Gemeinsames Duschen spart Wasser und fördert die Verständigung — Neue Deutsch-Schweizer Missverständnisse
(reload vom 5.2.07)
Wer frisch aus Deutschland in die Schweiz gezogen ist, erlebt mitunter eine Reihe von missverständlichen Situationen. Dass nicht alle Schweizer ständig zur Post eilen, wenn sie „go poschte“ wollen, haben uns etliche erstaunte Deutsche erzählt. Und beim „Ledele“ wird auch nicht die Lederkluft für den nächsten Besuch im Sadomaso-Swingerclub zusammengekauft, sondern Läden systematisch unsicher gemacht („go lädele“ 1‘530 Fundstellen bei Google-CH)
(Quelle Foto: valblu.at)
Aber nicht immer sind die Missverständnisse so harmlos und so leicht aus der Welt zu schaffen wie beim „poschte“ und „lädele“. So schrieb uns ein Deutscher:
Einmal erhielt ich ein Angebot, was mir wirklich schwer fiel, abzulehnen. Ich erzählte einer Kollegin (also einer guten Bekannten – nicht etwa einer Arbeitskollegin) von meinen komfortablen Arbeitszeitenregelungen und Freiheitsgraden als Assistent an unserem Lehrstuhl. Sie war sichtlich beeindruckt und sagte „Mit Dir wett i au gärn emal duusche„. Ich war ob des sehr spontanen Wechsels der Thematik und des recht unverfrorenen und überraschend direkten Angebots recht verdutzt. Wohl ahnend, dass ich möglicherweise etwas falsch verstanden haben könnte, merkte ich an, dass meine Dusche leider sehr klein sei und kaum zwei Personen darin Platz finden würden. Das sich anschließende Schweigen dauerte sicherlich 15 Sekunden, bevor sich endlich ein Lächeln auf dem Gesicht meines Gegenübers abzeichnete und ich einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter erhielt.
(Quelle: private E-Mail)
Was war passiert? Wie konnte es zu dieser peinlichen Situation kommen? War die freundliche Arbeitskollegin wirklich nicht auf gemeinsames Wassersparen aus? Nein, der Grund des Missverständnisse versteckt sich in den stimmhaften und stimmlosen Konsonanten „d“ und „t“. Eine Reihe von Varianten im alemannischen Sprach setzen ein stimmhaftes „d“ dort ein, wo im Standarddeutschen ein stimmloses „t“ üblich ist. Unser Spezialist für Schweizerdeutsch erklärte es so:
Wenn also die einheimische Krankenschwester (oder wie das auch heute heissen mag) ihren deutschen Kollegen Krankenpfleger anfragt, „chan i am Sunndi mit dir dusche?“ wird er sich vermutlich vergebens freuen, falls er überhaupt an solchen Avancen interessiert wäre. Wenn er ja sagt, heisst das dann nur, dass sie ganz glücklich aufs Personalbüro geht, die Monatseinteilung holt, und auf diesem Dienstplan den „Früehdienst“ mit dem „Spohtdienst“ abTAUSCHT.
„Duschen“ und „tauschen“ verschmelzen also in der Schweiz leicht zu einem Lautbild, und das kann ganz schön Irritationen auslösen. Wir fragen uns dann spontan, wie man dann eigentlich in der Schweiz die „Duschen tauschen“ kann, ohne das daraus eine „geduschte Dusche“ wird.
Das Vertauschen von stimmlosen und stimmhaften Lauten ist typisches Kennzeichen im Alemannischen. Die Radio-Comix-Serie „Lafer kocht fast ein Gericht“ auf dem südbadischen Sender SWR3 basiert nur auf diesem Gag:
Aus „Torte“ wird dort „Dorde“ und aus eine „Dennisdraumhochzeid“ ist eine „Tennis-Traumhochzeit“. Der echte Star-Koch Johann Lafer stammt aus Graz in Österreich ist regelmässiger Gast in der Kochsendung von Johannes B. Kerner. Graz liegt in der Steiermark und gehört definitiv nicht mehr zum alemannischen Sprachraum. Aber vielleicht lebt Herr Lafer einfach schon zu lange in der Pfalz, in Guldental.
Der Alemannische Sprachraum
(Quelle Foto: Wikipedia)
Mai 31st, 2010 at 9:46
Im Saarland ist das auch ein bekanntes Phänomen. So gibts dort Brokramme,
auch Düppen (Töpfe), man kann ein Plog schreiben, und eine Bekannte, die im Sauerland als Lehrerin arbeitet, wurde in der dortigen Schülerzeitung schonmal „die Frau mit den plauen Plütenplättern“ genannt.
Das Vertauschen von stimmlosen und stimmhaften Konsonanten ist also eindeutig nicht auf den alemannischen Sprachraum begrenzt.
Mai 31st, 2010 at 10:20
richtig ist: bei „tu(u)sche“ und „dusche“ wird das „d“ bzw. „t“ weich ausgesprochen. Wie kann der gewiefte Alemanne aber trotzdem wissen, was gemeint ist?
Das entscheidende Detail ist der Buchstabe „u“. Dieser wird bei „tu(u)sche“ gedehnt ausgesprochen, bei „dusche“ aber fast staccato. Für den Alemannen ist dieser Unterschied immer klar erkennbar, für Auswärtige offenbar nicht.
Ein ähnlicher Unterschied ist mir aus dem Englischen bekannt: polish (Polierpaste) und Polish (Polnisch). Auch diese zwei Wörter unterscheiden sich nur im o, aber für den native speaker ist das immer unzweifelhaft unterscheidbar.
Juni 2nd, 2010 at 10:11
tuusche und dusche isch nid z gliche, muesch di haut meh astränge und uf d nuance lose…
im dütsche säget dr ämu ou so züg wi „das is es“ und meint nicht „das; iss es!“…
Juni 6th, 2011 at 16:14
In fränkischen Grundschulen gibt’s eine Stunde, in der die Kinder lernen, wo der unterschied zwischen dem weichen D und dem harten D liegt 🙂
Wobei das vermutlich nicht zu solchen Verwechslungen führt, wie die Sache mit der Schweiz. MIr fällt zumindest im Moment nicht’s ein.
LG, Franzi