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Woher kommt der Schweizer Bergführer namens Jochen?

Gastbeitrag vom Blogwiese-Leser Phipu:

Vor einiger Zeit war ich auf einer Schneeschuhtour. Da war ein Bergführer dabei, der Berner Oberländer Dialekt mit nach meinem Gehör gewissen Unreinheiten – die ich aber nicht einordnen konnte – sprach. Die mit bernnahen Sprachen nicht so sehr vertrauten Zürcher Gruppenteilnehmer fragten ihn dann mal, woher er denn überhaupt komme. Darauf gab er die geheimnisvolle Antwort, wir sollen mal raten, woher er komme, das fänden jeweils die wenigsten heraus. Meine Antwort war sinngemäss: „Einzig anhand deines Vornamens Jochen tippe ich auf Deutschland„. Das war dann auch richtig. Voilà, das Ratespiel war anhand des Vornamens nach 15 Sekunden vorbei. Hätte ich mich auf den Dialekt abstützen müssen, hätte ich nebst dem Berner Oberland wirklich nicht sagen können, was da noch mitmischt.

Die gesamte Lösung war folgende: Er war aus Süddeutschland (also immerhin mit Alemannenbonus), hatte mehrere Jahre als Hüttenwart auf einer Bündner SAC-Hütte gearbeitet, hatte darauf in Grindelwald (eben, Berner Oberland) die Bergführerausbildung gemacht, und hat heute eine Grindelwaldnerin zur Freundin.

Es gibt sie also doch, die durch Immersion den entsprechenden Dialekt fast perfekt lernen, und denen man nicht von vornherein entmutigend sagt, sie sollen es bleiben lassen, das töne sowieso furchtbar. Vom anderen Bergführer erfuhr ich später, dass dieser Jochen innert drei Jahren Dialekt gelernt habe.

Fazit 1: Nur nicht entmutigen lassen. Man kann sogar Dialekt sprechen lernen.
Fazit 2: An alle künftigen Eltern: Durchkreuzt die zukünftigen Assimilationspläne eurer Kinder nicht, indem ihr sie allzu regional Ulf, Urs, Annebäbi, oder Anke tauft, dann doch lieber fantasielos und global Kevin oder Jessica. So wird das Herkunftsraten etwas spannender und beruht wirklich nur auf den Sprachfähigkeiten.

Also dann, bis sonst wieder mal,
Liebe Grüsse, Phipu



10 Responses to “Woher kommt der Schweizer Bergführer namens Jochen?”

  1. Archer Says:

    Die komplette Assimilation kann man nur durch Vermehrung Und Verpaarung erreichen. Einheiraten, die Kinder komplett in Hochdeutsch großziehen und dann als Sozialexperiment abwarten, was passiert.

    Irgendwie deucht es mich, dass man sich gerne auf die sozialadäquaten und wenig in Diskriminierungsverdacht stehenden Probleme stürzt.

    Man stelle sich vor, was das für eine Gesellschaft wäre. Die Schweiz, durchsetzt von Deutschen Secondos. Der Alptraum eines jeden Vielvölkerstaats. Der Niedergang der Kultur und der westlichen Zivilisation.

    Und, Zürcher: Dann sprechen die Tram-Schaffner nicht mehr Schwäbisch oder Sächsisch in 20 Jahren. Der Feind ist mitten unter Euch. Er ist IN Euch. Naja, „in“ euren Frauen. Mal gewesen. Sozusagen eine Annektion „auf die stille Art und Weise“.

  2. helveticus Says:

    Archer
    Dein Pfeil soll die Zuericher(in) da treffen wo es richtig weh tut.

    Schweinzer fahren deutsche Autos, kaufen deutsche Discounter und Baumärkte leer, werden von deutschen Professoren erzogen, von deutschen Car und Tramfahrer chauffiert, von deutschen Aertzten kuriert, von deutschen Krankenschwestern hofiert, von deutschen Chefs geführt, vom deutschen Bergführer (ver)führt etc… Sind sind bis in letzten Winkel vorgedrungen. Es ist zu Herzerweichen. Die kulturelle Eigenständigkeit ist perdu.
    Und dann kommt dieser Archer und will mit seinem langen Pfeil und seinem Genmaterial auch noch die letzte Bastion „Das schwizer maidschi “ (Im Sturm) erobern.
    Es wird nichts bleiben, was uns einmal an die Schweinz erinnen könnte.
    gruss helveticus

  3. Marroni Says:

    @Phipu. Schön, dass es Dich noch gibt. Ja ja, das mit den Dialekten. Meine herzallerliebste „Heike“, stammt aus dem Schwarzwald, HAARSCHARF an der Grenze gelegen. Sie wird dann jeweils gefragt, aus welchem Kanton sie denn komme, wobei, wenn die Leute dann den Vornamen hören….
    Unser gemeinsames Produkt, Gian Andrea Soldan, in 3 Tagen schon 5 Wochen alt, ist ein lebendiger (ge)Zeug(t)e(r) der neuen schweizerisch – deutschen Freundschaft…wobei, die von drüben an der Grenze ( frischgebackene Grosseltern ) finden den Namen nicht so lustig WIE schreibt man das?? Häää??? WIE spricht man das aus?? Häää?? Ist halt ein Bündner Name( „Graubündner Name)
    @archer hää?? Tram-Schaffner?? Hochdeutsch-Helvetismus?? Etwa wie“ Strassenbahn – Chauffeur? „ Schofför“ Ich wollte mal in München ein Billet ( FAHRSCHEIN) lösen, doch auf dem Perron (Trambahsteig) war weit und breit kein Automat zu sehen. Also, ich steig ins nächste Tram ( Strassenbahn) und will einen „ Einzelfahrschein“ lösen. verzweifelt suchte ich die Taste..GIBTS NICHT!! Ich fragte einen Passagier ( MITFAHRER), der sagte „ Den müssen Sie vorne beim FÜHRER lösen“ AHA!! Der Kerl fährt unterdessen in München Tram. Also, bitte nicht Tramführer. Fahrer würd noch knapp durchgehen. Auch Trampilot. Chauffeur oder euse, so ists üblich. Grins

  4. André Says:

    > Es gibt sie also doch, die durch Immersion den entsprechenden Dialekt fast perfekt lernen, und denen man nicht von vornherein entmutigend sagt, sie sollen es bleiben lassen, das töne sowieso furchtbar.

    Und nicht nur das. Ich kenne einen niedersächsischen Linguisten, der langezeit in Zürich lebte, dort sich den Dialekt bis zur Perfektion aneignete und dann eine Kuzgrammatik des Züridüütschen schrieb, die sich nun in vielen Bibliotheken in der Linguistikabteilung finden lässt:

    http://www.goodreads.com/book/show/4291671.Swiss_German_The_Modern_Alemannic_Vernacular_in_and_around_Zurich

    Laut einem (anderen) schweizer Linguistikprofessor, der hier in Leipzig unterrichtet, kann man bei Johannes nicht raushören, dass er kein Schweizer wäre.

    Respekt!

  5. Guggeere Says:

    Ich arbeitete mal mit jemandem zusammen, der ganz unauffällig die für jenes Dorf typische Schweizer Mundart sprach, aber beim näheren Hinhören mit einem leichten Akzent, den ich in der Nähe von Basel vermutete. Darauf angesprochen, sagte die Person, sie sei in Ostdeutschland aufgewachsen, im Alter von ca. 20 geflohen und nach ein paar Umwegen hier gelandet. Der Akzent kam also mitnichten aus Basel, sondern war ein kleiner ostdeutscher Rest. Lustig war es allerdings, wenn jene Person etwas vorlas oder mit jemandem Standarddeutsch sprach: Da war man dann akustisch sofort in der damaligen DDR und nicht mehr bei den Alpenalemannen.

    Vermutlich kennt jeder ein solches Beispiel von perfekter sprachlicher Assimilation. Ich finde aber, das solle nicht DER Massstab für Einwanderer sein. Erstens sind nun mal nicht alle Menschen gleichermassen sprachbegabt, zweitens reichts, wenn man nach und nach die Mundart versteht und man selber verstanden wird, und drittens beschäftigt man sich im täglichen Leben ab und zu auch noch mit anderen Dingen.

  6. rca Says:

    Findet wirklich eine Mehrheit der Schweizer, dass es schrecklich klingt, wenn ein Deutscher sich am Dialekt versucht?

    Finde ich gar nicht. Klar hat nicht jeder das gleiche Sprachgefühl und nicht alle werden so schnell akzentfrei, aber ich finde es einen riesigen Respektbeweis, wenn es eine/r überhaupt versucht.

  7. pfuus Says:

    Diesen Millionen von Schweizern höre ich immer ganz gerne zu, wenn sie sich in Standardsprache(Hochdeutsch) artikulieren müssen.
    Das Spektrum reicht von hühnerhafter Unruhe bis zur absoluten Schläfrigkeit.

    Man denke nur an die Anstrengung ,die ein CH SchauspielschülerIn aufbringen muss, um auf der Bühne bestehen zu können.
    Wenn der übliche Direktsprung nach Hollywood nicht gelingt, muss halt auch der CH-ler, an seiner Aussprache arbeiten, dass er ausserhalb des Heimatfilms ertragbar ist.

    Es ist auch immer wieder interessant zu beobachten, dass CH- ler bei komplexeren Inhalten immer wieder auf „Standarddeutsche“ Versatzstücke zurückgreifen, weil die 3 Dialekt-Herzensworte halt nicht mehr ausreichen.
    Zu beobachten in Talkshows, Radio sowie im Parlament( wenn man mal Ausschnitte zu sehen bekommt)

    Ja, es klingt zuweilen lächerlich!

  8. pfuus Says:

    @zürcher

    Der Stoehlker hat es Ihnen angetan, was?
    Er ist ja auch der Prototyp einer gelungenen 40 jährigen Sprachintegration, die bei CH-lern so beliebte Mischung(Wir in der Schwiiz).

    Sieht man aber von der erfolgsheischenden Art und seinem unsäglichen Sound einmal ab, kann ihm doch ein entspannter Umgang mit der deutschen Sprache und ein reichhaltiges Vokabular attestiert werden.( Anders als bspw. sein Talk(Talg)genosse R. Liebi etc.)

    Hört man beispielsweise dem von Ihnen häufig erwähnten H.Schmidt zu, haben Dialektpirouetten etwas zementschweres.

    Tatsache ist, dass die „Rückbesinnung“ auf „Schwiizerdüütsch“, bzw. Erhebung der Schweizer Mundart als eigenständige Sprache, 2 Funktionen erfüllt:

    1. Wahrung der Identität durch Abgrenzung( Angst, sprachlich geschluckt zu werden.)

    2. Aufwertung des Selbstbewusstseins( Die Dtschen können meine „Sprache“ nicht sprechen)

    Tja, das Dilemma von: “ Deutsche Sprache schwere Sprache,man sagt Gaul und schreibt Pferd…“

  9. pfuus Says:

    @ Zürcher

    Der Kachelmann ist quasi 5 min von der CH Grenze entfernt, in einem dem Baseldeutschen sehr ähnlich klingenden Dialektumfeld aufgewachsen-kein Wunder also!

    Apropos Rückbesinnung, in einer herrenlosen, im Zug liegenden NZZ stiess ich auf eine halbseitige Werbung des NZZ Libro.
    Wer wirbt denn da in armenischen Schriftzeichen, dachte ich zuerst, dann las ich:

    E Muetersprooch cha noodisnoo verlottere
    und verloore go. Ooni öppis z merke,
    passed mer üüs all mee em Hoochtüütschen
    aa und verlüüred eso all mee vom ene
    riiche, aalte Sproochschatz. (Accent grave über den o gibts auf meinem Comp nicht)

    Ah, Zürichdeutsches Wörterbuch, 2. Auflage. Die Ängste dachte ich, legte die Zeitung weg und döste so vor mich hin.

    Etwa zeitgleich fuhr der Zug im nächsten Bhf. ein und mein Abteil betraten zwei Herren, die sich unmittelbar hinter mich setzten.

    Morgen wird die NZZ wohl ganzseitig werben.

    Der Maximilian Schell, ja ok, obwohl er ja heutzutage eher die Rollen grapschender Graf sucht junges Reh, oder HuiBuh das Schlossgespenst ,. in abgetakelten TV Serien spielt.Was ist er denn eigentlich, Schweizer oder Österreicher?

    Sofia Milos beherrscht auf jeden Fall die Körpersprache , sonst hätte sie in Hollywood auch keine Chance gehabt. CSI Miami etc. würde ich übrigens mit guter Schauspielerei nicht unbedingt in Verbindung bringen.

    „..wieso Thoitsche nicht eben diese unsere Sprache perfekt beherrschen sollen.“

    Die Menschen sind eben verschieden und unterschiedlich begabt, was dem Einen gelingt ,macht dem Anderen Mühe.

    Zum Vergleich ein gängiges Vorurteil:“ Alle Afrikaner haben Rhythmus im Blut und sind daher rhythmisch begabt“
    Die Chance, dass dem so ist, ist natürlich ungleich viel grösser als bei der mitteleuropäischen Bevölkerung, aber deshalb von „Alle“ zu sprechen ist Unsinn.
    Mit Sprachen verhält es sich ebenso.
    Wenn es Schweizern ( ich rede nicht von den Ausnahmen) gelingt Hochdeutsch ohne Färbung zu sprechen, können sie von Deutschen natürlich einen solchen Lernprozess in Bezug auf ihren Dialekt ebenso erwarten.

  10. Peter Says:

    Habe heute im SF eine aus D eingewanderte Hstorikerin mit einer wunderschönen Mischung zwischen Hoch- und Berndeutsch gehört. Mein Hobbylinguistenherz hüpfte.
    Ich hatte mal einen Chef der sprach ganz ähnlich wie Stoehlker, trotzdem wirkte das bei dem Chef viel weicher und sympathischer als bei Stoehlker. Der Tonfall ist absolut entscheidend, wie ein Akzent auf mich wirkt.