Gib Gutzi — Wie Werbung für Jung und Alt in der Schweiz funktioniert
(reload vom 5.1.2007)
Mit dem Jahreswechsel 2006-2007 ging in der Schweiz die traditionelle Telefonauskunft 111 in Rente. Eine Reihe von Anbietern wetteifern seither am Schweizer Markt um die Gunst der Kunden. Genauso eifrig wie nervig wurden die Schweizer von einem Anbieter mit Werbung bombardiert, der für Sunrise die Auskunft unter der Nummer 1818 betreibt. Von zahlreichen Plakaten lächelten zwei smarte junge Skifahrer im Look der Siebziger und priesen die neue Nummer an.
(Quelle Foto: skisstour.ch)
Wir fanden dazu Hintergrundinformationen im Schweizer reklame-blog:
Das amerikanische Unternehmen Infonxx führt darum ihre neue Auskunftsnummer 1818 ein. Infonxx bietet in verschiedenen Ländern solche Dienste an. Die Kampagne wird jeweils auf das Land adaptiert.
Seit ein paar Wochen lernen uns zwei schräge Skihelden die neue Nummer: 1818, Doppel-18, 18 – 18, 2×18. Die Spots sind umwerfend. Wie im neuen Swiss-Clip ist hier der Soundtrack die halbe Miete. Dass die wilden Kerle in ähnlichen Skianzügen stecken wie die von Swisscom gesponserten offiziellen Swissski-Fahrer ist sicher kein Zufall.
(Quelle: reklame.moblog.ch)
Der Soundtrack ist eine Coverversion des Mega-Diskohits „Daddy Cool“ von Frank Farian alias „Boney M“ aus dem Jahr 1976. Nichts ist Zufall in diesem Clip, alles ist geplant. Dahinter steckt eine clevere Idee, die junge wie alte Kunden in der Schweiz gleichermassen ansprechen soll.
Auf den Plakaten tragen die beiden bärtigen jungen Männer gleichfarbige Skianzüge mit der Nummer 18 und geben „Guzzi“, auch manchmal „Gutzi“ geschrieben. Das sind jetzt keine „Guetslis“ Spender, denn diese beliebten Schweizer Kekse schreiben sich mit dem Diphthong „ue“. Werden wir bestimmt nie wieder falsch machen. Im Schwäbischen wären es „Guetsles“, also besonders feine und selbstgebackene Kekse. Hier in der Schweiz denkt man bei „gib guzzi“ eher an eine „Moto Guzzi“ und an den Gummiabrieb der entsteht, wenn bei angezogener Vorderbremse kräftig Gas für den Hinterradantrieb gegeben wird. „Gib guzzi“ findet sich 365 Mal bei Google-CH.
Wir fragten Passanten und Kollegen, was diese jungen Herren zu bedeuten haben, ob diese smarten Typen vielleicht auf irgend ein historisches Schweizer Ereignis anspielen wollten, das uns entgangen war, weil wir da noch nicht im Lande lebten. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die jungen Schweizer finden die Werbung cool und lustig gemacht, vor allem die Filmchen, die es bereits bei YouTube oder hier zu sehen gibt. Mehr aber auch nicht. Keine Information über den Sinn dieser Aufmachung.
(Quelle: sunrise.ch)
Diese Werbekampagne richtet sich an eine ganz spezielle Zielgruppe. Wer braucht eine kostenpflichtige und nicht gerade billige Telefonauskunft (1.60 CHF nur schon für den Verbindungsaufbau), wenn es das Gleiche für umsonst im Internet bei tel.search oder auf den Weissen Seiten gibt? Richtig geraten: Die Generation ab 60, die prozentual nicht so häufig online unterwegs ist wie die unter 30jährigen. Und aus welcher Zeit stammen die Frisuren dieser beiden Herren? Aus den 70ern, als die heute Sechzigjährigen selbst um die 30 waren. Sie erinnern sich damit noch sehr gut an die Schweizer Skifahrerlegende Roland Collombin, der als Vorbild für die beiden Männer im Werbespot dient:
Der Unterwalliser Roland Collombin aus Versegères ist ein ehemaliger Schweizer Skirennläufer, der zu Beginn der 1970er Jahre zur Weltspitze in der Abfahrt zählte. Seine grössten Erfolge sind der zweite Platz bei den Olympischen Winterspielen 1972 in Sapporo sowie der Gewinn des Abfahrtweltcups in den Jahren 1973 und 1974. Ausserdem wurde er 1973 Dritter in der Gesamtwertung. Insgesamt gewann der acht Weltcuprennen; dazu kommen drei zweite Plätze. Im Jahre 1975 stürzte Collombin in Val d’Isère so schwer, dass er einige Tage gelähmt war und danach seine Karriere beenden musste.
(Quelle: matterhornvalley.ch )
(Quelle Foto: matterhornvalley.ch )
Fällt ihnen auf dem Foto etwas auf? Der Mann fuhr mit der Nummer 11! Und jetzt ist nicht mehr die 11 aus der 111 gefragt für die Auskunft sondern die 18 aus der 1818.
(Quelle Foto: tsr.ch)
In einem Interview erzählt über sein erstes Rennen:
Was war Ihr erstes Rennen in der Nationalmannschaft? Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Die Junioren-Europameisterschaft in Madonna di Campiglio mit 18 Jahren. Ich war Erster vor Gustavo Thöni und Grissmann. Damals wurde ich für das darauffolgende Jahr, für meinen ersten internationalen Lauf in Val d’Isère, ausgewählt. Ich erinnere mich daran, dass ich in Val d’Isère einen Rückstand von sechs oder sieben Sekunden hatte. Da verstand ich, dass ich trainieren musste.
(Quelle: skisstour.ch)
Mit 18 Jahren!!! Nein, Zufälle gibt es in der Werbung wirklich nicht. „Rückstand von sechs oder sieben“, das ergibt zusammen wieder 11!!! Das kann kein Zufall sein. Alles ist genau aufeinander abgestimmt. Die alten Schweizer freuen sich, die Skifahrerlegende Collombin wiederzusehen, die mit der 11 fuhr, jetzt im Doppelpack 18 + 18, die jungen haben Freude an dem „schrägen Outfit“ der beiden Sportskanonen.
(Quelle Foto: skinet)
Die Ähnlichkeit von Collombins Fahrstil und dem Fahrstil der beiden bärtigen Herren wird beim direkten Fotovergleich besonders deutlich.
Leider konnten wir kein Foto von Collombin mit Bart finden. Nur diese Aufnahme aus der Veranstaltungsreihe „Erlebte Schweiz“ von der „Vereinigung zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz“.
(Quelle Foto: MemoriaAV)
Ja, diese Vereinigung gibt es wirklich. Sogar in vier Sprachen:
Der Name dieser Vereinigung ist ein Mix aus Latein „Memoria“ und Englisch „AV“=Audio Visual, und nicht „Alters-Versorgung“, für das „AV“ sonst stets gedacht ist in der Schweiz. Latein und Englisch also, wie immer passend zur den vier Landessprache der Schweizer.
Uns kommt da noch so ein Verdacht: Die beiden Herren sind vielleicht gar keine Bartträger, keine echten Zwillinge und die Bärte sind nur angeklebt? Irgendwann werden sie sicher „inkognito“ erwischt und fotografiert. Ob sie dann dem Roland Collombin noch ähnlicher werden ohne Bart? Ach wie wenig wahrhaftig ist Werbung! Nicht einmal wenn es um eine Schweizer Ski-Legende geht. Wir bleiben dran.
März 12th, 2010 at 9:57
Wurden etwa alle Beiträge vom Züricher gelöscht?? Wir haben uns immer köstlich über seine geistreichen Episoden amüsiert!
De Uhl seggt, ehr Kinner wiren de besten, se hadden de grötsten Ogen, würde wohl meine Mutter sagen. Und wer was gegen die Eulen sacht…
Schade, war kein schlechtes blog, wird mir aber wohl jetzt zu langweilig. Züricher, wir vermissen Dich!
März 12th, 2010 at 14:08
Was? Nein, das kann doch nicht sein! Der Zürcher Suppenkaschperl war doch das Salz in der Suppe! Alles andere ist doch genaugenommen nur Beilage……RIP, Zürcherkaschperl
März 13th, 2010 at 12:06
Keine Träne wird ihm von meiner Seite nachgeweint.
Salz in der Suppe? Wohl eher der Misston in der Melodie.
Oder die Mario Barth CD zwischen Loriot und Ursus&Nadeschkin.
Oder die Onkelz CD zwischen Peter Fox & DJ Bobo.
Aber wen kümmert es noch?
Zum Thema:
Cool!
Witzige Werbung von Profis gemacht. Das ganze wird im Internet rumgeschickt und diskutiert – was will man mehr.
Saaaitenbacher Müüüsli, Leckaleckalecka -leckalecklecka – muss vom Nervfaktor erstmal getoppt werden. *g*
März 14th, 2010 at 16:29
Buh!
März 15th, 2010 at 7:30
Es gibt Werbung die wird zum sogenannten Selbstläufer. Das heisst sie verselbständigt sich, bekommt auch ausserhalb der realen Werbewelt Dynamik und Aufmerksamkeit. Ob sie gut ist wie das Ei legende Huhn bei der Migros oder nervig wie die zwei Typen ist dabei ziemlich schnurz.
Es ist das Beste was einem Werbefritzen und dessen Auftraggeber passieren kann.
März 18th, 2010 at 3:00
„da werden sie geholfen“ ist ja auch sehr viel intelligenter und viel weniger blöd.
Misstöne in der Melodie? : es ist ja wirklich sehr viel lästiger, an einer Diskussion teilzunehmen, wenn da Leute sind, die anderer Meinung sind. gell?
März 18th, 2010 at 10:26
«Latein und Englisch also, wie immer passend zur den vier Landessprachen der Schweizer»
Mit etwas gutem Willen kann «Audio Visual» auch als rätoromanisch bezeichnet werden, ebenso «Memoria». Man muss nur zwei, drei Orthografieregeln übersehen…
Viva la rumantschia!
http://www.pledarigrond.ch/