der Ausdruck „de misten“ (oder so ähnlich) vorkam. Der Partner kapierte nicht sogleich, bis er schliesslich ausrief: Aha, du meinst, die meisten!“