Was ist ein Hiat? — Linguistik und Volksmusik ergänzen sich nicht
(reload vom 26.6.07)
Neulich entdeckten ich auf einem Plakat im Unterland die Ankündigung, dass demnächst die „bayrischen Hiatamadln“ in der Nähe auftreten werden.
(Quelle Foto: rema-cocerts.de)
Der Name dieser Gruppe liess mir keine Ruhe. Wie kommt denn die Linguistik nach Bayern? Denn was ein „Hiat“ oder „Hiatus“ ist, dass hatte ich im Studium gelernt. Das „t“ im Wort „Hiata“ ist z. B. einer.
Hiat bzw. Hiatus (lat.: Vokalzusammenstoß) meint in der Linguistik den Fall, dass in zwei aufeinanderfolgenden Silben der letzte Laut der ersten Silbe und der erste Laut der zweiten ein Vokal oder Diphthong sind. Solche Vokalfolgen sind oft unerwünscht und werden deshalb durch Einschieben von Konsonanten oder Lautgruppen verhindert (Hiatvermeidung). Mit diesem Prinzip lassen sich Fälle wie -n- in „amerika-n-isch“, „-es-“ in „chin-es-isch“, „-les-“ in „kongo-les-isch“, „-t-“ in „Tokio-t-er“ etc. erklären.
(Quelle: Wikipedia)
Da ich nicht davon ausging, dass sich die bayrischen Mädel dieser Gruppe in einem Linguistischen Proseminar zum Thema „Vokalzusammenstoss“ kennenlernte, musste es mit dem Name eine andere Bewandtnis haben.
Unser Duden half weiter, denn es gibt noch andere Bedeutungen von „Hiat“:
Hiat, der; -s, -e, Hiatus, der; -, – […tu:s; lat. hiatus, eigtl. = Kluft]:
1. (Med.) Öffnung, Spalt im Muskel od. im Knochen.
Kluften, Spalten und Öffnungen, die gibt es im Gebirge in grosser Anzahl. Sind es also die „Schluchtenmädchen“, die sich da als Hiatamadln anbieten? Laut Duden hinterlässt ein Hiat keine Ablagerungen und keine Funde:
3. (Geol.) Zeitraum, in dem in einem bestimmten Gebiet im Unterschied zu einem benachbarten keine Ablagerung stattfindet.
4. (Prähist.) Zeitraum ohne Funde (der auf eine Unterbrechung der Besiedlung eines bestimmten Gebietes schließen lässt).
(Quelle: duden.de)
Doch wir waren weit entfernt von der Lösung des Rätsels. Schluchten und Klüften entfernt von der einfachen wie schlüssigen Erklärung, die uns Wikipedia liefern konnte:
Hiatamadl = Ein Volkstanz
Der Name leitet sich von dem bekannten Tanzlied ab: „Koa Hiatamadl mog i net, hot koane dickn Wadln net, …“ (Ich mag kein Hirtenmädchen, denn es hat keine dicken Waden, …)
(Quelle: Wikipedia)
Jetzt schweigen wir betroffen und sinnieren angestrengt darüber nach, warum der Dichter dieser bedeutenden Liedzeilen Mädel mit dicken Waden bevorzugt. Weil die nicht so rasch weglaufen können, wenn man sich ihnen nähert?
Was lernen wir aus der Geschichte? Obwohl wir aus einer Gegend stammen, in der die „Wuast“ auf der „Buaach“ gegessen wird und die „Kiaache“ im „Doaf“ steht, erkannten wir nicht den Hirten im „Hiata„. So blind macht nur Sprachwissenschaft.
Oktober 14th, 2011 at 22:17
Ich bin zwar nicht in den Bergen aufgewachsen, aber irgendwie erinnern mich die Hiatamadln bzw. die Hiatabuam an den hiesigen Hüeterbueb. ia wäre demnach die entrundete Variante von üə, also ein Diphthong.
Wenn die Frage nicht schon längst geklärt worden wäre (siehe Kommentar von AnFra zur Erstveröffentlichung), müssten jetzt ganz schnell echt bayrische Sprachforscher her.
Hier noch ein Hinweis in diese Richtung (4. Absatz des Eintrags vom 30. Juni 2011):
http://almblog.at/2011/06/30/erweiterung-des-almteams-auf-der-gerstreitalm/
Oktober 16th, 2011 at 20:26
@Brenno
Da wir jetzt alleine auf weiter Flur sind, kann man es deftiger treiben.
Drum hier die Fortsetzung vom 26.06.2007.
Älplers Albtraum
Was dem Älpler oft begehrt,
wird ihm selten auch beschert.
Es sind dies die drallen Wadln,
welche haben fesche Hiatemadln.
Träumend sucht er seine Haitschi,
real hat er nur eine Sennentuntschi.
Wälzt sich in dem feuchten Bette,
nicht nur alleine, da gilt die Wette.
Auf der Alm, da gibt’s kei Sind,
wer dies glaubt, der ist ein Kind.
Oktober 17th, 2011 at 10:11
Recht so.