Warum die Appenzeller einen Löffel an den Löffeln tragen — Neues aus der Ostschweiz
(relaod vom 21.05.07)
Im Mai 2007 wurde von der SBB für Tagesausflüge in die Ostschweiz geworben, bezeichnet als das „Morgenland“ der Eidgenossenschaft, bevölkert von Menschen mit schwarzen Hüten und kleinen Löffeln an den Ohren, die bei Sonnenaufgang ihre Hunde Kühe an der Leine auf den Berg führen, oder so ähnlich. Die Kampagne hiess: „Entdecken Sie das Morgenland„.
(Quelle Foto: sbb.ch)
Betrachtet man Appenzeller Männer genauer, fällt einem sofort ein merkwürdiges Teil am rechten Ohr auf:
(Quelle Foto: appenzell.ch)
Was die Appenzeller Männer da am rechten Ohr tragen, nennt sich „Ohrschuefe“:
(Quelle Foto: appenzeller-schmuck.ch)
Der Preis dieser Schmuckstücke (vergoldet, aber aus Silber) wird nur auf Anfrage bekanntgegeben, er ist offensichtlich genauso Geheimsache wie das Rezept der Kräutersulz für den Appenzeller Käse, das auch Heiner Lauterbach Uwe Ochsenknecht nicht erfuhr:
Das Geheimnis der Kräutersulz ist für jeden aufmerksamen Beobachter offensichtlich. Man beachte einfach die Farbe und die Konsistenz der gezeigten Flüssigkeit.
Auch der Form der Flasche oben rechts im Bild kommt mir vom letzten Spitalaufenthalt im Januar noch sehr bekannt vor (à propos: Dem Bein geht es besser, Nagel ist noch drin, Laufen geht langsam, Schwimmen und Velofahren sogar schnell). Man nennt solche Weithalsflaschen in der Chemie auch „Erlmeierkolben“ oder „Birnenmann“. Urea Pura oder auch Kohlensäurediamid soll sehr würzend sein. Wer nun Harndrang verspürt, bei dem sind die Reflexe noch in Ordnung.
Dieser Film wurde von der Agentur Contexta AG aus Bern für die Appenzeller Käse GmbH in Appenzell produziert:
Appenzeller ist einer der profiliertesten Käse der Schweiz, hat aber wegen Konsumentenlust auf Abwechslung, sinkende Markentreue sowie Preisaktions- und Sortimentszunahme im Handel an Marktanteil verloren. Mit der Kampagne wurden der Aktualitätsgrad stark erhöht und die Kaufintervalle verkürzt. Daraus resultierte eine Absatzsteigerung um stolze 14%.
(Quelle: EFFIE.ch)
Der Film bekam den Werbepreis Swiss-EFFIE 2006.
Vielleicht hat ja doch jemand verraten, was in der Sulz ist, weswegen der Marktanteil dann rapide verloren ging?
So ganz ist uns die Funktion dieses Löffels noch nicht klar geworden. Kann man ihn vom Ohr abnehmen, um schnell mal ein Pröbchen der Kräutersulz zu verköstigen, ohne sich dabei die Finger zu benetzen? Oder wird er benötigt, um damit über einer Kerzenflamme diverse Substanzen aufzukochen, sozusagen als portables Spritzenbesteck?
Wir finden diese Erklärung
Die Ohrschuefe ist ein kleiner Schöpflöffel der geschilderten Art, meistens aus vergoldetem Silber, aufgehängt an einem S-Haken, der in eine Schlange übergeht, die sich in den Schwanz beisst. Die Schuefe wird nur am rechten Ohr getragen.
(Quelle: waldegg-teufen.ch)
Bevor wir nun darüber spekulieren, welche geheime Bedeutung die Schlange haben mag, wenden wir uns lieber dem Appenzeller Dialekt zu. Zwei Männer mit Löffel im Ohr geben uns davon ein hübsches Beispiel:
Sprachlich gesehen höchst interessant! Verstanden haben wir den Witz allerdings nicht so ganz. Oder war da gar keiner?
Mai 18th, 2011 at 16:18
Gemäss Auskunft des Hackbrettspielers Werner Knill symbolisiert der „Löffel“ eine Kelle um Rahm bzw. Sahne abzuschöpfen. Deswegen am rechten Ohr weil das Rahmabschöpfen normalerweise mit der rechten Hand geschieht. Auch Linkshänder tragen die Kelle am rechten Ohr, ist nicht logisch aber Tradition.
Mai 24th, 2011 at 8:55
Jetzt weiss ich warum es heisst: „Einen hinter die Löffel bekommen“.
Alles wegen den Apenzellern, goppel!
Mai 29th, 2011 at 5:01
Die Schlange (manchmal Drache), die sich in den Schwanz beisst, nennt sich Οὐροβόρος/Ouroboros, Uroboros (gr. „Schwanzverschlinger“, „Schwanzverzehrer“, „Schwanzfresser“). Sie ist ein uraltes mystisches Symbol, das schon bei den alten Ägyptern, z.B. aus der „Chrysopoeia der Kleopatra“ bekannt war, der den Kreislauf des Lebens und diverse andere ewige Zyklen von Entstehen und Vergehen (manchmal auch Selbstreferenzialität oder der Kreislauf der Wiedergeburt oder die aus sich selbst erzeugende Ewigkeit, ein Aspekt des Göttlichen) symbolisiert. Es wird auch vielfach oft in Zusammenhang gebracht mit Gnostizismus und Hermetizismus, alten tradierten Geheimlehren, deren Ursprung in den Mysterienschulen des alten Ägyptens zu suchen sind.
Was auch vielen Schweizern bekannt ist, ist dass es kaum irgendwo sonst in der Schweiz so viele Handaufleger, Heiler, Hellseher und Kräuterkundige gibt, die ihren Beruf offen ausleben dürfen, ohne Angst vor staatlicher oder kirchlicher Verfolgung zu haben.
Hier spiegelt sich der Zugang zu Alchemie, zum Mystizismus oder den alten hermetischen Traditionen und Wissen wie kaum in einem anderen sagenumwobenen Gebiet der Schweiz.
Mai 31st, 2011 at 13:40
Brunoegg:
Jetzt, da du es sagst, fällt es mir wie Schuppen von den Ohren, goppel! … Oder besser „hoppel“! Als internationalisierter Naivling glaubte ich bisher immer, „eines an die Löffel zu kriegen“ hätte etwas mit der gesamtdeutschen Jägersprache zu tun, in der die Hasenohren „Löffel“ heissen. Da hätte ich mich bei der Frage „Wer hat‘s erfunden?“ wohl gehörig getäuscht!
Mai 3rd, 2012 at 13:25
Super Eintrag über die Appenzeller und ihren Käse. Die Appenzeller sind irgendwie schon ein spezielles Volk mit ihren Traditionen. Der Appenzeller Käse ist mein Liebglingskäse. Ich liebe ihn wegen seiner einzigartigen und geheimen Kräutersulz (die niemand herausfindet) und weil es den Käse verschieden würzig gibt. Der Appenzeller gibt es in verschiedenen Varianten und überrascht mich immer wieder aufs Neue. Wenn ihr mehr über den Appenzeller Käse wissen wollt, dann schaut doch unter meinem Link nach.