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Morgenessen oder Frühstück — Wie Dürrenmatt diese Streitfrage löste

(reload vom 1.6.06)

  • Was klassisches Latein ist
  • Hugo Loetscher schrieb in seinem wunderbaren Büchlein „Der Waschküchenschlüssel oder: Was wenn Gott Schweizer wäre“ (Diogenes ´83) über Friedrich Dürrenmatts Stück „Romulus der Grosse“:

    Bei den Proben zu „Romulus der Große“ verlangte in einer Szene der römische Kaiser das „Morgenessen„. Der Darsteller des Romulus wand sich: Sicher ein großartiges Stück, aber „Morgenessen“ ist nun einmal nicht deutsch, das heißt „Frühstück„. Wütend setzte sich Dürrenmatt hin und schrieb die Szene um. Nach wie vor verlangt Romulus das „Morgenessen„. Der Zeremonienmeister korrigiert: Exzellenz, es heißt Frühstück. Da erklärt Romulus der Große: „Was klassisches Latein ist in diesem Haus, bestimme ich.

    Der Text stammt von 1983. Heute sind wir da ein Stückchen weiter. Wir haben das Variantenwörterbuch aus dem DeGruyter Verlag vor uns liegen und wissen, dass das „Morgenessen“ in Wirklichkeit die Schweizer Variante vom „Frühstück“ ist. Das Morgenessen ist im Übrigen bei Google-CH 62’600 Mal vertreten, bei Google-DE nur klägliche 5230 Mal

  • Viermal Essen macht tüchtig satt
  • Im herkömmlichen Duden hat das „Morgenessen“ noch keinen Eintrag erhalten. Dennoch würde es in Deutschland jeder verstehen. Wer das „Abendessen“ kennt, kann sich unter einem „Nachtessen“ etwas vorstellen. Dann schläft er ein paar Stunden und freut sich auf das „Morgenessen“. Später geht es weiter mit dem traditionellen „Mittagessen“. Haben Sie mitgezählt? Das waren vier lange und vollständige Essen, über den Tag verteilt in Deutschland. Denn das Land ist gross und hat Platz für lange Wörter. Wörter zum Essen erst recht. Selbst eine Stadt im Ruhrgebiet wurde in Deutschland schon danach benannt, so wichtig ist den Deutschen diese Tätigkeit.

  • Kürzer aber dafür öfter in der Schweiz
  • In der Schweiz wird auch den ganzen Tag über gegessen, nur nicht immer solche langen Wörter. Hier wird aus Platz- oder Zeitnot gern verkürzt zum „Zmorge“ in aller Herrgottsfrühe, danach einem „Znüni“ um 10:00 Uhr, bis schliesslich um die 12:00 Uhr das „Zmittag“ naht. Am Nachmittag geht es weiter mit dem „Zvieri“, wie der Name schon sagt um 15:00 Uhr, und kaum geht die Sonne unter und legen sich die Hühner schlafen, wird schon an das „Znacht“ gedacht.

    Wer jetzt gut aufgepasst hat wird festgestellt haben, dass das eine Mahlzeit mehr im Tagesablauf war. Fünf kleine Mahlzeiten sind besser als vier grosse Essen, sagen sich die Schweizer und bleiben gesund.
    Heu und Stroh beim Buurezmorge
    (Foto: Buurezmorge bei der SVP. Motto: „Heu und Stroh macht uns auch zum Zmorge froh“)

    Wer immer noch Hunger hat, der variiert einfach mit einem „Buräzmorgä“ oder „Buurezmorgä“ mit Burebrot, Bure-Fleischkäse, Bure-Metzgete, Burespeck oder Bureschüblig, einer

    „leicht geräucherte(n) Wurst aus magerem Kuh- oder Bullenfleisch, meist gekocht gegessen“
    (Zitat Schweizer Wörterbuch S.78),

    die es sogar in den Roman „Stiller“ von Max Frisch schaffte.

  • Doch keine Kapholländer
  • Mit den „Weissafrikanern“ oder „Kapholländern“ haben in der Schweiz die Buren nur die Herkunft ihres bäuerlichen Namen gemein:

    Als Buren (Afrikaner, Afrikaander, Kapholländer oder Weißafrikaner) werden etwa seit Ende des 18. Jahrhunderts die teilweise Afrikaans sprechenden europäischen Einwohner Südafrikas und Namibias bezeichnet. Die Bezeichnung Buren leitet sich vom niederländischen Wort boer für Bauer her
    (Quelle: Wikipedia)

    

    13 Responses to “Morgenessen oder Frühstück — Wie Dürrenmatt diese Streitfrage löste”

    1. helveticus Says:

      Das ganze Bauern Gemähe Gehähe gehört in die Rubrig „romantische Verklärung der Zustände“.
      Back to the roots, (für Nord-West Schweizer: zurück zu den Ruten der Verdingkinder) ist angesagter den je. Die Glorifizierung des Bauernstandes ist hubbub.(für Nord-West Schweizer: hochgehoben Junge)
      Hier, im Arbeiter und Bauernstaat, ist der rückwärts gerichtete Blick common sense (für Nord- West Schweizer: komm auf die Sense).
      Gruss helveticus

    2. Raphael Says:

      Bettmümpfeli ist die sechste Mahlzeit der Schweizer, wobei diese, trotz des längsten Namens aller Mahlzeiten, die kleinste von allen ist.

    3. croco Says:

      Die Schweizer Verwandtschaft kennt noch den Apero. Aber da weiß man nie, was es zu essen gibt. Jedenfalls keinen Apertitiv zu trinken, das ist sicher.

    4. Yolke Says:

      Das Apéro ist sogar sehr wichtig. Und einen Aperitif gibt’s sehr wohl häufig auch. http://de.wikipedia.org/wiki/Aperitif

    5. Andy Says:

      Der Znüni ist um 9 Uhr (es ‚Nüni‘ ist eine Neun) und ist den Handwerkern vorbehalten, welche um 7 Uhr ihre Arbeit beginnen.
      Das Frühstückchen um 10:00 Uhr, welches die Schweizer nur aus der Knopperswerbung kennen, ist um 9.

      Bürogummis, die um 8 oder 9 Uhr zu arbeiten beginnen, haben kein Recht auf Znüni 🙂

      Der Zvieri ist um Vier (z’Vieri?) und ist nicht-Handwerkern, die zwischen 4 und halb 5 Feierabend haben (eigentlich sogar den jüngeren, noch nicht berufstätigen) vorbehalten.

    6. Franzl Lang Says:

      Besonders am Zürcher mag ich, dass er die Fähigkeit besitzt, auch entgegen anderslautender Fakten beharrlich zu seinen Ideen zu stehen. Wären doch alle so!

    7. helveticus Says:

      „Besonders am Zürcher mag ich, dass er die Fähigkeit besitzt, auch entgegen anderslautender Fakten beharrlich zu seinen Ideen zu stehen. Wären doch alle so!“

      Nun Franzel, er ist halt Deutsch.
      Er (be) har, har (t) immer auf seinem Standpunkt und glaubt auch noch, dass es der Richtige sei. Ein unverbesserlicher Ossi.

    8. Franzl Lang Says:

      @Zürcher

      Leider ja, wenn ich meine Kollegen und Arbeitskollegen einlade, fängt die Nacht um 18 Uhr an, weil „die münd alli ufs letzschti Tram!“

    9. Franzl Lang Says:

      Ja, mir ist schon bewusst dass ich da eine Steilvorlage geliefert hab. 🙂

      Mir fällt jetzt grad zwar auch kein witziger Konter ein, aber ich hab trotzdem recht.

    10. Guggeere Says:

      Weshalb in der Eidgenossenschaft „Bauern“ fast immer und überall als „Buure“ o.Ä. transkribiert wird und alle behaupten, das sei Deutschschweizer Mundart, ist mir seit Langem ein Rätsel. In fast allen Dialekten spricht man „Puur“ mit einem eindeutigen phonetischen „P“ aus. Zum Beispiel in der Migros oder im Coop, wo es „St.Galler Bürli“ (knusprige Brötchen aus Bauernbrotteig) zu kaufen gibt: Keinem St.Galler käme dieses Wort jemals mit einem „B“ über die Lippen.
      Woher kommt das wohl: keine Ahnung von Dialekt, keine Ahnung vom Schreiben oder einfach eine dämliche Schreibkonvention („Ich schreibe es so, weil es alle so schreiben.“) unter Einfluss der Duden-Orthografie?
      Und ich wette, dass vor allem die SVP-„Buuräzmörgeler“ zum grössten Teil Leute sind, die niemals ein SMS auf Standarddeutsch verfassen würden und jedem, der mit ihnen Standarddeutsch spricht, auf Dialekt antworten.

    11. Franzl Lang Says:

      Ja ne, is klar.

    12. pfuus Says:

      Tatsachen:

      Am biometrische Schwyzerpass
      hän Zircher iberhaupt kai Spass.
      Will deert, wo sunscht e Foti stoht,
      kriege die e ybaute Echolot.
      So gsesch am Zoll, wenn ain duregoht,
      wo’s Hirni ufheert und d’Schnure aafoot. (D Wanderratte)

    13. Marcia Pankey Says:

      Ja ja, der gute alte Dürrematt