Ein Trockengedeck ist kein Trockenfisch im Trockendock — Neue Schweizer Lieblingswörter
(reload vom 04.07.07)
Wir erhielten Post von einem Deutschen:
Sehr geehrter Herr Wiese,
mit großem Vergnügen las ich in Ihrem Blog. Wahrscheinlich fehlt noch ein Wort (denn alle Beiträge habe ich natürlich nicht gelesen), das mir letztes Jahr begegnet ist: das „Trockengedeck„. Als ich vom Kanton Thurgau die Einladung zu einem Mittagessen erhielt, musste ich als Deutscher rätseln, was das wohl bedeutete. Das Wort hört sich nicht gerade nach genussvollem Essen an.
Warum nicht? Trockenfisch schmeckt doch auch lecker. Er wird auch „Stockfisch“ genannt, weil die Trocknung auf Stockgestellen erfolgt (vgl. Wikipedia)
Das „Trockendock“ kennen die Hamburger recht gut. Es dient dazu, Schiffe trocken zu legen um sie zu reparieren. Eine Technik, die schon aus der Antike bekannt, wie man bei Wikipedia nachlesen kann. Aber ein „Trockengedeck“? Man bekommt ja schon einen trockenen Mund, wenn man das Wort nur liest. Die Elektropost berichtet weiter:
Nun, es war so, dass wir zum Essen eingeladen waren und das Trockengedeck spendiert bekamen. Der Kanton Thurgau lud zum Essen ein, die Getränke sollte man selbst bezahlen. Zwischen der Einladung und dem Mittagessen kamen jedoch die neuesten Bilanzen herein, so dass sich die Verantwortlichen des Kantons großzügig zeigten und auch noch die Getränke bezahlten.
Und wirklich, das praktische und knochentrockene Wort lässt sich nur in der Schweiz nachweisen, weder unser Duden, noch Der Wortschatz der Uni-Leipzig oder Grimms Wörterbuch wissen etwas darüber. Hier die Fundstellen von Google-CH.
Besonders lecker fein als „Trockengedeck“ stellen wir uns die berühmte „Steinsuppe“ vor. Die Geschichte dazu geht so:
Es war einmal vor langer Zeit, als die Menschen noch an Märchen glaubten, da klopfte ein Landstreicher an die Tür des Seeblick in Filzbach und bat um ein wenig heisses Wasser. Das wurde im gewährt. Der Landstreicher setzte seine Gamelle mit dem Wasser auf’s Feuer, zog einen Kieselstein aus der Tasche und tat ihn dazu. Dann rührte er das heisser werdende Wasser mehrmals um, schmeckte ab, leckte sich geniesserisch die Lippen. Auf die Frage, was er da mache, antwortete er: Ich koche mir eine Steinsuppe. Ob sie gut schmecke ? Vorzüglich. Aber ehrlich – etwas Salz könnte ihr nicht schaden; sagte der Landstreicher. Das Salz wurde ihm ebenfalls bewilligt.
Wie die Suppe jetzt schmecke ? Immer besser. Allerdings mit etwas Zwiebeln, Knoblauch und einer Handvoll Griess wäre sie ein Genuss. Auch diese Zutaten wurden ihm gereicht. Mit der Zeit erbat sich der Besucher weitere Zutaten, wie einen Fisch vom Walensee, Kräuter vom Garten, am Ende gar noch weissen Wein und geriebenen Käse. Die Suppe schmeckte wirklich herrlich. Als alle von dieser vorzüglichen Steinsuppe gegessen hatten, wusch der Landstreicher den Stein sorgfältig ab und steckte ihn in die Tasche. Aber der Wirt vom Seeblick liess nicht locker und gab solange keine Ruhe, bis der Suppenkoch ihm den Stein für teures Geld verkaufte.
(Quelle: www.seeblick-filzbach.ch)
Die in der Geschichte erwähnte „Gamelle“ ist übrigens auch ein Schweizer Spezialwort, welches Deutsche nicht kennen dürften. Es findet sich wie vieles aus der Schweiz im Duden erklärt:
Gamẹlle die; -, -n aus gleichbed. fr. gamelle, dies über it. gamella „Essnapf“ aus lat. camella „Schale“:
(schweiz.) Koch- u. Essgeschirr der Soldaten
(Quelle: duden.de)
Eine „Kamelle“ ist hingegen etwas Süsses, nämlich ein Karamelbonbon, dass im rheinischen Karneval zur Gaudi der Zuschauer von den Umzugswagen ins Publikum geworfen wird.
November 28th, 2011 at 11:00
Ja…mein Gott – was ist denn jetzt das verdammte „Trocken-Gedeck“?
Lasst uns doch NICHT „dumm sterben“!
November 29th, 2011 at 16:31
Ja mal wieder was heimisches, nachdem ich fast täglich viel flüssige Nahrung in Form von Früchte-Shakes und Kokosnüssen zu mir nehme.
Guten Appetit wünsche içh allen Lesern!
Manfred Kuhn aus Thailand
November 30th, 2011 at 6:56
Klingt nach Essen in jedweder Form. Aber eben nur das Essen.
November 30th, 2011 at 8:41
Lieber Yogi Bär
Das“ Trockengedeck“ heisst so, weil der Gastgeber nur den Fodd bezahlt. Fürs saufen müssen die Gäste selbst aufkommen.
Ziemlich mickrig und unüblich. Nicht nur der Begriff sondern auch das Verfahren.
Thurgau halt.
November 30th, 2011 at 14:51
„Trockengedeck“ – „Trockengesteck“ ?
Hilft das hier weiter:
http://www.google.de/#sclient=psy-ab&hl=de&source=hp&q=%E2%80%9CTrockengedeck%E2%80%9C&pbx=1&oq=%E2%80%9CTrockengedeck%E2%80%9C&aq=f&aqi=&aql=&gs_sm=s&gs_upl=0l0l2l54005l0l0l0l0l0l0l0l0ll0l0&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.,cf.osb&fp=bde2fc9778231094&biw=1024&bih=577
Dezember 1st, 2011 at 13:14
Hoi Bruno…sänkfussveryquatsch! Ich hab zwar 17 Jahre im TESSIN gelebt…aber soooo ein trockenes Wort bzw. GEDECK ist mir noch nie untergekommen. Ich glaube, da kannste bei den TICINESI auch keinen HIT mit landen….TROCKEN?? NO SIGNORE!!!
Dezember 1st, 2011 at 19:30
Trockengedeck? – noch nie gehört. Anscheinend etwas Neues. Ich frage mich, warum mich dieses Wort irritiert. Wenn es wirklich neueren Datums ist, und sachlich gesehen scheint mir dies so zu sein, dann kommt der Ausdruck ungewöhnlich seriös und bieder daher. Jedenfalls wenn ich ihn mit anderen Einfällen vergleiche, mit denen unsere trendbeflissenen Junggastronomen sich zu profilieren versuchen. Es reicht anscheinend schon lange nicht mehr, bloss Beizer zu sein. Wer heutzutage ein Lokal betreibt, muss nebenbei z. B. auch als Trendsetter, Eventmanager, Gallerist, Kulturvermittler oder wenigstens als Tellerrandverzierer in Erscheinung treten. Ganz zu schweigen von der immer grösseren Auswahl an fremdländischen Gerichten. Oder ist der Ausdruck am Ende gar nicht so neu (?).
Vielleicht fasst einer unserer Wirte dies als Herausforderung auf und bringt uns gelegentlich das gleiche auf Englisch…
Dezember 5th, 2011 at 16:44
@Brenno
Als „Trockengedeck“ bzw. „trockenes Gedeck“ hier die schnelle Schreibe:
– Beim J.G. Krünitz (Oekonomische Encyclopädie), Drucklage von 1773-1858 kann keine vergleichbare Bezeichnung gefunden werden.
– Beim J.Ch. Adelung (Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart), Drucklage von 1793-1801 ist dieser Begriff nicht zu finden.
– Im Grimms DWB (Deutsches Wörter Buch), Drucklage von 1853 lässt sich keine derartige Benennung finden.
– Auch in mehreren Gastronomie- und Kochbüchern des deutschen Kreises aus der Zeit 1871 – 1914 kann kein solches Stichwort gefunden werden.
Drum ist es sicherlich ein Begriff, welches nicht viel älter als 100 Jahre sein dürfte und sicherlich im schwäbischen Umfeld entwickelt wurde! Da die Thurgauer die schweizerischen Schwaben h.c. sind, ist wohl dieser Begriff dort auch sehr oft und gerne aus dem einladenden Munde zu hören!!
Fazit:
Traue keiner Einladung, bis Du die trockenen oder feuchten Details kennst!!!
http://de.wikipedia.org/wiki/Trockenes_Gedeck
http://www.gekonntgekocht.de/kochlexikon/1754/trockenes_gedeck/
Nachtrag:
Beim August Macke kann man bei seiner Postkarte vom 15.06.1911 folgendes lesen:
„Lieber Marc Franzl und Frau!
Samstag ist im Sonderbund (Parkhotel 7 Uhr) Souper (trockenes Gedeck 5 M.)………..“
Der Standort des Parkhotels (Sonderbund) ist in Düsseldorf / Dt. Reich zu verorten. Also muss dieser Begriff vor dem 1. WK im damaligen deutschen Sprachgebrauch schon geläufig gewesen sein.
M.E. ist sicherlich die Quelle dieses Begriffes eher in der Hotellerie und nicht in der reinen Speisegastronomie zu suchen.
Ein Souper (trockenes Gedeck) für die damaligen 5,00 Kurantmark ist ein stolzer Preis.
Dezember 5th, 2011 at 17:52
@ Yogi
Bei den Ticinesi will ich nicht landen. Dort bin ich.Manchmal.
Zudem den kommen immer noch die Trännen wenn sie mein Risotto essen dürfen. Kann auch von den Zwiebeln sein.
Wo der Wiese das Trockengedeck her hat? Keine Ahnung. Tönt irgenwie germanisch.
Dezember 7th, 2011 at 0:49
@AnFra
Das war wieder einmal eine philologische Tiefenbohrung. Wir können nun mindestens davon ausgehen, dass der Begriff neueren Datums ist.
Dass die Thurgauer die Schweizer Schwaben sein sollen, habe ich noch nie gehört, habe mir aber schon Gedanken darüber gemacht, dass in der Nordostecke der Schweiz sowie im angrenzenden Bodenseeraum und im Vorarlbergischen ein mehr oder weniger einheitlicher (alemannischer) Dialekt gesprochen wird oder vielmehr gesprochen wurde. Möglicherweise war die Grundlage dafür das Bistum Konstanz, welches nebst dem Herzogtum Schwaben die Grundlage für eine grenzüberschreitende sprachliche Einheit gewesen sein könnte.
Januar 31st, 2012 at 1:08
Hmm, die Thurgauer als die Schwaben der Schweiz 😉
Würde in diesem Fall drolligerweise nicht nur sprachlich passen, sondern auch charakterlich: denn den baden-württembergischen Schwaben (Bemerkung: es gibt auch „Schwaben“ in Bayern, nämlich in Augsburg) wird ja immer nachgesagt, sie seien sparsam bis geizig. („kniggerisch“ würde man in Hessen sagen)
„Trockengedecke“ bei den ba-wü Schwaben gibt es zwar keine, könnte man sich aber auch durchaus vorstellen.:-)