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Finnisch für Anfänger mit der NZZ

(reload vom 4.7.07)

  • Kein Hubschrauber sondern ein Helikopter
  • Aus der NZZ, dem ehrwürdigen Flaggschiff im Kampf zur Erhaltung der wahren helvetischen Sprache, haben wir viele interessante Schweizer Varianten gelernt in den letzten Jahren. Im Mutterhaus in der Falkenstrasse unweit vom Bellevue in Zürich wird streng darauf geachtet, dass kein „Hubschrauber“ die Redaktion verlässt, sondern nur ein „Helikopter“, dass niemand ins „Krankenhaus“ sondern ausschliesslich ins „Spital“ kommt, und dass die Bücher für den Leseabend nicht aus der „Bücherei“ sondern aus einer „Bibliothek“ ausgeliehen werden.

  • Gring aahii u secklä
  • In der Ausgabe vom 28.12.06 überraschte uns die NZZ nun in einer Glosse über Billigtickets der schweizerischen SWISS unter dem Titel „Ettikettenschwindel“ mit einem waschechten Finnisch-Kurs. Wir lasen:
    Gring aahii u secklä

    Lektion Nummer 1: Nicht immer ist drin, was draufsteht.
    Lektion Nummer 2: „Gring aahii u secklä“, denn der Flug wartet nicht. Immerhin warnt die Homepage von Blue1, dem finnischen Billigflieger, davor, zeitlich knapp am Flughafen zu sein.
    (Quelle NZZ 28.12.06, S. 9)

  • Finnisch hat viel Doppelvokale
  • Das muss Finnisch sein. Ist ja auch ein finnischer Billigflieger, der hat für Übersetzungen keine Zeit und erst recht kein Geld. Typisch und leicht erkennbar im Finnischen sind die gedoppelten Vokale wie in „aahii“ und die Konjunktion „u“.
    Finnisch erfreut sich in der Schweiz grosser Beliebtheit, wie die folgenden Beispiele beweisen. Nur mit der Schreibung scheinen sich die Schweizer Finnisch-Fans nicht immer ganz einig zu sein. Oder sind das etwas finnische Dialekte, die hier unterschiedlich verschriftet werden? Mal heisst es „abä“, mal „aahii“, mal „abe“ oder achä.

    Gring abe
    Gefunden haben wir dies via Internet in der „Jungfrau-Zeitung“, das Blatt für die unverheiratete Schweizer Frau.
    (Quelle:jungfrau-zeitung.ch)

    Oder hier:
    Gring achä
    (Quelle toscatours.ch)

    Schliesslich hier:
    Gring abä
    (Quelle complex-change.com)

    So weit, so gut. Nur leider ist das doch kein Finnisch, sondern ein geflügeltes Wort in der Schweiz, dass es sogar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hat:

    Gring ache u seckle
    Nach dem Gewinn der Bronzemedaille an der Weltmeisterschaft 1997 beantwortete Weyermann die Frage, was sie während des Endspurts des Laufs gedacht hatte, mit den berndeutschen Worten Gring ache u seckle, auf deutsch Kopf runter und rennen. Der Ausspruch entwickelte sich in der Schweiz schnell zum geflügeltem Wort, als Synonym für durchbeissen.
    (Quelle: Anita Weyermann auf Wikipedia)

  • Die Menschen in Greng hatten dicke Köpfe
  • Zum Wörtchen „Gring“ oder „Greng“ gibt es ebenfalls ein paar wilde Theorien, die die Herkunft erläutern sollen. Naheliegend scheint uns die Herkunft vom kleinen Namen des Ortes „Greng“, der im Kanton Fribourg, liegt:

    Die Entstehung des Wortes Gring kann nicht genau zurückverfolgt werden. Es lässt sich allerdings vermuten, dass diese Bezeichnung vor etwa 100 Jahren entstanden ist. Ausserdem könnten die Bewohner des freiburgischen Dorfes Greng (Schweiz) Greng genannt worden sein. Daraus könnte sich später im bernischen Dialekt das Wort Gring entwickelt haben.
    (Quelle: Wikipedia)

    Uns erinnert das Wort an „Grind“, zu dem Grimms Wörterbuch meint:

    GRIND, m.
    Sand, Schorf, Kopf; die Bedeutungen 1 u. 2 gehören zweifellos zusammen (…)

    Bei Grimm fanden wir auch ein mögliche Erklärung, wie das Dorf Greng (am Südufer des Murtener Sees gelegen) zu seinem Namen gekommen sein mag:

    GRINDEL, m.
    ein Pfahl, ein Baum von mittler Stärke
    Campe s. v. grendel; grendel paxillus
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Pfahlbauten am Seeufer waren in stürmischen Zeiten äusserst beliebt und halfen gegen nasse Füsse genauso wie gegen unerwünschte Besucher.

    Wikipedia erwähnt zwar die Pfahlbauten in Greng, führt aber den Namen auf „Grangia“ = Scheune zurück:

    An den Ufern des Murtensees wurden Spuren von Pfahlbauten aus dem Neolithikum gefunden. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte 1314 unter dem Namen Gruein; 1349 erschienen die Bezeichnungen Gruent und Grangiis (von lat. grangia (Scheune) abgeleitet).
    (Quelle: Wikipedia)

  • Daheim im Blätzlidechi-Land
  • Die Gegend südlich des Neuenburger Sees heisst zwar „Seeland„, ich würde es aber passender als als „Flickenteppich-Land“ bezeichnen. Die Schweizer würden „Blätzlidechi“ dazu sagen. In keiner anderen Gegend der Schweiz verlaufen die Kantonsgrenzen so chaotisch, gibt es soviele „Kantonsinseln“ wie hier. Die Schweizer sprechen von „Enklaven„:
    Fleckenteppich-Land
    Wenn man dort mit dem Velo, Bike oder Fahrrad unterwegs ist, überquert man praktisch alle paar hundert Meter eine Kantonsgrenze. Der Kanton Vaud, Fribourg, Neuchâtel und Bern hatten in der Vergangenheit sicherlich ziemliche Mühe, sich auf eine einheitliche Grenzziehung zu einigen. Wir stellen uns vor, was das für die Schulkinder dort bedeutet, die von Dorf zu Dorf andere Ferien haben. Wie das mit den Behördengängen abläuft oder Bewilligungen, wenn z. B. ein Hof auf einer Kantonsgrenze liegt. Erschwerend kommt hinzu, dass quer durch dieses Gebiet auch noch der Röstigraben mit der Sprachgrenze verläuft.

    

    5 Responses to “Finnisch für Anfänger mit der NZZ”

    1. Yolke Says:

      Als Kind wurde mir beigebracht, dass ‚secklä’ ein unschönes Wort ist. Das sagt man nicht. Wieso? Keine Ahnung, hab ich vergessen… Als Stadtbernerin sag ich ‚abä’. ‚Äbe’ wie die Weyermann: Gring abä und se… rennä!

      Aber gut zu wissen, dass ich unwissentlich Finnisch beherrsche. Könnte mir einmal nützlich sein. 😉

    2. tyrannosaurus Says:

      Zu „Greng“ siehe auch „Grengiols“, Gemeinde im Oberwalliser Bezirk Östlich Raron. Diese Ortsbezeichnung scheint auf lateinisch „granariolas“, was soviel wie „kleiner Kornspeicher“ bedeutet, zurückführbar zu sein.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Grengiols

      Gruss,

      t.

    3. Guggeere Says:

      Gring hat ganz bestimmt nichts mit dem Namen irgendeines Dorfes zu tun. Die Berner machen nämlich gewohnheitsmässig aus vielen nd-Lautkombinationen ein -ng: Hund, finden, geschwind werden in Bern zu Hung, finge, gschwing. Und in der nichtbernischen Deutschschweiz (wo immerhin ca. 90% aller alemannischen Schweizer leben) heisst diese Kugel am oberen Ende des Halses Grind.
      Ich habe mal folgende Erklärung gehört, weiss aber natürlich auch nicht, ob sie stimmt: Grind sei einfach ein altes Wort für Geschwür (nicht nur für Schorf, wies der Duden sagt). Und dass jemand das edle Haupt eines Mitmenschen im Zorn als hässliches Geschwür bezeichnet, kommt auch heute noch vor.

    4. rca Says:

      Also fürs richtig finnische Schriftbild fehlt dem Schweizerdeutschen die Vokalharmonie (talo -> talossa aber lähtö -> lähdössä). In den Suffixen der Fälle werden an Wörter mit a/o/u-Silben z.B. zu -ssa/-lla/-lta usw. angehängt, bei ä/ö/y-Wörtern aber z.B. -ssä/-llä/-ltä usw.

      Aber Vorsicht bei Komposita, da hats in den ersten Silben durchaus manchmal a/o/u obwohl wegen des zweiten Worts dann auf -ssä/-llä/-ltä usw. umgeschaltet werden muss (z.B. yhtenäisyydenkatu -> yhtenäisyydenkadulla. Wegen dem letzten Wort katu -> kadun -> kadulla haben die yy keinen Einfluss.

      Gibts auch im Türkischen 🙂

    5. trobadora Says:

      Interessant, die Lautverschiebung von -nd zu -ng bzw. -nk gibt’s auch im Kölnishcen / Rheinischen (wie man ua. bei Beikircher lernen kann): „dr Honk“ für „der Hund“.